Ordre du Temple
Ordre du Temple
Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)
(frz.), Templerorden. Trotzdem der Konvent zu Wilhelmsbad, 1782, die Templerlegende der Strikten Observanz begraben hatte, hielten manche Gruppen von Freimaurern an ihr fest. Die ausgesprochen mystischen Charakterzüge der Nachrevolutionszeit taten ein übriges, um die Legende immer wieder neu zu beleben. Um 1806 trat in Paris ein Neutemplerorden, Ordre du Temple, in die Öffentlichkeit, der von der Legende ausging, Baujeu, der Neffe des letzten Templer-Großmeisters, habe die Gebeine der auf dem Scheiterhaufen hingemordeten Brüder retten und unter einem viereckigen Stein beisetzen können. Die Pariser Neutempler bezeichneten sich nun als direkte Rechtsnachfolger des alten Templerordens und produzierten zu diesem Zwecke die vielgenannte, angeblich wiedergefundene Charta transmissionis des Larmenius (s. d.), ein 1705 von dem Jesuiten Bonani hergestelltes, also gefälschtes Dokument, laut welchem Jacques de Molay (s. d.) vor seinem Tode Johannes Mareus Larmenius mit seiner Nachfolge betraut habe und auf dem alle Großmeister, von dem in Wahrheit ganz unbekannten Großmeister Larmenius (angeblich 1324) bis zum letzten Großmeister Fabré-Palaprat (s. d.), mit Blut unterschrieben waren. Geleitet wurde der sich sehr katholisch gehabende neuerstandene Orden mit seinen Balleien, Prioreien, Abteien usw. von Großkonnetabeln, Großadmiralen, Großchambellanen, Großbannerträgern usw. Einmal jährlich zogen diese ehrsamen Bürgersleute zur Place Dauphine und feierten dort das Andenken der Opfer Philipps des Schönen.
Der Gründer dieses Templerordens war der als Großmeister auftretende und das johanneische Christentum als "Religion der alten Templer" fordernde B. R. Palaprat, der sich späterhin Fabré-Palaprat (s. d.) nannte, seines Zeichens, nicht wie wiederholt angegeben wird, Arzt, sondern Hühneraugenoperateur (Chiropodist oder Pedikeur) war. Daß er jemals ein Doktordiplom besessen habe, konnte nicht festgestellt werden. Dagegen war er Mitglied einer Societe Medico-philanthropique, die mit beruflicher Medizin nichts zu tun hatte. Es muß Wunder nehmen, wie seine Anhänger glauben konnten, daß eine Ahnenreihe fürstlicher und ritterlicher Templer-Großmeister gerade in dieser unbedeutenden Persönlichkeit ihre Auferstehung feiere.
Ihm war der auf die Pariser Tempelherren überkommene Templerschatz zu danken, der neben den Reliquien der verbrannten Templer auch Schwert und Sturmhaube des Großmeisters Jacques de Molay enthielt. Später fand Fabré-Palaprat auch die Bibel der Templer, eine griechische Sektiererausgabe der heiligen Schriften, die aber dann dem Orden zum Verderben werden sollte. Der Orden nahm nur Freimaurer auf, obzwar er mindestens die schottischen Hochgrade, in denen teilweise auch noch Templertraditionen gepflegt wurden, scharf ablehnte, indem er behauptete, Larmenius habe die "schottischen Templer" als "Deserteure vom Orden" mit dem Bann belegt, weil sie sich in ihre "Berge von Herodom" zurückgezogen und den Templerorden hinter den von Robert Bruce gegründeten Distelorden des heiligen Andreas verborgen hätten. Die Pflazschule des Ordens war eine von "Neo-Tempeliers" beim Grand Orient de France gegründete und von diesem 1805 patentierte Loge, "Les Chevaliers de la Croix", der der Herzog von Choiseul und zahlreiche Aristokraten angehörten.
Nachdem der Orden mehrere Jahre bestanden und großen Zulauf gefunden hatte, schlich sich der Zweifel unter die Ordensbrüder. Man munkelte allerlei über die Herkunft der verehrten verbrannten Knochen, man nannte die Namen der Ritter die sie für die Verehrung hergerichtet hatten, man erfuhr auch den Namen des Alteisenhändlers, bei dem die Waffen des Jacques de Molay erstanden worden waren. Und schließlich empörte sich ein Teil der Brüder gegen die schismatische Bibel, die mit den von der Kirche gebilligten und überlieferten Texten nicht übereinstimmte. Peinlich war auch, daß, wie sich herausstellte, auf der Charta transmissionis Großmeister unterzeichnet waren, die niemals existiert hatten und andere, von denen bekannt war das sie nicht hatten schreiben können. Und so saß der Wurm im Leibe des Ordens, dem er gegen 1845 erlag. Nach dem Tode des Großmeisters Fabré-Palaprat (1838) wurde der englische Admiral Sir William Sidney Smith (a. d.) Großmeister des Ordens, der ein goldenes Kreuz, daß Richard Löwenherz gehört habe, als Großmeisterabzeichen einführte. Noch zu Lebzeiten Smiths soll sich Dom Pedro, König von Portugal, um die Großmeisterwürde beworben haben, sein Anerbieten, dem Orden Grundbesitz und Ordenshäuser in Portugal einzurichten, soll aber abgewiesen worden sein weil sich der Orden seine demokratische Verfassung (!) bewahren wollte.
Nach dem Tode des Admirals Smith (1841) werden noch zwei Großmeister genannt: Jean Marie de Raoul, 1841 und Georg IV., König von Hannover. Mit diesen Überlieferungen steht allerdings im Widerspruch, daß die berühmte Charta transmissionis, die sich seit 1911 in England befindet, seit dem Jahre 1804 keine weitere Unterschrift mehr trägt (A. Q. C., 1912, 80). Lantoine in seiner "Histoire de la Franc-Maçonnerie française" überschüttet den Orden mit ätzendem Spott. Da er an anderen Stellen auf ganz gleiche Weise entstandene Hochgradsysteme verteidigt, ist sein Urteil ungerecht. Die Neutempler stützten sich auf die gefälschte Charta transmissionis des Larmenius. Die Tradition der Großen Konstitution Friedrichs des Großen ist nicht um ein Haar besser. Die Templer des Palaprat haben nur deswegen unrecht behalten, weil ihnen der Erfolg versagt war. Andere Freimaurertempler sind im Besitze, und glauben daher, im Recht zu sein.