Wanderungen

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Reisen, Wanderungen, Umgänge, Umführungen

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)


sind uraltes Kultgut der Initiation. In der Freimaurerei sind diese mystischen Wanderungen mit Handwerksgebräuchen in Verbindung getreten. Die Reise hat eine doppelte Bedeutung: sie hat den Sinn der "Heiligen Wanderung", im freimaurerischen Gebrauch zugleich als Reise aus dem Dunkel in das Licht gedeutet, sie dient überdies praktischem Zwecke:

Der Neophyt wird beim Herumführen der Versammlung gezeigt. Ebenso unternimmt auch der englische Großmeister nach vollzogener Wahl einen feierlichen Umgang durch die Großloge. Die kultischen Vergleiche, die sich aufdrängen, führen bis zu den Mysterien des Altertums und seiner Bünde: so die eleusinischen Prozessionen auf der Heiligen Straße, die Seelenwanderungen im Neuplatonismus u. a. Auch die Pilgerreisen nach geweihten Stätten, die Reise zum heiligen Gral geht auf ähnliche Vorstellungen zurück; die unter Beschwernissen zurückgelegte Wanderung, deren Zweck eine Läuterung, eine Entsühnung beinhalten soll, ein Eingehen in eine reinere Geisteswelt.

Die Wanderungen der Steinmetzen haben ursprünglich rein praktische Bedeutung: die Zunft stößt für eine gewisse Zeit ihre noch nicht vollausgebildeten Jünger ab. Hier spielen sicherlich auch egoistische Motive eine Rolle. Es ist eine gewollte Beschränkung der Werkgemeinschaft. Der wandernde Gesell soll sich aber zugleich in seinem Wissen und Können vervollständigen. Hier denkt die Baugemeinde kollektivistisch im Interesse der Kunst.

Aus diesen Wanderungen entwickelt sich ein Ritual (s. Briefler und Grüßler), das unverkennbar im freimaurerischen Gebrauchtum wiederkehrt. Allerdings muß hier die Einschränkung gemacht werden, daß die englischen Bauhütten den Wanderzwang im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich nicht kannten. Die symbolischen Reisen des englischen Rituales, zuerst dargestellt bei Prichard, sind mehr oder weniger als Wanderungen nach dem Lichte gedacht.

Die Wanderung geht aus von der nordöstlichen Ecke und führt über den Osten wieder nach dem Westen zurück, daher antwortet auch der Geselle auf die Frage: "Reistet Ihr irgend einmal?" mit den Worten: "Ja, von Ost nach West". Die Reise nach dem Wege des Tagesgestirns hat hier auch als Lebensreise symbolischen Sinn.

Nach Preston wandert der Lehrling von Westen nach Osten (geleitet vom Suchen nach Erkenntnis). Im zweiten und dritten Grade (ursprünglich vereint) geht die Reise nach dem Westen zurück, um Dinge zu suchen, die verloren waren".

Die Zahl der Reisen ist in den Graden und auch in den Systemen nicht einheitlich. Im allgemeinen werden heute drei Reisen vorgenommen, deren Bedeutung durch Zurufe und Sinnsprüche dem Neophyten vermittelt wird (Reisesprüche).

Was sonst an ritualistischen Zutaten hierbei sinnfällig wird, ist großenteils erst späteren Datums. Besonders die romanischen Rituale haben hier vieles aufgenommen, was wohl heute traditionellen Wert erlangt, im übrigen aber den einfachen und dadurch klaren und schönen Sinn der kultischen Reise verzerrt hat.

Die in die Reisen verlegten sogenannten physischen Proben der Standhaftigkeit, Ausdauer, des Mutes entstammen fremden Gedankenkreisen. Hier sind die mittelalterlichen Proben ritterlicher Kardinaltugenden in das Freimaurertum hineingesickert, ohne die Idee der Wanderung selbst zu bereichern. Diese in der "Zauberflöte" zu dichterischer Schönheit verewigten Wanderungen durch Feuer und Wasser usw. usw. sind eine Ornamentik des Gebrauchtums, die eigentlich an dem tieferen Sinn der Reisen vorbeigeht.

Siehe auch: