Traktat: Absalom-Logengeschichte 2
Traktate 31: Absalom-Logengeschichte 2
Von H.-P. Meißner
Teil 2 einer Exkursion in die Geschichte unserer Loge :
Dem interessierten Br. meiner vollkommenen und gerechten Loge ABSALOM z.d.d.Nesseln mag es nicht entgangen sein, dass ich mir in einer vorangegangenen Ausgabe der AM Gedanken gemacht hatte, wie es wohl zur Freimaurerei in Hamburg gekommen sein mag, wer die Stifter der „Loge d`Hambourg“ waren und wie wir zum Namen ABSALOM gekommen sind. Letztlich wollte ich erfahren, wo ich was, mit wem, worüber, zu tun habe.
Mir schien es angebracht, am Anfang von Allem zu beginnen, ohne den Anspruch erheben zu wollen, „in meinen Erfahrungen“ bis auf die 3. Stelle hinter dem Komma exakt und alles historisch vollständig wiederzugeben. Das würde den Rahmen für eine Übersicht sprengen. Allerdings könnte so den jungen Brrn. weitere Orientierung und den alten Hasen Erinnerung zugänglich sein. Letztlich bleibt es jedem Br. überlassen, zum Thema tiefer in die umfang-reiche Literatur einzusteigen. Heute möchte ich den Faden wieder aufnehmen und über die Aktivitäten der Stiftungsbrüder in unserer Loge und ihre weiteren Initiativen berichten, die den Ausgangspunkt der deutschen FM und ihres Logenwesens bildeten.
Um noch einmal auf die ersten Tage, Wochen und Monate der jungen „Loge d`Hambourg“ zurückzukommen. Alle heute nachlesbaren schriftlichen Abfassungen und Handlungen zum Thema der Logengründung erfolgten seiner Zeit aus dem Gedächtnis der Beteiligten. Sie hatten ihr Wissen aus England (1717) und Paris (1723) mitgebracht. 1737 standen noch keine von der Großloge von London und Westminster herausgegebenen Anweisungen und Ritualbestimmungen zur Verfügung (die Gründung der Loge wurde durch AStM Lüttmann erst 1740 durch seinen Besuch in London attestiert).
Das erste Protokollbuch der Loge, in dem das Stiftungsdatum, die Beteiligten, die ersten 42 Logengesetze, die Arbeiten und Zielsetzungen, Vorkommnisse, die Anwesenheit/ Beteiligung bei den Arbeiten, Ballotagen etc.etc., in französisch festgehalten sind, ist uns bestens gegenwärtig. Bereits in diesem ersten, offiziellen Dokument deutscher Freimaurerei zeichnet sich ein für damalige politischen Auffassungen bemerkenswerter demokratischer Geist ab.
So ist u.a. festgehalten, „dass der MvSt das Vertrauen und die Vollmacht der Brüder hat, über die Zusammensetzung der engeren Logenleitung zu bestimmen. Gleichwohl ist er auch beauftragt, um die Erbauung der Logenmitglieder besorgt zu sein und sich um die Unterweisung der Freimaurer LL – ( GG) besonders zu sorgen. Sowie es auch seine vornehme Aufgabe ist, sicherzustellen, dass politische Streitereien oder religiöser Hader aus der Loge fern zu halten ist“. In den Anfängen der hiesig praktizierten FM wurde dem 2. Grad noch nicht die ihm zustehende Bedeutung beigemessen. Jahre später wurde ihm sein heute unbestrittener Platz eingeräumt.
Die ersten Merkmale der etwas anderen FM hierzulande, als außerhalb deutscher Lande, kann man unschwer aus den Logengesetzen und Protokollen der Arbeiten ableiten.
Bereits 2 Wochen nach Gründung unserer Loge waren alle Brr. zu MM erhoben worden. Sie wählten nach Br. Sarry den Baron v. Oberg zu ihrem MvSt. Zum Jahresende wurde u.a. der Hamburger Bürger Jakob Friedrich Bielfeld aufgenommen und 8 Tage später erhoben (über ihn wird zu berichten sein). Eine Eigenheit der jungen Loge bestand darin, dass sie im Wechsel von 3 Monaten einen der befähigten Gründungsbrr. zum MvSt wählten. Innerhalb kürzester Zeit hatte es sich herumgesprochen, dass es die Loge in der Bäckerstraße gibt. In unserem ersten Protokollbuch dokumentieren die Berichte der Arbeiten zw. Dezember 1737 und Juli 1738 zahlreiche geschichtsträchtige Auf- und Annahmen, wie z.B. die Annahme des in England zum Freimaurer aufgenommenen niedersächsischen Barons Friedrich Christian von Albedyll, im Februar 1738; den Hammer führte Br. v. Oberg.
Unsere „schweinslederne Geburtsurkunde“ hält fest, dass der seit dem 1. März 1738 zum MvSt gewählte Br. Peter Carpser schon 14 Tage nach seiner Ernennung sein Amt wieder abgeben musste. Als Wundarzt im Dienst der freien Reichsstadt Hamburg tätig, missfiel es der Behörde, dass einer ihrer Bediensteten in einer „unkontrollierbaren Vereinigung“ nicht nur Mitglied sondern auch noch deren Vorsitzender war. Der Hochweise Rath der Stadt erließ am 7. März 1738 „eine Verbotsverfügung gegen die Gesellschaft der Freymaurer : untersagte jegliche Aktivitäten und weitere Aufnahmen“.
In Folge versammelten sich die Brr. nicht mehr in der Weintaverne des Br. Jens Arbin , in der Bäckerstraße, sondern in den Privatwohnungen der Brr. . Man war der Öffentlichkeit ent-zogen und konnte, da die Obrigkeit ihr Verbot nicht mit Nachdruck durchsetzte, weiter als Loge, mit all ihren Eigenheiten, förderlich weiterarbeiten. Der AStM v. Oberg übernahm nach Carpsers unfreiwilligem Rückzug den Hammer. Seiner Loge blieb P. Carpser jedoch als höchst aktiver Br. treu.
Im Mittsommer 1738 erhielt die Logenleitung einen Brief ihres Mitglieds und Brs., des Barons F.C. v. Albedyll, aus Hannover. Er bringt darin zum Ausdruck, „dass ein höchst vornehmer inconnu“ um die Aufnahme in die „Sehr ehrw. Gesellschaft der Freimaurer“ nachsucht.
Die Bedeutung dieses „Ersuchen“ und der sich daraus ergeben habenden Konsequenzen für die Freimaurerei „im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“, konnte zu dem Zeitpunkt, im Sommer 1738, niemand erahnen.
In der Aristokratie, den gehobenen Bürgerschaften, der Kunst und Wissenschaften etc. fand bereits ein intensiver Informationsaustausch über die „Sehr ehrwürdige Gesellschaft der Frei-maurer“ statt. Die Neuigkeiten kamen über mannigfaltige Kontakte aus Frankreich und Eng-land . Derartiges blieb auch dem Hof des preußischen Königs Wilhelm I., Interessierten nicht verborgen. Sein Sohn, Kronprinz Friedrich, (später „der alte Fritz“) hatte u.a. durch Verbin-dungen zum Haus Schaumburg-Lippe, das wiederum mit dem Baron v. Albedyll verkehrte, den Wunsch, als Br. in der „La Loge d`Hambourg“ aufgenommen zu werden, lanciert.
Freimaurerisches Gedankengut inmitten absolutistischer Herrschaftsstrukturen im zentral-europäischen Raum? Undenkbar, ja geradezu lebensgefährlich (wie liberal muß unsere Heimatstadt doch schon gewesen sein, dass sie den 6.12.1737 ermöglichte.) Kronprinz Friedrichs Vater, Wilhelm der I., hätte seinem Sohn zumindest die Thronfolge genommen, wenn nicht noch einschneidender reagiert, wäre ihm die Absicht seines Sohnes zur Kenntnis gebracht worden.
Unsere Logenbrüder der ersten Stunde, die Logenleitung, der MvSt, Baron v. Oberg müssen eine Ahnung gehabt haben, wer sich hinter „dem höchst vornehmen inconnu“, verbirgt. Im dokumentierten Schriftverkehr der Beteiligten ist höchste Verschwiegenheit über das Begehren und seiner Entsprechung vereinbart. Baldigst wurde eine Möglichkeit gefunden, einen Preußen in die Loge einer Freien Reichstadt aufzunehmen. Die Aufnahme musste durch eine Abordnung der Loge auf preußischem Boden erfolgen.
In der zweiten Augustwoche 1738 reiste eine entsprechend notwendige Abordnung der Loge nach Braunschweig; der MvSt, Baron v. Oberg, die Brr. Jakob Friedrich Bielfeld und Fabian v. Löwen sowie ein dienender Br. waren von der Partie. Ort des Geschehens sollte das Kornsche Gasthaus in Braunschweig sein; zur Verschleierung hieß man es „Zum Schloß Salzdahlum“. Mitte August und Braunschweig war für den Kronprinzen deshalb günstig, weil er mit seinem Vater auf der Rückreise einer Besichtigungs-reise der Truppen in Wesel war und in Braunschweig gerade eine Messe stattfand. Fremde waren nicht so auffällig wie sonst.
In der Nacht vom 14. auf den 15. August wurde Kronprinz Friedrich von Preußen dem Protokoll nach im englischen Ritus in den I. Grad aufgenommen und folgend in den III. Grad erhoben. In unserem Protokollbuch wird er als 31. aufgenommener Br. genannt. Hernach wünschte der Freimaurer Friedrich von Preußen, man möge seinen Begleiter, den Hauptmann Graf Wartensleben ebenfalls zum Freimaurer auf- und annehmen. Gleiches geschah unmittelbar. Gegen vier Uhr in der Frühe entfernten sich die neuen Brr. schleunigst, um unerkannt zu bleiben.
Über diesen gesamten Vorgang hat der Br. J.F. Bielfeld einen ausführlichen Bericht abgefasst. (die mehrfach erwähnten Brr. Ch. Sarry, v. Oberg, Bielfeld, Lüttmann tauchen im Fortgang des Geschehens immer häufiger auf.)
Nach Rückkehr der Braunschweiger Logenabordnung entzündete sich ungeachtet der aufge-nommenen Persönlichkeit ein Streit in der Brüderschaft ob des aus der Logenkasse ent-nommenen Geldbetrags für die Reisekosten. Das hatte Folgen.
Der inzwischen nach Berlin zurückgekehrte Kronprinz begab sich kurz darauf in seine Residenz, Schloß Rheinsberg. Unsere Logenabordnung muß durch die Handhabung des Ersuchens und seiner Erfüllung sowie durch das Aufnahme-Erhebungs-Ritual selbst beim Kronprinzen Friedrich genau das ausgelöst haben, wonach wir alle streben – liebevolle, vertrauensfördernde Brüderlichkeit. Er erbat per Briefcourier nach Hamburg den Baron v. Oberg und den Logensekretär J.F. Bielfeld, ihm bei der Einrichtung einer Loge auf Schloß Rheinsberg behilflich zu sein.
Aufgrund der logeninternen Unstimmigkeiten bezüglich der „Reisekosten – Kronprinz“ kam die Bitte Friedrichs für mehrere der Brr. der ersten Stunde gerade recht. Br. v. Oberg übergab den ersten Hammer an Br. Matth. Albert Lüttmann und folgte mit Br. J.F. Bielfeld dem Ruf des Kronprinzen nach Rheinsberg. Hier installierten sie mit Br. Friedrich v. Preußen zusammen die Hofloge „la Premiere“, den ersten Hammer führte unser AStM Br. v. Oberg. Wie sich nur 2 Jahre später zeigen sollte : ein bedeutsamer Vorgang in deutschen Landen.
Hier möchte ich mit der Historie schließen. In der nächsten Abhandlung begegnen wir den Brr. v. Oberg, Bielfeld, Lüttmann, Sarry und anderen erneut.
Anmerkung für Detailinteressierte
Was hat es mit den Matrikelnummern 1 - 5 auf sich ? : Graf Rutowski, nicht standesgemäßer Sohn des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, August des Starken, hat vor Rheinsberg, 1738 in Dresden die Loge „ Zu den drei (weißen) Adlern gestiftet / Matrikel 2; die Rheinsberger Hofloge „la Premiere“ hatte die Matrikel 3; die Dresdner Loge wurde 1739 umbenannt . „Zu den drei (goldenen) Schwertern“ Matrikel 4; die Rheinsberger Hofloge wurde später eine bürgerliche Loge in Charlottenburg / Matrikel 5 (dazu im folgenden Bericht interessante Zusammenhänge mit der „Loge d`Hambourg“
H.-P. Meißner