Traktat: „Soziale“ Nachhaltigkeit

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„Soziale“ Nachhaltigkeit

Quelle: Name des Autoren ist der Redaktion bekannt

aus der Traktattrilogie:

  1. Verantwortung und Werte
  2. Wissen, Erkenntnis
  3. „Soziale“ Nachhaltigkeit

I. modernes Begriffspaar

„Soziale Nachhaltigkeit“ – ein modernes Begriffspaar für ein an sich ziemlich altes Modell gemeinsamen Zusammenlebens.1

1. Enstanden aus...

Entstanden aus einem ökologischen Gedanken heraus und sodann ökonomisch diskutiert2, wird dieses Modell nunmehr zunehmend sozial-politisch verstanden.

Gemäß dem forstwirtschaftlichen Prinzip, nach dem „nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann, so dass der Wald nie zur Gänze abgeholzt wird, sondern sich immer wieder regenerieren kann“, „soll und kann auch in anderen Lebensbereichen etwas andauern, bleiben, nachwirken oder haltbar sein, noch lange, nachdem es in Bewegung gesetzt wurde“.

Ohne auf die zahlreichen - gerechtigkeitsorientierten und kapitalismuskritischen, aber auch rein betriebswirtschaftlichen - Theorien und Denkansätze einzugehen, geht es überwiegend per definitionem um das Verbot, „in der Gegenwart irreversible Veränderungen an der Welt vorzunehmen, die von zukünftigen Generationen nicht gewollt werden könnten.“ „Die gegenwärtige Generation soll ihre Bedürfnisse befriedigen, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können."

Diese Debatte stand allgemein unter der „Befürchtung, dass die Tragfähigkeit der Erde irgendwann einmal überfordert sein könnte, „wenn wir so weitermachten wie bisher.“

2. Erhalt eines sozialen oder lebenserhaltenden Systems

Wie auch immer soziale Nachhaltigkeit definiert und begründet wird, ob soziale Nachhaltigkeit also als notwendig für die Aufrechterhaltung der menschlichen Lebensgrundlage verstanden wird oder soziale Nachhaltigkeit nur dazu dient, die Natur zu erhalten - allen Ansätzen gemeinsam ist der Erhalt eines sozialen oder lebenserhaltenden Systems zum Wohle der zukünftigen Generationen.

II.

1. soziale Dimension

Die soziale Dimension der sozialen Nachhaltigkeit wird im Sinne der Maxime „Don’t damage“ überwiegend passiv verstanden: den künftigen Generationen soll bloß die Lebensgrundlage nicht zerstört werden. Wenn man sich nun die derzeitigen globalen ökologischen und ökonomischen Probleme vor Augen hält, wie unter vielen anderen:

- Ausbeutung natürlicher Lebensgrundlagen,
- ansteigende ungleiche Verteilung von Kapital,
- armutsbedingte Umweltzerstörung der Entwicklungsländer,
- Überkonsum in den Industrieländern,
- zunehmende, wirtschaftliche Verarmung von Menschen (auch in den Industrieländern),
- Bedrohung von Frieden und Sicherheit,

aber auch die zunehmend global gewordenen gesellschaftlichen Probleme, wie zum Beispiel:

- Reduzierung sozialen Zusammenlebens und Identitätsverlust,
- Sozialkälte und Kontakt- sowie Kommunikationsarmut,
- Abnahme oder Marginalisierung sozial nachhaltiger und bewährter Werte,
- nachlassende Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung,
- zunehmend fehlende Selbstreflexion und Eigenbeurteilung,

stellt sich nicht nur die Frage, ob nicht ein aktives Eingreifen geradezu notwendig ist, um das Ziel der sozialen Nachhaltigkeit, namentlich den Schutz der nächsten Generationen, zu erreichen.

Einst hielt man es für ausreichend, dieses Ziel durch bloße „technologische Effizienzsteigerung“ unter parallelem Hinweis auf die „Selbstregulierung und Eigendynamik der Märkte“ sowie dem „Postulat nach (sozial-)staatlichem Handeln“ erzielen zu können.

2. Wem kommen die Früchte zugute?

Aber genügt ein rein ökonomischer Ansatz, um auch die gesellschaftlichen Probleme zu lösen? Wem kommen die Früchte solcher Maßnahmen letztlich überwiegend zugute?

Ein rein ökonomischer Ansatz mag ausreichen, sofern alle Menschen im Wesentlichen über dieselben Voraussetzungen verfügen.

Bedenkt man jedoch, dass gerade einmal 10 Prozent der Weltbevölkerung über 90 % des Kapitals verfügen, mag manch einer bei dem Gedanken, soziale Nachhaltigkeit für jeden Einzelnen allein durch globalwirtschaftliche Regularien zu erreichen, schnell daran zweifeln. Ohne ein gewisses Maß an „Verteilungsgerechtigkeit“ und „sozialer Gerechtigkeit“ als wichtige Bestandteile sozialer Nachhaltigkeit kann letztere (und somit „sozialer Frieden“) wohl kaum erreicht werden.

III.

1. Einsatz von Sozialressourcen

Eine „nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung muss allen Menschen dienen und daher sozialverträglich gestaltet werden“. Es ist dem Begriff der sozialen Nachhaltigkeit geradezu immanent, dass sie sich „am Erhalt der solidarischen Grundordnung für ein menschenwürdiges Leben orientieren muss“, die den „Leistungsfähigen belohnt und dem Bedürftigen das Überleben sichert“, und zwar bereits in den gegenwärtigen Generationen.

Zur Schaffung und Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auch künftiger Generationen müssen daher - neben der globalen Befriedigung materieller und immaterieller Grundbedürfnisse - insbesondere auch der erhöhte Einsatz von Sozialressourcen wie Human-, Wissens- und Sozialkapital, Gewährleistung von Chancengleichzeit und Überwindung sozialer Probleme hinzukommen.

2. Soziale Nachhaltigkeit

Eine ökonomisch und ökologisch gefestigte Grundlage mag sicher von grundlegender Bedeutung für soziale Nachhaltigkeit sein.

Aber soziale Nachhaltigkeit ist ohne soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden nicht denkbar. Sie kann nur dann gewährleistet werden, wenn die Früchte vorgenannter Maßnahmen, die sich vor allem an Langfristigkeit, Gerechtigkeit und Ganzheitlichkeit ausrichten müssen, sodann auch tatsächlich jeden Menschen erreichen und nicht nur bestimmten Personengruppen vorbehalten bleiben. Nur auf diese Weise kann eine dauerhafte Stabilität einer Gesellschaft und sozialer Strukturen gewährleistet werden.

Eine ohne Rücksicht auf eine gerechte Verteilung, mithin ohne eine „integrierte soziale Dimension“ geführte Politik wird langfristig scheitern. Das einzige, was wir in diesem Fall künftigen Generationen weitergäben, wären Konflikte und Spannungen.

Das ist sicher nicht gewollt.

IV.

1. Jeder einzelne Mensch

Allerdings entwickeln sich soziale Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit nicht allein durch – objektiv – ökonomische und global-staatliche Maßnahmen, sondern sie müssen auch – subjektiv - in das Bewusstsein eine jeden von uns einfließen. Wir selbst müssen daran glauben und – allerdings selbstverständlich jeder nach seinen Möglichkeiten - entsprechend handeln. Jeder einzelne Mensch als ein eben nicht isoliertes, sondern in Wechselbeziehung mit der Gemeinschaft lebendes Subjekt, den solche Maßnahmen letztlich (be-)treffen, sollte aktiv werden und sein Denken und Handeln sozial nachhaltig ausrichten. Als soziales Wesen muss jeder Mensch bemüht sein, auch die Interessen des sozialen Umfelds und der Gesellschaft zu beachten, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und eine gerechte Verteilung – selbst von sich ausgehend - zuzulassen, um sie gemeinsam mit anderen erst zu ermöglichen. Gerade der verantwortliche Umgang mit dem Leben und der Umwelt kann eine ausgewogene Ordnung der Gesellschaft und dadurch bessere Rahmenbedingungen für die gegenwärtige Generation und damit auch eine bessere Grundlage für die künftigen Generationen schaffen. Denn ein menschenwürdiges Leben verdoppelt sich, wenn man es teilt – auch für die Zukunft.

2. Die Augen öffnen

Das Bewusstsein für Verantwortung zur sozialen Nachhaltigkeit auch für künftige Generationen muss nicht nur bei allen Menschen Eingang finden, sondern auch nachkommenden Generationen erhalten bleiben.

Gerade in einer Zeit, in der die Vermittlung und Weitergabe von tragenden Werten von Generation zu Generation, ja sogar innerhalb einer Generation, zunehmend schwieriger wird, ist es von größter Wichtigkeit, den Hinweis zu statuieren, dass jeder einzelne nur in einer sozial nachhaltig gemachten Umgebung menschenwürdig leben kann und dass jeder einzelne diese Umgebung nicht nur passiv erhalten, sondern sie bei Bedarf auch aktiv schützen muss.

Es ist unsere Aufgabe, uns und unseren Mitmenschen die Augen zu öffnen und als Vorbild diese soziale Gerechtigkeit vorzuleben – und so zu handeln. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass die künftigen Generationen zumindest ein gewisses Maß an Basis gemeinschaftlichen Zusammenlebens erhalten.

3. Bewusst und kritisch

Um dieser „Aufgabe“ gerecht zu werden, ist es geradezu erforderlich, in uns zu kehren und die wesentlichen Dinge im Leben nicht oberflächlich, sondern „von allen Seiten „bewusst“ und „kritisch“ zu erfassen und „objektiv“ zu bewerten, und nicht blind zu übernehmen. Die meisten Sachverhalte und Dinge sind an sich wertneutral. Es sind wir, die daraus etwas „Gutes“ oder „Schlechtes“ machen – und leider auch als solches vorab verurteilen. Wir haben es in der Macht, etwas neu zu erschaffen, anstatt uns von unseren herkömmlichen Mustern und Vorstellungen beherrschen zu lassen, nur weil es womöglich bequem ist, der Mehrheit zu folgen - oder gar unbequem, die Realität akzeptieren zu müssen, um dann vermeintlich allein und einsam zu sein.

V. An uns selbst

Wir sollten endlich lernen, aktiv soziale Verantwortung zu übernehmen. Es reicht nicht mehr aus, allgemeine soziale, ökonomische und ökologische Missstände bequem vom Wohnzimmer aus zu kommentieren und bloß zuzuschauen. Was wäre das für eine Welt, wenn wir bei Ungerechtigkeiten wegschauten? Wir selbst könnten die nächsten sein, denen Ungerechtigkeit widerfährt. - Und wenn uns keiner helfen würde? Gegenwärtig wegzuschauen bedeutete, die Zukunft der Menschheit mit einem Akt der Unmenschlichkeit zu beginnen. Wollen wir das? Gewiss macht sich die Welt von heute zunehmend Gedanken über soziale Nachhaltigkeit, und manch einer glaubt auch sicher daran. Aber wir alle müssen auch an uns selbst etwas ändern und vor allem gemeinsam handeln.

Soziale Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, die Welt zu erhalten und so weiterzugeben, wie wir sie vorgefunden haben. So wie sich Eltern niemals dem Glück der Kinder in den Weg stellen und alles daran setzen sollten, das Glück auf Erden zu erschaffen (zumindest aber alles zu unterlassen, um das zu nicht zu gefährden), so bedeutet soziale Nachhaltigkeit eben auch, eine – ob ökologisch, ökonomisch oder sozial - zerstörte Welt wieder aufzubauen, damit unsere Kinder auf ihr menschenwürdig leben können.

Auch wenn wir die Erben vergangener Generationen sind und für das Vorgefundene nichts können – wir sind zugleich auch die Verantwortlichen für die künftigen Generationen. Es kommt nur darauf an, was wir daraus machen - auch wenn dies bedeutete, gegen die derzeitig herrschenden Strömungen steuern zu müssen. Aber wir sind nicht allein.

Wenn man sich die Welt von heute und deren Probleme vor Augen hält, so mag man schnell verzweifeln. Man weiß förmlich nicht, wo man anfangen soll. Und man weiß auch nicht, ob man überhaupt etwas ändern kann.

Doch wollen wir nicht erst dann etwas von der Welt sehen, wenn es nichts mehr zu sehen gibt. Wenn jeder Einzelne von uns auch nur etwas Kleines tut, bewirkt er schon etwas Großes - ein Bewusstsein in sich und ein Handeln für die Umwelt. Der gegenwärtige Status Quo soll uns eine Lehre der Taten und Entscheidungen vergangener Generationen sein, aber uns zugleich Kraft für Taten zugunsten künftiger Generationen geben - für uns und unsere Kinder. - Denn im Grunde genommen will doch jeder zurück zur „Natur“ - aber keiner will zu Fuß. An letzterem müssen wir arbeiten… An uns selbst.

Es geht um unsere Kinder.

Fußnoten

1Die nachfolgenden Ausführungen sind bewusst abstrakt gehalten. Jedem selbst ist - was ausreichend, aber auch erforderlich ist - anheimgestellt, die offenen Begriffe nach eigener Dimension zu füllen. Nur auf diese Weise ist dieses Thema offen für eine Verständigung – und deren Umsetzung.
2Das Verständnis von sozialer Nachhaltigkeit wurde maßgebend durch den im Jahre 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung veröffentlichten sog. „Brundtland-Bericht“ ("Our common future"), demzufolge es vor allem global um Sicherung der Grundbedürfnisse und Armutsbekämpfung durch Schaffung eines gerechten Zugangs zu Chancen und Verteilung von Ressourcen geht, geprägt. Es geht zentral um „Verteilungsgerechtigkeit“. Die Debatte hierüber gewann leider erst angesichts zahlreicher vergangener Umwelt-Katastrophen wie z.B. in Tschernobyl (1986) an Bedeutung.

Siehe auch