Die Maurerey und die Musik

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Die Maurerey und die Musik

Dies ist der Titel der Ausstellung 2015 bis 2017 im Österreichischen Freimaurermuseum Rosenau. Darüber hinaus gibt es in der österreichischen Freimaurerei immer wieder Vorträge und Diskussionen über das Thema ‚freimaurerisches Ritual und Musik’. Kein Wunder, haben doch von den 3500 Mitgliedern der ‚Großloge von Österreich’ an die hundert beruflich irgend etwas mit Musik zu tun: als Komponisten, ausübende Musiker, als Musikwissenschaftler und Musikpädagogen. Von Rudi Rabe.

Zur Ausstellung

(Einige Textteile dieses Eintrags basieren auf dem Ausstellungsführer, der vom Museumsdirektor und Ausstellungskurator Peter Back-Vega verfasst wurde.)

Die Ausstellung beleuchtet das Thema zweifach: Sie widmet sich dem Zusammenhang von Freimaurerei und Musik und zum zweiten jenen großen Komponisten, die Freimaurer waren. Viele berühmte Musiker und Komponisten waren Freimaurer, viele haben auch für die Logen komponiert. Ob als Hymne auf die masonischen Ideale, ob mit meditativer Klarheit im Ritual oder im Trinklied zur Feier der Geselligkeit und der Brüderlichkeit aller Menschen: Musik spielte immer im Denken und Empfinden der Freimaurer eine zentrale Rolle. Und so vermittelt die Ausstellung ‚Die Maurerey und die Musik’ einen Eindruck, wie die Musik dazu beitragen kann, die freimaurerischen Ideale in jedem Menschen zum Klingen zu bringen.

Musik im und um das Ritual

Von allem Anfang an war die Musik für das Ritual der Freimaurer wichtig. Eine die Gemeinschaft stärkende Geselligkeit wurde bei Tafellogen mit Trinkliedern gepflegt; Hymnen auf die Ideale, auf Humanität, Wohltätigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit erklangen ab 1723; jedenfalls wurden in diesem Jahr die ersten Liedertexte in der Konstitution der Englischen Großloge veröffentlicht. In unseren Breiten ist etwa die ‚Ode an die Freude’ allgemein bekannt, die Friedrich Schiller (kein Freimaurer) 1785 für die Loge ‚Zu den drei Schwertern’ in Dresden dichtete: Heute haben wir diese Klänge als ‚Europahymne’ im Ohr.

Da sich die ersten Logen in Wirtshäusern versammelten, waren die Anfänge der freimaurerischen Musik eher volkstümlich geprägt. Aber schon zu Mozarts Zeiten kommt Instrumentalmusik hinzu, und in den viktorianischen Tempeln im England des 19. Jahrhunderts standen und stehen große Orgeln, um den gemeinsamen Gesang zu befeuern.

Bis heute ist vielen Österreicher nicht klar, dass die Melodie ihrer Bundeshymne („Land der Berge ...“) als sogenanntes Kettenlied („Lasst uns mit geschlungnen Händen ...“) für das freimaurerische Ritual geschrieben wurde: wie man inzwischen weiß wahrscheinlich gegen 1800 vom Freimaurer Johann Baptist Holzer, und nicht, wie man lange annahm, vom Freimaurer Wolfgang Amadeus Mozart, der zur selben Zeit wie Holzer Mitglied einer Wiener Loge war.

Viele Komponisten waren Freimaurer

Wolfgang Amadeus Mozart selbst hat ja viel Freimaurermusik komponiert. Sein letztes vollendetes Werk heißt sogar ‚Freimaurerkantate’. Doch am bekanntesten ist wohl die Freimaureroper ‚Die Zauberflöte’. In der Ausstellung wird jedoch keineswegs nur Mozart bemüht sondern auch viele andere berühmte Komponisten, die Freimaurer waren. Etwa (alphabetisch): Johann Christian Bach (aus der Bachfamilie), Luigi Cherubini, Gottfried von Einem, Duke Ellington, Leo Fall, König Friedrich II. von Preußen, Joseph Haydn, Franz Hoffmeister, Johann Nepomuk Hummel, Scott Joplin, Gustav Albert Lortzing, Giacomo Meyerbeer, Ignaz Pleyel, Claude-Joseph Rouget de Lisle (Marseillaise), Jean-Philippe Rameau, Jean Sibelius, Louis Spohr, Alexander von Zemlinsky, Carl Michael Ziehrer.

Weitere bekannte Namen lassen sich in der Ausstellung entdecken, denn auch Jazz-Musiker sowie manche Klassiker der Moderne haben sich den freimaurerischen Idealen verschrieben und sie in Töne gesetzt.


Das Freimaurermuseum Rosenau in einem Schloss mit Hotel und Restaurant 150 Kilometer nordwestlich von Wien im niederösterreichischen Waldviertel. Die Ausstellung ist 2015 und 2017 von April bis Oktober täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.
Formal zeigt die Ausstellung Bilder und Grafisches, darunter auch historische Originale. Und sie lässt natürlich Musik erklingen: Dies nicht wie oft in solchen Ausstellungen via Kopfhörer, was den Nachteil hat, dass der Besucher sozusagen angebunden wird.
In Rosenau wurde das anders gelöst: Der durch die Ausstellung wandernde Besucher bewegt sich durch einander ablösende Klangwelten. Diese begleiten ihn etwa so, wie wenn er durch die Gänge einer Musikschule schlenderte, hinter deren Türen ganz verschiedene Musikstücke zu hören sind. Ausstellungskurator Peter Back-Vega: „Keine Konzertsituation, aber musikalische Empfindungen.“ Foto-Copyright: Gabriele Moser. Wir danken Frau Moser, dass sie uns das Bild zur Verfügung gestellt hat.

Die Ritualmusik in unserer Zeit: zwei Veranstaltungen

Wie gesagt: Auch heute sind in den österreichischen Logen viele Musikschaffende zu finden. Das kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Ritualmusik gegenwärtig keine große Zeit erlebt. Die Musikkonserve hat das masonische Ritual erobert: mit allen Vorteilen aber eben auch mit allen Nachteilen. Außerdem ist überall in der Gesellschaft und so auch in der Freimaurerei das gemeinsame Singen derzeit nicht en vogue. Aber das Bewusstsein wird spürbar geschärft.

Mai 2015: Stimmen im Umfeld der Ausstellung

Auf einem gut besuchten ganztägigen Symposion rund um die Eröffnung der Ausstellung und in einer anschließenden rituellen Arbeit befasste sich die Loge ‚Lux Rosenau’ mit dem Thema ‚Die Musik in der Freimaurerei’. Wir bringen daraus Äußerungen zweier österreichischer Freimaurer, die professionelle Musiker sind. Sie beziehen sich auf die aktuelle Situation. Und weil wir der "Wahrheit" nur ein Stückchen näher kommen können, wenn wir unterschiedliche Standpunkte auf uns wirken lassen, haben wir vom Freimaurer-Wiki abseits der Veranstaltung noch einen dritten Musiker um seine Erfahrungen gebeten. Wir bedanken uns bei allen Dreien, dass wir ihre Positionen widergeben dürfen.

Das Problem mit den Musikkonserven

Darauf ging der Wiener Cellist Günter Tuman im Symposion in einer Wortmeldung ein. Zusammengefasst: Die modernen Tonträger machen Ritualmusik zwar leicht verfügbar, aber sie sind zugleich ein Problem weil sie dazu verführen, die Musikteile des Rituals zu bloßen Musikbrücken zu degradieren. Günter Tuman hat nach der Diskussion seinen Standpunkt für das Wiki so extemporiert:

„Die Musik von einem Tonträger kann einfach ausgeblendet werden. Das ist zwar praktisch, aber es führt oft zu einer Degradierung großer Musik. Man stelle sich vor: Haydn’s Streichquartett ‚Sonnenaufgang’ wird einfach abgedreht! Unmöglich! Bei der Lyrik würde das niemand wagen, aber bei der Musik glauben viele, das sei ganz in Ordnung. In den alten Zeiten war das anders. Ein Orgelspieler konnte aus seiner Erfahrung heraus das Ritual mit Gefühl begleiten, indem er zum Beispiel präludierte, also auf einen rituellen Höhenpunkt hin improvisierte. Die Musik war dann ein gleichberechtigter Teil des Rituals und nicht ein Ritualknecht.

Wie gut so etwas funktioniert, kann man heute zum Beispiel noch in einer Kirche auf dem Land erleben, wenn nicht ein geübter Kirchenchor sondern die Gläubigen in einer einfachen Sonntagsmesse singen. Der Organist begleitet dann gekonnt die Lieder. Er kennt ja den Ablauf, und so präludiert er, und am Ende kann er jederzeit einen sogenannten ‚böhmischen Schluss’ hinlegen, also mit einer einfachen Kadenz schließen; das ist eine gute Lösung. Wenn man wie heute üblich mit Tonträgern arbeitet, muss der Musikmeister die Musik wegziehen, wenn der Stuhlmeister nach einer Pause den Ritualtext wieder fortsetzt. Dadurch wird die musikalische Unterstützung zur reinen Gebrauchsmusik.

Aber es gibt noch weitere Probleme. Ich war eine Zeit lang Musikmeister meiner Loge. Dabei habe ich mich als bloßer Dienstleister verstehen müssen, das heißt, ich konnte nur Musik auswählen, die bei den Brüdern als ritualfähig gilt. Ritualfähig heißt, Musik, die nicht schwierig ist, die nicht irritiert, die man in Ohr hat und die bei jedem Bruder ein ähnliches Muster abruft, eine ähnliche Assoziationskette, damit in der Gruppe ein gewisser innerer Gleichklang hergestellt wird. So geht man auf Nummer sicher. Mit einer ungewohnten Zwölftonmusik käme keine Ritualstimmung auf. Auch ein spätes Streichquartett von Beethoven würde viele überfordern. Diese Rücksichtnahme auf die musikalischen Gewohnheiten der Brüder ist nicht negativ, es ist nur schade, wenn deswegen überhaupt nicht mehr experimentiert werden kann. Wenn ich einmal etwas ausprobierte, bin ich auf Kritik gestoßen. Das hat zwar Musik-Freaks erreicht, die sich auskennen, aber bei den anderen führte es zu Unverständnis.

Und noch etwas drittes: Früher hat man an der sogenannten ‚Weißen Tafel’ gesungen. In England und in den Niederlanden ist das heute noch so. Wir hingegen singen nicht mehr weil uns die Nazis die Sangesfreude beschädigt haben. Sie missbrauchten das Liedgut für ihre Ideologie. Der bekannte Satz von den bösen Menschen, die keine Lieder hätten, stimmt eben nicht. Viele alte Lieder haben daher bis heute einen gewissen Hautgout, und wir spüren Widerstände, wenn wir sie singen. Natürlich wird auch bei uns weiter in Chören gesungen, aber kaum mehr spontan. Schade.“

Das Problem mit dem "Banalen und Immergleichen"

Darauf kam der Wiener Komponist und Jazz-Musiker Franz Koglmann in einem Vortrag (‚Zeichnung’) zu sprechen, den er in einer rituellen Arbeit der ‚Lux Rosenau’ hielt. Wir geben den Schluss des Vortrags, in dem Franz Koglmann sein „eigenes Verhältnis zum Thema Ritualmusik“ zusammenfasste, wörtlich wieder:

„Es ist leicht einzusehen, dass die Rezeption von Musik mit Lustgewinn verbunden ist. Der Lustgewinn hat es jedoch an sich, dass er langweilig wird, wenn sich die Reize im Immergleichen erschöpfen. Weshalb der musikalische Feinspitz seinen Lustgewinn aus der Abweichung vom Erwarteten zieht. Er will nicht das Immergleiche hören, er erwartet von der Musik auch Brüche im melodischen und rhythmischen Verlauf, Dissonanzen, Synkopen, Anheben und Absinken der Lautstärke und so weiter. Musik die solche Unregelmäßigkeiten nicht aufweist, ist großteils banal, verharrt in einer primär gefühlsaufgeladenen, also dem Kitsch verbundenen Situation und vermittelt durch ihre Gleichförmigkeit ‚falsche Geborgenheit’ bzw. etwas ‚dümmlich Tröstendes’, wie es Adorno formulierte.

Natürlich kann auch banale Musik Lustgewinn verschaffen, aber eher auf einer McDonalds-Ebene als auf der eines Spitzenrestaurants wie dem Wiener Steirereck, um einen kulinarischen Vergleich zu bringen. Und diese nicht sehr befriedigende Ebene scheint mir - vor allem durch oftmalige unreflektierte Wiederholung von ‚Klassikschlagern’ – in unserem Bund leider vorzuherrschen. Immer gleiche ‚Klassikschlager’, das war letztlich ein gewichtiger Grund, mich der Neugründung der ‚Loge Voltaire zur weissen Kugel’ anzuschliessen. Diese Neugründung verhieß nicht zuletzt ein komplexes und anspruchsvolles Kunstverständnis, gerade auch auf der Ebene der Ritualmusik. Da wir uns in dieser Loge verschiedenen anspruchsvollen Formen der Musik des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart verschrieben haben, kann es nicht nur um die Erfüllung von Erwartungshaltungen gehen. Es ist erlaubt, eben diese zu durchbrechen, das erweckt vielleicht Widerspruch, aber auch Nachdenklichkeit und Interesse.

Unter dieses Niveau, unter diesen Anspruch sollte sich meines Erachtens Ritualmusik nicht begeben. Musiksoziologische Forschungen haben gezeigt - ich beziehe mich auf Jourdain – dass die meisten Menschen ihre persönliche Musikwahl weder auf persönliche noch auf musikalische Kriterien gründen. Vielmehr hören sie Musik, um angepasst zu sein, begreifen Musik als Zeichen sozialer Identifizierung. Zudem entwickeln die meisten Menschen ihren Musikgeschmack in der Jugend und behalten gewisse Vorlieben ihr Leben lang bei. Wir verändern uns mit dem Alter, unser Musikgeschmack bleibt jedoch im allgemeinen derselbe. Diesen fatalen Mechanismus zu durchbrechen ist eine Kulturleistung, die einer Freimaurer-Loge angemessen ist.

Unbedarfte Zuhörer, so haben viele Untersuchungen gezeigt, bevorzugen Musik mit eher wenig als zu viel Information, also mit einem geringen Grad an Komplexität. Musikgeeichte Zuhörer, also Hörer, die sich im Laufe der Zeit eine musikalische Bildung angeeignet haben, bevorzugen zunehmend komplexere, informationsreiche Musik. Der umgekehrte Fall, dass Menschen zuerst komplexe Musik mögen und dann zu einfacher übergehen, ist praktisch unbekannt. An dieser Erkenntnis sollten wir uns orientieren und die Ritualmusiken unserer Logen in entsprechend anspruchsvollen Gefilden – welchem musikalischen Genre diese auch immer entstammen - ansiedeln.“

"Das Ritual ist keine Konzertstunde"

Es gibt auch Musiker, die es etwas anders sehen. Einer ist der Tiroler Pianist und Kabarettist Theo Peer. Er war jahrelang Musikmeister seiner Loge ‚Zu den drei Bergen’ in Innsbruck. Und er hat uns seine Gedanken zur Musik im Ritual wie folgt zusammengefasst:

„Eine Logenarbeit ist weder eine Konzertstunde noch eine Veranstaltung in der Art einer Volkshochschule. Ich habe jahrelang Erfahrungen als Musikmeister sammeln können und dabei die Reaktionen der Brüder beobachtet.

Der Musikbeitrag zu einer Arbeit soll stets im Hintergrund bleiben, er soll das Ritual bereichern und unterstützen. Die eigens für die Freimaurer geschaffenen Kompositionen entsprechen in den meisten Fällen nicht dieser Anforderung. Sie sind gut gemeinte Programmpunkte eines Konzerts, aber sie sind nicht für die Gestaltung eines Rituals geeignet.

Beispiel der Musikauswahl zu einer Logenarbeit im Ersten Grad (Lehrlingsarbeit):

Zum Einzug: Die Brüder sollen Stress und Probleme des Alltags vergessen und auf den Charakter des Rituals eingestimmt werden. Die Musik soll Ruhe und Konzentration zur nun beginnenden Arbeit vermitteln. In der Praxis habe ich dafür meistens den Beginn eines langsamen Satzes einer Symphonie (Mozart, Beethoven, Brahms etc.) gewählt. Je nach Zahl der eintretenden Brüder kann nach drei bis vier Minuten bei einer leisen Stelle langsam ausgeblendet werden. Obwohl ich selbst Musiker und Freund klassischer Musik bin, sehe ich darin keine geschmacklose Entweihung des Werkes, wenn die Ausblendung mit Taktgefühl geschieht. Andererseits soll die Länge dieser Eingangsmusik nicht zu kurz gewählt werden und nicht beim Niedersetzen des letzten eintretenden Bruders abrupt enden, sondern ausreichend zur völligen Beruhigung und Konzentration beitragen.

Zum Anzünden und später zum Löschen der Lichter (drei Kerzen): Ruhige und leise Musik, sie soll vom oft peinlichen manuellen Bemühen beim Anzünden und Löschen ablenken, aber doch leise genug sein, dass der Wortlaut des Rituals klar verständlich ist.

Zum ‚Sack der Witwe’ (karitative Spenden sammeln): Heitere und unbeschwerte Auswahl in der Art des Scherzo einer klassischen Symphonie.

Zum Auszug: Kraftvoller und freudiger Übergang zum profanen Alltag hinaus ins Leben! Etwa mit dem Finale einer klassischen Symphonie.

Im Gesamten gilt, was ich zum Einzug sagte. Natürlich kann jeder Musikmeister die Auswahl nach seinem Geschmack treffen. Er muss aber doch bemüht sein, die Erwartungen und Wünsche der meisten Brüder zu erfüllen. Also ist wohl extrem moderne (zeitgenössische) oder Pop- und Jazz-Musik nicht angebracht. Die Musik soll nicht stören oder ablenken, sondern helfen und verstärken.“

Herbst 2015: Ein Symposion der Österreichischen Freimaurerakademie

Die ‚Werkstätte Musik’ der Freimaurerakademie, eine Arbeitsgruppe der ‚Großloge von Österreich’, veranstaltete dazu im November 2015 ein ganztägiges Symposion. Daran nahmen professionelle Musiker ebenso teil wie Musikmeister von Logen und sonstige Interessierte. In vielen Diskussionsbeiträgen wurde der Faden des schwierigen Themas weiter gesponnen. Hier eine kompakte zusammenfassung:

  • Ein Pianist und Kammermusiker:
    Musik und Ritual, das ist eine zwiespältige Angelegenheit. Es gibt im Ritual zu wenig Zeit für die Musik, dadurch kann diese nur eine dienende Rolle einnehmen. Was auch dazu führt, dass oft nur die Anfänge eines Stückes gespielt werden und sich insgesamt an ziemlicher Fleckerlteppich an Musikstücken ansammelt, so wie wenn man einer Schaufensterpuppe ganz verschiedene Kleider umhängen würde. Irgendwie passen das Ritual und die Musik nicht zusammen, jedenfalls so, wie wir es angehen. Wir müssen damit leben und das beste daraus machen. Im englischen Emulationsritual geht es leichter: Außer zur Eröffnung und zum Schluss des Rituals wird dort überhaupt keine Musik gespielt.
  • Ein Komponist:
    In den 1960er Jahren gab es in unseren Wiener Tempeln noch keine Tonmaschinen, aber in jedem eine Orgel oder ein Harmonium. Dann begann die Live-Musik seltener zu werden: nur noch bei Festarbeiten. Außerdem: Wenn ich Musik für das Ritual komponieren soll, wie kann ich dem angesichts der Maurermusik von Mozart gerecht werden? Umgekehrt hat die Freimaurerei dadurch ein Geschenk erhalten, dass es möglich macht, sie wirklich als Königliche Kunst zu verstehen.
  • Ein Dirigent und Pianist:
    Ich spreche als Praktiker und Beobachter und will auf die Brüder eingehen, die keine Musiker sind, also auf die Mehrheit. Wir sollten daher Musik auswählen, die allen etwas gibt, die im Anspruch weder zu hoch noch zu tief gegriffen ist. Keine unzumutbar schwierige Kost! Natürlich gibt es das Problem des Fleckerlteppichs, aber andererseits ist es auch keine Lösung, nur Schubertlieder zu spielen, wie ich das schon erlebte. Und bitte beim In-Beziehung-Setzen von Text und Musik nicht überintellektualisieren: Musik spricht vor allem die Emotionen an. Man muss auch nicht so viel Musik spielen: Es geht um die Balance. Man kann auch in Stille fühlen.
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  • Ein anderer Komponist:
    Für das Ritual brauchen wir Musik, die uns aufwühlt und nicht einschlafen lässt. Auch die Baustücke, also die Zeichnungen, sollen uns ja wach machen; genau so die Musik. Die klassische Musik ist uns halt sehr vertraut. Aber auch Stille gehört zur Musik. Musik ist eigentlich Stille.
  • Ein Sozialwissenschaftler:
    Es geht nicht nur um die Musik sondern auch um die Art und Weise, wie das Ritual gesprochen wird, also akzentuiert und nicht herunter hudeln oder gar nuscheln. Wort und Musik müssen zusammen passen.
  • Ein weit gereister Bruder:
    Im Ausland wird bei der freimaurerischen Arbeit mehr gesungen. Es sollten sich einige Musikmeister zusammen tun und das mit Sangesfreudigen einüben.
  • Ein Tourismusmanager und Opernfreak:
    Ja, wir singen zu wenig. Zweimal im Jahr versuche ich dem mit einer kleinen Brüdergruppe logenübergreifend entgegenzuwirken. Wir proben das natürlich. Mit mehreren Stimmführern ist es gut möglich.
  • Ein Amateurcellist:
    Musik hat in allererster Linie zu berühren, sonst hat sie ihren Zweck verfehlt. Zeitgenössische Musik mag interessant sein, aber sie berührt mich nicht.
  • Ein Pianist und Musikprofessor:
    Dazu ein kleiner Widerspruch. Wir kommen auch zu den freimaurerischen Arbeiten, um hier Eindrücke, die uns am Anfang nicht so zugänglich sind, verstehen zu lernen. Damit wir uns weiter entwickeln. Warum berührt uns zeitgenössische Musik nicht? Vielleicht weil wir uns fern halten und daher noch keinen Zugang gefunden haben. So wie beim Wort kann man auch in die Musik hineinwachsen.
  • Ein Filmmusiker:
    Ritualmusik ist eine spezielle Form der Theater- oder Filmmusik. Filmmusik soll beides: aufwühlen und beruhigen. Das gilt auch für die Ritualmusik. Jedenfalls soll sie uns vom profanen Alltag wegführen. Auch die immer wieder gescholtene Hintergrundmusik soll möglich sein, aber natürlich so, dass man die gesprochenen Dialoge verstehen kann.
  • Ein Hornist und Psychologe:
    Ritualmusik ist Casualmusik. Das ist weder Konzertmusik noch Hintergrundmusik, vielmehr steht sie in einem bestimmten Zusammenhang. Da im persönlichen Empfinden ganz unterschiedliche Musikstile eine Rolle spielen, ist prinzipiell auch jede Ritualmusik erlaubt. Eine gute Casualmusik stellt einen Ausgleich zwischen ganz verschiedenen Vorstellungen her; es müssen aber alle berücksichtigt werden. Also: die Leute dort abholen, wo sie sind. Das ist aber ein Lernprozess. Wir sind ja Freimaurer, um zu lernen. Nach meinem Verständnis schafft die Musik im Ritual einen zusätzlichen Tempel der allgemeinen Menschenliebe, der Humanität, weil sich in der Ritualmusik auch das kollektive Ich der Loge ausdrückt. Und das ist in jeder Loge anders. Daher treffe ich keine Unterscheidung in gute oder schlechte Ritualmusik. Es kann alles gespielt werden, was den Zweck unserer Arbeit erfüllt.
  • Ein Komponist und Pädagoge:
    Der Auftrag von Ritualmusik ist, die Ohren zu öffnen und offen zu halten. Die Musik hat auch großen Einfluss auf unsere körperliche Befindlichkeit. Jedes Stück hat seinen eigenen Atem, im Idealfall schwappt das über. Das ist aber während des Komponierens nicht im Kalkül, daher kann Musik auch nicht jedem gleich gefallen. Und oft bin ich nach dem ersten Hören eines neuen Stücks gar nicht in der Lage zu sagen, ob es mich berührt hat oder nicht. Und ein Appell an die Musikmeister der Logen: Seid neugierig, habt auch Mut zu Neuem; in unserem Bund sind Dissonanzen zumutbar.
  • Noch einmal der Pianist und Musikprofessor:
    Man muss unterscheiden zwischen Musik als Funktionsträger und Musik als Objekt der Betrachtung. In der freimaurerischen Arbeit proben wir das Leben. Dabei sind Symbole wichtig. Und das symbolische Potential von Ritualmusik liegt darin, dass ein quasi spielerischer Vorgang zum Zeichen wird, zum Bestandteil eines Bedeutungssystems, das nicht erfunden wurde sondern sich in einem langen Selektionsprozess entwickelt hat. Es geht darum, die Welt in eine Ordnung zu bringen und sie so verfügbar zu machen. Daraus ergeben sich auch Ansprüche an die freimaurerische Musik. Es muss für jeden Bruder die allmähliche Erlebbarkeit garantiert sein. Natürlich gibt es die Gefahr, dass man Brüder mit ungewohnter Musik verstört. Daher haben wir in meiner Loge das Problem so gelöst, dass wir im Ritual mehrere eigens komponierte sehr kurze und immer gleiche Musikstücke einsetzen. So werden der Ritualtext und die Musik eine ganzheitliche Erlebniseinheit. Anders liegen die Dinge, wenn die Musik Teil eines Baustücks (einer Zeichnung) und somit keine Ritualmusik im engeren Sinn ist. Verständlicherweise muss so eine Musik nicht den Geschmack aller Brüder treffen.
  • Ein Musikverleger: Musik ist für uns nicht die Möblierung des Ewigen. Ein Logenhaus ist kein Konzerthaus, es geht um die brüderliche Spiritualität. Die Musik hat nichts zu illustrieren, sie kann in der Logenarbeit ganz selbständig bleiben. So können Wort und Musik als Sprache einer gemeinsamen Ordnung wirken. Dafür braucht der die Musik auswählende Musikmeister einen Ideenkern, zum Beispiel den Inhalt des Baustücks.
  • Der Musikmeister einer Loge: Es gibt einfach ein Spannungsfeld zwischen der Musikauswahl und der Psychologie der Brüder. Zum Beispiel ist es völlig klar, dass bei der festlichen Aufnahme, wenn das Große Licht kommt, einfach alle immer wieder das ‚Also sprach Zarathustra’ von Richard Strauss hören wollen: zur Erinnerung an diesen Augenblick als sie selbst rezipiert wurden.
  • Ein Komponist: Dazu wäre ‚Die Schöpfung’ von Josef Haydn eine gute Alternative.
  • Ein zweiter Musikmeister: Die Musik muss dem Baustück und den Brüdern gerecht werden, also muss man sie liebevoll dosieren. Das kann heißen, friedlich einsteigen und dann neugierig machen: Was gibt es heute neues?
  • Ein dritter Musikmeister: Die Musik bekommt im Tempel eine andere Dimension. „So schön habe ich das noch nie gehört“, das bekomme ich nicht selten gesagt.


Zeitgenössisches:

Historisches:

Siehe auch

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