Traktat: "Universal" sagen Sie?: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 28. Juni 2016, 07:57 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Traktate 40: Sagten Sie "universal"?
von Julian Rees
Stellungnahme von Julian Rees, Mitglied der Vereinigten Großloge von England (UGLE) und ehemaliger Redakteurs ihrer Zeitschrift, vorgetragen am 05.04.2008 bei einer geschlossenen "Weißen Arbeit" des Grand Orient de France. Der Autor nahm an dieser Arbeit teil mit der Zustimmung seines Obödienz.
Julien Rees erlaubte Peter Bu, diese Stellungnahme unter Angabe seines Namens frei zu veröffentlichen.
Ehrwürdiger großer Kommandeur, meine Schwestern und Brüder,
ich möchte Dir danken, werter Bruder Alain, dass Du mir die Gelegenheit gegeben hast, zu dieser Versammlung zu sprechen, und in der Hoffnung, dass das zur weiteren Festigung des Bandes von Würde und Zuneigung führt.
Die Freimaurerei hat für viele Maurer vielerlei Bedeutung, aber die Hauptaufgabe der Maurerei, so schient es mir, ist die in der hermetischen Philosophie zusammengefasste Idee der Dualität des Universums. Die elementarste Darstellung findet sie in der Form unseres Tempels: ein zweifacher Kubus, einer als Symbol des menschlichen Standes, der andere ein Symbol der Kraft jenseits der materiellen Welt – kann auch als „Ewigkeit“ bezeichnet werden. Also, wie wir alle wissen deutet Hermes Trismegistos in der Aufschrift auf der Smaragdtafel hin auf das Siehe, das Oberste kommt vom Untersten, und das Unterste vom Obersten; ein Werk der Wunder von einem Einzigen.1, oder den vereinigten Makrokosmos und Mikrokosmos.
Bei meiner freimaurerischen Einweihung waren meine Augen verbunden, damit ich meine Aufmerksamkeit von dem mir vertrauten materiellen Mikrokosmos abwende und den Geist zu meiner immateriellen, geistigen Seite, dem Makrokosmos zuwende, so dass ich zumindest für einen kurzen Moment die Macht der Einheit verspüre. Und später auf meinem freimaurerischen Weg begann ich die Entstehung dieser Macht der Einheit zu verstehen, und dass diese Macht alle meine Brüder umschließt, eine Gruppe, in deren Kette nun auch ich ein Glied bin. Deshalb wird die Einheit zum sine qua non meines freimaurerischen Daseins.
Im England des 18. Jh., als die Religionen und die Politik eng verbunden waren, wurden die Katholiken als Jakobiner, Stuarts bezeichnet, und die oppositionellen Aufständischen, die gegen die Hannoveraner revoltierten, einer Monarchie und Regierung der protestantischen Stuarts Gegner. So kam es zum Verbot von Diskussionen über Religion und Politik in den Maurerlogen, nicht zuletzt auch deshalb, um dem Verdacht vorzubeugen, dass die Logen von den Nichteingeweihten als aufrührerische Elemente der Gesellschaft wahrgenommen werden. Solche Einstellung hat die eiserne Einheit unter den Maurern gestärkt, weil die Freimaurerei so zu dem einzigartigen Ort wurde, an dem sich die gutwilligen Männer auch trotz möglicher gegensätzlicher Ansichten in dem festen, strahlenden Beispiel der Einigkeit einig sein konnten.
Wie abartig, dass drei Jahrhunderte später in der globalen freimaurerischen Kommunität so viel Zwiespalt herrscht! Verschiedene Obedienzen mit verschiedenen Formen der alten Kunst existieren parallel zueinander, einige im Einklang, andere im Zwist. Das extremste Beispiel dieser Uneinigkeit, das mir einfällt, illustriert die Existenz von zwei männlichen Maurersystemen in Nordamerikanischen Ländern – die sog. „zentrale” Grand Lodge, meistens von weißen Maurern bewohnt, und neben ihr die Prince Hall Grand Lodge, fast ausschließlich von afroamerikanischen Maurern bewohnt. Ich sage „extremes Beispiel”, obwohl diese zwei Systeme in den letzten zwanzig Jahren zum Glück angefangen haben, sich in den meisten, wenn auch nicht in allen Teilen der Staaten anzuerkennen. Dass in einigen südlichen Staaten der sog. „zentralen” Grand Lodge die Kollegen von Prince Hall nicht anerkannt werden, ist ein lebender Skandal. Diese Situation halte ich für tief beleidigend und gegen jegliche freimaurerischen Prinzipien, weil dadurch die grundlegende raison-d’être der Maurerei abgestritten wird, nämlich die Einheitlichkeit durch Brüderlichkeit.
Aber auch näher zur Heimat, in Europa, zu dem faktisch, wie ich manchmal meine Freunde ermahnen muss, auch Großbritannien mehr als nur geographisch gehört, wirken die Streitigkeiten negativ auf unsere geistige Suche und sind für uns Maurer wirklich unwürdig.
An der Spitze dieser Unstimmigkeiten steht die scheinbar ewige Debatte hinsichtlich des Großen Architekten. Nicht, dass ich diese Unterschiede als solche verurteilen würde. Schließlich repräsentieren sie wichtige kulturelle Traditionen, die jede Obedienz schätzt und die es zu respektieren heißt. Was ich verurteile ist, dass uns diese Unterschiede hindern, unsere alte Kunst gemeinsam zu feiern. Und mehr als das, es sei mir vergeben, dass ich das sage, unsere führenden Vertreter scheinen manchmal unfähig zu sein, den Willen zur Überwindung dieser Unterschiede zu finden. Bei einigen Obedienzen scheint der Dialog mit denjenigen, die andere Prinzipien als sie achten, nicht auf dem ersten Platz der Tagesordnung zu sein.
Was die Debatte über den Großen Architekten betrifft, kann ich mich erinnern, dass vor ein paar Jahren der Internationale gemischte Maurerorden Le Droit Humain ein Seminar nahe London veranstaltete und das Hauptthema der Diskussion war: Unser Orden arbeitet für den Großen Architekten und/oder für die Vollkommenheit der Menschheit. Sind diese zwei Aspekte verschieden oder sind es zwei verschiedene Wege zum Erreichen desselben Ziels?
„Wir arbeiten zum Lob des Großen Architekten auf einer Seite oder zur Vollkommenheit der Menschheit auf der anderen Seite?” Die meisten von meinen Maurerbrüdern, denen ich diese Frage stellte, antworteten: „Das ist dasselbe!” Für mich ist diese Diskussion die Zusammenfassung des Wesentlichen.
Ich möchte gerne den Schlüsselaspekt mit Ihnen teilen. Bei dem Emulation-Ritual trägt der Meister bei der Einweihung in die erste Stufe das Gebet für den Suchenden vor, in dem er den Segen seiner Initiation von dem Großen Architekten verlangt. Ein Teil des Gebets ist eine Aufforderung an den Großen Architekten:
Schenke ihm (dem Suchenden) die Fähigkeit, Deine göttliche Weisheit zu verstehen, sodass er, durch die Geheimnisse unserer Maurerkunst unterstützt, besser fähig ist, die Schönheiten der wahren Frömmigkeit zu offenbaren.
Nun ist jedem vollkommen klar, ob Maurer oder nicht, dass der Aspirant nur einen Platz hat, von wo er die wahre Frömmigkeit offenbaren, enthüllen oder zeigen kann, und das von seinem Inneren. Was wir hier verstehen, ist die Bekräftigung seiner eigenen Gottheit, seines eigenen ewigen Funken, des inneren Lichts, des menschlichen Geistes – wie sonst soll ich es noch nennen, um es klarer zu machen? Es handelt sich nicht um die Frömmigkeit in jedwedem religiösen Sinne des Wortes. Es ist der menschliche Geist, sein immaterieller Teil, der durch die Freimaurerei besonders verfestigt und in den Alltag des Menschen gebracht werden kann.
Werte Zuhörer, Sie werden sich wahrscheinlich wundern, warum ich das Thema Frauen, Männer, Annäherung noch nicht erwähnt habe. Aber die Antwort ist einfach: die Annäherung ist das Herz dessen, was wir machen oder machen sollten. Und genauso wie ich über das Scheitern einiger weißer Maurer in Amerika und ihre Nichtanerkennung der schwarzen Brüder verärgert bin, genauso sollten wir die erweiterte Verweigerung des Zutritts von Frauen zu unserer alten Kunst beanstanden. Solche ein Ausschluss, zweifellos durch gesellschaftliche Konventionen begründet, die am Anfang des 18. Jh. herrschten, Konventionen, in denen Frauen nicht als vollberechtigte Bürger angenommen wurden, sondern als ein Gegenstand des Willens und der Regel von Männern, und die heute weder relevant, noch gültig sind. In einer Welt, in der sich die Frau für die Funktion des Präsidenten der Französischen Republik oder des Premierministers von Großbritannien bewerben darf, ist die Überzeugung, dass das Geschlecht darüber entscheidet, wer meine Loge besuchen darf und wer nicht, einfach pervers.
In meinem Land ist die United Grand Lodge of England, zu der der wesentliche Großteil der Maurer zählt, eine ausschließlich männliche Obedienz. Am Anfang des 20. Jh., fast genau vor hundert Jahren, ist die gemischte Freimaurerei aus Frankreich nach England durchdrungen. Es ist ein sehr trauriger Fakt, dass die einzigen zwei Frauengroßlogen in meinem Land aus dem Schisma mit dem ursprünglichen Körper der gemischten Maurerei entstanden sind. Diese zwei Großlogen sind ausschließlich weiblich, wobei sie keine Männer zu ihren Treffen zulassen, aber wir müssen uns selbst fragen: kopieren sie in Wirklichkeit nicht die Ausschließlichkeit, die früher von ihren männlichen Gegnern ihnen gegenüber angewendet wurde und die zur Entstehung von Le Droit Humain (Menschliches Recht) geführt hat? Der befreite Sklave neigt dazu, die Zwangstaktiken des ehemaligen Sklavenhalters zu kopieren. In meinem Land bietet deshalb der Internationale gemischte Maurerorden Menschenrecht den einzigen Weg, die wahre Annäherung der Geschlechter zu erreichen.
Hier muss ich zur Frage der Maurerei nach Geschlechtern noch hinzufügen, dass unsere führenden Vertreter traurigerweise mangelndes Vorstellungsvermögen in den Verhandlungen über diese Frage bewiesen haben. Wenn kürzlich ein führender Würdenträger gefragt wurde, warum die United Grand Lodge of England keine weiblichen Maurer zulässt, hat er – als seine persönliche Meinung – die Ansicht geäußert, dass Frauen keine Maurer werden können, weil das Quadrat, das Grundelement der Freimaurerei, ein männliches Symbol sei, während ein entsprechendes weibliches Symbol ein Kreis sei! Man kann sich über eine solche Absurdität nur erstaunt wundern.
Ich bin mir bewusst, dass das, was ich gesagt habe, als übertriebene Kritik meiner eigenen Großloge aussehen mag. Aber an der englischen Maurerei gibt es Vieles zu bewundern. Wenn Sie unter die Oberfläche der englischen Loge durchdringen, stellen Sie fest, dass Sie vieles, viele fundamentalen Werte unserer alten Kunst erfahren können.
Und es gibt keine Zweifel, dass die Freimaurerei in allen Teilen der Welt heute sehr unterschiedlich von dem ist, wie sie vor dreißig oder mehreren Jahren war. Ich glaube, dass wir uns unserer geistigen und kulturellen Werte viel besser bewusst sind; wir haben Möglichkeiten, um unsere alte Kunst zugunsten der Menschheit zu entwickeln, zu gehen und der Welt zu zeigen, wie die wahre Güte und Harmonie anzuwenden ist, um den Wohlstand der Menschheit zu steigern. Das erreichen wir aber nicht durch Stagnation, starre Ansichten oder Scheitern im Verstehen der Prinzipien derjenigen, die mit uns nicht einverstanden sind. Wir erreichen es durch Zuhören, mehr als nur mit den Ohren, wir erreichen es, wenn wir uns von unnötigen, veralteten Doktrinen befreien und unsere Herzen öffnen, wir erreichen es durch gemeinsame Arbeit und Annäherung, die die Freimaurerei von uns fordert, von uns allen gemeinsam, vereint im Geiste, die unsterblichen Worte von Anderson dabei nicht vergessend:
Aber obgleich in alten Zeiten die Maurer verpflichtet waren, in jedem Lande von der jeweiligen Religion des Landes oder der Nation zu sein, so hält man doch jetzt für ratsam, sie bloß zu der Religion zu verpflichten, in welcher alle Menschen übereinstimmen und jedem seine besondere Meinung zu lassen, das heißt, sie sollen gute und wahrhafte Männer sein, Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, durch was für Sekten und Glaubensmeinungen sie auch sonst sich unterscheiden mögen. Hierdurch wird die Maurerei ein Mittelpunkt der Vereinigung und ein Mittel, treue Freundschaft unter Personen zu stiften, welche sonst in ständiger Entfernung voneinander hätten bleiben müssen.
© Julian Rees 2008
- 1 gemäß der Neuübersetzung von Hans Dieter Leuenberger, 2006
Siehe auch
- Weitere Traktate unter Kategorie:Traktate
Links
- Universal, you say? http://www.call-of-bratislava.com/index.php?option=com_content&view=article&id=47Itemid=25&Itemid=11&lang=en