Traktat: Mozart und Schikaneder - Freimaurerei im josephinischen Wien

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Vortrag in der Freimaurerloge Heinrich Pestalozzi (GO) in Zürich


Bei der Vorbereitung dieser Gesellenarbeit stiess ich auf Mozart: für mich bewundertes Genie, Lieblingskomponist, Landsmann und Freimaurer in einer geschichtlich besonders bedeutsamen Epoche. Die Faszination wurde bald total: ständig tauchten neue Facetten auf , nicht nur im Bild meines zukünftigen Titelhelden und in seinem Werk, sondern auch Facetten in der Freimaurerei selbst. Und am Ende hatte ich vieles, auch Unvermutetes gelernt, und war meiner Sehnsucht die Freimaurerei zu begreifen, doch ein Stück nähergekommen.

Die grösste Loge des G.O.S. führt den Namen Mozarts zusammen mit dem von Voltaire. Bestand eigentlich eine Verknüpfung zwischen den beiden, hatten sie einander überhaupt gekannt ? Unlängst hatte ich Gelegenheit, die Brüder in Genf zu befragen, ob es allenfalls einen Zusammenhang zwischen den beiden grossen Geistern gegeben habe, vielleicht sogar einen maurerischen. Sie wussten dazu nichts Konkretes zu sagen. Kurz nachdem ich einen Bauriss über die Aufnahme des schon alten Voltaire in der Loge 'Les Neuf Soeurs' gehört hatte, wurde ich dann selbst fündig, allerdings in einer recht überraschenden Art.

Mozart lebte zur Zeit von Voltaires Tod (1778) in Paris und schrieb darüber als 22-Jähriger an seinen Vater: 'Nun gebe ich ihnen eine nachricht, die sie vielleicht schon wissen werden. dass nämlich der gottlose und Erz-spizbub voltaire so zu sagen wie ein hund - wie ein vieh crepiert ist - das ist der Lohn !' (Wolfgang Hildesheimer, Mozart, Suhrkamp 1977)

Shocking, nicht wahr ? Hildesheimer fragt zurecht : der Lohn für was ? Mozart hätte es kaum beantworten können, er war ein guter Katholik aus dem Erzbistum Salzburg, und wollte so wohl der vermutlichen Meinung seines Vaters, der übrigens der Aufklärung durchaus wohlwollend gegenüberstand, vorauseilen. Das genügte. Konnte und wollte Mozart später differenzierter urteilen? Auch darauf werden wir zu sprechen kommen.

Positivere Zusammenhänge lassen sich immerhin mit einem anderen maurerischen Geistesriesen, mit Goethe herstellen: 1763 besuchte der 14-jährige ein Konzert des 7-jährigen Mozarts in Frankfurt. 22 Jahre später vertonte Mozart ein Gedicht von Goethe, 'Das Veilchen' - ohne jedoch den Namen Goethes als Verfasser zu erwähnen. Goethe bedauerte sehr viel später gegenüber seinem Biographen Eckermann, dass Mozart nicht den Faust vertont hätte. ( Peter Benary, Tages-Anzeiger 27.3.99) Er versuchte sich auch mit einer Fortsetzung der 'Zauberflöte', die aber nie vertont wurde. In künstlerischer und maurischer Hinsicht äusserst fruchtbar war dagegen die Zusammenarbeit von Mozart mit Emanuel Schikaneder und dessen Umgebung, die uns unter anderem 'Die kleine Freimaurerkantate, KV 623' , das Bundeslied 'Brüder reicht die Hand zum Bunde' und vor allem die geniale 'Zauberflöte' beschert hat. Die Melodie des Bundesliedes ist übrigens, nach dem zweiten Weltkrieg mit einem anderen Text unterlegt, zur Bundeshymne der Republik Österreich geworden. Nur wenige Österreicher sind sich dessen bewusst, dass sie bei so 'feierlichen Anlässen' wie einem Fussballländermatch oder Ehrungen von Skichampions der FM Referenz erweisen. Als 'gelernter Österreicher' mit einigermassen entwickeltem Interesse für historische Zusammenhänge hatte man natürlich einmal gehört, dass Mozart mit seiner 'Zauberflöte' der Freimaurerei nahe stand. Aber das war auch alles. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht aber bezeichnend für die auch heute noch ambivalente Haltung des offiziellen Österreich, dass im neuen 'Österreichische Lexikon' auf Internet (www.aeiou.at) die Zugehörigkeit Mozarts zur FM nicht erwähnt wird, ja dass der Begriff Freimaurerei darin schlicht nicht existiert, sich aber auf einem Homepage-link des österreichischen Wirtschaftsministeriums (http://austria-tourism.at) die Information findet, dass der erste Freimaurer im stockkatholischen Österreich der Maria-Theresia niemand anderer gewesen war als ihr Mann, also der Kaiser selbst. 1731 sei dieser, noch als Herzog Franz Stefan von Lothringen, im Alter von 23 Jahren in den damals habsburgischen Niederlanden in den Bund aufgenommen worden.

Diese Ambivalenz erstaunt nicht, wenn man weiss, dass das Herrscherhaus der Habsburger immer wieder in einen katholisch-traditionalistischen und einen liberalen und sozialen Flügel zerfiel, die aber irgendwie miteinander ein Auskommen fanden. Die liberalen Vertreter des Herrscherhauses waren nicht selten zumindest in der Nähe der Freimaurerei angesiedelt. In der galanten Zeit am Vorabend der franz. Revolution war es für junge Adelige durchaus 'in' und eine gesellschaftliche Mode in einer Loge zu sein. Gute Werke und schöne Reden beruhigten das Gewissen. Die grossen Aufklärer waren denn auch keineswegs durch die Bank antiroyalistisch. Nicht zuletzt fordert dies schon Anderson, in den alten Pflichten: dass der Freimaurer ein friedfertiger Untertan sei....

Der geschichtliche Hintergrund der Freimaurerei in Wien zur Zeit Mozarts Maria-Theresia war zwar tatsächlich eine grosse Landesmutter, aber keineswegs nur die gütige Kaiserin, als die sie später dargestellt wurde. Sie war zutiefst katholisch, ja bigott, und wenn man von sie in die Reihe der aufgeklärt-absolutistischen Herrscher rechnet, dann liegt der Akzent sicher auf absolutistisch. Die von ihr geschaffene 'Keuschheitskommission' ist ebenfalls notorisch. Bei ihrem Tod wurde sie denn von der Bevölkerung auch wenig betrauert.

Es ist belegt, dass sich ein jüdischer Bankier, den sie zum Finanzieren ihrer Kriege und Prunkbauten dringend bedurfte, der 'Kaiserin' nur hinter einem Paravent nähern durfte. Andrerseits war einer ihrer wichtigsten Ratgeber in sozialen Fragen, Josef Freiherr von Sonnenfels, ein - allerdings zum Christentum konvertierter - Sohn eines Talmudgelehrten. Sonnenfels, der ihr zum Neujahr 1776 die Abschaffung der Folter abtrotzte, war Mitglied der Loge 'Zur wahren Eintracht', in der später Mozart zum Gesellen befördert werden sollte, und der auch Joseph Haydn angehörte.


'Kaiserin Maria Theresia'......unter Anführungszeichen. Als Frau konnte sie gar nicht 'Römische Kaiserin deutscher Nation' sein, sie war Königin von Ungarn und Böhmen, und Erzherzogin von Österreich. Einen österreichischen Kaiser gab es erst 1806 als Franz II aus Protest gegen das Abseitsstehen der deutschen Fürsten im Kampf gegen Napoleon die römisch-deutsche Kaiserkrone niederlegte und zum Kaiser von Österreich mutierte. Der 'offizielle' römisch-deutsche Kaiser war also, als Franz I, der Freimaurer Franz Stephan von Lothringen, dessen politisch viel stärkere Gemahlin Maria Theresia erbitterte Kriege gegen den bekennenden Freimaurer Friedrich den II, den Grossen führte. Franz Stephan hat dies wahrscheinlich nicht so berührt, er war allem Schönen, und dem Vernehmen auch der Wiener Damenwelt des Rokoko, zugetan und hat das Regieren seiner Frau überlassen..... Darüber hinaus war er von Haus aus reich und hatte ein ausgesprochen gutes kommerzielles Gespür. Das alles hat ihn aber keineswegs gehindert dem Aussterben der Habsburger vorzubeugen: Maria Theresia hatte nicht weniger als 16 Kinder mit ihm, die den Grundstock des Hauses Habsburg-Lothringen bilden sollten. Trotz frappanter Gegensätzlichkeiten war Maria Theresia ihrem Mann zeitlebens zugetan und sollte nach seinem Tod nie mehr das Witwenkleid ablegen. Der bedeutendste Spross dieser Verbindung war Joseph II, der nach dem Tode seines Vaters 1765 Kaiser und Mitregent von Maria Theresia wurde. Joseph II ist für seine radikalen Reformen bekannt: Abschaffung der Leibeigenschaft , Aufhebung der Klöster, Gewährung der Religionsfreiheit. Bekannt war aber auch seine kleinliche Art sich in jedes Detail hineinzumischen: beispielsweise 'erfand' er Klappsärge, die sich nach unten öffneten, der Leichnam fiel ins Grab und der Sarg konnte wieder verwendet werden.

Sparsam und hygienisch hatte das Volk zu sein. Das Erbärmlichkeit mit der Mozart später begraben wurde, war zum Teil auf diese Sanitätsgesetze Josephs II zurückzuführen, die jeden Toten- und Begräbniskult verboten hatten, zum Teil aber auch auf die simple Tatsache, dass Mozart ohne Barschaft nur ein Begräbnis 3. Klasse zugestanden worden war. Josef II begünstigte zumindest zeitweise die Freimaurerei, Bruder wurde er nie. Es ist ein Brief von ihm an den Herzog Ferdinand v. Braunschweig erhalten, in dem er den Beitritt zu einer Loge mit der Begründung ablehnt, 'dass dies den Landesgesetzen widersprechen und seiner Mutter nicht angenehm sein würde'. (FMLexikon 1932, Lennhoff und Posner) Als Mozart 1784 Freimaurer wurde befand sich die Freimaurerei nicht nur in den habsburgischen Landen in einer ernsten Krise.

Rivalisierende Geheimgesellschaften, wie die alchimistisch-mystischen 'Asiatischen Brüder' und die 'Rosenkreuzer', schossen überall ins Kraut, auch innerhalb der regulären Logen war Streit nicht selten, was Joseph II 1785 zum Erlass des Freimaurerpatents - dem sogenannten Handbillet - veranlasste.

In Wien durfte es fortan nur 2-3 Logen mit maximal 180 Mitgliedern geben. Joseph II hat damit wohl einen Prozess der Selbstreinigung einleiten, und natürlich auch eine gewisse Kontrolle ausüben wollen.

Die regulären Wiener Logen waren seltener Spielplätze verwöhnter Adelskinder, wie dies zum Teil in Frankreich der Fall war. Die Ernsthaftigkeit des nüchternen, aber mit der Freimaurerei symphatisierenden Kaisers, mag dazu beigetragen haben. Ähnlich wie in den 'Neufs Soeurs' waren in einigen Wiener Logen die grössten Geister aus Politik, Kunst und Wissenschaften anzutreffen, und dies ungeachtet ihres Standes. Die Loge 'Zur wahren Eintracht' unter der Führung des grossen Stuhlmeisters Ignaz Edler von Born war die wohl bedeutendste Loge dieser Art. Born sollte auf Wegen, die Wolfgang Hildesheimer beschreibt, das Urbild des weisen Sarastro in der 'Zauberflöte' werden. Der reaktionäre Bruder und Nachfolger Josefs II, Leopold II, machte den Grossteil von dessen Reformen wieder rückgängig. Er hat sich ab 1791 bemüht, mit der Schaffung konservativer, regierungstreuer Geheimlogen, ein Gegengewicht gegen die revolutionäre Zeitströmung im allgemeinen, und gegen die FM im besonderen, zu bilden. Bekannt ist auch seine Unterstützung der politisch ungefährlicheren mystischen Rosenkreuzer.

Diese widersprüchlichen Vorgänge im Herrscherhaus selbst, erklären wohl zum Teil den wechselnden Stellenwert der FM in Österreich. Mozart als Freimaurer Die freimaurerische Blitzkarriere Mozarts ist allgemein bekannt: Aufnahme im Dezember 1784 in die Loge 'Zur Wohltätigkeit' - von Zeitgenossen als Fress- und Saufloge bezeichnet - , im Januar 1785 Beförderung zum Gesellen, dies bereits in der Born'schen Loge 'Zur wahren Eintracht', im Juni 1785 wird er bereits als Meister aufgeführt. Im Zuge der erwähnten kaiserlichen Flurbereinigung wurde die Loge 'Zur Wohltätigkeit' im Dezember 1785 aufgelöst und Mozart wurde Mitglied der neuen Sammelloge 'Zur neugekrönten Hoffnung'.


Die 'neugekrönte Hoffnung' war wohl eine Allegorie auf den manchmal allzu eifrigen Kaiser und Reformer. Mozart dürfte von Joseph II nicht allzuviel gehalten haben: die Anekdote mit den 'zu vielen Noten', die Mozarts Kompositionen für den kaiserlichen Geschmack hatten, ist zwar nicht dokumentarisch belegt, aber Servilität und Obrigkeitshörigkeit konnte man ihm zu dieser Zeit keinesfalls mehr nachsagen. Er war aber doch pragmatisch genug, mehrere, nach heutigem Empfinden eher schwülstige und beinahe lobhudelnde Texte, zu Ehren des Kaisers zu vertonen. Wer kennt nicht das Öffnungslied (Jan. 1786 A.V. von Schlittlersberg KV 483):

Zerfliesset heut' geliebte Brüder,
in Wonn' und Jubellieder,
Josephs Wohltätigkeit
hat uns, in deren Brust ein dreifach Feuer brennt,
hat unsre Hoffnung neu gekrönt.

Noch ein Beispiel aus der Kantate 'Die Maurerfreude' (April 1785, F.Petran KV471, in der Loge 'Zur gekrönten Hoffnung' uraufgeführt) bekannt ist der Anfang:

Sehen wie dem starren Forscherauge
die Natur ihr Antlitz nach und nach enthüllet....

- man denkt unwillkürlich an die Piccards - und dann unvermittelt:

Nimm, Geliebter, diese Kron'
aus unser ält'sten Sohn
aus Josephs Händen.......
Singt, Lorbeer hat Joseph,
der Weise, zusammengebunden,
mit Lorbeer der Schläfe
dem Weisen der Maurer umwunden.

Man muss heute natürlich berücksichtigen, dass der Zeitgeist des Rokoko ein sehr schwärmerischer war, in diesen Jahren wurden ja auch die ach so tragischen 'Leiden des jungen Werther' ebenfalls von einem anderen namhaften Freimaurer, d.h. J.W. v. Goethe, verfasst. Etwas befremdlich bleibt der Enthusiasmus der Textdichter doch: wir erinnern uns, Josef II war nie Maurer, und hatte sich soeben empfindlich in die Belange der Wiener Logen eingemischt. Emanuel Schikaneder und die Schaffung der 'Zauberflöte' 1786, fünf Jahre vor der 'Zauberflöte' hatte sich Mozart an einen politisch viel heisseren Stoff gewagt, den 'Figaro'. Das 'aufwieglerische' Originalbühnenstück des Freimaurers Beaumarchais, hatte der sonst so fortschrittliche Kaiser Josef II glatt verbieten lassen, aber das etwas entschärfte Libretto von Lorenzo da Ponte passierte die Zensur.

Hof, Adel und Grossbürgertum reagierten pikiert und Mozart wurde in Wien in der Folge nicht nur übergangen sondern regelrecht brüskiert. Im Gegensatz zur 'Zauberflöte' hat er auf die Libretti da Pontes direkten Einfluss genommen, er hatte zu dieser Zeit wohl auch einiges an politischem Bewusstsein entwickelt. Mozart musste mit der Reaktion des adligen 'Establishments' rechnen und hatte es mit dem 'Figaro' doch gewagt, diesem einen - wenn auch heiter verbrämten - Spiegel vorzuhalten. Anfangs der 90er-Jahre stand er in der Folge materiell vor dem Nichts. Die Gönner hatten sich von ihm abgewandt. Und nun kommt Schikaneder ins Spiel und bietet ihm die Vertonung der 'Zauberflöte' an.

Emanuel ( eigl. Johann Josef) Schikaneder, dieser Prototyp des Wiener Komödianten, Erfinder und erster Darsteller des Papageno, war ...ein Bayer. Geboren 1751 in Straubing kam er über Salzburg, wo er die Familie Mozart schon um 1780 kennenlernte, ca. 1786 nach Wien. Er wurde 1788, also 3 Jahre nach Mozart, Freimaurer in einer Regensburger Loge. In der Wiener Loge 'Zur neugekrönten Hoffnung' seien sie einander als Brüder wieder begegnet, sagt das Freimaurer-Lexikon. Hier kommt jedoch noch ein Dritter auf die Bühne: Karl Ludwig Giesecke (*1761 in Augsburg) , Logenbruder Mozarts in der 'Wohltätigkeit' und Angehöriger der Truppe von Schikaneder. Giesecke sollte es zu einem international anerkannten Mineralogen und Grönlandforscher in dänischen und britischen Diensten bringen.

Er hat bei einem späteren Besuch in Wien 1808 die weitgehende Urheberschaft an der 'Zauberflöte' , sozusagen als Jugendsünde, eingestanden. Zu deren Entstehungszeit war er möglicherweise Schüler, aber sicher Logenbruder des grossen Stuhlmeisters und Mineralogen Ignaz von Born....und es war wohl Giesecke, der Born das Denkmal als weiser Sarastro geschaffen hat. Für den geschäftstüchtigen Theaterdirektor Schikaneder war die Zusammenarbeit mit Mozart die Gelegenheit den Rivalen Karl Marinelli im Erfolg endgültig zu überbieten. Die Entstehung der 'Zauberflöte' hat also handfeste kommerzielle Hintergründe, auch für Mozart, der die Einkünfte bitter benötigte. In den Volkstheatern der Wiener Vorstädte, in denen sich das aufstrebende Kleinbürgertum vergnügte, waren nicht mehr sterile italienische Opern gefragt wie in der kaiserlichen Hofoper, sondern Zauberopern in der Muttersprache mit romantischem und orientalischem Einschlag. Mozart hat offenbar den beiden Co-Autoren des Librettos kaum hineingeredet. Das Nebeneinander einer hehren, maurerisch geprägten Handlung und eines eher komischen, aber publikumswirksamen Teils erklärt sich zur Genüge durch die Verschiedenheit der beiden Librettisten Schikaneder und Giesecke.

Die Umwandlung des Sarastro vom bösen Zauberer zum edlen Weisen und andere Brüche im Laufe der Handlung werden vor diesem Hintergrund verständlich. Hoch interessant auch die Figur des Papageno: in jeder dieser Volks- und Zauberopern musste der 'Hanswurst', eine besondere Wiener Form des Kasperls, vorkommen. Dieser Part wurde meist von Schikaneder selbst übernommen, weglassen war unmöglich. Man kann nur darüber raten, wie die drei Brüder dieser Figur Leben als 'zweite Seele' mit menschlichen Schwächen, des hehr nach Weisheit, Stärke ringenden Tamino eingehaucht haben. Gelungen ist es ihnen jedenfalls. Ganz im Stil der damaligen Zeit ist der schwarze Mohr Monostatos der Böse und Hinterhältige, der sich ständig an der Prinzessin Pamina vergehen will und von Sarastro mit der Bastonnade bestraft wird. Rassenvorurteile und Prügelstrafe, nicht gerade sehr freimaurerisch, aber dem Publikum gefiel es so. Der Mohr wurde übrigens in der Premiere von Giesecke dargestellt, seine Erfindung können wir aber getrost Schikaneder unterstellen.

Die freimaurerische Symbolik in der 'Zauberflöte' ist allgegenwärtig und wurde natürlich schon in unzähligen profanen und maurischen Schriften beschrieben, so dass hier nicht nochmals im Detail darauf eingegangen werden soll. Das wundervolle Singspiel, wie es eigentlich bezeichnet wurde, schliesst ohne Zweifel auf sehr maurerische Weise: Es siegte die Stärke und krönet zum Lohn, die Schönheit und Weisheit mit ewiger Kron' Böse Zungen könnten sagen: Die Stärke des Theaterdirektors und Produzenten hat sich wohl ganz schön der Weisheit des intellektuellen Maurers Giesecke und vor allem der Schönheit der Mozart'schen Musik bedient. Schikaneder hat im übrigen, nach Mozarts Tod, ohne Hemmungen eine Fortsetzung der 'Zauberflöte' verfasst, die ungebremst ins Possenhafte, ja Lächerliche abgleitet.

Mozarts letzte Zeit und sein Tod: Spätestens nach dem Tod von Josef II wurde die Zugehörigkeit zu einer Loge eher zu einer Belastung . Schon lange vor dem Ausbruch der franz. Revolution hatte sich auch Josef II fühlbar distanzierter verhalten. Auf diesem geschichtlichen Hintergrund sind bestimmte Verhaltensweisen Mozarts zu verstehen: Er hat möglicherweise einer Geheimgesellschaft angehört, die zwar der Freimaurerei nahestand, aber viel mystischer ausgerichtet war. Belegt ist ein Brief seiner Frau Konstanze (21.7.1800) in dem sie berichtet, dass Mozart vor seinem Tod sogar selbst eine neue Geheimloge namens ‚Grotta' gründen hatte wollen.

Die inneren Spannungen im Orden und die äusseren politischen Umstände waren an ihm nicht spurlos vorübergegangen und haben vielleicht doch auch in der Zauberflöte ihren Niederschlag gefunden. Kein Geringerer als Born selbst hat sich um 1790 intensiv mit den vermeintlichen Zusammenhängen zwischen Freimaurerei und ägyptischen Mysterien befasst. Dies allerdings zu einem Zeitpunkt, als sich die Freimaurerei in Wien durch die repressive Politik des Hofes bereits im Niedergang befand, ja langsam aber sicher geächtet werden sollte. Born hatte sich schon 1786 aus der Freimaurerei verabschiedet. Wie so häufig ziehen sich in solchen Zeiten grosse Geister in eine symbolische Welt zurück, die für Polizeispitzel schwer zu verstehen ist.

Angesichts des neuen Zeitgeistes der beginnenden Restauration und der tragischen Umstände seines Todes sind die Legenden , die sich um das Ableben Mozarts gerankt haben, nicht verwunderlich. Besonders pikant sind die immer wieder auftauchenden Gerüchte, die Freimaurern die Schuld an Mozarts frühem Tod geben; angeblich als Bestrafung dafür, dass er in der 'Zauberflöte' ihre Rituale enthüllt habe, hätten sie ihn vergiftet. Diese Behauptungen wurden besonders in der Zeit Metternichs, ab ca. 1820, von dem Hof nahestehenden Kreisen kolportiert, um der Freimaurerei endgültig den Todesstoss zu versetzen.

Das gegen sein Ende nicht immer unzweideutige Verhalten Mozarts trug dazu bei diesen haltlosen Gerüchten einen wissenschaftlichen Mantel umzuhängen. Zum 180. Todestag Mozarts, also 1971, erschien ein Buch 'Mozarts Tod 1791-1971' aus der Feder dreier Ärzte, das die Theorie seiner Ermordung durch die FM auf abenteuerliche Weise aufwärmt.

Dies mit Argumenten, die jedem Maurer nur ein Lächeln abgewinnen können, wenn sie nicht so hanebüchen und bar jeder Kenntnis maurerischen Brauchtums wären. Selbst der grosse Alexander Puschkin - selbst Freimaurer - hat in einem Bühnenfragment 'Mozart und Salieri' um 1823 eine Aussage unwidersprochen stehen lassen, die den Freimaurern die Schuld am Tode Mozarts gibt. Eine Verbeugung vor dem reaktionären Zeitgeist der Restauration? Soeben hatte nämlich der ursprünglich sehr freimaurer-freundliche Zar Alexander I (1822) Logen in Russland verbieten lassen. Vielleicht war es auch schnödes Gewinnstreben von Puschkin ? Wir wissen es nicht. Aber vergessen wir nicht, dass auch dem Genie Mozart Ungereimtheiten und Anpassungen an die Mächtigen nicht fremd waren und verzichten wir deshalb darauf , in Anwendung unseres Grundsatzes der Toleranz, Steine zu werfen. Der geschilderte bunte Reigen freimaurerischer Persönlichkeiten, ist auch Teil der österreichischen Kulturgeschichte und des österreichischen 'Kollektivbewusstseins'. Die gelebte und erlebte Freimaurerei war zu allen Zeiten auch Spiegel der Gesellschaft und der historischen Gegebenheiten, aber auch der geistigen Befindlichkeit des einzelnen Bruders.

Dies galt für Genies ebenso, wie für einfache Brüder. Das musikalische Genie Mozarts ist allerdings dermassen dominant, dass es nie nur am verbalen Inhalt der von ihm vertonten Stücke gemessen werden darf. In maurerischer Diktion: die göttliche Schönheit seiner Musik schliesst immer auch Stärke und Weisheit mit ein, auch wenn nicht alle Libretti über jeden Zweifel erhaben sind.

Mai 1999, PH


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