Freimaurerei in der Karikatur
Freimaurerei in der Karikatur
Wenn sich jemand selbst auf die Schaufel nehmen kann, wenn er über sich selbst und vor allem auch über seine eigenen Schwächen schmunzeln kann, dann ist viel gewonnen. Dies ist eine gute Voraussetzung dafür, ein ganz kleines bisschen ein besserer Mensch werden zu können: das Ziel der Freimaurerei. Die Karikaturen auf dieser Wiki-Seite könnten das unterstützen. Von Rudi Rabe.
Diese Karikaturen sind dem Hannoveraner Freimaurer Michael Rother zu verdanken. Im Vorfeld der 275-Jahr-Feiern der ältesten deutschen Loge, der Hamburger ‚Absalom zu den drei Nesseln’ im Jahr 2012, konnte er 51 Künstler und Künstlerinnen (neun waren Frauen) gewinnen, sich mit der Freimaurerei näher zu beschäftigen und dann Karikaturen zu zeichnen. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, waren alle keine Freimaurer.
Die Künstler und Künstlerinnen stellten schließlich 140 Arbeiten zur Verfügung; deutlich mehr als zu hoffen war, und so musste ausgewählt werden. Eine öffentliche Ausstellung in Hamburg und danach in München wurde schließlich mit siebzig Zeichnungen bestückt. Im Katalog konnten aber fast alle platziert werden. Wer also über alle 140 Karikaturen schmunzeln will kann den Katalog beim Verlag oder im Buchhandel beziehen. Titel: ‚Freimaurerei in der Karikatur’, Salier-Verlag, Leipzig.
Die Wiedergabe von 15 Karikaturen hier im Freimaurer-Wiki wurde möglich, weil uns die Künstler das Copyright kostenfrei überlassen haben. Dafür bedanken wir uns sehr herzlich. Ebenso danken wir Michael Rother, der das für das Wiki organisiert hat.
Michael Rother arbeitet seit den 1970iger Jahren für die Trägergesellschaft des ‚Wilhelm-Busch-Museums für Karikatur & Zeichenkunst’ in Hannover. Er wurde zum Sammler und lernte viele Karikaturisten kennen. Nur so war es wohl möglich, dass von neunzig Angesprochenen mehr als die Hälfte mitspielte.
- Zum Betrachten von Details: die Bilder einfach anklicken.
- Frage an Kurator Michael Rother: Wenn die allermeisten Zeichner keine Freimaurer waren, wie konnten sie dann die Freimaurerei karikieren? Sie wussten doch sicher viel zu wenig.
- Michael Rother: Ich habe Ihnen Informationen geschickt und mich außerdem in mehreren deutschen Städten mit den Künstlern getroffen und ihnen die Freimaurerei erklärt. Ich erinnere mich auch an längere Telefonate, in denen ich die masonischen Ausdrücke übersetzte, etwa was ‚der ewige Osten’ bedeutet. Und prompt hat sich das in einer Zeichnung niedergeschlagen. Natürlich haben sie auch im Internet gegoogelt und das Freimaurer-Wiki gefunden: So ist zum Beispiel die Karikatur mit den Mozartkugeln entstanden.
- Gab es bei dem einen oder anderen der Künstlerinnen und Künstler Vorurteile gegen die Freimaurerei?
- Ich habe keine bemerkt. Eher im Gegenteil: Sie waren alle sehr interessiert. Fast die Hälfte ist auch zur Vernissage in Hamburg gekommen.
- Wie hat das Publikum reagiert?
- Überwältigend! In Hamburg zeigten wir die Karikaturen in der Börse, einem sehr prominenten Ausstellungszentrum. Auf Grund seiner Erfahrung rechnete das Management für die Vernissage mit höchstens 150 Besuchern und vielleicht 35 Katalogverkäufen. Es wurden über 500 Besucher, deutlich mehr als wir Sitzplätze hatten, und 156 Kataloge. Von den 70 Karikaturen wurden am ersten Abend 30 verkauft. Auch zwei Jahre später kamen zur Ausstellungseröffnung in München mehr Leute als wir erwarteten.
- Vor allem in der Zeit nach der Vernissage werden wohl auch viele Nichtfreimaurer in die Ausstellung gekommen sein. Welche Erfahrungen wurden dabei gemacht?
- Es war immer mindestens ein Bruder als Auskunftsperson anwesend. Wir sind häufig ausgefragt worden und konnten Verständnishilfen liefern. Dabei habe ich persönlich eine interessante Erfahrung gemacht: In Hamburg wurde mehr diskutiert als in München, die Bayern waren weniger gesprächig. Bei den Medien war es umgekehrt: Die Münchner haben mehr gebracht als die Hamburger.
- Masonische Selbstironie pur also ...
... auch wenn sie größtenteils von Nichtmitgliedern stammt: aber eben auf Bestellung von Freimaurern. Man könnte diese Zeichnungen auch als Ausdruck dessen verstehen, wie sehr die Freimaurerei gegenwärtig von des „Geschickes Mächten“ in Ruhe gelassen wird. So sehr, dass sie sich den Luxus der öffentlichen Selbstironie leisten kann.
Das war nicht immer so. Besonders in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Freimaurerei in vielen Ländern für Teile der Bevölkerung ein Feindbild: geschürt von den totalitären Ideologien jener Zeit, bei uns also vor allem aus der nationalistischen und nationalsozialistischen Gegend; aber auch von konservativ-katholischen Kreisen. Von diesen Gegnern wurde die Freimaurerei ganz im Gegensatz zu ihrem Anliegen als etwas Böses dargestellt: auch in Karikaturen. Das soll über den luftig-schönen Zeichnungen der Ausstellung auch nicht vergessen werden. Daher noch zwei Beispiele aus jener vergangenen Zeit: eines aus Frankreich und eines aus Deutschland.
Am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Frankreich:
Eine freimaurerfeindliche Postkarten-Karikatur zum Verschicken an Bekannte. Sie zeigt den prominenten Freimaurer (siehe Symbole auf der Hose) und Staatspräsidenten Armand Fallières (1841 bis 1931) nach seiner Wahl am 17. Jänner 1906 wie er auf Marianne reitet. Diese fiktive Frau verkörpert die französische Nation. Auf der Postkarte unten steht: „L’une portant l’autre“. Deutsch: „Eine trägt den Anderen“. Das soll wohl so etwas wie Solidarität zum Ausdruck bringen. Aber die Realität auf dem Bild ist anders: Sie ist einseitig. Und Mariannes Gesichtsausdruck lässt darauf schließen, dass sie sich das sogar noch gern gefallen lässt, so sehr wurde sie offenbar von den Freimaurern abgerichtet: siehe die Zügel, an denen sie von Fallières geführt wird, und das Halsband mit den drei masonischen Punkten. Die französische Nation wurde von den ‚bösen’ Freimaurern unterworfen und wird jetzt für deren Zwecke eingesetzt, verkündet der Propagandist: eine Anti-Freimaurer-Karikatur während des französischen Kulturkampfes Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Freimaurer standen auf der Seite, die Frankreich gegen den Willen der konservativ-kirchlichen Reaktion modernisieren wollte, was auch gelungen ist. Das ist der historische Hintergrund.Ein Vierteljahrhundert später in Deutschland:
Eine noch aggressivere Karikatur. Jürgen Holtorf (Großmeister der ‚Vereinigten Großlogen von Deutschland’ von 1978 bis 1985) schreibt dazu in seinem Buch ‚Die verschwiegene Bruderschaft’ (Heyne 1984): „Freimaurer, Juden und Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold im Kampf gegen Nationalsozialismus und Kirche. NS-Karikatur 1932.“ Mag sein. Daran erscheint mir aber seltsam, dass sich die Nazis hier im Bunde mit der (katholischen) Kirche gesehen haben sollten: Sie waren Kirchengegner. Könnte man die Karikatur nicht auch so sehen: Die sogenannten „überstaatlichen Mächte“, also katholische Kirche einerseits und Juden-Kapitalisten-Freimaurer andererseits, kämpfen gegeneinander um die Macht auf dem Rücken des geschundenen und schwitzenden Kleinen deutschen Mannes, sei dieser nun wie der auf der Linken ein Reichsbannermitglied (ein überparteilicher aber in der Praxis eher sozialdemokratischer Bund) oder wie der auf der Rechten ein Nationalsozialist. Man schrieb ja erst 1932: Warum sollten die Nazis, die noch in Opposition waren, den Mitgliedern des Reichsbanners, wenn es gerade in ihr Propagandakonzept passte, nicht ebenso einen Opferstatus zugebilligt haben wie den eigenen? Ein Jahr später an der Macht verboten sie das Reichsbanner dann genau so wie viele andere Vereinigungen. Bald auch die Freimaurer.
Siehe auch
- Satire und Karikatur der Freimaurerei: aus Lennhoff-Posner 1932
- Wilhelm Busch mit einer ‚freimaurerische Zeichnung’ aus seiner Frühzeit (1850iger Jahre)
- Steve Chadburn
- Riding the goat
- It: Sergio Sarri
- En: Lawson Wood