Rezension: Richard Mathieu – Freimaurerei und katholische Kirche

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Streckenweise wie ein Krimi

Eigentlich, so dachte ich, sei das Thema doch schon ziemlich abgehandelt. Es hat sich ja seit den frühen 1980ern nicht mehr viel getan: Von fundamentalistischen Randgruppen abgesehen pflegen katholische Kirche und Freimaurer ein herzliches Nichtverhältnis. - Mag sein! - Doch als ich das Buch zugeklappt hatte, war ich froh, es gelesen zu haben. Nicht nur weil es besonders tief ins Thema eindringt, nein, es ist auch spannend: Vor allem in der zweiten Hälfte liest es sich streckenweise wie ein vatikanischer Krimi.
Von Rudi Rabe.


Richard Mathieu ist ein Theologe an der katholisch-theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er greift gern Themen auf, die man aus katholischer Sicht als heiß bezeichnen könnte: Scheidung und Wiederheirat zum Beispiel; oder Xenotransplantation, also Gewebeübertragung zwischen verschiedenen Spezies. Und jetzt eben die Freimaurer. Wobei dem Buch sehr zugute kommt, dass der Autor mit der katholisch-juristischen Begriffswelt so perfekt umgehen kann, wie man das eben nur als Theologe lernt.

Aus den rund 250 Seiten schimmert zwar eine gewisse Grundsympathie für die Freimaurerei, aber ich hatte beim Lesen nie das Gefühl, dass Mathieu parteiisch schreibt. Die katholischen Argumente werden erschöpfend und fair dargestellt. Und manche juridischen Fragen müssen halt in der Schwebe bleiben.

Ein Buch für Anfänger UND weit Fortgeschrittene

Richard Mathieu nennt als Ziel seines Buchs die „kirchenrechtliche Beleuchtung“ des Themas, was keineswegs beantworte, „ob Freimaurerei und Katholizismus miteinander vereinbar sind oder sein können“. Also etwas sehr Kompliziertes. Das hindert ihn nicht daran, die Zielgruppe breit anzulegen: Er wendet sich an kundige Freimaurer ebenso wie an interessierte Nichtfreimaurer. Folgerichtig beschäftigt er sich zur Einführung im ersten Drittel mit dem Wesen der Freimaurerei und ihrer historischen Entwicklung. Anschließend mit den masonischen Ritualen und der Symbolik (Licht, Wandern, Tempelbau); das ist wichtig, weil ja „die Ritualistik das Konstitutivum der Freimaurerei ist“ und in manchen Katholikenkreisen (und nicht nur in solchen) immer wieder zu Irritationen führte und weiter führen kann.

Das zweite Buchdrittel widmet sich der Geschichte der katholischen Verurteilungen durch acht Päpste ab 1738 bis es dann 1917 zum berühmten Freimaurerparagraphen im neu formulierten ‚Codex Juris Canonici’ (CIC) kam, dem Grundgesetz der Katholischen Kirche. Dabei erinnert Mathieu gerechterweise auch daran, dass die ersten Verurteilungen und Verbote der Freimaurerei im frühen 18. Jahrhundert keineswegs vom Papst sondern von weltlichen Mächten ausgesprochen wurden, was heute fast vergessen ist.

In den letzten hundert Seiten erreicht das Thema dann seinen spannenden Höhepunkt:

  • Die innerkirchliche Erarbeitung des neuen CIC 1983.
  • Das Ringen um die Formulierungen, bei dem sich die deutschen Bischöfe (Josef Stimpfle und Josef Ratzinger: „Relativismus“) besonders antifreimaurerisch hervortaten sich aber letztlich nicht durchsetzten (kein ausdrücklicher Freimaurerparagraph mehr; nur ein allgemein gehaltener).
  • Und schließlich viele feinziselierte Paragrapheninterpretationen, bei deren Lektüre ich nicht so recht weiß, ob ich die amtskatholische Paragraphenmanie bewundern oder verabscheuen soll. Ich entscheide mich schließlich widerwillig fürs Bewundern: Die kirchliche Methode ist zwar unspirituell, aber sie sichert so etwas wie den kirchlichen Rechtsstaat. Und das ist ja doch ein hohes Gut.

Unterscheidung: kirchliche Sakramente und freimaurerische Rituale

Das scheinen Stimpfle, Ratzinger & Co damals nicht so recht kapiert zu haben: die Differenz zwischen diesen beiden Begriffen. Ganz im Gegensatz zum Wiener Kardinal König und den Österreichern unterstellten sie den „freimaurerischen Initiationsritualen sakramentsähnliche Wesenszüge, die den Anschein erwecken, dass in Bezug auf den Initiierten eine objektive Verwandlung stattfindet, die in Konkurrenz zur sakramentalen Umwandlung stehe.“ Das war ein wesentlicher Grund, warum die Deutsche Bischofskonferenz für die Beibehaltung der ausdrücklichen Freimaurerverurteilung im neuen CiC votierte: wie gesagt letztlich erfolglos.

Richard Mathieu gibt den Bischöfen nicht recht. Er begründet das so: Das Wesen der freimaurerischen „Rituale ist in ihrer psychologischen Wirkung zu suchen: Die Deutung erlebter symbolischer Vorgänge ist individuell und revidierbar. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Sakramenten, deren Bedeutung der Empfänger sich nicht ausgesucht, sondern die von der Kirche definiert ist. Vereinfachend ließe sich sagen: Die Bedeutung von Sakramenten ist vorgegeben, die Bedeutung freimaurerischer Rituale ist aufgegeben.“

„Contra Ecclesiam machinantur“

Machinationen gegen die Kirche! Ein zentraler Begriff, der immer wieder auftaucht und Fragen über Fragen aufwirft: Ist die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge aus katholischer Sicht in jedem Fall verboten? Oder nur unter bestimmten Bedingungen? Zum Beispiel, wenn der einzelne Freimaurer damit antikatholische Machinationen verbindet? Oder wenn das seine Loge tut?

Und wenn es verboten ist und die Strafe eintritt: Welche Strafe genau? Die vielzitierte aber oft schlecht verstandene Exkommunikation? Was ist das genau? Wie lange wirkt sie? Wer spricht sie aus? Muss sie überhaupt ausgesprochen werden, oder ist es eine sogenannte Tatstrafe, also eine, die ohne Richterspruch von selbst wirkt (ipso facto)?

Und so weiter ... hochinteressante Interpretationskunstwerke, die uns Richard Mathieu vorführt. Auch wenn ich diese oft nicht bis ins letzte Detail verstehen kann: Ganzheitlich nehme ich das auf. Und es warnt mich ganz allgemein vor dem Unfug des schnellen Urteils: eine bisschen Arbeit am eigenen rauen Stein.

Richard Mathieus Resümee

„Ein katholischer Freimaurer zieht sich die Tatstrafe der Exkommunikation dann zu, wenn er Mitglied einer freimaurerischen (oder anderen) Vereinigung ist, die eine Häresie vertritt, mit der er sich identifiziert.“ Das kann ich nur so verstehen: Da die deutsche AFAM ebenso wie die analogen Großlogen in Österreich und der Schweiz nichts Häretisches am Hut haben, greift der seit 1983 geltende CIC-Paragraph (Canon 1374) nicht. Und der alte Freimaurerparagraph von 1917 gilt ja ohnehin nicht mehr.

Aber: „Angesichts der Bandbreite freimaurerischer Selbstverständnisse ist es unmöglich, ein kategorisches und zugleich gerechtes Urteil zu fällen.“ Und Überraschung: Es „ist unbestreitbar, dass einzelne Erscheinungsformen der Freimaurerei möglicherweise häresieanfällig sind. Hinsichtlich sich als christlich verstehender Großlogen beispielsweise ist stets zu fragen, ob denn nicht doch eine Form der Christologie vertreten wird, die als häretisch eingeordnet werden könnte und den katholischen Freimaurer einem inneren Konflikt aussetzt.“

Das Interview

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Freimaurerei und katholische Kirche: Aufarbeitung eines 300-jährigen Streits

Quelle: Freimaurer 2.0

Das Interview führte Philip Militz

Über das Spannungsverhältnis zwischen katholischer Kirche und Freimaurerei ist in den letzten drei Jahrhunderten viel publiziert und spekuliert worden. Die explizite Erwähnung der Freimaurerei ist aus dem sog. Codex Iuris Canonici zwar inzwischen gestrichen – das heißt aber nicht, dass damit nun auch automatisch aus Sicht der katholischen Kirche Freimaurerei und Katholizismus problemlos vereinbar wären. Die Sache ist komplizierter. Deshalb hat nun der Münchner Theologe Richard Mathieu (Studienschwerpunkt Kirchenrecht, Jahrgang ’88, wissenschaftlicher Mitarbeiter der LMU München im Bereich der theologischen Ethik) im Salier Verlag eine sachliche Aufarbeitung der Thematik publiziert: »Freimaurerei und katholische Kirche: Geschichte und kirchenrechtliche Einordnung eines 300-jährigen Streits«.

Für mein Blog habe ich den Autor interviewen können:

Richard, zur Klarstellung eine Frage vorab: Es handelt sich ausschließlich um ein Problem der katholischen Kirche mit der Freimaurerei und nicht um ein Problem der Freimaurerei mit der katholischen Kirche oder ein Problem der evangelischen Kirche mit der Freimaurerei?!

So ist es. Jedenfalls sind mögliche Probleme der Freimaurerei mit der katholischen Kirche und das Verhältnis zwischen nicht-katholischen Ausprägungen des Christentums und der Freimaurerei nicht Thema des Buches. Es ging mir allein darum, die Haltung der katholischen Kirche zur Freimaurerei zu erfassen.

Wie bist Du darauf gekommen dieses Buch zu schreiben?

Ich hatte während des Studiums das Gefühl, dass es zu diesem Thema viele Klischees gab, und zwar sowohl auf der freimaurerischen, als auch auf der kirchlichen Seite: Einerseits das Klischee, dass die katholische Kirche prinzipiell gegen die Freimaurerei sei und andererseits das Klischee, dass die Freimaurerei und die katholische Kirche sich längst restlos miteinander versöhnt hätten und es keinerlei Probleme mehr gäbe. Ich wollte da tatsächlich auf Spurensuche gehen.

Für wen ist Dein Buch gedacht?

Das Buch dürfte für Betroffene interessant sein, also diejenigen Katholiken, die Freimaurer sind, bzw. diejenigen Freimaurer, die Katholiken sind, und sich in Bezug auf ihre kirchenrechtliche Situation etwas unsicher sind. Es dürfte auch für jene lesenswert sein, die sich bei diesem Thema bislang auf einfache Antworten verlassen haben: Die gibt es nämlich bei diesem Thema nicht. Gerade das macht es auch so spannend. Das Buch bezieht sich auch konkret auf die deutsche Situation und dürfte daher für deutsche Leser noch etwas interessanter sein. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatte 1980 ein Dokument verfasst, das die Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zur Freimaurerei und der katholischen Kirche feststellte und sich dabei vor allem auf die deutschen Ausprägungen der Freimaurerei bezog. Darüber hinaus verbinde ich mit diesem Buch aber auch die Hoffnung, dass diejenigen Katholiken, die bislang eine starke, negative bzw. kategorisch ablehnende Haltung gegenüber der Freimaurerei haben, ihre Position gegebenenfalls hinterfragen.

Was ist – kurz skizziert – kirchenrechtlich gesehen der aktuelle Stand? Wie gesagt: Es gibt hier keine einfachen Antworten. Das mag enttäuschend klingen, schafft aber Raum für Diskussionen. Als knappes Fazit könnte man vielleicht folgendes festhalten: In Bezug auf die Deutsche Situation hat die Deutsche Bischofskonferenz in ihrer Unvereinbarkeitserklärung aus dem Jahr 1980 wenig stichhaltig argumentiert. Alle in dem Schreiben vorgebrachten Argumente gegen die Vereinbarkeit von Freimaurerei und Kirchenzugehörigkeit sind sachlich anfechtbar. Was die kirchenrechtliche Lage selbst betrifft: Meines Erachtens ist es so, dass die Zugehörigkeit zu einer freimaurerischen Vereinigung per se nicht strafbar ist. Gleichwohl ist allerdings die sog. Häresie, also eine von der Glaubenslehre der Kirche in entscheidenden Punkten abweichende Haltung für Katholiken strafbar. Aus meiner Sicht ist die Lehrart der humanitären Großloge AFAM hier kein Problem, weil sie sich zu solchen Glaubensfragen in keiner Weise äußert.

Anders könnte – ich sage bewusst könnte – der Sachverhalt etwa im Hinblick auf den Freimaurerorden (FO) liegen, der sich explizit als christliche Lehrart bezeichnet und sich auf Jesus Christus bezieht. Hier könnte man zu der Auffassung kommen, dass der FO möglicherweise eine von der Lehre der Kirche abweichende Position zu Jesus Christus hat. Wenn der FO sich etwa auf die „reine Lehre Jesu Christi“ bezieht, „wie sie sich in der heiligen Schrift findet“, dann stellt sich hier schlichtweg die Frage, was damit gemeint ist. Selbst wenn der FO das selbst offen ließe, könnte auch dann ein Problem bestehen: Denn aus der Sicht der katholischen Kirche ist die „reine Lehre Jesu Christi“ unverfügbar, also nichts, worunter der Einzelne verstehen kann, was auch immer er will. Eventuell wären so die Mitgliedschaft im FO und die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche aus kirchenrechtlicher Sicht nicht vereinbar. Ein betroffener Katholik zöge sich automatisch die Exkommunikation zu. Gleichwohl ist diese Frage mitnichten abschließend geklärt – diesen Eindruck will ich auch nicht erwecken. Mein Fokus liegt auf der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFAM).

In Bezug auf den FO äußere ich nur eine Möglichkeit. Es ist dabei auch wichtig zu verstehen, dass dahinter keine moralische Wertung steht, oder anders formuliert: Nur weil etwas möglicherweise mit der Lehre der katholischen Kirche nicht vereinbar ist, heißt das ja noch lange nicht, dass es sich dabei um etwas Schlechtes handelt. Ich sehe nur grundsätzlich die Möglichkeit, dass es zu einem Konflikt um Deutungshoheiten kommen kann, wenn Begriffe wie „Lehre Jesu Christi“ und „heilige Schrift“ in dieser Kombination im Spiel sind.

Der Punkt ist: Auch in diesem Fall ist nicht die Zugehörigkeit zur Freimaurerei kirchenstrafrechtlich relevant, sondern das Vertreten einer Häresie. Ich plädiere daher dafür, dass die katholische Kirche sich des Themas erneut annimmt, dabei aber die verschiedenen Strömungen der Freimaurerei klar auseinanderhält, und z.B. großlogenbezogene Urteile formuliert und nicht kategorisch und undifferenziert über die ganze Freimaurerei urteilt.

Wie verhält es sich aus freimaurerischer Sicht?

Meines Wissens hat die Freimaurerei ihrerseits kein Problem mit der katholischen Kirche. Das mag bei einzelnen Mitgliedern vielleicht anders sein. Aber auf der institutionellen Ebene übt die Freimaurerei weitgehend weltanschauliche Zurückhaltung, so dass ich von der freimaurerischen Seite, zumindest was die Großloge AFAM betrifft, keinerlei Probleme sehe.

Worauf beruht aus Deiner Sicht die offizielle Haltung der katholischen Kirche zur Freimaurerei?

Das Problem ist ja, dass es “die” offizielle Haltung nicht gibt. Es gibt einerseits moralische Appelle gegen die Freimaurerei, andererseits ist der Sachverhalt kirchenrechtlich erheblich komplexer. Grundsätzlich kann man, gerade auch in Bezug auf die Stellungnahme der DBK sagen, dass die ablehnende Haltung zu einem Großteil auf Missverständnissen und Vorurteilen beruht. Damit sollten sich weder die Kirche noch die Freimaurerei zufrieden geben.

Kannst Du Beispiele für diese Missverständnisse und Vorurteile nennen?

In ihrer Unvereinbarkeitserklärung hatte die DBK unter anderem argumentiert, die freimaurerische Toleranz leite sich aus dem relativistischen Wahrheitsbegriff der Freimauerei ab. Dieser sei, so das Schreiben der DBK, unvereinbar mit der Lehre der Kirche. Was man damals offenbar nicht sah: Die Freimaurerei hat keinen speziellen, eigenen Wahrheitsbegriff. Ihre Toleranz leitet sich nicht aus einem relativistischen Verständnis von Wahrheit ab, sondern aus dem Bedürfnis, einen offenen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen Personen mit verschiedenen Ansichten, Religionen, philosophischen Auffassungen, und insbesondere auch ihren jeweils eigenen Fragen einander respektvoll begegnen können.

Ein weiteres Missverständnis besteht z.B. in Bezug auf den Begriff „Dogma“. Die DBK hatte mit Bezug auf einen Artikel im Freimaurerlexikon von Lennhoff und Posner zum Begriff „Dogma“ argumentiert, dass die Freimaurerei die Möglichkeit objektiver Wahrheitserkenntnis prinzipiell verneine. Man übersah allerdings, dass a.) Lennhoff und Posner überhaupt nicht beanspruchen, für die Freimaurerei als Ganze zu sprechen, und b.) dass die Freimaurerei nicht antidogmatisch, sondern nur adogmatisch ist. Die Freimaurerei, wie sie sich in Deutschland in der Großloge AFAM mehrheitlich manifestiert, lehnt den Verbindlichkeitsanspruch kirchlicher Lehren nicht ab. Sie verzichtet nur darauf, selbst eine vergleichbare Verbindlichkeit für sich zu beanspruchen.

Glaubst Du, dass sich an der Situation etwas ändern wird?

Sagen wir so: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass etwas Klarheit zugunsten eines besseren Verhältnisses entstehen könnte. Dafür braucht es aber Impulse, idealerweise von beiden Seiten.

Was rätst du Personen, die zwischen der Freimaurerei als Weltanschauung und der kirchenrechtlichen Sicht ihres katholischen Glaubens hin und her gerissen sind? Ich rate ihnen dazu, sich nicht auf einfache Antworten zu verlassen. Ebenso wenig, wie es wahr ist, dass beides kategorisch unvereinbar ist, ist es ebenfalls nicht wahr, dass beides ausnahmslos vereinbar ist. Letztlich stehen Betroffene vor dem Gerichtshof ihres eigenen Gewissens. Im Grunde funktioniert das kirchliche Tatstrafensystem (also jenes System, nach dem bereits mit dem Begehen einer bestimmten Tat automatisch bestimmte Strafen eintreten) auch so: Dem Gläubigen wird zugemutet, dass er Kläger, Richter und Vollstrecker zugleich sein muss. Er selbst muss prüfen, ob er z.B. der Häresie schuldig geworden ist, und sich so die Exkommunikation zugezogen hat. Aber erst, wenn ein solcher Fall auch öffentlich bekannt würde, müssten die kirchliche Autoritäten den Eintritt der sog. Tatstrafe, also jener mit Begehen der Tat von selbst eingetretenen Strafe, feststellen.

Indem die katholische Kirche Tatstrafen verhängt, setzt sie ja großes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Gewissens. Es ist zu überlegen, ob auch aus kirchlicher Sicht diesem Gewissen zuzutrauen wäre, beurteilen zu können, ob Ausrichtung und Ritual der jeweiligen Loge, der ein katholischer Freimaurer angehört, tatsächlich dem katholischen Glauben widersprechen. Die katholische Kirche kann ja durchaus Hilfe bei diesen Prozessen anbieten: Aber das setzt voraus, dass ihr Standpunkt klar und sachlich fundiert ist. Anders als auf dem Weg des Gewissens kann diese Entscheidung von Betroffenen m.E. gar nicht getroffen werden.

Vielen Dank für das Interview! ___ »Freimaurerei und katholische Kirche: Geschichte und kirchenrechtliche Einordnung eines 300-jährigen Streits« ist im Salier Verlag erschienen und im örtlichen Buch-, sowie im Versandhandel erhältlich.

Freimaurerei und katholische Kirche
Geschichte und kirchenrechtliche Einordnung eines 300-jährigen Streits
Salier-Verlag, Leipzig. 12 Euro.

Siehe auch


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