Traktat: Kunst und Königliche Kunst: Unterschied zwischen den Versionen
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Keiner weiß dies genau zu sagen. Genau wie bei der Kunst. | Keiner weiß dies genau zu sagen. Genau wie bei der Kunst. | ||
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Deshalb ist der Freimaurer sowohl Teil eines Gesamtkunstwerks, als auch ein | Deshalb ist der Freimaurer sowohl Teil eines Gesamtkunstwerks, als auch ein | ||
Künstler, der an diesem Kunstwerk arbeitet. | Künstler, der an diesem Kunstwerk arbeitet. | ||
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Aktuelle Version vom 24. Mai 2014, 08:49 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Kunst und Königliche Kunst
Ich möchte hier darlegen, dass und warum die Freimaurerei eine Disziplin der Kunst ist. Und dass sich diese Teilhabe an der Kunst nicht auf die „Säule der Schönheit“ beschränkt.
Schönheit ist schwer zu greifen und das Schönheitsideal stets einem Wandel unterworfen und vom jeweiligen Kulturkreis und von der jeweiligen Epoche abhängig.
Schon Albrecht Dürer schrieb, „Was die Schönheit sei, das weiß ich nicht“.
Vielmehr geht es in der Freimaurerei um Kategorien der Ästhetik. Ästhetik ist eben nicht die geschmackvolle Dekoration oder die hübsche Form, wie uns die Werbung glauben machen möchte, sondern in seiner ursprünglichen Bedeutung etwas ganz anderes: nämlich Wahrnehmung!
Die Ästhesie ist das Empfindungsvermögen und der Ästhet ist der Wahrnehmende. Eines der grundlegenden Missverständnisse in Zusammenhang mit der Kunst, ist deren angebliche Aufgabe, Schönheit herzustellen.
Und zwar am besten solcher Art Schönheit, die vertraut ist, die nicht befremdet: den tollen Sonnenuntergang, das hübsche Portrait, den röhrenden Hirsch. Die Natur soll also abgebildet werden, und das bitte schön möglichst realistisch. Dabei ist das ein absoluter Widersinn, denn Kunst ist das Gegenteil von Natur. Wenn etwas nicht natürlich ist, nennt man es künstlich. Wenn ein Stoff in der Natur nicht vorhanden ist, schafft man ihn als Kunst-Stoff. Und dann soll es gerade die Aufgabe der Kunst sein, Natur abzubilden? Warum den Künstler, dessen Aufgabe es ist, noch nicht Vorhandenes zu schaffen, auf etwas verpflichten wollen, was er gar nicht will, nämlich die Imitation von Wirklichkeit?
Ungeachtet der Tatsache, dass die Fotografie längst erfunden ist, ruft das Publikum nach Realismus, der nur darauf aus ist, die Sinne zu täuschen und die Bilder für das zu halten, wovon sie nur Bilder sind. Gerade im Zeitalter der beliebigen Herstellbarkeit scheinbar realistischer Bilder und ihrer Verbreitung in den Medien eine gefährliche Forderung. Schon Platon beklagte die Kunst als Herstellung einer Erscheinung der Erscheinung, die sich von der Realität doppelt entfernt.
An dieser Stelle meiner Ausführungen ist es zum besseren Verständnis unvermeidlich, einen kurzen Rückblick auf die Entstehung des Kunstbegriffs zu machen.
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstand der Begriff der Kunst als sog. „freie Kunst“, wie wir ihn heute kennen! 2 In diese Zeit fällt die Entstehung der Vorstellung, dass sich der Künstler außerhalb der gesellschaftlichen Normen bewegt, genial, aber nicht ernst zu nehmen sei, etwas schafft, was eigentlich keiner wirklich braucht und das man immer als erstes einsparen kann. Für einen Künstler gehört es sich, die Freizeit seiner Mitmenschen zu verschönen, nach dem Essen nicht satt zu sein und bitte schön möglichst früh zu sterben, damit seine Werke im Wert steigen. Diese Vorstellungen führten zu einer zunehmenden Entmündigung der Kunst, deren Rolle man heute am liebsten im kollektiven Freizeitpark sieht, aber bitte ohne Bedeutung.
Dabei fing alles ganz anders an.
Kunst war nie zweckfrei. Man denke nur an die grandiosen Höhlenmalereien, an die Zeugnisse der archaischen Kulturen. Kunst verfolgte immer ein Ziel, wollte immer etwas bewirken. Die mittelalterliche Madonna wurde nicht geschaffen, um die Person der Mutter Jesu möglichst realistisch abzubilden. Nein, es ging darum, ihre Gegenwart inmitten der Gemeinde zu beschwören.
Der Grad von Realismus ist für solche Zwecke völlig unwichtig. Das gilt für das Symbol ebenso wie für die Ikone, in der die Heilige auf mystische Weise präsent ist, egal, wie ähnlich ihr das gemalte Bildnis sieht. Damit ein Bild Wunder tut, muss es nicht einmal besonders gut gemalt sein. Von altersher spricht man von der Magie der Bilder. Magie so verstanden, dass man etwas bewirken will, was noch nicht da ist.
Man stellt mit der Kunst etwas in die Welt, was vorher nicht in dieser Welt war und das etwas in dieser Welt auslösen soll. Und da sind wir wieder bei der Königlichen Kunst.
Um festzustellen, ob die Freimaurerei wirklich eine Disziplin der Kunst ist, möchte ich eine „Dreipunktmessung“ vornehmen.
1. Messpunkt: Ist die Freimaurerei „natürlich oder Wirklichkeit“?
Nein, sie ist künstlich, von Menschen geschaffen. Die Freimaurerei spiegelt nicht die Wirklichkeit im Sinne realer Verhältnisse, sondern strebt ein Ideal an, einen noch nicht vorhandenen, also utopischen Zustand. Der Künstler Otto Piene schrieb einmal, „Ich träume von einer besseren Welt, warum sollte ich von einer schlechteren träumen?“. Und das tun die Freimaurer wohl auch.
2. Messpunkt: welcher Mittel bedient sich die Freimaurerei?
Die Freimaurerei arbeitet interdisziplinär. Sie verwendet das Wort, ist also literarisch. Sie verwendet Symbole, ist also bildnerisch. Sie arbeitet mit Ritualen, ist also dramatisch. Sie verwendet Musik, ist also musikalisch. Sie verwendet 3 architektonische Elemente, ist also skulptural. Die Königliche Kunst ist also eine Kunst, die unterschiedlichste Kunstgattungen in ihren Dienst stellt. Die Tempelarbeiten sind ein multimediales Ereignis, neudeutsch ein Event, bei dem diverse Medien synchron eingesetzt werden.
3. Messpunkt: wie wirkt Freimaurerei?
Keiner weiß dies genau zu sagen. Genau wie bei der Kunst. Aber wir wissen, dass in der Freimaurerei wie in der Kunst Prozesse ausgelöst werden können. Asger Jorn bezeichnet Kunst als eine Energiequelle, „die ihren Inhalt hergibt, ohne sich jemals zu leeren, die ihre Qualitäten in demselben Moment bewahrt, in dem sie ihre Werte ausbreitet. Das Geheimnis liegt darin, dass die befreite Kraft nicht im Kunstwerk zu suchen ist: sie existiert in dem, der es wahrnimmt - der fähig ist es wahrzunehmen.“
Damit sind wir wieder bei der Ästhetik, bei der Wahrnehmung und hier berühren sich Kunst und Freimaurerei. Denn in beiden wohnt eine Kraft, die sich dem erschließt, der bereit ist, sich einzulassen. Es ist eine Wirkung, die sich nicht berechnen, nicht voraussagen und nur schwer beschreiben lässt, die aber zweifellos existiert. Nach dieser „Dreipunktmessung“ kann man sagen, dass die Königliche Kunst durchaus zur Kunst gehört. Zur Kunst in ihrem ursprünglichen Sinn und in dem Sinn, wie man sie in unserer Zeit wieder zu sehen beginnt.
Wenn denn die Freimaurerei als „Königliche Kunst“ Teil der Künste ist, dann ist der Bruder Freimaurer auch ein Künstler.
Nun verstehen sich Freimaurer gemeinhin eher als Intellektuelle, als Philosophen vielleicht und als praktizierende Humanisten, und eben nicht als Künstler oder Mitwirkende an einem künstlerischen Prozess. Und doch sind sie es.
Durch ihre Teilnahme an den Tempelarbeiten, durch ihren Umgang mit Symbolen, Zeichen und Inszenierungen, sind die Freimaurer keine passiven Konsumenten der Königlichen Kunst, sondern selbst aktive Faktoren von ihr. Sie sind Katalysatoren, die das Potential der „Kunst Freimaurerei“ in Wirke-lichkeit, sprich Wirkung umsetzen können.
Wir Brüder träumen, wie Otto Piene, von einer besseren Welt, wir träumen vom Kunstwerk „Tempel der Humanität“. Denn er ist ein Kunstwerk, da er in der Natur nicht vorhanden ist. Und wir sehen nicht von außen auf dieses Ideal, sondern uns selbst mittendrin. Als einzelne Bausteine, ohne die das Ganze nie sein kann.
Deshalb ist der Freimaurer sowohl Teil eines Gesamtkunstwerks, als auch ein Künstler, der an diesem Kunstwerk arbeitet.