Rezension: Giles Morgan: Freemasonry

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Giles Morgan: Freemasonry

Rezension von Roland Müller

Gut gemeint, aber voller Fehler und Ungenauigkeiten


Giles Morgan: Freemasonry. Edison, N. J.: Chartwell Books 2007; als Taschenbuch Harpenden: Pocket Essentials 2007; erneut 2009;
dt.: Die Freimaurer. Ihre Geheimnisse und ihre Geschichte. Köln: Evergreen 2008.

Das kleine, aber schwere Werk macht den Eindruck eines Bilderbuches. Offenbar ist es geschrieben von einem Engländer, übersetzt worden in Wien, gedruckt in China. Jammerschade, dass über 160 Bildern nicht präzis angeschrieben und mit Quelle und Jahreszahl versehen sind. Dabei sollte der Autor als Buchhändler ein Flair für bibliographische Angaben haben. Manche Abbildungen sind wunderschön, andere interessant, manche zu blass.

Entgegen dem englischen Titel bietet das gefällige Buch keine „neuen“ Perspektiven. Der Text tippt unzählige Themen an, von Hiram Abiff bis Adolf Hitler, von den Druiden über die Tempelritter bis zu den Rosenkreuzern und Mormonen. Die Plazierung der Abbildungen zum Text zeigt, dass der Autor keine grosse Ahnung von der Freimaurerei hat. Auch die Nachbarschaft von Abbildungen ist wenig plausibel: Da stehen die amerikanischen Rituale dem Logengebäude in London gegenüber (14f) oder John Wayne und Churchill der Götzenfigur Baphomet (152f). Der Inititationsritus wird mit einer Darstellung des 3. Grades illustriert (28), der Meistergrad mit einem Bienenstock (53). Der Tapis wird als Tapisserie bezeichnet (65); auf Seite 106 wird Anthony Sayers zum ersten Grossmeister gewählt, auf der nächsten Seite ist es der Herzog „von Montague“. Der in Amerika praktizierte York-Ritus scheint Morgan so wichtig zu sein, dass er ihn gerade zweimal schildert (145f, 180f).

Unter den vielen falschen Behauptungen seien herausgegriffen: Freimaurerei sei eine „Zunft“ (7, 14) oder „Gilde“ (106, 166); jede Region eines Landes besitze eine Grossloge, welche die einzelnen Logen „regiere“ (15), die Loge bezeichne nicht den Versammlungsort (17), die Kolonnen seien in eine Ost- und Westgruppe unterteilt (18) und an der Decke finde man häufig eine Abbildung der Sonne. Ferner wird behauptet, es gebe unter den vielen Ämtern zwei Vorsteher und zwei Aufseher (18), dazu zwei Schaffner (20f) und einen Tempelhüter wie auch eine Innere Wache sowie einen Kaplan. „Wie in allen grossen Religionen“ hielten die Freimaurer am Ende der Arbeitswoche „einen Ruhetag ein, welcher der göttlichen Verehrung gewidmet ist“ (186).

Die Steinmetze des Mittelalters sollen „angenommene“ Maurer genannt worden sein (30), Lord Boswell, der 1600 in eine schottische Loge aufgenommen wurde, sei kein „angenommener“ Maurer gewesen, sondern „er wird als einer der ersten bekannten spekulativen Maurer angesehen“ (97). Der Ausdruck Freimaurer könnte „vom französischen Terminus ‚franc-maçon’ kommen, der einen Mann bezeichnet, der für die Kirche arbeitet und von Steuern befreit war“ (78). Isaac Newton sei Freimaurer gewesen (9); gemäss Seite 23 soll es 1717 bereits 129 Logen gegeben haben (auf Seite 106 waren es 1721 „über 50“).

Die Trajanssäule in Rom, welche 113 nach Christus eingeweiht wurde, sei im 1. Jahrhundert vor Christus errichtet worden (74), die Renaissance sei im 17. Jahrhundert gewesen (105), zum 1645 gebildeten „invisible college“ hätten auch Francis Bacon (gest. 1626) und Isaac Newton (geb. 1643) gehört. John Skene, der erste amerikanische Freimaurer, sei 1690 eingetragenes Mitglied der Loge in Aberdeen geworden, aber schon 1682 wanderte die Familie nach Amerika aus (126). Schliesslich behauptet Morgan: „Schätzungsweise 80 000 bis 200 000 Freimaurer wurden während des Zweiten Weltkrieges durch das Nazi-Regime umgebracht“ (160). Das ist doch einige Faktoren zu hoch gegriffen.

Über die Deutungen fast aller Symbole und Ritualteile lässt sich streiten. Der „geschichtliche“ Teil - also vom Tempelbau in Jerusalem über die Essener, den Mithraskult und die Druiden bis zu den Tempelrittern - ist mit 40 Seiten Umfang zu lang. Er stützt sich weitgehend auf das Buch von Christopher Knight und Robert Lomas: „Unter den Tempels Jerusalems“ (engl. 1996). Daher fehlen die Hinweise auf „ägyptische“ und griechische Mysterien. Die Entwicklung der modernen Freimaurerei seit 1717 in England, Frankreich und Amerika schildert Morgan in einzelnen Episoden sehr anschaulich und einigermassen korrekt auf rund 60 Seiten. Die übrigen Länder fehlen.

Das Buch scheint gut gemeint. Es ist freilich nicht, wie der Klappentext verspricht, durch einen „hohen Grad an Objektivität“ ausgezeichnet, strotzt es doch vor Fehlern und Ungenauigkeiten. Schade.



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