Geschichte der Leipziger Logen im 20. Jahrhundert: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 25. März 2015, 20:00 Uhr

Geschichte der Leipziger Logen im 20. Jahrhundert

Franziska Böhl


Einleitung

Leipzig gehört zu einem der ältesten Freimaurerorte in Deutschland: Bereits 1741 hat sich die Loge „Minerva zu den drei Palmen“ begründet. 1776 folgte die Gründung der Loge „Balduin zur Linde“ und 1805 die der Loge „Apollo“. Die drei Traditionslogen können jeweils auf eine über 200-jährige Geschichte zurückblicken.

Für die Leipziger Logen begann das 20. Jahrhundert mit einem freudigen Ereignis: der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals im Mai 1913. Der Erbauer war Clemens Thieme, Mitglied in der Loge „Apollo“. Doch die positive Stimmung hielt nicht lange. 14 Monate später brach der Erste Weltkrieg aus. Zahlreiche Logen richteten in ihren Gebäuden Lazarette ein. Auch das Gebäude der „Balduin“- und „Apollo“-Loge in der Elsterstraße 2 in Leipzig war bis 1919 eine Pflegestätte für Verwundete.

Doch nach dem Weltkrieg wurde vieles anders: Da der überwiegende Teil der Bevölkerung mit den geschaffenen Friedensbedingungen unzufrieden war, wurden Sündenböcke gesucht – und unter anderem in den Freimaurern gefunden. Die jüdisch-freimaurerische Weltverschwörungstheorie, die beispielsweise die Grundlage des 1919 erschienenen Buches „Weltfreimaurerei – Weltrevolution – Weltrepublik“ von Nationalrat Friedrich Wichtl war, setzte sich in der Bevölkerung fest. Vor allem Gegner aus der völkischen und später auch aus der nationalsozialistischen Bewegung propagierten die Theorie immer wieder. Einen ersten Höhepunkt erreichten die Angriffe während der Weimarer Republik als General Erich Ludendorff 1927 sein Werk „Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse“ veröffentlichte. Unterdessen bemühten sich die Freimaurer immer wieder, ihre Vaterlandstreue und ihren Nationalstolz kund zu tun und wehrten sich gegen die Anschuldigungen mit Aufklärungsschriften und Vortragsabenden. Dabei standen die einzelnen Freimaurerorganisationen nahezu alleine ihren Gegnern gegenüber, denn die Zerrissenheit in der deutschen Logenlandschaft lies gemeinsame Aktionen kaum zu. Die Angriffe nahmen bis zum Ende der Weimarer Republik weiter zu. Als schließlich am 30. Januar 1933 die NSDAP die Macht übernahm, war für die Freimaurerei im „Dritten Reich“ kein Platz mehr. Im August 1935 erfolgte das Verbot der Freimaurerei ein Deutschland.


Die Leipziger Logen in der Weimarer Republik

Die Leipziger Freimaurer waren durch die örtlichen freimaurerischen Zeitungen „Bruderhilfe und Leipziger Logenanzeiger“ sowie ab 1925 durch die „Mitteilungen aus der Großloge Deutsche Bruderkette“ gut über die Verhältnisse in der Weimarer Republik und die Angriffe gegen ihren Bund informiert. Bereits im Januar 1918 hieß es in der „Bruderhilfe“, dass die „deutschen Logen“ eine gewisse ideelle Schuld an dem Missbrauch der freimaurerischen Idee und damit den Angriffen hätten, die nun gegen sie begannen. Deshalb sollte nach dem Weltkrieg der „neue Staatsbau“ unterstützt werden.

Obwohl die Angriffe bis 1927 unter den Leipziger Brüdern keine besondere Rolle bildeten, begründeten die Leipziger Logen Anfang 1921 einen gemeinsamen Abwehrausschuss. Dieser sollte den Mitgliedern Kenntnisse über die Freimaurerei vermitteln und sie rüsten für die „Abwehr von Angriffen und Verleumdungen“. Der Abwehrausschuss veröffentlichte auch Abwehrschriften und veranstaltete Vortragsabende. Eine der ersten Abwehrschriften war „Das doppelte Ketzergericht über die Freimaurerei im Jahre 1920“ von Bruder Paul Wagler. Sie sollte mit Wichtl abrechnen. Anfang 1924 wurde der Ausschuss auf Grund fehlender finanzieller Unterstützung. Die Aufgaben übernahm nun wieder die Leipziger Stuhlmeister-Konferenz.

Seitdem 1927 General Erich Ludendorff seine Schrift „Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllungen ihrer Geheimnisse“ veröffentlichte, beschäftigten sich die Leipziger Brüder in zahlreichen Sitzungen und Logenabenden mit seinen und den noch folgenden Angriffen. Die „Schmähschrift“ bewegte sogar die Freimaurer in ganz Deutschland zu einer gemeinsamen Stellungnahme, die auf der Großmeisterversammlung am 15. September 1927 in Berlin verfasst wurde. In ganz Deutschland erschienen nun vermehrt Aufklärungs- und Abwehrschriften. Dies war auch notwendig, denn längst machten sich Auswirkungen in der Gesellschaft breit: Die Brüder durften zum Beispiel nicht mehr Mitglied im Verband Deutschbanner Schwarz-Rot-Weiß oder im Bund der völkischen Lehrer Deutschlands werden. Auch der Stahlhelm nahm keine Angehörigen humanitärer Logen mehr auf.

Ab etwa 1930 traten die Nationalsozialisten stärker als Gegner hervor. Auf der Leipziger Stuhlmeister-Konferenz vom 15. Oktober 1930 sprachen die Freimaurer über die Stellung zur nationalsozialistischen Bewegung. Die Brüder fürchteten, dass sie bei einer Machtübernahme der Nationalsozialisten in eine ähnliche Lage kämen, wie beispielsweise die Freimaurer in Italien. Dort gingen die Faschisten seit 1924 gegen den Bund vor. Die Aufklärungs- und Abwehrarbeit wurde unter den Leipziger Brüdern beibehalten, auch wurde bereits über eine „persönliche Fühlungnahme“ nachgedacht. Obwohl die Nationalsozialisten bis 1933 immer mehr Anhänger gewannen, verloren die Leipziger Brüder dennoch nicht den Glauben an eine Zukunft: Mitte 1932 veröffentlichte die „Minerva“-Loge einen Weckruf an alle deutschen Logen und wenig später publizierten die drei Leipziger Traditionslogen ein gemeinsames Aufklärungsflugblatt über „Die Wahrheit der Freimaurerei“.

Der verstärkte Angriffs- und Abwehrkampf erfolgte auch durch Beiträge in öffentlichen Zeitungen und durch öffentlich gehaltene Vorträge.


Die wichtigsten Vorträge:

  • Vortrag 1:

26. Januar 1928
Erich und Mathilde Ludendorff im Zoologischen Garten. Unter anderem warfen sie den „überstaatlichen Mächten“, also den Juden, Freimaurern und Jesuiten, eine „zersetzende und das Volk spaltende Tätigkeit“ vor, gaben ihnen die Schuld am Ersten Weltkrieg und der Zerstörung der deutschen Volkseinheit

  • Vortrag 2:
    19. November 1931
    Rechtsanwalt Robert Schneider aus Karlsruhe (Tannenbergbund) im großen Saal des Kyffhäuserhauses

Das frühere Mitglied einer Karlsruher Loge sprach über „Das Wesen der Freimaurerei“ und folgte den Argumenten Ludendorffs.
Vortrag 3:
2. Dezember 1931
Leipziger Freimaurer im Zentraltheater
Der Redner Bruder Ehrig („Apollo“-Loge) klärte über die ethisch-religiösen und humanitären Bestrebungen der Freimaurerei auf, verlas die Satzungen, erklärte Symbole, Ritus und Grundsätze und wehrte Schneiders Vorwürfe ab.
Vortrag 4:
6. Januar 1932
Schneider (Tannenbergbund) im Zoologischen Garten

Der Redner Robert Schneider wiederholte die typischen Anschuldigungen.
Vortrag 5:
2. Februar 1932
Haus Dauser (NSDAP) im Leipziger Zoo


Der Vortrag des bayerischen Landtagsabgeordneten Dauser hieß „Hinter den Kulissen der Freimaurer“. Dauser stellte klar: „Der Nationalsozialismus wird ebenfalls jede geheime Verbindung und alle internationalen Organisationen verbieten, wenn er die Macht hat. Eine der ersten wird die Freimaurerei mit ihren 90 000 Brüdern in Deutschland sein! Das Freimaurertum tritt ein für die Demokratie und für Weltbürgertum! Es will die Vernichtung aller Religionen und aller Monarchien.“

Auf die Mitgliederentwicklung hatten die Angriffe nur geringe Auswirkungen. Zeitweise existierten bis zu 18 Logen sowie weitere Kränzchen und freimaurerähnliche Organisationen in Leipzig. Laut Dalen´s Kalender für Freimaurer gehörten in Leipzig 1923/24 2.168 Männer den Logen an, 1926 erreichte die Mitgliederzahl mit 2.778 Brüdern ihren Höhepunkt und bis 1933 sank die Zahl wieder auf 2.531 Mitglieder.

Die Leipziger Logen in der Zeit des Nationalsozialismus

Als am 30. Januar 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, erhofften sich die humanitären Logen, wozu auch die drei Leipziger Traditionslogen gehörten, durch Anpassungsversuche eine Überlebens- und Wirkungsmöglichkeit. Ein erster Schritt war Ende März 1933 die Übernahme des „Arierparagraphen“, womit nur noch Männer arischer Abstammung aufgenommen sowie Juden und Marxisten ausgeschlossen wurden.

Am 12./13. April 1933 folgte die Umwandlung: Die Großloge „Deutsche Bruderkette“, zu der die „Minerva“- und die „Balduin“-Loge gehörten, wurde zum „Christlichen Orden Deutscher Dom“ und die Große Landesloge von Sachsen, zu der die „Apollo“-Loge zählte, wurde zum „Deutsch-Christlichen Orden Sachsen e.V.“. Die Bundeslogen wurden zu „körperschaftlichen Gliedern“ und damit zur Ordensgruppen. Offiziell gaben sie die Freimaurerei auf: Unter anderem entfielen freimaurerische Anreden und die Verpflichtung auf ein Geheimnis; auch war es verboten, Kontakt mit ausländischen Vereinen oder Verbänden zu haben. Ansonsten gestalteten sich die neuen Zusammenkünfte ähnlich zu den Zeiten, als die Ordensgruppen noch Freimaurerlogen waren: Weiterhin gab es Vorträge, Klubabende und geselliges Beisammensein. Das breite Themenspektrum bei den Vorträgen blieb dabei erhalten, lediglich die freimaurerischen Themen entfielen. Ebenso unterhielten die Gesellschaften Verbindungen zu anderen umgewandelten Freimaurerlogen, wie Korrespondenzen der „Balduin“-Gesellschaft mit anderen ehemaligen Bundeslogen zeigen, so mit der ehemaligen „Karl zum Rautenkranz“-Loge in Hildburghausen oder „Herder“ in Bremen. Weiterhin unterstützten die Gesellschaften karitative Zwecke: So trat die „Balduin“-Gesellschaft noch im ersten Jahr ihrer Umwandlung der NS-Volkswohlfahrt und der Deutschen Hilfe sowie einzelne Mitglieder dem Opferring der NSDAP bei.

Allerdings bahnte sich auf Grund des stetigen Mitgliederschwundes ein Finanzierungsproblem für wohltätige Zwecke an. Neu war jedoch, dass teilweise auch Angehörige des Leipziger Polizeipräsidiums bei den Klub- und Vortragsabenden anwesend waren, wie Berichte über Abende in der „Apollo“-Gesellschaft belegen. Die Polizisten notierten Betreff, Ort, Zeit, Namen der Vorsitzenden, Anzahl der Anwesenden und machten Angaben zum Verlauf der Abende. Außerdem vermerkten sie, ob Gäste oder (ehemalige) Logenmitglieder aus dem Ausland anwesend oder ob politische Fragen behandelt oder staatsfeindliche Äußerungen getätigt wurden.

Der Mitgliederschwund betrug teilweise mehr als zwei Drittel: Zum Beispiel gehörten der „Balduin“-Gesellschaft 1933 noch 430 Brüder an, im März 1934 war die Zahl bereits auf 172 Mitglieder gesunken und im Folgejahr zählte die Gesellschaft noch 152 Mitglieder. Die „Massenflucht“ wurde von den Brüdern als „unerfreuliche Zeiterscheinung“ beschrieben. Für die „Minerva“- und die „Apollo“-Loge liegen derartige Zahlen nicht vor. Allerdings lassen sich für die „Minerva“-Loge aus diversen Austrittsgesuchen Gründe dafür erkennen: Einige Mitglieder nannten wirtschaftliche Schwierigkeiten oder fürchteten um ihre berufliche Anstellung, andere wollten dem Orden nicht angehören und wiederum andere wollten in die NSDAP eintreten. Einem Bruder, der austrat, um der NSDAP beizutreten, schrieb die „Minerva“: „Es wird, so hoffen wir, die Zeit kommen, wo die grundsätzlich ablehnende Einstellung der NSDAP gegen die Orden aufgegeben wird in der Erkenntnis, dass wir den Dienst am Vaterlande als höchste sittliche Pflicht pflegen, wie Sie selbst ja aus eigener Erfahrung wissen.“

In die NSDAP wurden aber nur die wenigsten Freimaurer aufgenommen, denn grundsätzlich nahm die NSDAP keine Freimaurer auf, die erst nach der Machtübernahme aus den Logen ausgetreten sind. Auch die „Amnestie-Verfügung des Führers“ vom 27. April 1938, womit ehemalige Logenangehörige ein Gnadengesuch einreichen konnten, versprach keine bedeutend besseren Aufnahmechancen, da sich die grundsätzliche Stellung der NSDAP zur Freimaurerei nicht geändert hatte. Den ehemaligen Brüdern blieb also nur der Beitritt zu den NSDAP-angeschlossenen Verbänden wie der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt oder dem Opferring.

Ein Beispiel für eine beachtliche Karriere im NS-Staat ist Werner Kühn (Juni 1923 bis Dezember 1931 „Minerva“-Bruder): Ende Dezember 1931 trat er der NSDAP und später der SS bei. Zu Beginn der NS-Zeit hatte er auf Grund seiner ehemaligen Logenzugehörigkeit Probleme, doch nach seiner Begnadigung im März 1936 konnte er Parteiämter bekleiden. 1938 wurde er zum SS-Untersturmführer und im April 1943 zum SS-Hauptsturmführer der Reserve der Waffen-SS befördert. Die „Minerva“-Loge war für ihn eine „Organisation der Wohltätigkeit“ und eine „Pflegestätte gesellschaftlicher und geistiger Kultur“, die Juden den Eintritt verwehrte.

Andererseits gab es auch ehemalige Leipziger Freimaurer, die während der NS-Zeit Probleme im alltäglichen Leben bekamen. Beispielsweise erhielt Johannes Richter, der einst Professor an der Universität Leipzig und Direktor des Pädagogischen Instituts war, am 26. September 1933 auf Grund seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur Leipziger „Minerva“-Loge seine Entlassung. Aufstiegsmöglichkeiten und eine Berufung als Professor blieben auch Hans Münch-Holland verwehrt, der 1931 als musikalischer Bruder der „Balduin“-Loge beitrat. Im März 1931 trat er aus der Loge aus und in die NSDAP ein. Zudem beteiligte er sich im NSV und im Studentenbund der Leipziger Hochschule. Auf Grund seiner ehemaligen Logenzugehörigkeit kam es seit 1933 „laufend [zu] Demütigungen u[nd] Aufregungen“.

Währenddessen kämpfte beispielsweise Paul Mensdorf, der Vorsteher der „Minerva“-Gesellschaft, auch nach der Umwandlung für eine gerechte Behandlung der ehemaligen Freimaurer als „vollberechtigte Volksgenossen“. Unter anderem schrieb er Briefe an Reichsleiter Martin Bormann, in denen er um „eine Viertelstunde Gehör“ bar. In seinem Brief vom Oktober 1934 schrieb er, dass jene Brüder, „die an den Idealen der deutschen Freimaurerei festhalten, einer Klärung über die Stellung der Reichsregierung [bedürfen], da sie durch die Verunglimpfungen in der Tagespresse schwer leiden“. In seinem letzten Brief vom 8. März 1935 schloss er mit dem Satz: „Wir kämpfen um unsere Sache und hoffen auf den Sieg.“

Die erhoffte Lebens- und Wirkungsmöglichkeit der ehemaligen Freimaurerlogen wurde im August 1935 zunichte gemacht: Nachdem sich mit Wirkung vom 21. Juli 1935 die noch existierenden altpreußischen Logen aufgelöst hatten, folgte am 9. August 1935 „auf Anraten der Regierung“ die Auflösung des Deutsch-Christlichen Orden Sachsen und des Christlichen Orden Deutscher Dom. Ihre noch bestehenden Ordensgruppen lösten sich einen Tag später auf. Wie aus Dokumenten der „Balduin“-Gesellschaft hervorgeht, muss dies recht unerwartet gekommen sein, denn in den Sommerferien arbeiteten die Mitglieder bereits das Winterprogramm aus. Am 17. August 1935 verkündete der Reichs- und Preußische Minister des Innern die endgültige Auflösung der letzten noch existierenden Freimaurerlogen in Deutschland und sprach das Verbot der Freimaurerei in Deutschland aus. Ein Bruder der ehemaligen „Balduin“ sagte zum Verbot: „Wir müssen uns daran gewöhnen, es als ein Opfer für Volk und Vaterland zu betrachten.“ Durch die „freiwillige“ Auflösung wurden die ehemaligen Logen aber nicht zu „staatsfeindlichen Vereinigungen“ erklärt und so konnten auch die drei ehemaligen Leipziger Traditionslogen in die Liquidation eintreten und ihr Vermögen so gut es ging verwerten.


Die Leipziger Brüder nach dem Verbot von 1935

Nach dem Verbot der Freimaurerei im August 1935 sollten die Politischen Abteilungen „ihr Augenmerk darauf (…) richten, dass nicht die Freimaurer getarnt als 'Freundschafts-', 'Geselligkeits-' oder sonstige Vereine zusammenkommen, um hier ihre freimaurerischen Gedankengänge weiter zu pflegen“. Solche informellen Kreise lassen sich für die ehemaligen Leipziger Freimaurerbrüder für die NS- und auch die DDR-Zeit nachweisen. Eine Gruppierung soll sich beispielsweise von 1940 bis mindestens Anfang 1955 jeden Samstagabend im Thüringer Hof in Leipzig getroffen haben. Das Lokal war ein bekannter Treffpunkt für kirchliche Kreise. Der Leiter der Gruppe soll Pfarrer Rudolf Mühlhausen gewesen sein, der seit 1920 der Leipziger „Minerva“-Loge angehörte. Für eine andere Gruppierungen sind Aufnahmen zwischen 1920 und 1942 sowie ab 1952 bekannt. Unklar ist jedoch, was die Gruppe genau war, beispielsweise könnte sie während der Weimarer Republik eine externe Arbeitsgruppe oder eine Abspaltung einer Loge gewesen sein. Fest steht, dass sich die Mitglieder unter anderem im Klubhaus in der Elsterstraße 35, im Restaurant Baarmann am Markt 6 oder im Leipziger Ratskeller getroffen haben. Bis 1987 soll ein Briefwechsel zwischen den Mitgliedern bestanden haben. Unklar ist ebenfalls, ob diese Treffen überwacht worden sind. Ein Mitglied der zweiten Gruppe, ein ehemaliger „Minerva“-Bruder, war allerdings während der NS-Zeit als Vertrauensmann beim Sicherheitsdienst (SD) registriert. Über eine Zusammenarbeit des Taubstummenlehrers mit dem SD ist aber nichts weiter bekannt.

Nach der politischen Wende 1989/90 konnte sich auch die Freimaurerei in den neuen Bundesländern wieder entwickeln. Die Loge „Minerva zu den drei Palmen“ wurde am 19. Januar 1991 wieder erweckt und feierte zugleich ihr 250. Stiftungsfest. Im Folgejahr begründete sich auch die Loge „Balduin zur Linde“ wieder und seit 2005 existiert ebenso die „Apollo“-Loge wieder in Leipzig. Die drei Leipziger Traditionslogen konnten folglich mehr als 60 Jahre „Dunkelheit“ überwinden.


Literaturhinweise:

Böhl, Franziska: Geschichte der Leipziger Logen im 20. Jahrhundert, Seite 109-138, In: Schuster, Dirk/ Bamert, Martin (Hrsg.): Religiöse Devianz in Leipzig. Monisten, Völkische, Freimaurer und gesellschaftliche Debatten – Das Wirken religiös devianter Gruppierungen im Leipzig des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2012.

Böhl, Franziska: Das Leipziger Freimaurerwesen seit 1918 (unveröffentlichte Magisterarbeit), Universität Leipzig, Leipzig 2009.

Siehe auch:

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