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Version vom 2. Juni 2018, 10:29 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Jörg Mauthe
Jörg Mauthe (* 11. Mai 1924 in Wien; † 29. Jänner 1986 ebenda) war ein österreichischer Journalist, Schriftsteller und Kulturpolitiker. Im Laufe seines Freimaurerlebens war er Mitglied der Wiener Logen ‘Lessing’, ‘Libertas’ und dann vor allem der Loge ‘Libertas Gemina’ der Großloge von Österreich.
Von Franz Ernst.
Leben und Wirken des produktiven Kulturmenschen
Jörg Mauthe studierte Kunstgeschichte und Byzantinistik. 1948 wurde er mit der Arbeit „Venezianische Palastbauten des 12. und 13. Jahrhunderts“ an der Universität Wien zum Dr. phil. promoviert. Noch während seiner Studienzeit hatte Mauthe seine publizistische Laufbahn als Lektor im „Wiener Verlag“ begonnen; dort erschien auch seine erste größere Publikation, die Anthologie „Wiener Meisterfeuilletons“ (1946). Etwa zur selben Zeit trat er als Kunstkritiker in die katholische Wochenzeitung „Die Furche“ ein, in der er bis 1950 tätig war.
Danach wurde Mauthe vom Sender „Rot-Weiß-Rot“ der amerikanischen Besatzungsmacht engagiert, wo er das „Script Department“ und bald darauf die gesamte Abteilung Wort leitete. Er arbeitete dort zusammen mit Peter Weiser, dem Regisseur Walter Davy und in der Zeit von 1951 bis 1953 mit Ingeborg Bachmann, die einige Folgen für die von ihm konzipierte beliebte Hörfunkserie „Die Radiofamilie“ bzw. „Familie Floriani“ (1952 - 1960) schrieb. Ab 1951 betreute er die sehr erfolgreiche, weil kritische satirische Wochensendung „Der Watschenmann“ bis diese 1955 nach politischen Interventionen eingestellt werden musste; und dann nach ihrer Wiederaufnahme auf Einladung des neuen ORF-Generalintendanten Gerd Bacher noch einmal von 1967 bis 1974.
Nach der durch den Staatsvertrag und den Abzug der Besatzungsmächte bedingten Einstellung des Senders „Rot-Weiß-Rot“ betätigte sich Mauthe als freier Schriftsteller, als Autor einer Reihe von Wien-Büchern (z.B. „Wien für Anfänger“ ) und mehrerer Romane („Die Große Hitze“, „Die Vielgeliebte“ ), als Redakteur der „Austria-Wochenschau“ sowie als Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks. Ab 1960 produzierte er für die Österreichische Telefilm AG, in der er anfangs als künstlerischer Leiter und ab 1967 als Geschäftsführer tätig war, zahlreiche kleinere und größere Filme, die angesichts ihrer literarischen Qualität auch von deutschen Fernsehstationen geschätzt wurden.
1969 folgte der Journalist einem Angebot Gerd Bachers und trat ganz in den Österreichischen Rundfunk/ORF ein: zunächst als Chefdramaturg, bald darauf als Leiter der Programmplanung. Er schrieb aber auch Drehbücher, so 1968 für „Die Donaugeschichten“ und in den 1980er Jahren für die Serie „Familie Merian“. Nach dem Abgang Gerd Bachers verließ 1975 auch Mauthe den ORF und erwarb sich als „Watschenmann“-Kolumnist der Tageszeitung „Kurier“ innerhalb kurzer Zeit auch auf diesem journalistischen Gebiet einen besonderen Ruf
Im Oktober 1978 wurde der parteilose Publizist von der Österreichischen Volkspartei als einer der „bunten Vögel“ Erhard Buseks zur Mitarbeit in der Wiener Kommunalpolitik gewonnen. Er gehörte nun dem Wiener Gemeinderat und dem Stadtsenat als Stadtrat ohne Portefeuille bis zu seinem Tod im Jänner 1986 an. In dieser Zeit engagierte sich Mauthe vor allem in Fragen der Stadtbilderhaltung und Denkmalpflege sowie der Wiederbelebung des originalen Wienerlieds und der Beislkultur (Beisl ≈ Kneipe). Ebenso gilt er als geistiger Vater des Wiener Stadtfestes und der Grätzlfeste zur Belebung lokaler Identität (Grätzl = kleiner Stadtteil). Anlässlich des Konfliktes um den Bau eines Kraftwerks in den Donauauen bei Hainburg trat der bekennende Umweltschützer in vorderster Front als Gegner des Projekts auf. Gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Gewerkschafter und Journalisten Günther Nenning entwarf er 1984 das „Schönheits-Manifest“.
Schon seit 1980 war Mauthe auch Herausgeber der kulturpolitischen Monats-Zeitschrift „Wiener Journal“. Er vertrat dort „gegen den Zeitgeist“ eine betont bürgerlich-liberale Linie - keiner Partei verpflichtet, nur dem Leser.
Ein Krebsleiden machte Jörg Mauthes Leben am 29. Jänner 1986 ein Ende. Er war 61 Jahre alt geworden. Über sein Sterben als „öffentliche Person“ reflektierte er in dem posthum erschienenen autobiografischen Roman „Demnächst“. Seine Asche wird auf seinen Wunsch in einem Turm der Mollenburg im Waldviertel aufbewahrt, die er in den 1970er Jahren erworben und zusammen mit seinen Söhnen restauriert hatte.
Der Nachlass Jörg Mauthes wurde 2008 von der Wienbibliothek aus dem Familienbesitz gekauft. In 23 Archivboxen und einer Mappe umfasst er Werkmanuskripte, Briefe, Lebensdokumente sowie Sammlungen des Publizisten.
Jörg Mauthe als Freimaurer und Logengründer
1958 wurde Jörg Mauthe in die Wiener Loge ‘Lessing Zu den drei Ringen’ der Großloge von Österreich aufgenommen. 1960 war er Gründungsmitglied der Loge Libertas. Im Jahre 1964 bekleidete er dort das Amt des Meisters vom Stuhl.
Im Hausgesetz der Loge Libertas war vorgesehen, dass bei Erreichen von fünfzig Mitgliedern die Loge geteilt werden soll. 1965 war es soweit, und Jörg Mauthe war einer der Gründer der neuen Loge Libertas Gemina.
Von Anfang an hatten die Gründer den Plan, diese Loge zu einer „Künstlerloge“ zu machen, in der Maler, Schauspieler, Literaten und Theaterleute in einer Art Akademie neue Ideen und Visionen in die Tat umsetzen können sollten. Als idealisiertes Vorbild galten die Philosophen der „Athener Schule“, dargestellt auf einem jener Gemälde von Raffael im Vatikan. Waren die griechischen Philosophen bildlich die Verkörperung des Wollens der Gründungsmitglieder dieser Loge, so waren es in der Literatur gleich drei Bücher, die ihre Gedankenwelt beeinflussten: Louis Pauwels und Jacques Bergier: „Aufbruch ins Dritte Jahrtausend“ als geistig/esoterische Basis; Erich Zehrens: „Der gehenkte Gott“; und Hermann Hesses „Morgenlandfahrt“. Die Loge Libertas Gemina sollte ein geistiger Ort der Kraft werden, an dem jeder seine Vorstellungen, Ideale, Visionen und Utopien frei diskutieren konnte, um sie dann im Leben draußen umsetzen zu können. C. G. Jung und der Zauberkreis um den Monte Verita nahmen einen hohen Stellenwert in ihrer Vorstellungswelt ein.
Die Lichteinbringung (= spezielles Ritual für die feierliche Gründung einer Loge) am 30. Oktober 1965 war überaus eindrucksvoll. Aus München, der Schweiz, aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und aus Amerika waren Brüder angereist, so dass der alte große Tempel in der Wiener Dorotheergasse, wo die Wiener Logen damals noch untergebracht waren, gar nicht alle fassen konnte. Die anschließende „Weiße Tafel“ (= das Festessen danach) mit den Brüdern und ihren Frauen, zusammen 227 Personen, fand im großen Festsaal des Palais Schwarzenberg statt.
Die Vision einer glücklichen und starken Freimaurerei schien Wirklichkeit zu werden. Doch am blauen Himmel tauchten auch die Wolken und Mühen des Tages auf, und diese kamen nur zu bald mit den ersten Ballotagen (= Abstimmungen über Neuaufnahmen). Schon im ersten Jahr wurden neunzehn Brüder aufgenommen. Das gilt als deutlich mehr als eine Loge in so kurzer Zeit verkraften kann.
Bei der ersten Rezeption (= rituelle Aufnahme eines Kandidaten) starteten sie ein Experiment. Ganz im Sinne C. G. Jungs fassten sie die Dunkle Kammer - das ist ein abgedunkelter Raum, in dem ein Neuer unmittelbar vor der rituellen Aufnahme über sich und sein Leben nachdenken kann - als Herzstück der Initiation auf. Das „Visita interiora terrae, rectificando invenies occultum lapidem - veram medicinam“ („Suche das Innere der Erde auf; indem du dich läuterst, wirst du den verborgenen Stein finden - das wahre Heilmittel“) wollten sie deutlich herausarbeiten, den Akt der „Geburt in ein neues Leben“ und dieses „Gnothi sauton“, dieses „Erkenne Dich Selbst!“, durch einige Ergänzungen im Ritual begreifbar machen. Schon bei der zweiten Aufnahme musste aber aus verschiedenen Gründen auf diese Art der Aufnahme weitgehend verzichtet werden.
Die zu rasch hintereinander Aufgenommenen und die zu vielen neuen Brüder führten zu einer Krise, die noch durch berufliche und private Animositäten verstärkt wurde. Als Folge wurden zwei neue Logen gegründet: die ‘Zu den drei Lichtern’ in Wien und die ‘Libertas Oriens’ im Burgenland.
Von 1968 bis 1969 und von 1973 von 1975 bekleidete Jörg Mauthe das Amt des Meisters vom Stuhl, und von 1970 bis 1984 war er insgesamt fünfmal Vorbereitender Meister in „seiner“ Loge Libertas Gemina.
Jörg Mauthe spielte auch eine Rolle bei der Gründung des York Ritus in Österreich. Das ist ein freimaurerischer Bund, der neben und komplementär zur Großloge arbeitet. 1966 wurde Mauthe gemeinsam mit neun anderen Brüdern in München in alle drei Gradgruppen des bis dahin in Österreich weitgehend unbekannten York Ritus aufgenommen. 1968 erfolgte dann in Wien die Gründung des Kapitels ‘Vindobona’ (Royal Arch/RA) unter dem Schutz des Großkapitels von Deutschland der Maurer vom Königlichen Bogen. Die Rituale wurden entsprechend der laizistischen Tradition in Österreich unter Beibehaltung der freimaurerischen Inhalte, aber auch mit Rückgriff auf alte englische Rituale, von einigen Brüdern neu geschaffen. Jörg Mauthe spielte dabei eine wichtige Rolle.
Auch an Ritualreformen der Großloge war er beteiligt. Im Jahr 1972 wurde eine Ritualkommission, bestehend aus dem stellvertretenden Großmeister Kurt Baresch, Jörg Mauthe sowie einem weiteren Bruder, mit der Überarbeitung der Rituale der Großloge beauftragt. 1974 wurden diese reformierten Rituale in Kraft gesetzt. Bei dieser äußerst sorgfältig vorbereiteten Neuauflage wurden unter besonderer Berücksichtigung überlieferter bzw. verloren gegangener Texte zahlreiche Formulierungen verbessert, Widersprüche und unnötige Wiederholungen beseitigt und einige neue Elemente eingefügt. Dabei wurde unter anderem auch wieder auf das besonders schöne und konsistente Ritual der Loge Zukunft aus dem Jahr 1874 zurückgegriffen (Details: hier). Die „Handschrift“ Jörg Mauthes, sein herausragendes sprachliches Talent und sein enormes Wissen auf sehr vielen Gebieten sind unverkennbar.
Seine freimaurerische Erinnerung
Beim letzten Besuch „seiner“ Loge Libertas Gemina knapp vor seinem Tod beschrieb Jörg Mauthe im Rückblick seine Zeit im Bund der Freimaurer. Und in seinem letzten Buch mit dem Titel „Demnächst“ zitiert er das so:
- „Mein Bild vom Wert und dem Sinn der Freimaurerei ist heute anders als vor zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren. Es hat jetzt einen engeren Rahmen, aber tiefere Farben. Damals verließ ich mit einigen anderen die altgewordene ‚Lessing zu den drei Ringen’, um die neue ‚Libertas’ zu gründen, von der ich wiederum fünf Jahre später Urlaub nahm und die ‚Libertas Gemina’ stiftete; am Ende war in diesen drei Bauhütten so ziemlich alles versammelt, was in Wien an Liberalität und spirituellem Rang vorhanden war; das funkelte von Intellektualität und brillierte mit bekannten und hoffnungsvollen Namen, da schraubten sich oft die Diskussionen an der Weißen Tafel wie glitzernde Spiralen bis zum Schwindelerregenden hinauf oder gruben sich Deliberationen in staunenswerte Tiefen hinunter und herrschte ganz allgemein eine geradezu zauberflötenhafte Heiterkeit - ich formuliere das Adjektiv mit Absicht, denn in der Bornschen Loge ‘Zur Wahren Eintracht’, in der Mozart verkehrte, müssen die Stimmungen sehr ähnlich gewesen sein; später einmal wird man die Libertas-Logen der Sechziger- und frühen Siebzigerjahre als zweiten Höhepunkt in der Geschichte der österreichischen Freimaurerei betrachten.“