Traktat: Feldloge
Inhaltsverzeichnis
Heutige Feldlogen
von Jens Rusch
In den Logenferien, der freimaurerischen Sommerpause, veranstalten einige Logen gelegentlich sogenannte "Feldlogen". Oft und gerne in Steinbrüchen, großen Höhlen oder auf anderen spektakulären Naturbühnen. Diese Zusammenkünfte finden nicht selten in einem ganz besonderen Flair geschichtlichen Bewusstseins statt.
Das heilige Abendmahl endet mit der programmatischen Aufforderung " "Ein Solches tut zu meinem Gedächtnis" und ganz ähnlich sollte eine Feldloge daran erinnern, unter welchen Umständen diese ambulanten Tempelarbeiten ursprünglich abgehalten wurden. Zeitzeugen gibt es kaum noch und deshalb ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, unter welchen Umständen sich Brüder in Extremsituationen zusammenfanden und vor allem danach fragen, weshalb sie das taten.
Man sollte sich vielleicht bei dieser Gelegenheit einfach bildhaft vorstellen, dass wir uns hier heute nicht in einem friedvollen Ambiente befänden, sondern unter feindlichem Beschuss, inmitten von Gefahr und Bedrohung, umgeben von verletzten, stöhnenden und am Sinn des eigenen Handelns zweifelnden Kameraden.
Situation und Geschichte
In der Dunkelheit und unter Geschützdonner muss ein ganz besonderer Geist die Brüder getrieben haben, sich zu einer Tempelarbeit zusammenzufinden. Und hierbei spreche ich zunächst noch von "legalen", das heißt angeordneten Frontlogenarbeiten. Dabei sprach man eigentlich auch nicht von "Feldlogen", sondern von Militärlogen. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Feldpost der Militärlogen des ersten Weltkrieges Stempel mit der Bezeichnung "Feldloge" trug.
Doch bereits unter Napoleon hatte es Feldlogen gegeben. Diese Feldlogen spielten in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts in Frankreich eine große Rolle. Sie existierten in fast allen Regimentern. Zunächst bestanden diese nur aus Offizieren, bildeten sich um 1785 aber auch als Unteroffizierslogen an der französischen Front.
Die erste wirkliche preußische Feldloge kam mit den schwedischen Truppen im Siebenjährigen Krieg, woran zwei seltene Gedenkmünzen erinnern. Aus dieser Loge ging die Loge Karl zu den drei Greifen in Greifswald hervor. Überhaupt waren solche ursprünglichen Feldlogen oft der Ursprung späterer ziviler Logen in Friedenszeiten. Die deutsche Logenlandschaft weist hierfür eine ganze Reihe von Beispielen auf. "Frisia zur Nordwacht" entstand übrigens auch als Feldloge auf der Insel Sylt, ebenso wie die "Hanseatentreue" in Riga.
Tagebuch
Der russische General und Historiker Alexander Iwanowitsch Michailowski-Danilewski, welcher im November 1813 in die russische Feldloge Zum heiligen Georg in Frankfurt aufgenommen wurde, schrieb über die preußische Feldloge Zum eisernen Kreuz, deren Mitglieder im Koalitionskrieg gegen Napoleon Bonaparte kämpften, folgende Beobachtungen in sein Tagebuch:
- Die in Logen gehaltenen Reden waren voll flammender Vaterlandsliebe. Am Tage nach der Schlacht oder am Vorabend derselben gehalten, begeisterten sie unsere Seelen zu edelsten Beschlüssen. Mögen die Leute, die heute die das Freimaurertum bekämpfen und die wahrscheinlich ihre patriotischen Gefühle darauf beschränkten, bei der Nachricht von unseren Siegen auf Festlichkeiten zu tanzen, mögen sie doch die Reden lesen, die in der Loge Zum eisernen Kreuz gehalten wurden. Jedes Mitglied der Loge hatte vielfach sein Leben dem Vaterland zum Opfer angeboten (...) Als nach der Einnahme von Paris der entsetzliche Kampf aufhörte und Preußens Unabhängigkeit hergestellt, mithin das Ziel erreicht war, feierte die Loge Zum eisernen Kreuz ihre Schließung in feierliche Weise (im Mai 1814 im Palais Elysee Bourbon). Die Preußen schilderten die elende Lage ihres Vaterlandes vor dem Kriege und beschrieben den heiligen Freiheitskampf und die wohltätige Wirksamkeit der Loge während des Kampfes. Sie erinnerten sich daran, wie während des Donners der Schlachten sie sich in der Loge gegenseitig gestärkt, um die Mühseligkeiten des Feldzuges zu tragen,(...) und wie sie so die Ketten zerrissen, die das Vaterland knechteten und dessen Ruhm wiedergestellt haben .
Man muß sich das noch einmal vor Augen halten: "Die wohltätige Wirksamkeit der Loge während des Kampfes" . da klingt zunächst wenig von friedlicher Bewusstseinsbildung auf der Grundlage von Ethik und Moral - und so war es sicherlich auch nur zum Teil beabsichtigt. Frontlogen waren ein Bestandteil der Kriegsführung, um die Moral der Führungskräfte zu festigen und basierten primär auf Patriotismus und hatten keinerlei kosmopolitische Ambitionen.
Der Einsatz von Feldlogen
Der preußische Generalleutnant Graf Henckel von Donnersmark, aufgenommen 1791 in der Loge "Zu den drei Kronen" in Königsberg, Landesgroßmeister der großen Landesloge von Deutschland nahm 1840 den späteren Kaiser Wilhelm I. in den Freimaurerbund auf und setzte während der Befreiungsfeldzüge gegen die Franzosen bereits Feldlogen ein. Auf sein Beispiel berief sich Friedrich Wilhelm II. als er auf dem Kongress zu Verona die Freimaurerei gegen Metternich verteidigte.
Der Ehrenstatus der Offiziere mischte sich durch diese Ereignisse mit dem Moralcodex der Freimaurerei und führte unter dazu, dass der Freitod von Offizieren zur Wiederherstellung der Ehre (und damit der Pensionsansprüche) später von Ludendorff ausschließlich der Freimaurerei angelastet werden konnte.
"Landesverrat"
Da es im Rahmen der Tempelarbeiten dieser Frontlogen auch zu Begegnungen und gegenseitigen Besuchen eigentlich verfeindeter Freimaurer kam, fand Ludendorff hierin auch den Nährboden für seine sogenannte "Dolchstoßlegende" und bezichtigte die Freimaurer des Landesverrates.
Der amerikanische Bürgerkrieg
Militärlogen gab es auch in Amerika. Um als Wanderlogen im Kriegsgeschehen zu gelten, mußten sie als regulär anerkannt werden. Hierfür gab es sogenannte "Wanderstiftungsurkunden", die ihren Mitgliedern ausdrücklich erlaubte, eine Loge nach Gefallen oder Bedarfslage zu verlegen. 1756 wurde Richard Gridley ermächtigt, alle bereits regulär aufgenommenen Freimaurer im Feldzug gegen Crown Point zu vereinigen.
Auch im amerikanischen Bürgerkrieg gab es gegenseitige Besuche anlässlich freimaurerischer Tempelarbeiten. Diese mussten allerdings in größter Heimlichkeit abgehalten werden, denn den Teilnehmern drohte das Krieggericht und die standrechtliche Erschießung wegen Hochverrates. Das Kolaborationsgesetz verbot in einer Passage ausdrücklich die Teilnahme an Feldlogen. Dennoch gab es auf beiden Seiten in Großer Zahl Feldlogen. Wann immer es zwischen den Schlachten möglich war, wurde freimaurerische Tätigkeit entfaltet. Namentlich auf konföderierter Seite waren die Armeelogen für die bunt zusammengewürfelten Scharen der Freiheitskämpfer ein Band von seltener Stärke. Der einfachste Soldat, der zur Loge gehörte, fühlte sich dem Oberbefehlshaber und seinen freimaurerischen Generälen und Offizieren brüderlich verbunden. Die berühmteste Feldloge wurde die 1776 gestiftete "American Union Nr. 1".
Ihr Siegel zeigte eine Kette aus dreizehn Ringen, entsprechend den dreizehn im Kämpfe stehenden Staaten. In der unglücklichen Schlacht von Long Island wurde ein großer Teil ihrer Mitglieder getötet oder gefangen. Die Überlebenden retteten die Logengeräte, führten sie auf dem abenteuerlichen Rückzug von New York mit und stellten in der von Schlachtenlärm erfüllten Weihnachtennacht die Lichter hinter der neuen Linie um Delaware in einer rohgezimmerten Arbeitshütte wieder auf. In der fürchterlichen Not und Entbehrung des Winterlagers von Valley Forge bildeten die brüderlichen Zusammenkünfte, an denen auch George Washington teilnahm, oft den einzigen Trost der um den Sieg bangenden. Lafayette hat hier möglicherweise das Licht erhalten.
Als die englische Feldloge Nr. 227 auf einem der Rückzuge ihre Konstitution und alle Embleme zurückgelassen hatte, ließ George Washington diese durch einen Offizier und eine Ehrenwache zurückbringen. Als diese mit der weißen Fahne und der Logenlade im britischen Lager erschienen, empfing man sie mit militärischen Ehrenbezeigungen.
Als am 23. Juli 1779 der Feldloge des Regiments West Jersey Higlands (Unity No. 18) nach dem Fall von Stony Point ihre Charter und ihre Verfassung an den Feind verlorengingen, sandte der General Samuel H. Parsons in dessen Truppen sich die Dokumente nun befanden, beide mit einem Schreiben zurück, in dem er in herzlichster Weise den Gedanken der Brüderlichkeit betonte. Wohlgemerkt: Diese waren an den militärischen Gegner gerichtet!
Ob die relativ plötzliche Beendung des amerikanischen Bürgerkrieges auf friedvolle Begegnungen gegnerischer Offiziere während gemeinsamer Feldlogenarbeiten zurückzuführen ist, ist weitgehend unklar und gehört möglicherweise zum Fundus amerikanischer Legendenbildung innerhalb der Freimaurerei. Möglicherweise aber auch nicht, denn es gibt zahlreiche belegte Ereignisse, in denen freimaurerisches Verhalten das Handeln von Bürgerkriegsteilnehmern bestimmte.
Am Bekanntesten ist sicherlich das große Bronze-Monument "Friend to Friend"in Gettysburgh, daß von der Großloge von Pensylvania errichtet wurde und an zwei gegnerische Offiziere erinnert, die vor Ausbruch des Bürgerkrieges Freunde und Brüder waren und sich dann schwer verletzt auf dem Schlachtfeld wieder begegneten und zu helfen versuchten.
Bekannt ist ja inzwischen wohl auch, dass der Anteil der Freimaurer unter den Unterzeichnern der darauf folgenden amerikanischen Unabhängigkeitserklärung außerordentlich groß war.
Der erste Weltkrieg
Während des Ersten Weltkrieges entstanden auf niederländischen Boden zwei Feldlogen. Die 1915 gegründete Loge Gastvrijheid setzte sich aus einer großen Anzahl der englischen Marinebrigaden zusammen, die nach Kämpfen bei Antwerpen dort in Gefangenschaft gerieten. Die Brüder arbeiteten unter der Protektion der holländischen Grossloge nach englischem Ritual. Gastvrijheid wurde nach dem Ende des Krieges in eine ordentliche Loge unter englischer Obedienz umgewandelt.
Kriegsgefangenen-Logen
Nach den jeweiligen Kriegsereignissen bildeten sich vielfach Logen in Kriegsgefangenen-Lagern. Als ein Beispiel von vielen mag die Irländische Loge Nr.63 zu Charlottesville dienen. Gegründet wurde diese Loge 1777 im Barackenlager von Charlottesville von Offizieren des von Karl II. Wilhelm Ferdinand zu (Braunschweig-Wolfenbüttel) gesendeten Expeditionskorps nach der Schlacht von Saratoga im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Eine große Anzahl der Mitglieder waren auch Angehörige des 20. irischen Linienregimentes welches die Namensgebung der Loge erklärt.
Liberté chérie
Eine ganz besonders hohe Anforderung an Heimlichkeit und Verschwiegenheit betrifft die wenigen belegbaren Tempelarbeiten in Konzentrationslagern. Am Bekanntesten ist wohl die Feldloge "Liberté chérie" im Emslandlager VII in Esterwegen, die unter sensibelsten und lebensbedrohenden Bedingungen von 7 belgischen Brüdern am 15. November 1943 in einer Baracke gegründet wurde. Bei einer Entdeckung wären sie ohne Umschweife hingerichtet worden. Der Name der Loge leitet sich von der sechsten Strophe der Marseillaise her. Die sieben wählten Paul Hanson zu ihrem Meister vom Stuhl. In dieser schwierigen Situation zelebrierte man bemerkenswerterweise ein Aufnahme-Arbeit für den Belgier Fernand Erauw. Die Brüder versammelten sich für ihre Logenarbeit in Baracke 6 um einen Tisch, der sonst zum Patronensortieren verwendet werden musste. Dabei standen jeweils katholische Priester Wache, damit die Freimaurer ihre Versammlungen abhalten konnten, und umgekehrt beschützten die Brüder Liberté chéries die Katholiken, wenn diese heimlich ihre heilige Messe feierten.
Luc Somerhausen, einer der Gründungsmitglieder schildert Fernand Erauws Aufnahme zum Freimaurer:
- „..eine ebenso einfache wie geheime Zeremonie, die darin bestand, den Profanen Fernand Erauw aufzunehmen, der vorgeschlagen worden war, sich den Gründern anzuschließen, und der dem Vorschlag zugestimmt hatte. Diese Zeremonie, zu deren Geheimhaltung man die Gemeinschaft der Priester um Hilfe gebeten hatte, die wiederum von uns Beistand bei ihren Gebeten erhielten, fand um einen der Essenstische herum nach einem sehr stark vereinfachten Ritual statt, dessen einzelne Bestandteile dem Neuaufgenommenen aber erklärt wurden und der fortan an der Arbeit der Loge teilnahm.“
Das Logenleben der acht Gefangenen war schwierig. Mehr als hundert Gefangene waren in Baracke Nr. 6 fast rund um die Uhr eingesperrt und durften diese nur für einen halbstündigen Spaziergang pro Tag unter Aufsicht verlassen. Tagsüber musste eine Hälfte des Lagers Patronen und Radioteile sortieren. Die Gefangenen der anderen Hälfte des Lagers wurden gezwungen, unter übelsten Bedingungen in den umliegenden Torfmooren zu arbeiten. Die Ernährung war so miserabel, dass die Gefangenen im Durchschnitt jeden Monat 4 Kilo Körpergewicht verloren. Nach der ersten rituellen Versammlung mit Aufnahme des neuen Bruders Fernand Erauw wurden weitere Treffen thematisch vorbereitet. Eines war dem Symbol des Allmächtigen Baumeisters aller Welten gewidmet, ein anderes der Zukunft Belgiens, ein weiteres schließlich der Stellung der Frau in der Freimaurerei. Von den Mitgliedern überlebten nur Luc Somerhausen und Fernand Erauw die Haft. Daher stellte die Loge Liberté chérie zum Beginn des Jahres 1944 ihre maurerische Arbeit ein.
Im August 1945 sandte Luc Somerhausen dem Großmeister des Großorient von Belgien einen ausführlichen Bericht, in dem er die Geschichte der Loge „Liberté chérie“ nachzeichnete. Dieser Bericht, für den Somerhausen eine Empfangsbestätigung zuging, gilt als verschollen.
Luc Somerhausen verstarb 1982 mit 79 Jahren. Der letzte lebende Zeuge Fernand Erauw verschied 83-jährig im Jahr 1997. In Esterwegen befindet sich heute eine einfache Gedenkstätte für diese Feldloge. Das Mahnmal voller maurerischer Symbolik wurde bezeichnenderweise erst in diesem Jahrtausend errichtet. Es wurde in Anwesenheit von sieben ausländischen Großmeistern und Großvertretern sowie von Hunderten von Freimaurer-Schwestern und Brüdern am 13. November 2004 in einer maurerischen Gedenkfeier enthüllt. Keiner der beiden Überlebenden durfte dieses Ereignis noch miterleben.
Es gibt also Gründe, sich an Feldogen und an ihre Geschichte zu erinnern.Möge diese Feldloge in diesem Sinne verstanden werden.
- Jens Rusch
- unter Verwendung von Quellen-Material aus www.freimaurer-wiki.de, vornehmlich von Lennhoff, Posner, Binder
Siehe auch
- Feldloge
- Liberté chérie
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