Abbé Barruel Teil 2: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. Juni 2014, 18:29 Uhr

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Abbé Barruel Teil 2

Bearbeitung von Roland Müller


Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus (frz. 1797-1798; dt. 1800-1803) Zweyter Theil.

Verschwörung der Sophisten der Rebellion gegen die Könige.

Einleitung

Seiten 1-8

Ich habe in diesem zweyten Theil der Denkwürdigkeiten des Jakobinismus [Jacobinisme] zu zeigen, wie die Sophisten der Gottlosigkeit [l‘impiété], indem sie die Sophisten der Rebellion wurden, zu ihrer Verschwörung gegen die Altäre des Christenthums, eine neue Verschwörung gegen alle Thronen der Fürsten, gesellten. Ich habe zu beweisen, wie nach dem Gelübde Jesum Christ zu vertilgen, eben diese, mit dem Namen der Philosophen belegte, Menschen, auch noch das Gelübde entwarfen, alle Könige zu vertilgen.

Ich habe ferner bemerkt, daß sich mit den Sophisten der Gottlosigkeit, welche die Sophisten der Rebellion geworden, eine Sekte vereinigte, die sich lange schon in den After-Logen [arrières-Loges] der Freymaurerey verborgen hielt, die gegen die Altäre und Thronen gleiche Komplotte schmiedete, und, wie die neuen Philosophen, eben den Schwur im Munde führten, Christum und alle Könige zu vernichten.

Nothwendig zerfällt durch diesen zwiefachen Gegenstand, dieser zweyte Band, in zwey Theile. Der erste wird sich mit Entwickelung des Ursprungs und der Fortschritte dieser Verschwörung der, mit dem Namen der Philosophen belegten, Sophisten, beschäftigen. In dem zweyten werde ich jene Sekte aufdecken, die ich hier mit dem Namen, After-Freymäurer [arrière-Macons] bezeichne, um die eigentlichen Adepten, von einer Menge Brüder zu unterscheiden, die zu ehrlich wären, um zu den Geheimnissen der After-Logen zugelassen zu werden, und zu gottesfürchtig, oder zu gute Staatsbürger und zu getreue Unterthanen, um Theil an ihren Komplotten zu nehmen.

Sobald ich jede von diesen, auf einerley Zweck abzielende, Verschwörungen, besonders abgehandelt habe, werde ich zeigen, wie ihre Adepten sich vereinigten, und sich wechselsweise beystanden, um die Revolution zu bewirken, die in Frankreich die Religion und die Monarchie zertrümmerte, und die Altäre Christi, und den Thron und das Haupt Ludewigs XVI. fällte.

Fest entschlossen, mich nur an Thatsachen zu halten, und mich nie dem Flug der Einbildungskraft zu überlassen, muß ich meinen Lesern hier einige Bemerkungen vorlegen, die leicht zu fassen, aber nöthig sind, um den Gang der Sophisten, in ihrer neuen Verschwörung, gehörig zu verfolgen, und um zu zeigen, durch welche Stufenfolge sie gegangen sind oder wie sie sich vielmehr gewissermaßen, wider ihren Willen, und durch die alleinige Gewalt ihrer Grundsätze, aus ihrer Schule der Gottlosigkeit, zur Schule, zu den Gelübden und zu den Schwüren der Empörung, fortgerissen fanden.

So lange sich, unter Voltairens Auspicien alle diese vorgeblichen Philosophen begnügt hatten, ihre Grundsätze von Freyheit und Gleichheit auf die religiösen Begriffe anzuwenden, und daraus zu folgern, daß der Gott des Evangeliums vertilgt werden müsse, um jedem das Recht zu lassen, sich eine Religion nach seiner Manier zu schnitzeln, oder gar keine zu haben; so lange hatten sie eben keine großen Hindernisse von Seiten der verschiedenen Menschen-Klassen zu fürchten, an deren Anwerbung für ihre Schule, ihnen vorzüglich gelegen war. Bey diesem Krieg mit dem Christenthum, stritten alle Leidenschaften mit ihnen, und für sie. Es konnte ihnen nicht viel Mühe kosten, Menschen zu täuschen, die nur zu oft, gegen Mysterien die sie nicht verstehen, darum einen Widerwillen äussern, um ihrer Gebote und Tugenden überhoben zu seyn, weil sie ihnen nicht behagen.

[Zum Thema „Gleichheit und Freyheit“ ein paar Sätze auch in Bd. 4, S. 4-5.]

Fürsten, die gewöhnlich in dem Studium der auf die Religion bezughabenden Thatsachen und Wahrheiten wenig bewandert sind; Menschen, die allzuoft in ihrem Reichthum oder Rang, bloß ein Recht auf die Unabhängigkeit ihres sittlichen Betragens suchen; andre Menschen, die dem Glücke nachjagen, und darauf ausgehen, alle Wege die dazuführen, für erlaubt auszugeben; vorgebliche Schöngeister, die nach dem Rauch des Berühmtseyns geizen, und bereit sind, jede Wahrheit dem Flittergold einer Spottrede oder einer Gotteslästerung, unter der Firma von einem witzigen Einfall, aufzuopfern; wieder andre Schöngeister, die oft als große Dummköpfe erfunden werden würden, wenn es nicht so leicht wäre, über Gott zu witzeln; alle die Leute endlich, welche Sophismen so gern für Beweise nehmen: kurz allen den Adepten dieser verschiedenen Klassen, kümmerte es wenig, jene Gleichheit der Rechte, und jene Freyheit der Vernunft zu prüfen und zu er, gründen, welche die Sekte ihnen, als unverträglich mit einer geoffenbarten und geheimnißreichen, Religion, vorspiegelte.

Man findet sogar nicht, daß die meisten dieser Adepten überlegt hätten, wie abgeschmackt es sey, der Offenbarung die Rechte ihrer Vernunft entgegen zu setzen; als ob die Gränzen und die Unzulänglichkeit dieser Vernunft, dem Gott der sich offenbart, oder der Wahrheit seiner Orakel, und der Sendung seiner Propheten und Apostel, zur Richtschnur dienen müßten?

Eben so wenig findet man, daß sie bedacht hätten, wie alle Rechte der Vernunft sich hier darauf einschränken, zu wissen, ob ihr Gott geredet habe, und die Wahrheiten zu glauben und anzubeten, die er ihr verkündigt. Menschen die so wenig dazu gemacht waren, die Rechte der Gottheit zu kennen und zu vertheidigen, waren eben keine sehr furchtbare Gegner für Sophisten, die dem Evangelium beständig, diese ganze angebliche Vernunft-Freyheit entgegensezten.

Aber so konnte es nicht länger mehr seyn, sobald die Sekte auf die bürgerliche Gesellschaft, und auf das Reich der Gesetze, eben diese Grundsätze der Freyheit und Gleichheit anwendete, und sich einfallen ließ, daraus den Schluß herzuleiten, daß man mit den Altären auch alle Thronen stürzen müsse. Eine, auf solche Grundsätze und Folgerungen sich stützende Verschwörung, mußte augenscheinlich das ganze Interesse, und alle die Leidenschaften der gekrönten Sophisten, der beschützenden Fürsten, und der sämtlichen Adepten aus den höhern Ständen der Gesellschaft. gegen sich haben, die anfänglich sich so gelehrig gegen die Vorschriften einer Freyheit bewiesen hatte, die nur noch von Vernichtung der Religion sprach.

Natürlich durften Voltaire und d'Alembert nicht erwarten, Friedrich den Großen, Joseph II. oder Katharine III. oder Gustav von Schweden, sehr geneigt zu finden, selbst mir Hand an Hinreißung ihrer Thronen zu legen. Es war höchst wahrscheinlich, daß noch mehrere Adepten, Minister oder Hofleute, Reiche oder durch ihren Stand ausgezeichnete Edelleute, die Gefahr einsehn würden, vom großen Haufen abzuhängen, der keine Obern mehr kennt, und sich also bald selbst zum Oberherrn aufwerfen, und in die Versuchung gerathen dürfte, zum ersten Gebrauch von seiner Oberherrschaft, alles was an Glücksumstanden oder an Rang und Geist, über ihm sey, niederzureissen.

Selbst von Seiten der Sophisten mußte das Interesse ihrer eigenen Existenz, ihrer Wuth gegen die Thronen Einhalt thun, wenn auch gleich Dankbarkeit für sie nur ein schwacher Bewegungsgrund war. D'Alembert lebte von den Gnadengehalten der Könige von Frankreich und Preußen. Selbst seine Wohnung im Louver, verdankte er der Güte Ludewigs XVI. Die Kayserin von Rußland erhielt allein Diderots zerrüttete Vermögensumstände. Der wahrscheinliche Erbe ihres Throns, gab dem Adepten la Harpe einen Jahrgehalt. Damilaville hatte nichts zu leben, wenn ihn der König verabschiedet hätte. Der philosophische Sanhedrin [Sanhédrin] der, aus so vielen Adepten bestehenden, französischen Akademie, verdankte seine Existenz, seine Jettrons [orig. ses jetons], und seine Hilfsquellen, allein dem Monarchen. In Paris gab es wenig andere, schriftstellernde Sophisten, welche nicht auf irgend ein Pensions-Patent Jagd gemacht, oder es durch die Vermittelung der schützenden Minister, erhascht hätten.

Voltaire hatte sich ein unabhängiges, reichliches Auskommen erworben. Demohngeachtet hatte er große Freude bezeugt, als der Herzog von Choseul [besser: Choiseul] ihm eine Pension wiedergeben ließ, die ihm, wegen seiner Gottlosigkeit, genommen worden war. (S. Schreiben des Volt, an Damilaville vom 9ten Jänner 1762.) Ueberdieß, und mehr als Alles das, wußte Voltaire besser als jemand, wie viel vom glücklichen Erfolg, die Verschwörung gegen Christum, dem Schutz der gekrönten Adepten verdankte. Er war zu sehr geschmeichelt, in seiner Schule Könige und Kayser zu zählen, als daß er von selbst hätte eine Verschwörung anfangen sollen, welche auf Erden weder Könige noch Kayser, übrig lassen sollte.

Alle diese Rücksichten gaben den Komplotten der Sophisten gegen den Thron, einen ganz andern Gang, als ihrer Verschwörung gegen die Kirche. Bey ihrem Kriege mit dem Evangelium konnten Freyheit und Gleichheit nur ein bloßer Vorwand gewesen seyn; der Haß Christi hatte bey ihnen die Oberhand; schwerlich haben sie es sich selbst verhehlen können, daß dieser Krieg, weit mehr der Krieg der Leidenschaften mit den religiösen Tugenden, als der Krieg der Vernunft mit den Geheimnissen des Christenthums war. Allein bey dem Kriege der Sophisten mit dem Thron, wurde der Vorwand zur Ueberzeugung; Gleichheit und Freyheit schienen erwiesen; die Sophisten argwöhnten den Ungrund ihrer Grundsätze nicht mehr; sie glaubten mit den Königen einen, auf Gerechtigkeit und Weisheit gegründeten, Krieg zu führen. Dort waren es alle Leidenschaften, welche diese Grundsätze gegen Christenthum erdachten; hier war es die durch diese Grundsätze irregeführte Vernunft, welche es sich zur Ehre und Pflicht machte, über die Könige zu triumphiren.

Der Gang der Leidenschaften war schnell und rasch gewesen; gleich mit seiner Entstehung, hatte Voltairens Haß gegen Christum, seine größte Höhe erreicht; kaum kannte er ihn, so haßte er ihn; kaum haßte er ihn, so schwur er ihn, zu vertilgen. So gieng es nicht mit dem Königs-Hasse; diese Gesinnung hatte, wie die Meinung und Ueberzeugung, ihre Stufenfolge. Selbst das Interesse der Gottlosigkeit, durchkreuzte einige Zeit, das Interesse der Rebellion. Die Sekte brauchte ganze Jahre, um ihre Systeme zu bilden, diese Verschwörungen auseinander zu setzen, und ihren Gegenstand zu bestimmen.

Wir würden hier den Gang der Sophisten schlecht darstellen, wenn wir ihn übereilen wollten. Als treue Geschichtschreiber, haben wir. diesen Königs-Haß, als gewissermaßen noch in seiner Kindheit, zu zeigen, daß heißt, wie er ans dem Hasse Christi entspringt, und nach und nach auf die Zerstörung der Throne, dieselben Grundsätze anwendet, die gegen die Kirche erfunden worden. Selbst bey den Oberhäuptern hat dieser Königshaß seine Abstufungen. Seine Systeme kommen der Täuschung zu Hülfe, um ihn in dem Herzen der Adepten Platz greifen zu lassen. Er herrscht in ihrer geheimen Akademie, und hier werden endlich gegen den Thron dieselben Komplotte geschmiedet, welche die Philosophasterey [le Philosophisme], Anfangs gegen die Kirche geschmiedet hatte. Gleiche Mittel, und mit dem Haß gemeinschaftliche Fortschritte, machen eine und dieselbe Verschwörung, und gleiche Bubenstücke und gleiche Drangsale, eine und dieselbe Revolution daraus.



Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus (frz. 1797-1798; dt. 1800-1803) Zweyter Theil:

Neuntes Kapitel.


Allgemeines Geheimniß, oder die kleinen Mysterien der Freymaurer.

Seiten 250-272

Indem wir von den Freymaurern reden, gebieten uns Wahrheit und Gerechtigkeit, mit einer Ausnahme anzuheben, welche die große Zahl derjengen den Freymaurer-Logen einverleibeten Brüder gegen unsere Anschuldigungen in Sicherheit stellet, die den größesten Abscheu vor einer solchen Gesellschaft gehabt haben würden, wenn sie vorgesehen hätten, daß sie jemahls dadurch, zu, mit den Pflichten der Religion und eines ächten Staatsbürgers streitenden Verbindlichkeiten, könnten geleitet werden.

In England vorzüglich giebt es sehr viele dieser ehrlichen Männer und ausgezeichnet guten Staatsbürger, von allen Ständen und Classen. die sichs zur Ehre rechnen Freymaurer zu seyn, und die nur von andern durch, dem Anschein nach, engere Bande des Wohlthuns [la bienfaisance] und der brüderlichen Mildthätigkeit [la charié fraternelle], sich unterscheiden. Nicht die Besorgniß eine Nation zu beleidigen, bey der ich Schutz gefunden, flößet mir diese ganz besondere Ausnahme ein. Die Dankbarkeit würde alle Furcht bey mir überwinden, und selbst mitten in London würde ich ausrufen: England ist verlohren; es wird von der französischen Revolution mit fortgerissen werden, wenn seine Freymaurer-Logen denen glichen, welchen ich den Schleyer abnehmen werde.

Ja ich gehe weiter und sage: das Gouvernement und das ganze Christenthum wären schon längst in England zu Grunde gegangen, wenn man annehmen könnte, daß seine Freymaurer den letzten oder tiefsten Mysterien der Secte [aux derniers mystères de la secte] eingeweihet wären. Seit langer Zeit sind ihre Logen in England zahlreich genug, um ein solches Projekt auszuführen, wenn die Engländer auf die Plane und Complots der Hinterhalts-Freymaurer [arrière-Maçons] sich hätten einlassen wollen.

Das Angeführte allein würde mir genügen, um die englischen Freymaurer im Ganzen von dem auszunehmen, was ich von den übrigen zu sagen habe. Aber in der Geschichte der Freymaurerey selbst finden sich viele Gründe, welche diese Ausnahme rechtfertigen und nothwendig machen. Hier ist eine, die zum bündigen Beweise dienen zu können mir scheint. Zu der Zeit, als die Illuminaten in Deutschland (die verabscheuungswürdigsten Jakobiner) ihre Partey durch die der Freymaurer zu verstärken suchten, bezeugten jene immer die größeste Verachtung gegen die englischen Freymaurer. Die Briefe von Philo an Spartacus [= Briefe von Adolph Freiherr von Knigge an Adam Weishaupt, 1781] stellen die aus London nach Deutschland kommende Eingeweihte, mit Bändern und Zierrathen aller ihrer Grade behangen und angethan, dar; aber leer im Grunde, von allen Entwürfen und Anschlägen gegen die Mächte und die Religion, und von den Mysterien, die geradesweges zum Ziele führen.

Wenn ich die Beschreibung dieser Illuminaten werde gemacht haben, so wird man sehen, von welchem Werthe ein solches Zeugniß für die englischen Legen seyn müsse. Glücklich haben sie sich zu achten, von den größesten Feinden der Thronen, der Altäre und aller menschlichen Gesellschaft geringgeschätzt sich zu sehen. (S. Philo's Briefe in den Originalschriften.)

Geraume Zeit fand in Frankreich und in Deutschland eine fast eben so allgemeine Ausnahme in Ansehung der mehresten Logen statt. Von einigen derselben erschienen auch nicht nur öffentliche Protestationen, sondern auch Verzichtleistungen auf die Freymaurerey, sobald sie durch die Kunstgriffe der Illuminaten von aufrührerischen Grundsätzen und Anschlägen angesteckt war. (S. die Rede eines Mstrs v. St. in einer bayerischen Loge gehalten.) Mir einem Worte, die in Ansehung der ehrlichen Freymaurer zu machenden Ausnahmen waren, und sind noch jetzt so häufig, daß sie selbst für diejenigen ein unauflösliches Räthsel [un mystère inexplicable] sind, die mit der Geschichte und den Principien der Sekte sich nicht bekannt gemacht haben.

Wie kann man auch in der That eine sehr zahlreiche Gesellschaft sich denken, von Männern, denen die Bande und der Eid ihrer Vereinigung [unis par des liens & des sermens] höchst wichtig sind, und in welcher gleichwohl: nur sehr wenige Eingeweihte den letzten Hauptzweck der Verbindung kennen. Dieses Räthsel [Cette énigme] würde sich leicht lösen lassen, wenn nur möglich gewesen wäre, diesen Memoiren über die neueren Jakobiner, die über den Jakobinismus des Alterthums und des Mittelalters, welche ich dermahleinst noch zu publiciren hoffe, vorausgehen zu lassen.

Diesem Mangel abzuhelfen, wollen wir die Logen gleich anfangs in zwey Gattungen abtheilen; die Maurer-Logen der ersten Gattung sind die, welche nur die drey ersten Grade der englischen Freymaurerey annahmen, oder wenn sie mehrere Grade, Schottische oder Rosenkreutzerische zuliessen, doch weise genug waren, die Mysterien und Complots verrätherischer Rotten oder Rosenkreutzer zu verwerfen. Logen der zweyten Gattung sind solche, die der englischen Freymaurerey zum Deckmantel und Vorschub sich bedienten, um die Brüder zu verführen und zu den Complots der verrätherischen Maurerey sie zu leiten.

Ein zweyter Unterschied ist hier noch zu machen zwischen den Logen, die, selbst nach dem Eindringen des Philosophismus, und was noch mehr ist, nach dem Eindringen des Illuminatismus in die Freymaurerey, bey ihrem Spielwerk, von allen Rottirungen rein, sich erhalten haben; und den Logen, die von dem Verderbniß des Philosophismus und von der Schändlichkeit des Illuminatismus sich haben hinreissen lassen.

Deutschland befaßte vor etwa 20 Jahren eine große Zahl solcher Logen, denen man keinen andern Vorwurf machen kann, als den, daß sie die Gefährlichkeit aller geheimen Verbindungen, und den Nutzen, welchen verschmitzte Aufwiegler daraus ziehen können, nicht eingesehen. Deutschland hat selbst ein Beyspiel gegeben, welches, wenn es im Reiche und sonst mehr allgemein wäre befolget worden, Europa hätte retten können. Mehrere Logenmeister, Venerables genannt, haben standhaft dem Eindringen des Philosophismus und des Illuminatismus sich widersetzt. Logenmeister und viele andere Maurer haben ihrer verborgenen Gesellschaft entsagt; verschiedene Logen haben sich lieber für immer geschlossen, als im mindesten Theil an der Verschwörung zu nehmen (1).

  • (1) Ich hatte geglaubt, daß alles dieses aus dem, was in der ersten Ausgabe dieses Theils zu lesen ist, leicht zu schliessen seyn würde: Ich habe das sagen müssen, und sage es hier noch umständlicher, weil man in Deutschland dafür gehalten hat, daß meine Anschuldigungen, der wiederholten Ausnahmen die ich gemacht habe, ohngeachtet. doch zu allgemein gefaßt blieben. Aufrichtig danke ich den ehrlichen Freymaurern, die von dem Gebrauche mich benachrichtiget haben, den gewisse Leute von den Ausdrücken zu machen suchten, weiche den Vorwurf zu bewahrheiten schienen, als habe ich die Freymaurer sehr unterschiedener Classen nicht nur, sondern sehr entgegengesetzter Classen, mit einander vermischet.

Nach diesen für Deutschland und andere Gegenden, die es verdienen, gemachten Distinctionen, erkläre ich, unter der Benennung: aufrührerischer oder verrätherischer Freymaurerey, nur diejenigen Logen zu verstehen, welche auch die schlechteste Art der Rosenkreutzer, oder die religionswidrigen Mysterien der Cabale, oder die der schottischen Ritter, so wie ich sie darlegen werde, auf und angenommen haben. Ich denke nicht, daß man auch für die Kadosch, die Martinisten, die Sonnenritter, und alle andre von dem Philosophismus des Seculums eingeführte Grade, Ausnahmen verlangen werde.

Wenn wir zu dem Zeitpunkte der illuminirten Freymaurerey gelangen, so werde ich einen Blick auf den ganzen Zustand der Freymaurerey in der Epoque werfen. Was ich inzwischen zu beweisen habe, ist, daß vor der Revolution, eine mit Recht maurerisch zu nennende Conspiration existirte, weil sie in den Logen geschmiedet ward, unter Begünstigung und im Gefolg ihrer maurerischen Mysterien, und durch eingeweihte Freymaurer. Hätte diese Conspiration auch bloß und allein in den zahlreichen, vom Pariser Orient abhängigen, durch Philipp von Orleans regierten Logen existirt, so würde sie darum nicht weniger eine der großen Grundursachen der französischen Revo!ution seyn.

Ich würde mich auch in diesem Theile nur an das gehalten haben, was gedachte Logen betrifft, wenn die dissertirende maurerische Schriftsteller mich nicht genöthiget, mit ihnen zum Ursprunge ihrer Societät hinaufzusteigen, und wenn ihre Dissertationen selbst mir nicht Waffen gegen sie in die Hände gegeben hätten. Dem verständigen Leser überlasse ich zu unterscheiden, was zu den Nachforschungen, über den Ursprung und das Alterthum der maurerischen Mysterien gehöret, von dem, was die zuverlässig mehrere Jahre vor der französischen Revolution angesponnene und fortgeführte Verschwörung beweiset. Diese Verschwörung getraue ich mir zur Evidenz zu bringen, und damit habe ich genug, alles Uebrige wird nur eine der Neugierde des Lesers gewidmete Untersuchung seyn.

Um das, was ich über die verrätherische Maurerey zu sagen habe, mit Ordnung vorzutragen, werde ich erstlich von dem allgemeinen Geheimnisse in allen ihren Graden handeln, nemlich in gewisser Maße von ihren kleinen Mysterien; nächstdem von den Geheimnissen und Lehren ihrer Hinterhalts-Logen [arrière-Loges] oder von ihren großen Mysterien.

Nach eigenem Geständnisse ihrer Adepten, werde ich von ihrem Ursprunge, von ihrer Fortpflanzung reden; endlich von ihrer Vereinigung mit den sophistischen Verschwörern, und von den Mitteln, welche sie diesen, an die Hand gegeben hat, zur Ausführung ihrer Anschläge, theils gegen die Religion, theils gegen die Regenten. Bis zum 12. August 1792 hatten die französischen Jakobiner die Tagebücher ihrer Revolution nur noch durch die Jahrzahl ihrer vorgeblichen Freyheit bezeichnet. An diesem Tage ward Ludewig der XVI., den die Rebellen seit 48 Stunden aller seiner Rechte an dem Throne verlustig erklärt hatten, gefangen nach den Thürmen des Tempels geführet. An eben idem Tage erklärte die Versammlung der Rebellen, daß künftig in den öffentlichen Staatsschriften dem Datum der Freyheit das Datum der Gleichheit hinzugefüget werden solle; und dieses Dekret ward vom vierten Jahre der Freyheit, und vom ersten Jahre und vom ersten Tage der Gleichheit datirt.

An diesem Tage erschallete endlich zum erstenmahle öffentlich das den Freymaurern so werthe, in ihren Logen vorgeschriebene und durch den feyerlichsten Eid geheiligte Wort [ce secret]. Als sie das berüchtigte Dekret vorlesen hörten, riefen sie aus: endlich sind wir am, Ziele; ganz Frankreich macht nun eine große Loge aus. Alle Franzosen sind nun Freymaurer, und alle Welt wird es bald seyn, wie wir es sind.

Ich bin Zeuge von diesen Ausbrüchen gewesen, ich habe die Fragen und Antworten gehört, wozu sie Veranlassung gaben. Ich habe bis dahin äusserst verschlossen sich gehaltene Männer gesehen, die von nun an ohne alle Einkleidung antworteten:

„Ja, endlich ist der große Zweck der Freymaurerey erreicht. Gleichheit und Freyheit; alle Menschen sind gleich und Brüder; alle Menschen sind frey. Dieses machte das Wesen unsers Gesetzbuchs, den Vorwurf aller unserer Wünsche, und unser ganzes Geheimnis aus.“

Ich habe diese Worte noch umständlicher aus dem Munde der eifrigsten und solcher Freymaurer gehört, die ich mit allen ihren Zeichen der tiefsten oder verstecktesten Maurerey angethan, und mit allen Rechten der Venerablen, um den Logen vorzusitzen, versehen, gekannt hatte. Ich habe sie gegen alle bis dahin von den Maurern Profane genannte, aussprechen gehört, ohne daß, weder von Männern noch Weibern, irgend eine Geheimhaltung gefordert worden; mit dem sichtbaren Verlangen vielmehr, daß ganz Frankreich zur Ehre der Maurer, davon unterrichtet seyn möchte, damit es in ihnen seine Wohlthäter erkenne, und die Urheber der Gleichheits- und Freyheits-Revolution, die der ganzen Welt zum Beyspiel diene.

So verhielt es sich in der That mit dem allgemeinen Geheimnisse [le secret général] der Freymaurer. Es war, wie bey den Spielen der Alten, die kleinen Mysterien, allen Graden gemein, das Wort, welches alles in sich faßte, aber nicht von allen verstanden ward. Die Auslegung allein machte es in einigen Graden unschuldig, in andern schrecklich. Mittlerweile daß wir Rechenschaft von diesem Unterschiede geben, haben die Maurer, welcher Grade sie seyn mögen, es uns nicht zuzurechnen, wenn das berüchtigte Geheimniß, auch an andern Orten, als in Paris, aufhöret eins zu seyn. Wir sind nicht die ersten die es aufdecken. In den Revolutions-Ländern ist es zu vielen Profanen bekannt, als daß es in andern Gegenden könnte lange unbekannt bleiben. Selbst in England würden die, welche es noch verschwiegen halten wollen, vergeblich behaupten, daß man uns hintergangen habe, sie werden es bald inne werden, ob wir haben hintergangen werden können.

Gesetzt auch, wir fänden uns zu diesen Geständniß gedrungen, so könnten wir immer sagen: die Maurer haben uns nicht hintergangen, die kein anderes Interesse hatten, als den Ruhm der Maurerey zu verbreiten, indem sie Geheimnisse aufdeckten, zu deren Enthüllung nur ein Zettpunkt abgewartet werden mußte, wo sie geschehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, ihren Zweck zu verfehlen. Ferner haben uns die nicht hintergangen, welche vorhin zu den Geheimnissen eingeweihet, endlich erkannt haben, daß sie betrogen worden, und daß die Gleichheit und Freyheit, womit sie in der Maurerey nur Spielwerk getrieben hatten [ils n’avoient fait qu’un jeu dans la Maçonnerie], für ihr Vaterland schon das verderblichste Spiel geworden waren, und eine Geissel für die ganze Welt werden könnten.

Auch habe ich, seit der Revolution, in Frankreich und anderwärts, eine Menge vormahls sehr eifriger Männer angetroffen, die nun mit Schmerz das unglückliche Geheimniß eingestehen, welches ihre maurerische Wissenschaft so wie die französische Revolution auf die zwey Worte: Gleichheit und Freyheit zurückführet und beschränkt.

Inständigst bitte ich nochmahls, die ehrlich braven Maurer sich nicht mit den übrigen, hier des Vorhabens eine ähnliche Revolution hervorzubringen, beschuldigt zu glauben. Wenn ich diesen Artikel ihres Codicis, das Wesen und die Grundlage ihrer Mysterien werde dargethan haben, so will ich zeigen , wie es zugegangen, daß so viele ehrliche, tugendhafte Seelen, den weiteren Zweck nicht geahnet, und in der Maurerey nichts erblicket haben, als eine nur Wolthun, und eine solche Brüderschaft bezweckende Gesellschaft, die gefühlvolle Herzen gerne allgemein machen mögten.

Aber für die Geschichte der Revolution ist es von Wichtigkeit, in Ansehung des Fundamental-Geheimnisses, nicht den mindesten Zweifel übrig zu lassen. Sonst wäre es unmöglich zu begreifen, wie die Sophisten der Gottlosigkeit und der Rebellion aus der maurerischen Verbindung Vortheil haben ziehen können. Ich begnüge mich also nicht mit den Geständnissen, die viele Menschen mit Wahrheit versichern können, wie ich, aus dem Munde der Adepten gehöret zu haben, nachdem bey ihrem Succes [succès] in Frankreich, die fernere Bewahrung des Geheimnisses ihnen überflüssig dünkte.

Schon vor allen diesen Geständnissen war es leicht zu erkennen, daß die Freyheit und Gleichheit der Hauptgegenstand der Freymaurerey sey. Der Name der Freymaurer alleine, der gleichbedeutend und gleichlautend mit freyen Maurern ist, bezeichnete die große Rolle, welche die Freyheit in ihrer Constitution spielen sollte. Den wahren Sinn der Gleichheit suchten sie mehr zu verbergen unter dem Ausdrucke einer Brüderschaft, welcher ungefähr dasselbige sagte.

Aber wie oft hat man sie nicht sich berühmen gehört, daß sie in ihren Logen alle gleich und Brüder wären, daß in ihren Logen weder Marquis noch Prinzen, weder Adeliche noch Bürgerliche, weder Arme noch Reiche, noch irgend ein Unterschied des Rangs oder der Personen anzutreffen sey; und daß sie darin keinen andern als den Brudertitel kennten, weil diese Benennung allein sie alle einander gleich mache.

Zwar war den Freymaurern strenge untersagt, die beiden Worte Gleichheit und Freyheit, im Schreiben zumahl, mit irgend einem Merkzeichen zusammen zu stellen, daß in der Vereinigung dieser beiden Grundlagen ihr Geheimniß bestehe; und dieses Gesetz ward von ihren Schriftstellern so genau beobachtet, daß ich mich nicht entsinne, es je in ihren Schriften übertreten gefunden zu haben, obgleich ich deren sehr viele und der geheimsten Art, nach Verschiedenheit der Grade, gelesen habe.

Selbst Mirabeau, als er den Schein annahm, die Maurerey zu verrathen, wagte nur einen Theil davon aufzudecken. Der über die ganze Erde verbreitete Freymaurer-Orden, sagte er, hat die Mildthätigkeit, die Gleichheit der. Stände und die vollkommene Uebereinstimmung zum Gegenstande [la charité, l’égalité des conditions, & la parfaite harmonie]. (S. seinen Essai sur les Illuminés chap. 15.)

Obwohl der Ausdruck Gleichheit der Stände hinlänglich die Freyheit andeutet, die in dieser Gleichheit herrschen soll; so wuste doch Mirabeau, der selbst Maurer war [das ist umstritten], daß noch zur Zeit die Brüder ihm nicht verzeihen würden, wann er es verriethe, daß in diesen beiden Worten vereinigt, ihr allgemeines Geheimniß liege. Aber dieser Rückhalt hinderte nicht zu sehen, wie wichtig das eine und das andere ihren Mysterien war. Man untersuche den größesten Theil der Lieder, die sie mit vereinigten Stimmen bey ihren Gastmahlen singen, und wovon sie eine große Anzahl haben drucken lassen, ob nicht fast immer Lobpreisungen der Freyheit und Gleichheit durchblicken (2). Man wird auch wahrnehmen, daß in den gehaltenen mitunter gedruckten Reden, bald die eine, bald die andere den Vorwurf ihrer Lehren ausmacht.

  • (2) So findet man in den englischen Liedern, und den Lobeserhebungen der Wohlthätigkeit, welche den Hauptgegenstand derselben ausmachen, immer einige, den hier folgenden ähnliche Verse:

Masons have long been free, and may the[besser: they] ever be. Princes and King [besser: Kings] our brothers are. [im franz. Original steht richtig „they“, dafür nur „brother“]

Die Maurer sind- lange schon frey gewesen, und sollen es immer seyn. Könige und Prinzen sind unsere Brüder.

Aber bey den Engländern hat alles dieses einen vom Jakobinismus ganz unterschiedenen Sinn, obgleich es die Freyheit und Gleichheit verkündiget.


Alle diese Beweise bey Seite gesetzt, ist es nun Zeit, daß ich diejenigen anführe, welche mir eigen sind.

Obgleich ich, seit der dekretirten Gleichheit, viele Maurer deutlich über das berüchtigte Geheimniß sich äussern gehört habe; und obgleich ihr Eid sie weit verschlossener hätte machen sollen, als mich, der ich keinen, weder ihren Logen, noch ihrer Gleichheits- und Freyheits-Revolution geleistet habe; so würde ich dennoch ein tiefes Stillschweigen über das beobachtet haben, wovon ich als Zeuge reden kann, wenn ich nicht vollkommen überzeugt wäre, daß es dermalen von Wichtigkeit sey, daß der äusserste und verborgenste Gegenstand der Maurerey allen Völkern bekannt werde. Sehr leid würde mir es seyn, vorzüglich in England und in Deutschland, Tausende rechtschaffener Männer zu beleidigen, die ausgezeichnet gute Staatsbürger und von Eifer für das wahre Wohl des menschlichen Geschlechts beseelet sind.

Aber zuverlässig werden auch die Maurer dieser Art die Achtung gegen ihr Geheimniß, der allgemeinen Wohlfahrt, und den wider den Misbrauch der Maurerey und wider eine Sekte von Bösewichtern, die selbst ihrer Tugenden sich bedienen, um die Welt zu betrügen, zu nehmenden Vorsichtsmaßregeln, nicht vorziehen. Unbewunden und ohne Sorge denjenigen Männern, welche ich schätze und verehre, zu nahe zu treten, werde ich also reden: unbekümmert den Zorn derer mir zuzuziehen, die ich verachte, und deren Rotten ich verabscheue.

Seit mehr als 20 Jahren war es schwer, in Frankreich, und besonders in Paris, nicht einem oder dem andern aufzustoßen, der Zutritt in der maurerischen Gesellschaft erlanget hatte. Unter meinen Bekannten fanden sich deren, und unter diesen mehrere, deren Achtung und Freundschaft mir werth war. Mit dem gewöhnlichen Eifer der Neuaufgenommenen beredeten sie mich, ihrer Brüderschaft mich einverleiben zu lassen, und da ich anhaltend mich weigerte, faßten sie den Entschluß, wider Willen mich anzuwerben. Die Abrede ward genommen, ein Freund lud mich zum Mittagsessen ein, wo ich der einzige Profane in der Mitte von Maurern war, geendigter Mahlzeit, als die Bediente entfernet waren, wird vorgeschlagen, eine Loge zu formiren und mich einzuweihen. Ich fahre fort mich zu weigern, insbesondere einen Eid abzulegen zur Bewahrung eines Geheimnisses dessen Vorwurf mir unbekannt war.

Man erläßt mir den Eid, ich widersetze mich noch immer, man dringet in mich, mit der Versicherung, daß durchaus nichts unrechtes in der Maurerey sich finde, und daß ihre Moral vortreflich sey. Ich frage ob sie die des Evangeliums übertreffe? Anstatt mir zu antworten, formiret man eine Loge, und nun heben alle die Affereyen oder Kinderspiele [toutes ces singeries ou ces cérémonies puériles] an, welche man in verschiedenen maurerischen Büchern, z. B. Joachim [sic!] und Boaz [im frz. Original: Jakin & Booz], beschrieben findet.

Ich versuchte zu fliehen, das Zimmer war groß, das Haus abgelegen, die Bediente waren abgerichtet, und alle Thüren verschlossen; ich muste mich also entschließen, wenigstens leidend mich zu verhalten, und sie machen zu lassen.

Ich werde befraget, und beantworte fast alles lachend; als man mich auf einmahl zum Lehrling, und gleich nachher zum Gesellen declariret. Es dauret nicht lange, und man findet nöthig auch den dritten, nemlich den Meister-Grad mir zu ertheilen. Nun führet man mich in einen wüsten Saal; der Auftritt verändert sich und fängt an ernsthafter zu werden. Man verschonet mich zwar mit den beschwerlichen Prüfungen, aber nicht mit vielen unbedeutenden und langweiligen Fragen.

In dem Augenblicke da ich mich gezwungen sahe die Comödie spielen zu lassen; hatte ich gleichwohl nicht versäumet zu erklären, daß, weil es nicht möglich sey, den lächerlichen Auftritt zu verhindern, ich sie machen lassen würde, daß sie mich aber kennen lernen sollten, wenn ich das geringste der Ehre und dem Gewissen zuwiderlaufende wahrnähme.

Bis hieher sahe ich nichts als Spielwerk und Kindereyen [que jeu & que puérilité, cérémonies burlesques], ohngeachtet der ehrbaren Stimmung, welche man dabey anzunehmen sich bemühete; aber keine meiner Antworten hatte noch Misfallen erreget.

Endlich legte der Venerable sehr gravitätisch folgende Frage mir vor: „Sind Sie entschlossen, mein Bruder, alle Befehle des Großmeisters der Maurerey zu erfüllen, wenn Sie gleich entgegenlaufende Befehle von einem Könige von einem Kayser, oder von irgend einem andern Regenten erhalten sollten?" Meine Antwort war, Nein.

Verwundernd fährt der Venerable fort: „Wie nein! Sie wären also nur zu uns gekommen, um unsere Geheimnisse zu verrathen? Was! Sie würden im Zweifel stehen zwischen dem Interesse der Maurerey und dem der Profanen? Sie wissen also nicht, daß alle unsere Schwerter, ohne Ausnahme, bereit sind, das Herz der Verräther zu durchboren?"

In dieser Frage, in alle dem Ernst und in den Drohungen die sie begleiteten, erblickte ich noch nichts als Spielwerk, blieb bey meiner verneinenden Antwort, und fügte, wie man sich leicht vorstellen kann, hinzu:

„Kurzweilig genug ist die Voraussetzung oder das Vorgeben, ich sey gekommen, die Geheimnisse der Freymaurerey zu erforschen, ich, der ich nur aus Zwang hier bin. Sie reden von Geheimnissen und haben mir noch keine gesagt. Wenn, um dazu zu gelangen, erforderlich ist, Gehorsam einem Manne zu geloben, den ich nicht kenne, und wenn das Interesse der Maurerey eine meiner Pflichten compromittiren kann, so leben Sie wohl meine Herren. Noch ist es Zeit, ich weiß nichts von ihren Geheimnissen, und verlange nichts davon zu wissen.“

Der Venerable ließ durch diese Antwort sich nicht irre machen, er spielte seine Rolle treflich fort, drang weiter in mich, und ward immer drohender. Ich vermuthete nun zwar, daß alle diese Drohungen im Grunde nur Spielerey wären, aber auch spielend oder scherzend wollte ich dem Großmeister nicht Gehorsam zusagen, zumahl in der Voraussetzung nicht, daß seine Befehle den des Königs zuwiderlaufen könnten, und antwortete also wiederholend: „Brüder, oder Herren, ich habe Ihnen schon erkläret, daß, wenn in allen Ihren Spielen irgend etwas der Ehre oder dem Gewissen zuwiderlaufendes sich finden sollte, Sie mich kennen lernen würden; so weit sind Sie nun gekommen, aber dahin werden Sie es nicht bringen, daß ich etwas der Art verspreche, und Nein ist meine abermalige Antwort."

Bis auf den Venerable nach, beobachteten alle Brüder ein tiefes Stillschweigen, obwohl der Auftritt ihnen eigentlich Spaß machte. Zwischen dem Venerable und mir ward er jedoch ernsthafter. Er ließ nicht nach, sondern wiederholte immer seine Frage, um mich ungeduldig zu machen, und ein Ja mir abzudringen. Endlich brach meine Geduld wirklich. Die Augen waren mir verbunden, ich riß das Tuch weg, warf es zur Erde, und mit dem Fuße stampfend, sprach ich ein Nein aus, mit dem ganzen Nachdrucke der Ungeduld.

Augenblicklich brach die Loge in ein Händeklatschen aus, zum Zeichen des Beyfalls. Der Venerable prieß meine Standhastigkeit; solche Leute, sagte er unter andern, müssen wir haben, Leute von Charakter die Vestigkeit haben.

Ich erwiederte: Leute von Charakter! wie viele treffen Sie an, die Ihren Drohungen widerstehen? Und Sie selbst meine Herren, haben Sie nicht eben diese Frage mit Ja beantwortet? Und wenn Sie das gethan haben, wie können Sie hoffen, mich glauben zu machen, daß in allen Ihren Mysterien nichts der Ehre und dem Gewissen zuwiderlaufendes sich finde?

Mein angenommener Ton hatte die Ordnung der Loge zerstöret, die Brüder naheten sich zu mir und sagten: ich nehme die Dinge zu ernstlich und zu buchstäblich auf; sie selbst hätten sich nie beygehen lassen, zu etwas mit den Pflichten eines guten Franzosen streitendes sich verbindlich zu machen; und meines Widerstandes ohngeachtet, würde ich doch angenommen werden.

Der Hammer des Venerable brachte nun einen jeden wieder an seinen Platz, und er verkündigte mir meine Aufnahme in den Meister-Grad, mit dem Hinzufügen, daß, wenn ich das Geheimniß der Maurerey noch nicht erfahren habe, es daran liege, daß man mirs nicht anders mittheilen könne, als in einer regelmässigeren und mit den gewöhnlichen Feyerlichkeiten zu haltenden Loge. Einstweilen gab er mir jedoch die Zeichen und Paßwörter dieses dritten Grades, wie er es in Ansehung der beiden andern Grade auch gethan hatte.

Das war für mich hinreichend, um in einer regelmässigen Loge zugelassen zu werden. Wir waren nun alle Brüder, und ich ward in einem Nachmittage, Lehrling. Gesell und Meister Freymaurer, ohne den Morgen den geringsten Gedanken davon gehabt zu haben.

Ich kannte, die mich aufnahmen, zu gut, um ihrer Versicherung nicht zu trauen, daß sie nie gesonnen gewesen, ihrer Pflicht zuwider zu irgend etwas sich verbindlich zu machen, und ich muß ihnen die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß zur Zeit der Revolution, sie alle als gute Royalisten sich bewiesen haben, mit Ausnahme des Venerable, den ich ungescheut ganz dem Jakobinismus sich ergeben gesehen habe.

Ich versprach ihrer regulairen Versammlung beyzuwohnen mit dem Beding daß daselbst von keinem Eide die Rede seyn solle. Sie versichertes mich, keinen begehren zu wollen, und hielten Wort. Nur ersuchten sie mich meinen Namen in die Liste zu schreiben, welche gewöhnlich an den großen Orient (oder die große Loge) gesandt wurde. Ich weigerte mich von neuen, indem ich um Bedenkzeit bat; und nachdem ich deutlich genug eingesehen hatte, was diese Logen bedeuteten, zog ich mich zurück, ohne auch in das Einschreiben zu willigen.

Als ich das erstemahl in einer regulairen Loge zugelassen ward, kaufte ich mich ab mit einer schönen Rede über die Maurerey, von welcher ich noch nicht viel wuste. Ich beschrankte mich auf die Brüderschaft und auf das Vergnügen mit Brüdern zu leben.

Man war an dem Tage übereingekommen, einen Lehrling aufzunehmen, welchem das Geheimniß mit allen gewöhnlichen Formalitäten vertrauet werden sollte, damit ich blos als Zeuge es erfahren könne. Ich will mit der Beschreibung der Loge, und der Ceremonien und der Prüfungen bey diesen Aufnahmen, das Papier nicht verderben. In den ersten Graden scheinet das alles nur Kinderspiel zu seyn. Ich kann indessen bezeugen, daß, was man davon lieset, in dem Schlüssel der Maurer [John Browne: The Master-Key], in ihrem Katechismus und in einigen anderen Schiften [besser: Schriften] dieser Art, vollkommen richtig ist, das Ceremonial betreffend; wenigstens in den drey Graden die ich erhalten und ertheilen gesehen habe, mit gar geringen unbedeutenden Unterschiede.

Der Hauptartikel für mich war, endlich das berüchtigte Geheimniß der Maurerey zu erfahren. Der Zeitpunkt trat ein, daß der aufzunehmende Befehl erhielt dem Venerable sich zu nähern. Alsdann stellten die mit Schwertern versehene Brüder sich in zwey Reihen, ihre Degen in die Höhe haltend, mit vorwärts niedergebeugten Spitzen, so daß sie ein stählern Gewölbe, wie die Maurer es nennen, formirten. Der Aufzunehmende schritt unter diesem Gewölbe vorwärts, gelangte zu einem zwey Stufen erhöheten Altar, im Hintergrunde der Loge.

Der Venerable auf einem Lehnstuhle oder Throne hinter dem Altar sitzend, hielt ihm eine lange Rede über das unverbrüchlich zu bewahrende Geheimniß, was ihm werde entdecket werden, und über die Gefahr den Eid zu verletzen, den er abzulegen im Begriff stehe; er zeigt ihm die, die Verräther zu durchbohren in Bereitschaft seyende Degen, und kündigt ihm an, daß er der Rache nicht entgehen werde. Der Aufzunehmende schwöret, daß er den Kopf sich abhauen, die Eingeweide sich aus dem Leibe reissen lassen wolle, und daß seine Asche in den Wind gestreuet werden solle, wenn er je das Geheimniß verrathe.

Nach abgelegtem Eide, sagte der Venerable folgende Worte, die ich mir wohl gemerkt habe, und, wie leicht zu begreifen ist, mit großer Ungeduld erwartete: „Mein lieber Bruder, das Geheimniß der Freymaurerey bestehet in den Worten: Gleichheit und Freyheit, alle Menschen sind gleich und frey, alle Menschen sind Brüder."

Der Venerable setzte nicht ein Wort weiter hinzu; man umarmte den gleichen und freyen Bruder, and ging dann fröhlich zur maurerischen Mahlzeit.

Ich war damahls zu weit entfernet, irgend eine weitete Absicht bey dem fameusen Geheimnisse zu argwohnen, daß ich beynahe laut gelachet hätte, als ich es vernahm. Gutmüthig sagte ich zu denen, die mich eingeführet hatten: wenn das euer ganzes Geheimniß ist, s0 habe ichs lange gewußt.

Und in der That, wenn man darunter versteht, daß die Menschen nicht zu Sclaven geschaffen sind, sondern zum Genusse einer wahren Freyheit unter der Herrschaft der Gesetze; wenn durch die Gleichheit angedeutet werden will, daß alle Menschen als Kinder eines gemeinschaftlichen Vaters, eines Gottes, sich lieben und gegenseitig Hülfe leisten sollen; so sehe ich nicht ein, daß ich nöthig habe Maurer zu werden, um diese Wahrheiten zu lernen. Ungleich besser fand ich sie in der Bibel, als in ihren Kinderspielen. In der ganzen zahlreichen Loge, muß ich sagen, keinen einzigen Maurer angetroffen zu haben, der dem großen Geheimnisse einen andern Sinn beygelegt hätte. Ja, man wird wahrnehmen, daß der Durchgang durch viele andere Grade, erst zu einer ganz verschiedenen Freyheit und Gleichheit führete, und daß eine große Zahl Maurer, selbst in den höheren Graden, nicht zu dem letzten Aufschlusse gelangten.

Wundern muß man sich insbesondere nicht, daß in England die Freymaurerey eine im ganzen aus sehr guten Staatsbürgern zusammengesetzte Gesellschaft ausmacht, deren Hauptzweck ist, nach den Grundsätzen einer Gleichheit, die bey ihnen nichts weiter als allgemeine Bruderliebe ist, sich einander zu helfen und beyzustehen. Der größeste Theil der englischen Maurer erkennet nur die drey ersten Grade an; und man kann versichert seyn, daß in diesen drey Graden, ausser der ungeschickten Frage, den Gehorsam gegen den Großmeister des Ordens betreffend, die jakobinische Deutung der Gleichheit und Freyheit einzig und allein ihr Geheimniß gefährlich macht. Die gesunde Vernunft der Engländer hat diese Auslegung verworfen, und ich habe selbst von einem gefaßten Beschluß der angesehnsten Maurer reden gehöret, alle die auszustoßen, welche eine Revolutions- Gleichheit und Freyheit einzuführen versuchen würden.

In der Geschichte ihrer Maurerey habe ich sehr weise Reden und Lehren, Misbräuchen zu steuren, gefunden. Ich habe darin bemerkt daß der Großmeister die Brüder benachrichtiget hat, daß die maurerische Gleichheit sie nicht hindern müsse, ausser den Logen einem jeden die Achtung und Ehrerbietung zu bezeugen, welche dem gesellschaftlichen Gebrauche nach, seinem Range, seinem Stande und seinen politischen Benennungen gebühre. Ich habe ferner in den geheimen Unterweisungen der Großmeister vortrefliche Lehren angetroffen zur Vereinigung der maurerischen Freyheit und Gleichheit mit der Treue und Folgsamkeit gegen die Gesetze, und mit allen Pflichten guter Staatsbürger. (S. dem ersten Theil der englischen Freymaurer- Geschichte.)

Obschon also zwischen den englischen Maurern und den Maurern anderer Nationen bis zum Meistergrade inclusive, alles gemein ist; obschon sie dasselbige Geheimniß, dieselbigen Worte, dieselbigen Zeichen, um sich zu erkennen, haben; so gelangen doch die Engländer, welche im ganzen genommen bey dem dritten Grade stehen bleiben, nicht zu den großen Mysterien, oder haben sie vielmehr von sich gestoßen; sie haben die Freymaurerey davon zu reinigen gewust. Wir werden sehen, wie unvereinbar diese großen Mysterien mit dem Charakter einer Nation sind, die so mannigfaltig den Begriff weichen man von ihrer Weisheit sich machet, gerechtfertiget hat.

Ich weiß wohl, daß in vielen deutschen Legen, und selbst in Französischen, bis zu den Tagen der philosophirten ober illuminirten Maurerey, durch gleiche Auslegungen, dem Misbrauche jener Worte vorzubeugen gesucht worden; und gegen die Logen welche bey diesem Sinn geblieben sind, hege ich eine gleiche Ehrerbietung. Aber die scheinen mir doch die preiswürdigsten zu seyn, die um dem Uebel gründlich abzuhelfen, auf beständig sie geschlossen haben.

Siehe auch: