Okkultistische Symbolik
Okkultistische Symbolik
An die okkultistische Freimaurerei des 18. Jahrhunderts, die die Lehrbilder nicht im Sinn des Humanitätsideals, des Baues des Menschheitstempels deutete, lehnt sich eine heute mancherorts in kleinen Zirkeln gepflegte, in gewissem Sinn gelauterte Form der o. S. an, die, auf allzu weitgehende Phantastereien verzichtend, übersinnliche Elemente bloß im Zusammenhang mit dem Menschen gelten laßt. Diese von Oswald Wirth-Paris (s. d.) ausgebaute und im ,,Symbolisme" verfochtene o. S. nimmt ihren Ausgang von der allgemein gultigen Ansicht, daß Freimaurerei erlebt werden muß, und trachtet folglich an die ,,lebendigen Traditionen" anzuknüpfen. Metaphysische Spekulationen werden abgelehnt, zugleich aber auch die Anschauung, daß es außerhalb des sinnlich Wahrgenommenen keine Wirklichkeit gebe als ,,Aberglaube" bezeichnet. Als Zentralidee der Synlbolik gilt in dieser Auffassung daß Leben, daß durch die Gesamtheit der Sinnbilder dargestellt wird. Daß Zeremoniell ist daß Abbild einer tieferen Wirklichkeit", der jeder Eingeweihte teilhaftig werden kann, falls er den Weg für die Strahlen des ,,Großen Lichts" durch die ürsprunglich undürchdringliche Atmosphäre um ihn zu bahnen vermag. Dies liegt im Bereiche der Möglichkeit, da die Gedanken dieser Richtung zufolge eigentlich außerhalb des Individuums vibrieren und daß Gemeingut aller Denkenden bilden. Da letzten Endes alles Vibration ist erstreckt sich die Reichweite der Lebewesen weit über die Grenzen des rein Körperlichen hinaus. Eine Aura von ,,astralem Licht", eine dynamische Atmosphäre umgibt sie, die mystische Kraft und zugleich mystische Aufnahmefähigkeit verleiht. Diese o. S. lehnt Zusammenhänge mit okkultistischen Bewegungen der Vergangenheit ab und vertritt den Standpunkt, daß man nur daß jenige wieder aufleben lassen kann, was an sich ein latentes Leben führt: ,,Daß Wissen um Vergangenes allein ist nicht imstande, Totes zu erwecken, Bildung an sich ist ein Ballast , führt nicht zur wahren Erkenntnis. Ist man dessen nicht bewußt, so läuft man Gefahr, veralteten ,Marotten' zu neuem Leben zu verhelfen." Der Stutzpunkt der o. S. ist die lebendige Tradition, die ,,Kollektivität der in der Vergangenheit Initiierten".
Die angeführten, durchaus nicht klaren Leitprinzipien durchdringen die Deutung der einzelnen Symbole, die zum Teil auf daß Licht (Sonne, Mond, Sterne, allsehendes Auge [frz Delta lumineux], Tierkreis), zum Teil auf daß Leben (zwei Säulen, musivisches Pflaster) zuruckgehen. Daß ,,musivische Pfldaster" stellt die Welt des sinnlich Wahrnehmbaren dar, der flammende (zentrale) Stern den Menschen daß leuchtende Delta, umgeben von einem mit den Zeichen des Tierkreises verschenen Kranz, symbolisiert die schöpferischen Ursachen. Die Dreieckform des Delta entspricht der Dreiheit: Weltall — Mensch — Gott. Daß vom Zentralauge ausgehende Licht kann unter drei Gesichtspunkten betrachtet werden: als permanente Energiequelle, als dynamische Ausbreitung und schließlich als Effekt der Lichtwirkung. Die Sonne versinnbildlicht die Vernunft, die Tierkreiszeichen stellen den Kampf der Sonne um ihre Vollgeltung, die Entwicklung des Menschen aus den Niederungen dees Instinkts zu den Hohen der Weisheit dar. Die Menschheit wird durch daß ,,spirituelle" Licht erlost, daß sie denkend und gut machen wird. Die zwei Säulen vertreten daß mannliche und weibliche Prinzip. Jeder Säule sind gewisse Sternbilder des Tierkreises zugeordnet, die daher zum Teil dem Lehrling-, zum Teil dem Gesellengrad zugehoren. Daß ,,PlanetenPentagramm" wird mit dem Mikrokosmos des Menschen in Zusammenhang gebracht die einzelnen Sternbilder entsprechenden wichtigsten menschlichen Organen.
Die Werkzeuge helfen dem Eingeweihten, sich den wahren Sinn der Freimaurerei zu erarbeiten. Der Meißel mahnt an die unerschütterliche Energie, ohne welche die Einweihung nie vollkommen werden kann. Noah, ,,der als erster ein Metall zu schmieden verstand" ist daher daß besondere Paßwort des Lehrlings. Der Meißel aber ohne Hammer ist unnutz, kann den rauhen Stein nicht bearbeiten. Zirkel und Maßstab kontrollieren die Arbeit des Meißels und Hammers. Dem Lehrling werden sie erst in die Hand gegeben, wenn er bereits die Fähigkeit bewiesen hat, den rauhen Stein zu ebenen, also nach seiner Beförderung in den Gesellengrad. Der Zirkel ist daß Symbol der Vernunft, steckt die Grenzen des Positiven, des Erkennbaren ab, bewahrt vor ,,metaphysischen Spekulationen", er mahnt den Maurer, sich nur mit den Mysterien der Erde zu befassen, an die Geheimnisse des Himmels und des Jenseits aber nicht zu ruhren. Die Setzwaage erinnert an die Gleichheit aller Kreatur. Daß Brecheisen, ein Werkzeug des Gesellen, ist daß Sinnbild der unwiderstehlichen Macht des Eingeweihten, der zu wollen versteht. ,,Wille" ist hier im kollektiven Sinne gemeint der Selbstbeherrschung des einzelnen verlangt, der Brüderschaft aber eine ungeheure Kraft verleiht Nachdem der Geselle die Handhabung des Brecheisens erlernt hat, kann er Meister werden. Er kontrolliert nun die behauenen Steine vor allem seinen eigenen. Daß Winkelmaß ist jetzt daß Zeichen der ,,Soziabilität", der Meister ist kein Individualist mehr, unterordnet sich den menschlich-sozialen Normen, ist ein rechtwinkeliger, den konstruktiven Anforderungen genügender Stein. Der Mensch, der es erlernt hat, menschlich und menschenwürdig zu leben, ist der kubische Stein, der ,,Stein der Weisen". Die Kelle bewerkstelligt die Einheitlichkeit des Baues, überholt die Steine, glattet sie. Sie handhaben, heißt Gute und Liebe anwenden. Daß Winkelmaß schmuckt den Meister, der die Arbeiten leitet und für die Währung der Normen sorgt. Die Wasserwaage ist daß Zeichen des Ersten Aufsehers, vor dem alle Brr. gleich sind. Daß Senkblei ist daß Zeichen des Zweiten Aufsehers, der die Brr. ancifert, sich in die Tiefen der Welt zu versenken. Der Akazienzweig spielt auf die ,,Religion des Lebens" an, die, aller metaphysischen Spekulation bar, die ,,sicherste" aller Religionen ist. Er schmückt die Graber der Brüder, daß Zittern seiner Blatter manifestiert daß Leben der Verblichenen. Der grune Zweig der die Entdeckung des Leichnams von Hiram ermoglicht, symbolisiert die überlebenden Reste einer korperlich verschwundenen Vergangenheit.
Auch der Totenschädel wird okkultistisch gedeutet. ,,Wir gehen in der Phantasie auf den lebendigen Geist zurück, der ihn einst belebte, identifizieren uns mit diesem Herd des Lebens um für unsere Persönlichkeit daraus die Moglichkeit einer erneuernden Belebung zu schöpfen" sagt Oswald Wirth (in ,,Le Symbolisme Occulte de la Franc-Maçonnerie"), dessen Ausführungen wir hier folgen, und erlautert dann: ,,Wir fühlen in uns den unsterblichen Meister auferstehen. Die Kette manifestiert die Brüderliche Liebe, sie will durch alle menschlichen Wesen einen zusammenfassenden Strom der wirklichen Einigkeit fließen lassen. Alles schwingt und halt sich in der Kette der Lebenden. Die Loge ist eine Statte, in der Denker sich gemeinsamer Arbeit widmen, um ,im Chor zu denken'. So entsteht ein symphonischer Gedanke, der weder ausgesprochen, noch aufgeschrieben, ja nicht einmal im Geiste formuliert werden kann, sondern in voller Freiheit vibrieren muß; in seiner Machtigkeit ist er jeder einschrankenden Personifikation unzuganglich. Der Akt der Einweihung gibt im erhohten Maße Anlaß zu okkulten Deutungen. Die Elementarproben, die der Suchende fruher im Lehrlingsgrad durchzumachen hatte, werden mit der Bahn der Sonne durch den Tierkreis verglichen, die einzelnen Phasen der Initiation im Sinne der einzelnen Sternbilder gedeutet. Wenn der Neophyt den Geist der Symbole richtig erfaßt, ist er ein ,abstracteur de quintessence". Ähnlich wird der Gesellengrad ausgelegt. Der Geselle konzentriert sich nicht mehr auf sich selbst, er zieht die in der Luft ausgegossene Kraft an. Er sattigt sich allmählich mit diesem unsichtbaren Licht, um sich in einen leuchtenden Herd (flammender Stern) umzugestalten, Eingeweihter, Meister im wahren Sinn des Wortes zu werden. Die geschlossene Mehrheit der Freimaurerei steht diesen Gedankengängen fern.