Melencolia § I: Unterschied zwischen den Versionen
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Deshalb die auf dem B74-Kupferstich zur Darstellung gebrachte kontemplative, ruhend-bewegungslose Tätigkeit Melencolias, in Harmonie mit dem Schöpfer. Keinerlei Anzeichen von Trägheit (acedia), bei dem ins Weltall gerichteten "überwachen" Blick der Divinità von Albrecht Dürer. - | Deshalb die auf dem B74-Kupferstich zur Darstellung gebrachte kontemplative, ruhend-bewegungslose Tätigkeit Melencolias, in Harmonie mit dem Schöpfer. Keinerlei Anzeichen von Trägheit (acedia), bei dem ins Weltall gerichteten "überwachen" Blick der Divinità von Albrecht Dürer. - | ||
− | Ein großartiger Gedanke, nachzulesen in Picos Rede über die Menschenwürde,1486 (Reclam Nr. 9658) oder im Internet: ..... Allerdings aber auch ein lebensbedrohlich-herätischer Gedanke - schon vor der Reformation, die diese emanzipatorische Illustration und damit den Durchbruch zu einem eigenständigen Denken, das Dürer genial ins Bild setzt, früh einzudämmen versucht hat ( | + | Ein großartiger Gedanke, nachzulesen in Picos Rede über die Menschenwürde,1486 (Reclam Nr. 9658) oder im Internet: ..... Allerdings aber auch ein lebensbedrohlich-herätischer Gedanke - schon vor der Reformation, die diese emanzipatorische Illustration und damit den Durchbruch zu einem eigenständigen Denken, das Dürer genial ins Bild setzt, früh einzudämmen versucht hat (katholischerseits mit der Verbrennung von Giordano Bruno am 17. Februar 1600 in Rom), indem sie den sündigen Menschen auf das Podest stellte, der seine Rechtfertigung vor Gott nur "sola fide", allein durch Glauben - bei den Katholiken nicht zuletzt durch gute Werke erreicht. |
== Sinnführende Linien und memorative Diagramme == | == Sinnführende Linien und memorative Diagramme == |
Version vom 25. Mai 2010, 21:04 Uhr
Ergänzende Ausarbeitungen zur Seite "Melancholia" von Dr. Ernst Theodor Mayer
Inhaltsverzeichnis
Autor
Dr. Ernst Theodor Mayer
Ergänzungen und abweichende Definitionen
Das Flugtier, das Dürers Bild-Überschrift auf einer Banderole trägt, hat einen Drachenschwanz und ist niemals eine Fledermaus - befragen Sie die Zoologie(!), sondern ein Alchemie-Ringdrache, hier mit geöffnetem Ring, weil er auf der Flucht ist vor dem Licht Gottes, das in der Finsternis scheint (Johannes-Evangelium: 1,5). Melencolia § I ist das einzige seiner Bilder, das Dürer tituliert hat. Dieser Original-Titel aber wird nicht ernst genommen. Man hält ihn bislang für eine ältere Schreibweise, die jedoch in keinem Lexikon zu finden ist. Der gut lesbare Titel besteht aus zwölf Zeichen, von denen das Paragraphenzeichen als "Ziervirgel" fast immer weggelassen wird, so auch im Internet. Wer mit seiner Melencolia § I - Interpretation im Internet gefunden werden will, muss das signum sectionis "§" weglassen. Melencolia § I aber ist das Anagramm für "Cameleon § LI I" (s.u.).
Und diese Verschlüsselung hat nun schon 496 Jahre Bestand, auch weil ein bedeutender, jedoch überaus sehbehinderter Humanist, Joachim Camerarius, latinisierter Kammermeister (1500-1574), im Jahre 1541 ohne die von ihm benötigte Nah-Brille "Melencolia § I " in gutem Latein zwar aber 1.) als "Melancholie" falsch gedeutet hat. Eigentlich hätte Camerarius als ausgewiesener Philologe es wissen müssen, dass aus einem epsilon niemals ein alpha, insbesondere aus dem zweiten "e" in Melencolia nie ein "a" für das griechische "melas" = schwarz wird. Aber er hat die Buchstaben eben nicht genau lesen können und sich auf sein physiognomonisches Vorurteil verlassen.
Ausserdem beschrieb Camerarius in 175 Wörtern u.a.: 2.) ein gesenktes Haupt (demisso capite), 3.) Augen-Lider, die gesenkt den Boden anstarren (palpebris deictis humum intuetur), 4.) den 12-Sterne-Kranz auf Melencolias festlich gescheitelter Frisur als vernachlässigtes und zerzaustes Haar (capillo est neglectiore, & diffuso) und schließlich 5.) das Magische Quadrat gar als Fenster mit einem Spinnengewebe davor (fenestram à pictore aranearum taela, & venationem harum) - Lateinischer Originaltext s. Rupprich I., 1956, S.319
Die meisten Camerarius-Beobachtungs-Fehler hat man in den letzten 479 Jahren zwar nach und nach richtig gestellt, nicht aber den Haupt-Fehler "Melancholie", mit der Melencolia § I nichts zu tun hat. Sie gehört daher auch nicht in die Reihe der vier Temperamente - man sucht den gleichformatigen Sanguiniker bei Dürer vergeblich - sondern zu den Drei-Stufen des mystischen Weges zu Gott: Purgatio-Illuminatio-Perfectio ! Deshalb auch hat Dürer "Höhepunkt und Abschluß" dieses Weges, zwei Kupferstiche, Melencolia § I und Hieronymus, oftmals als doppelte Gabe zusammen verschenkt.
Vor allem aber illustriert Dürer mit Melencolia § I nicht nur die "Illuminatio" sondern sich selber auf der Höhe seines Schaffens, und zwar mit seinem Heräsie-Vorwürfe fürchtenden, daher mehrfach verschlüsselten Selbstbild als weiblichen "Vollender", mit einem 12-Sterne-Kranz der Himmelsbraut als "Schöpfer", als "gottgewordenen Menschen", der die von Pico della Mirandola, 1486 ff., formulierte individuelle Aufgabe des Menschen, der seine Gottesebenbildlichkeit ernst nimmt, durch kreative Leistungen "Gottes Sohn und mit ihm eins zu werden"("filium Deum fieri et unire Deo"), Himmel und Erde, den Kosmos zu vermählen, und der das "maritare mundum" gemäß der 13.Pico-These zur weißen = wissenschaftlichen Magie gerade vollbringt bzw. vollbracht hat und den "Welten-Sabbath" feiert.
Deshalb die auf dem B74-Kupferstich zur Darstellung gebrachte kontemplative, ruhend-bewegungslose Tätigkeit Melencolias, in Harmonie mit dem Schöpfer. Keinerlei Anzeichen von Trägheit (acedia), bei dem ins Weltall gerichteten "überwachen" Blick der Divinità von Albrecht Dürer. - Ein großartiger Gedanke, nachzulesen in Picos Rede über die Menschenwürde,1486 (Reclam Nr. 9658) oder im Internet: ..... Allerdings aber auch ein lebensbedrohlich-herätischer Gedanke - schon vor der Reformation, die diese emanzipatorische Illustration und damit den Durchbruch zu einem eigenständigen Denken, das Dürer genial ins Bild setzt, früh einzudämmen versucht hat (katholischerseits mit der Verbrennung von Giordano Bruno am 17. Februar 1600 in Rom), indem sie den sündigen Menschen auf das Podest stellte, der seine Rechtfertigung vor Gott nur "sola fide", allein durch Glauben - bei den Katholiken nicht zuletzt durch gute Werke erreicht.
Sinnführende Linien und memorative Diagramme
Bedeutung für Freimaurer
Und für Freimaurer besonders wichtig: Das Polyeder hat das Hexagramm zum Grundriss und das Achtort-Oktogon im Magischen Quadrats zum seitlichen Aufriß = Kreuzriß: 2 Bauhütten-Geheimnisse sind also in Melencolia § I ganz zentral !
Und hier die Auflösung des Anagramms " Cameleon § LI I " (Richter, Leonhard G.,2007):
- 1. Cameleon (diese Schreibweise nur im Vulgata-Text von 3. Mose 11 Vers 30) ist die von Pico della Mirandola erfundene Gattungsbezeichnung für den Menschen, der nicht nur wie das Tier-Cameleon die Farbe, sondern auch seinen Charakter ändern könne: ins Tierische entarten oder göttlich werden;
- 2. § LI = Kapitel 51 im 8. Buch "Naturalis historia" von Plinius d.Ä. (23-79), das ausschließlich vom Cameleon handelt;
- 3. I = EINS = Tetragramm = GOTT als fons numerorum, Quelle aller Zahlen.
Der von Dürer insinuierte Melencolia § I - Titel also lautet: MENSCH GOTT bzw. "gottgewordener Mensch".
Weitere Anmerkungen
Hinweise
- Mayer, Ernst Th., Melencolia § I- der “angelo terrestre” und sein gleichzeitiges doppeltes Sehvermögen. Musik-, Tanz- und Kunsttherapie 20(1),2009,8-22
- Pico della Mirandola,Ioannes,Oratio-Rede über die Menschenwürde, Reclam,1997
- Pico della Mirandola,Giovanni,Commento sopra una canzone d'amore,1486,ital.-dt.von Thorsten Bürklin, Meiner, Hamburg, 2001
- Richter, Leonhard G., "Unser Chamäleon". Die Weltchiffre des Menschen bei Pico della Mirandola und Albrecht Dürer. In: W.Schrader, G. Goedert & M. Scherbel (HRSG), Perspektiven der Philosophie, Neues Jahrbuch, Bd.33 (S.305-392). Amsterdam, New York: Editions Rodopi
- Rupprich, Hans, Dürer. Schriftlicher Nachlass, Bd.I, Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin,1956, S.319.
- Thimme, Eva-Maria, Maritare Mundum, Disertation FU-Berlin, 2005
- Yates,Francis,A., Giordano Bruno and the hermetic Tradition, Routledge, London, New York, 1964