Die alten Landmarken
Die alten Landmarken
Es gibt eine alte Freimaurerfabel, die folgendes erzählt: In einer Großloge wurde als besonderes Heiligtum eine Kiste mit schweren eisernen Verschlagen aufbewahrt, die nach der Uberlieferung die aufschlußreichsten Urkunden uber die Freimaurerei und die Großloge selbst enthalten sollte. Eine Eröffnung der Kiste wurde nicht erlaubt. Bis eines Tages unter dem Einflusse der neuer historischer Erkenntnis zugewandter Zeit, ein hochstehender Bruder die Offnung dieses geheimen Schatzes anordnete. Die Kiste wurde unter besonderen Feierlichkeiten eröffnet, und siehe: sie war leer.
Mit dem Worte Landmark geht es ähnlich. Es ist eine traditionelle Worthulse der Freimaurerei. Eröffnet sie der freimaurerische Historiker, so ist sie leer. Aber sie war einmal da, und so wurde sie nachträglich gefullt. Und so ist der Begriff Landmark ein Bestandteil der Freimaurerei besonders in Amerika geworden.
Das Wort geht auf Anderson zuruck. In der XXXIX. Bestimmung der General Regulations, die den Old Charges angehangt sind, heißt es, daß "the old Land-Marks be carefully preserved". Die alten Landmarken sollen also sorgsamst geschutzt werden, wobei in der gleichen Satzung auch der Vorgang beschrieben wird, wie, wann und unter welchen Voraussetzungen Verfassungsänderungen vorgenommen werden durfen. Was unter Landmarks verstanden werden soll, sagt Anderson 1. c. nicht.
Dem Sinne nach kann nur gemeint sein: Die alten Satzungen der Freimauser Brüderschaft, ihre Gebrauche und Einrichtungen, die Traditionswert haben, sollen nicht fahrlassig Sinderungen erfahren. Setzte man Das Wort Landmarks gleich dem Inhalt der Constitutions und der bei der Freimaurer Brüderschaft ublichen Gebrauche, so war der Sinn ohne weiteres klar. Aber die spateren Deuter der Stelle sagten sich: Anderson spricht immer nur von Charges, Regulations, Rules. Hier taucht eine neue Bezeichnung auf. Also muß auch eine andere Bedeutung zugrunde liegen. Und damit begann Das große Rätselraten um die Landmarken.
Was sind Landmarken? Im übertragenen Sinne ist darunter zu verstehen eine feststehende, unverruckbare Einrichtung von hohem Alter und bleibendem Traditionswert. In diesem Sinne gebraucht beispielsweise Milton Das Wort, wenn er von einem Altar spricht, der inmitten des Paradieses als Landmark stand. Auch in den Juniusbriefen (I777) ist von Landmarken, durch fruhere Beschlüsse aufgerichtet, die Rede. Da Grenzsteinverrückungen schon in der Bibel als besonders verruchte Tat bezeichnet werden (5- Mos., Kap. 28), haftet der Landmarke, dem unverruckbaren Grenzstein, ein Geruch besonderer Verehrungswurdigkeit an.
Daher muß auch der neugewählte Meister vom Stuhl der englischen Logen bei seiner Amtsübernahme ausdrücklich zugeben, "daß es nicht in der Macht eines einzelnen oder einer Gruppe von Einzelpersonen liegt, irgendwelche Neuerungen in die Genossenschaft der Freimaurer einzuführen". Die Landmarken sind also etwas ewig Dauerndes, keiner Veränderung Zugängliches. His immotis nunquam ruet steht auf einem Kupfer der Bayreuther Großloge aus dem XVIII. Jahrhundert.)
Deshalb definiert sie der englische Historiker Henry Sadler (I904): "Landmarken sind ausschließlich jene Gesetze der Kunst, die allgemein und unwiderruflich sind."
Um Das Unglück voll zu machen, haben es amerikanische Freimaurer unternommen, die Landmarken in einen Kanon zu bringen. Dabei kam Dr. Albert Mackay (I858) auf einen Kanon von 25 Landmarken. Andere amerikanische Großlogen kamen aber bis auf 53- In der Konstitution der Großloge von New York wieder werden die folgenden neun Landmarken angeführt, die von P. G. M. Joseph D. Evans verfaßt wurden, die aber die Großloge selbst niemals beschlossen hat. Der Umstand, Das diese Landmarken jedoch im Gesetzbuche der Großloge abgedruckt erschienen, läßt erkennen, daß die Großloge den wesentlichsten Kanon der Landmarke in ihnen erblickt. Diese Zusammenstellung lautet:
I. Die Landmarken sind jene ausgezeichneten Punkte in den esoterischen Mysterien der Freimaurer, die deutlich im Rituale niedergelegt sind, unter ihnen Zeichen, Worte und Griffe und die Legende des dritten Grades.
2. Jeder, der sich um Zulassung zu den Vorrechten der Freimaurerei bewirbt, muß vor seiner Aufnahme den Glauben an einen ewigen und wahrhaftigen Gott, den Schöpfer und Lenker des Weltalls und an die Unsterblichkeit der Seele bekunden.
3. Jeder Kandidat für die Ehren der Freimaurerei muß sein ein Mann, freigeboren, von reifem und besonnenem Alter, kein Eunuch, kein Weib, kein unmoralischer oder argerniserregender Mann, sondern von gutem Rufe, ohne Fehler an Leib und Seele, die ihn untauglich machen könnten, die Kunst zu lernen und auszuuben.
4. Kein Kandidat darf nach seiner religiösen Oberzeugung oder politischen Meinung gefragt werden, noch durfen Erörterungen uber diese Fragen in irgendeiner Versammlung der Brüderschaft erörtert werden.
5- Das Recht der Loge, selbst daruber zu entscheiden, wer aufgenommen oder einverbrüdert werden soll, ist ein der Loge inharentes und unbestreitbares und ist keinerlei Dispensrecht oder gesetzgeberischen Maßregel von irgendeiner Seite und welcher Quelle immer unterworfen.
6. Die Kugelung uber Kandidaten ist geheim und unverletzlich.
7. Hat der Meister einer Loge eine Frage entschieden, so gibt es keinerlei Berufung dagegen an die Loge.
8. Die Loge kann den Meister nicht verhören (Das heißt, sie kann den Meister nicht vor ihr eigenes Gericht stellen, wohl aber vor Das Großlogengericht!)
9. Es ist Das Vorrecht des Großmeisters, bei jeder Art von Arbeit der Brüderschaft seiner Großloge den Vorsitz zu führen, sei es nun in der Großloge oder einer Loge, und die Exekutive der Großloge in den Pausen zwischen ihren Versammlungen auszuüben.