Rezension: Holger Zillner: Freimaurerei und Studentenverbindungen
Inhaltsverzeichnis
Holger Zillner: Freimaurerei und Studentenverbindungen
Rezension von Roland Müller
Was haben Freimaurerei und Studentenverbindungen gemeinsam?
Holger Zillner: Freimaurerei und Studentenverbindungen. Geschichte, Struktur, Identität. Dissertation 2005, Linz: Trauner Verlag 2005 (Schriften der Johannes-Kepler-Universität Linz, Reihe B: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Nr. 92):
Die dreifache These dieser Dissertation lässt aufhorchen: Freimaurerei und Studentenverbindungen haben strukturelle Ähnlichkeiten, diese sind auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich gross, und „die Verdichtung spezifischer Strukturkomponenten“ steht in engem Zusammenhang mit der Exklusivität beider Organisationen.
Wenig Tiefe: Geschichte und Absichten der Freimaurer
Nach einer Darstellung von Leben und Brauchtum der Studenten seit dem Mittelalter widmet sich Zillner auf 50 Seiten der Freimaurerei. Leider ist die Schilderung der Vorgeschichte und Geschichte etwas kurz und unausgewogen und mit kleineren Fehlern behaftet. Dass die „Gilde der Maurer“ im Mittelalter durch eine päpstliche Bulle geschützt worden sei und das ganze Abendland bereisen durfte (76), gehört ins Reich der Legenden. Descartes (1650 gestorben) war gewiss nicht Mitglied einer Loge (85), auch viel später Robespierre und Danton nicht.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Freimaurerei „zu einem Zentrum der Mittelklasse … Gleichzeitig mit einer rationalen Organisationsform betrieben die Logen einen äusserst komplexen und kaum überschaubaren esoterischen Geheimkult. Diese beiden Faktoren wurden durch das demokratische Potenzial der Logen in Form einer ständischen Nivellierung, Selbstordnung und Selbstverwaltung, den Arten der Willensbildung und einem offenen Bekenntnis zur Demokratie ergänzt“ (87).
Recht informativ ist die Wiedergabe der Absichten der Freimaurerei anhand der Alten Pflichten, der Landmarken und einigen knappen Grundsätzen von heutigen Grosslogen. Aber da die Freimaurerei jegliches Dogma ablehnt, gibt es „wenig nachweisbare Basissätze“ (105). Noch schwieriger stellt sich die Deutung der Symbole dar. Hier übertreibt Zillner etwas, wenn er von einer häufigen Verwendung von Symbolen aus dem Tier- und Pflanzenreich spricht (113f) und dass der„Hohe Hut“, ein Zylinder, Freiheit und Gleichheit“ symbolisiere (123). Wenig befriedigend ist das Antippen der vielen verschiedenen Hochgradsysteme, und bedauerlich ist, dass er sich bei den „Passageriten der Johannismaurerei“ auch auf das Machwerk von Heinz Zunneck (2002) stützt.
Grosse Ähnlichkeiten, doch deutliche Verschiedenheiten
Die vergleichende Analyse der Freimaurerei mit den Studentenverbindungen nimmt 70 Seiten ein. Während erstere eher einer liberal-humanitären Utopie huldigt, tendieren letztere eher zu einer konservativen Utopie, die sogar zur Ideologie wurde (128-132). Beides sind Nonprofit-Organisationen, die „bestimmte Bedürfnisse befriedigen, die von anderen Organisationen ihrer Ausprägung oder Intensität nach nicht entsprechend erfüllt werden können“ (139). „Freimaurer und Studentenverbindungen haben sich von Subkulturen zu etabliert-konformistischen Teilkulturen gewandelt“, wobei die Freimaurer stets von progressivem Gedankengut beseelt waren, die Burschenschaften eher von regressiven (152).
Die Rituale der ersteren sind ernsthafter, umfangreicher und haben einen mythisch-esoterischen Gehalt, diejenigen der letzteren haben oft scherzhaften Charakter (160-167). Auch die Symbolik der Freimaurer ist viel umfangreicher.
„Masonische Symbole sind Ausdruck einer zutiefst esoterischen Lebensphilosophie, die in weitaus stärkerem Umfang nichtverbalisierte Glaubenshaltungen ausdrücken als jene der Studenten.
Sie steuern dadurch die Handlungen der Logenmitglieder unmittelbar und wirken nicht nach aussen wie studentische Symbole. In diesem Sinn kann die Symbolik der Freimaurer durchaus als Kultursystem bezeichnet werden“ (172).
Fazit
Der Autor konnte die drei eingangs erwähnten Thesen bestätigen und fasst zusammen: „Im Zuge dieser Studie zeigte sich, dass Freimaurer und Studentenverbindungen ihrer Struktur nach grosse Ähnlichkeiten aufweisen. Dass sie jedoch trotzdem völlig unterschiedliche und unverwechselbare Organisationen sind, wird dadurch begründet, dass sie diese Strukturen mit teilweise stark verschiedenen Inhalten füllen“ (193).
Beides sind „höchst komplexe soziale Gefüge“, Wertgemeinschaften, die den Umwälzungen der Geschichte getrotzt haben. Beide verlangen ihren Mitgliedern viel ab. Exklusiv sind sie nicht weil ihre Mitglieder hohe Stellungen im profanen Leben bekleiden, „sondern weil ihre Selektivität darauf beruht, dass sich ihre Mitglieder einer unheimlich breiten Palette verschiedener Werte und Glaubenshaltungen unterworfen haben, die sie von anderen Vereinigungen deutlich unterscheidet“ (194).
Was ein Aussenstehender freilich nicht erfassen kann, ist „das emotionale Erleben der Mitglieder bei der Teilnahme an Logen- und Verbindungsleben und das daraus resultierende transzendentale Erlebnis“ (193-194).
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