Hochgrade in Österreich
In Österreich arbeiten die zwei Hochgradsysteme, welche auch in vielen anderen Ländern der Welt dominieren: ‚Alter und Angenommener Schottischer Ritus’ (AASR) sowie ‚York Ritus’. Details von Rudi Rabe.
Inhaltsverzeichnis
Grundsätzliches
Besser: "Seitengrade"
Viele Freimaurer sind sich bewusst, dass das traditionelle Wort ‚Hochgrade’ unglücklich gewählt ist. Es suggeriert, dass diese Systeme über der klassischen (blauen) Johannisfreimaurerei stehen. In Wahrheit sind beide nur eine Ergänzung. Im Englischen spricht man daher auch von ‚Appendant’ (dazugehörig) oder ‚Concordant Bodies’; oder von ‚Additional Degrees’ und ‚Side Degrees’. Könnten wir nicht auch einfach ‚Seitengrade’ sagen?
Die Mitarbeit bei den Hochgraden ist optional: Ein Freimaurer kann sich daran beteiligen, er muss aber nicht. Er kann sich auch wie die meisten auf die drei (blauen) Basisgrade ‚Lehrling-Geselle-Meister’ konzentrieren: In diesen ist letztlich alles enthalten, was die Freimauerei bietet. In Österreich ist ein knappes Drittel der 3.300 Brüder der Großloge von Österreich auch Mitglied in einem Hochgrad-System.
Erst im 20. Jahrhundert
In alten Zeiten gab es bei den Hochgraden oft absonderliche Auswüchse. Es ging dabei vor allem um Distinktionen und ähnliches, also das Allzumenschliche: Bruder Goethes „ellenhohe Socken“. Das wurde seit dem 20. Jahrhundert erheblich zurückgedrängt. Daher setzt die folgende Übersicht auch erst mit dem 20. Jahrhundert ein; ganz abgesehen davon, dass die Freimaurerei in Österreich unter der Herrschaft der Habsburger ohnehin ein Jahrhundert unterbrochen war, so dass weder bei der (blauen) Johannismaurerei noch bei der (roten) Hochgradmaurerei Kontinuität vom 18. ins 20. Jahrhundert gegeben ist. Blau und rot sind die Symbolfarben der beiden Systeme.
Der ‚Alte und Angenommene Schottische Ritus’ (AASR)
in Österreich
Vereinfacht auch: Die ‚Schotten’ in Österreich
Voraussetzung für eine Mitgliedschaft bei „den Schotten“ ist der Meistergrad in einer ‚Johannisloge’, also der dritte Grad. Und der AASR organisiert sich dann in Perfektionslogen (4. bis 14. Grad), in Kapitel (15 bis 18), in Areopage (19 bis 30) und in Konsistorien (31 und 32). Die meisten dieser Grade sind aber heutzutage nur symbolisch; sie werden nicht mehr direkt bearbeitet.
In seiner heutigen Form wurde der ‚Schottische Ritus’ in Amerika entwickelt.
In Österreich nach dem Ersten Weltkrieg
Wenige Jahre nach der Wiedergründung der Johannisfreimaurerei 1918 (= Ende des Habsburgerreiches) wurde in der jungen Republik Österreich ab 1923 auch der ASSR-Ritus eingeführt. Das war am Anfang durchaus umstritten: Mehrere blaue Logen sprachen sich gegen die Einführung eines Hochgradsystems aus. Doch die Befürworter setzten sich schließlich durch, auch wenn die Beziehungen zwischen der blauen ‚Großloge von Wien’ und dem roten AASR bis zum bitteren Ende 1938 (= Hitlers Einmarsch in Österreich) nicht friktionsfrei waren.
1925 wurde dann mit Unterstützung der AASR Frankreich und der Niederlande ein ‚Oberster Rat’ eingesetzt. Erster Großkommandeur wurde der international bekannte österreichische Freimaurer Eugen Lennhoff: zusammen mit Oskar Posner aus Karlsbad in Böhmen der Schöpfer des noch heute (auch in diesem Wiki) verwendeten Freimaurerlexikon (Internationales Freimaurer-Lexikon; inzwischen überarbeitet von Dieter A. Binder). Wie die österreichische Freimaurerei überhaupt setzte sich der AASR der Zwischenkriegszeit für Völkerversöhnung und später dann für den Kampf gegen den wachsenden politischen Antimasonismus ein.
Der österreichische AASR unterstützte und ermöglichte 1930 auch die komplizierte Gründung des AASR in Deutschland.
Kooperation mit der Großloge von Österreich
Derzeitiger AASR in Österreich: sieben Perfektionslogen, fünf Kapitel, ein Areopag und ein Konsistorium. Darüber steht der autonome ‚Oberste Rat’ mit dem ‚Souveränen Großkommandeur’ an der Spitze; gegen 400 Mitglieder.
Der AASR ist über einen Vertrag (‚Konkordat’) eng mit der Großloge von Österreich verbunden. Wie diese half der österreichische AASR nach der Wende auch beim Aufbau der 'Schottischen Maurerei' in mehreren osteuropäischen Ländern, so in Ungarn, Tschechien, Slowenien und Kroatien.
Der ‚York Ritus’ in Österreich
Vereinfacht auch: Der ‚Royal Arch’ in Österreich
Der österreichische York Ritus orientiert sich am weltweit tonangebenden amerikanischen Vorbild. Im Freimaurerlexikon von Lennhoff, Posner, Binder firmiert er auch als ‚Amerikanischer Ritus’. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist der Meistergrad in einer ‚Johannisloge’ (drei Grade). Der York Ritus selbst ist dann organisiert in Royal-Arch-Kapitel (4. bis 7. Grad), in Konzile (8 und 9) und in Komtureien (10 bis 12).
Nach dem Zweiten Weltkrieg von Amerika über Deutschland nach Österreich
Bis zum Zweiten Weltkrieg war der 'York Ritus' in Kontinentaleuropa und so auch in Österreich kaum bekannt. Erst in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde er von amerikanischen und englischen Militärangehörigen in Deutschland etabliert. 1953 wurde in Frankfurt das erste deutsche Royal-Arch-Kapitel gegründet. Von Deutschland kam der York Ritus dann ab 1967 nach Österreich: Bayerische Brüder hatten zehn Wiener Freimaurermeister dafür begeistert. Die Österreicher fuhren nach München, wo sie aufgenommen wurden.
1970 gründeten die Österreicher in Wien ihr erstes eigenes Royal-Arch-Kapitel; es unterstand vorerst noch dem deutschen Großkapitel. Zwei weitere Kapitelgründungen folgten 1972 und 1973, und so konnte 1974 mit Zustimmung des deutschen Großkapitels und des amerikanischen ‚General Grand Chapter of Royal Arch Masons International’ (GGCI) ein eigenes österreichisches Großkapitel konstituiert werden. Die österreichischen Kapitel arbeiten nach einem eigenen Ritual; dieses wurde vom maßgebenden amerikanischen GGCI anerkannt.
Seit 2012: Auch englischsprachige Kapitel in Österreich
Bald wurden wieder Kapitel gegründet; zuletzt auch Kapitel, die in englischer Sprache arbeiten: eines 2009 nach dem englischen System, und drei Kapitel 2012 und 2013 nach dem amerikanischen Ritus; immer mit ausdrücklicher Zustimmung der jeweiligen Mutterkapitel, also des ‚Supreme Grand Chapter of Royal Arch Masons of England’ und des amerikanischen GGCI. Diese vier Kapitel arbeiten wahlweise in englischer und in deutscher Sprache. Sie nehmen auch Männer auf, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Österreich haben. Dahinter steht die Idee, den Austausch über den Grenzen hinweg zu intensivieren.
Während die Royal-Arch-Kapitel unter dem Dach des Großkapitels selbständig sind, werden die Konzilsgrade und die Komtureigrade vom Großkapitel direkt bearbeitet.
Enge Zusammenarbeit mit der Großloge von Österreich
Das österreichische Großkapitel ist mit der Großloge von Österreich verbunden. Das ist in einem Vertrag (‚Konkordat’) festgehalten. Abgesehen von den englischsprachigen Kapiteln werden nur Mitglieder von Logen der Großloge von Österreich aufgenommen. Zur Großloge von Österreich gehören ungefähr 3.300 Mitglieder. Davon arbeiten an die 500 zusätzlich in einem der acht Royal-Arch-Kapitel, und von diesen wiederum nicht ganz hundert im Konzil. Eine Komturei wird 2013 vorbereitet.
Wie die Großloge unterstützt auch das Großkapitel den Aufbau der Freimaurerei in Osteuropa: Gegenwärtig gibt es dafür ein Deputationskapitel, das für mehrere Länder zuständig ist.
Andere
In der regulären österreichischen Freimaurerei gibt es keine über die drei Johannisgrade Lehrling-Geselle-Meister hinausgehenden Stufen: etwa wie bei der ‚Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland’ (GLL); oder der deutschen ‚Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln’ (Erkenntnisstufen der "Drei Weltkugeln"); oder in Skandinavien. Anders beim gemischten Freimaurerorden ‚Droit Humain’ für Frauen und Männer: Dieser reicht bis zum 33. Grad (Gemischte Logen in Österreich).