Thule-Gesellschaft
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Thule-Gesellschaft
Quelle: Wikipedia
Die Thule-Gesellschaft war eine völkisch-antisemitisch orientierte Organisation, die kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs im August 1918 in München von Rudolf von Sebottendorf gegründet wurde und in ihrer stärksten Phase um 1919 rund 200 Mitglieder hatte. Sie wurde nach der in der griechischen Mythologie erwähnten Insel Thule benannt. Die Thule-Gesellschaft war rein politisch orientiert. Ihre Aktivitäten bestanden vor allem in der Bekämpfung der Revolution von 1918, der neuen bayerischen Regierung unter Kurt Eisner sowie der wenige Wochen nach dessen Ermordung folgenden Räterepublik. Danach verlor sie schnell an Bedeutung und löste sich um 1925 auf. In jüngerer Zeit ist sie Anknüpfungspunkt vielfältiger Verschwörungstheorien und Fiktionen.
Gründung
Die alldeutsch und antisemitisch orientierte Thule-Gesellschaft wurde am 17./18. August 1918 mit der Bezeichnung „Thule Gesellschaft, Orden für deutsche Art“ von Rudolf von Sebottendorf in München gegründet. Sie ging aus dem geheimen antisemitischen Germanenorden hervor und sollte einen Rahmen für öffentliche politische Aktivitäten bieten, ohne auf den Orden selber aufmerksam zu machen.
Versammlungsort der Thule-Gesellschaft war das Münchener Luxus-Hotel „Vier Jahreszeiten“, dessen Inhaber, die Familie von Alfred Walterspiel, mit zum wichtigsten Gönner wurde. Die Mitglieder waren überwiegend Akademiker, Aristokraten und Geschäftsleute. Als Emblem der Gesellschaft wurde ein Hakenkreuz mit Strahlenkranz hinter einem blanken Schwert gewählt.
Kurzbeschreibung
Bayerische Tarnorganisation, hervorgegangen im August 1918 aus dem „Germanenorden“. Unter der Leitung des Abenteurers, Esoterikers und Okkultisten Rudolf von Sebottendorff (1875-1945) wurde sie nach dem Sturz der Monarchie 1918 zur wichtigsten gegenrevolutionären Kraft in München. In der "Thule-Gesellschaft" tummelten sich 1918/19 mehrere Personen, die später in der völkischen Szene und der NSDAP Bedeutung gewinnen sollten.
Kurz vor dem Fall der Räte-Republik wurden mehrere Mitglieder der Thule-Gesellschaft spektakulär ermordet ("Geiselmord").
Vorgeschichte
Der 1912 gegründete "Germanenorden", der Vorgänger der "Thule-Gesellschaft", hatte sich zwar, was die Formen betrifft, an den Freimaurerlogen orientiert, war aber von der politischen Ausrichtung genau das Gegenteil. Das Ziel des Germanenordens war eine „arisch-germanische religiöse Wiedergeburt“.
Der "Germanenorden" war zwar nach Freimaurer-Vorbild organisiert, aber eher eine Anti-Freimaurer-Organisation. Das Ritual verband Elemente der Freimaurerei mit solchen der völkischen Ariosophie (Guido von List) und mit Musik von Richard Wagner. Zu den verwendeten Symbolen gehörte die Swastika („Hakenkreuz“).
Mit der Gründung der Thule-Gesellschaft 1918 verlor der "Germanenorden" rasch an Bedeutung; seine Mitglieder wanderten dorthin ab.
Historischer Hintergrund
1918/19 herrschte in München eine Räterepublik, die sich immer mehr radikalisierte. Die Gründung und Organisation von rechten politischen Vereinigungen war nahezu unmöglich. Da wurde dann von Münchnern Angehörigen des „Germanenordens“ die "Thule-Gesellschaft" als Kulturvereinigung gegründet, unter deren Decke vielerlei Aktivitäten stattfanden und koordiniert wurden. Sie war eher ein politischer Geheimbund. Sowohl die DAP (später in NSDAP umbenannt), der „Völkische Beobachter“ als auch des Freikorps Oberland sind aus ihr hervorgegangen.
Die „Thule-Gesellschaft“ und die Münchener Räterepublik 1918/19
Die alldeutsch und antisemitisch orientierte Thule-Gesellschaft wurde am 17./18. August 1918 mit der Bezeichnung „Thule Gesellschaft, Orden für deutsche Art“ von Rudolf von Sebottendorf in München gegründet. Mitglieder waren hauptsächlich Akademiker, Adlige und Geschäftsleute. Versammlungsort der Thule-Gesellschaft war das Münchener Luxus-Hotel „Vier Jahreszeiten“, dessen Inhaber, die Familie von Alfred Walterspiel, mit zum wichtigsten Gönner wurde. Ihr Symbol war das Hakenkreuz hinter einem senkrecht stehenden, blanken Schwert, ihr Gruß "Sieg und Heil".
Am 3. August 1919 wurde der Verein unter dem Namen „Thule-Gesellschaft zur Erforschung deutscher Geschichte und Förderung deutscher Art e.V., Sitz München“ ins Vereinsregister eingetragen. Die Gesellschaft stand in deutlichem Gegensatz zu den Freimaurern, kopierte aber deren Organisationsform. "Thule", das Wort für ein sagenhaftes Land im Norden, diente als Deckname.
In den "Vier Jahreszeiten" brachte Sebottendorff auch das Büro der Thule und die Redaktion ihrer Zeitung unter: "Münchener Beobachter" (1920 umbenannt in „Völkischer Beobachter“). Unter dem Dach der „Thule-Gesellschaft“ schlüpften fast alle nationalistischen Gruppen, die ihre bisherigen Räumlichkeiten verloren hatten, unter. Dazu gehörten die Nationalliberale Partei, der Alldeutsche Verband, der Deutsche Wehrverein und der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband.
Nach der Proklamation des Freistaates Bayern am 8. November 1918 wurde der "Kampfbund Thule" als militärischer Arm der Gesellschaft gegründet. Der Thule ging es nicht um die Wiederherstellung der Monarchie, sondern um die Errichtung einer Diktatur auf rassistischer Grundlage. Ihr Kampfbund, aus dem im April 1919 das Freikorps Oberland hervorging, beteiligte sich im Dezember 1918 an den Vorbereitungen eines Staatsstreiches, der in letzter Minute verhindert werden konnte. Es handelte sich um die sog. „Bürgerwehr-Affäre“, die beinahe zum vorzeitigen Ende der Regierungskoalition aus MSPD und USPD geführt hätte.
Die "Thule-Gesellschaft" war in Wahrheit war nichts anderes als ein rassistischer, stark antisemitischer und völkischer Geheimbund, dessen Hauptanliegen im Kampf gegen die Münchener Räterepublik lag. Von allgemeinen okkulten Übungen oder Zielsetzungen ist – trotz Rudolf von Sebottendorff – in den erhaltenen Schriften oder Sitzungsprotokollen der Gesellschaft nichts zu finden.
Für die in den letzten Wochen der Räterepublik in München verbliebenen Mitglieder der Thule-Gesellschaft standen 2 Tätigkeiten im Vordergrund : zum einen die Anwerbung und Überprüfung von Freiwilligen für die Freikorps sowie deren Abtransport aus München und zum anderen das Sammeln von Nachrichten über die Lage in München und ihre Übermittlung an die militärischen Stellungen außerhalb der Stadt.
Die völkische Thule-Gesellschaft organisierte während der Zweiten Räterepublik ein umfangreiches Spitzelwesen und war an zahlreichen Sabotageakten gegen die „Rote Armee“ beteiligt. Im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen deren konspirative Tätigkeit veranlaßte die „Kommission zur Bekämpfung der Gegenrevolution“ die Verhaftung von 7 Thulemitgliedern und betrachtete sie unter dem Eindruck der herannahenden Regierungstruppen als Faustfand. Nach kurzer Gefangenschaft wurden die verhafteten Mitglieder der Thule-Gesellschaft und die inhaftierten Regierungssoldaten am 30.04.1919 im Hof des Luitpoldgymnasiums durch Rotarmisten erschossen („Geiselmord“).
Geschichte der Thule-Gesellschaft nach dem Untergang der Räterepublik
Als die Räterepublik 1919 beseitigt wurde, zerfiel auch die "Thule-Gesellschaft" in rivalisierende Gruppen. Sie verkam zu einem kleinen bedeutungslosen Verein von etwa 20 Mann (von früher 1.500 Mitgliedern im Winter 1918/19, davon 250 in München) und spielte in der völkischen Bewegung nur noch eine untergeordnete Rolle. Aktivitäten gab es kaum mehr, NSDAP und Oberland hatten sich längst abgenabelt.
Da schließlich weniger als 20 Mitglieder übrigblieben, die sich zu Gedenksitzungen versammelten, wurde die „Thule-Gesellschaft“ um 1925 aufgrund mangelnder Unterstützung aufgelöst. 1932 wurde sie aus dem Vereinsregister gelöscht.
Mehrere Neugründungsversuche, zuletzt 1933, blieben erfolglos. 1933 veröffentlichte der Vorsitzende "Freiherr" von Sebottendorff ein Buch, in dem er sich als Geburtshelfer von Hitlers Karriere darstellen wollte. Aber bei ihm handelte es sich um einen Hochstapler, bei dem nicht einmal der Adelstitel echt war. 1934 wurde er aus Deutschland abgeschoben.
Sekundärliteratur
- Hermann Gilbhard: Die Thule-Gesellschaft. Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz. Kiessling Verlag, München 1994, ISBN 3-930423-00-6.
- Frank Jacob: Die Thule-Gesellschaft. Uni-edition, Berlin 2010.