Sepher Jesirah

Aus Freimaurer-Wiki

Sepher Jesirah

Kabbalistische Urströmungen

Im Jahre 70 n.Chr. haben die Römer nach einem Aufstand in Jerusalem den zweiten Tempel Gottes zerstört. Viele Juden flohen aus Jerusalem und Israel und gingen in die Diaspora. In den Wirren der Auswanderungswellen traten zwei Urströmungen auf.

Die erste, die Kunde vom Thronwagen Gottes, soll im 2. Jahrhundert v.u.Z. entstanden sein. Wann die zweite Urströmung, die Kunde von den Anfangsdingen, wirklich entstanden ist, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Die erste Strömung bezeichnet man heute als Kunde vom Thronwagen Gottes (Masse Merkaba) und die zweite Strömung als Kunde von den Anfangsdingen (Masse Bereschith). Das Buch der Schöpfung (Sepher Jesirah) ist das einzige schriftliche Zeugnis der zweiten Strömung. Der Autor bleibt unbekannt und die Ursprünge des Buches sind trotz großer Bemühungen historisch nicht mehr zugänglich. Bei der Datierung dieses Werks spricht man von einem Zeitraum vom 2. bis zum 6. Jahrhundert (n. Chr.). Die jüdische Geschichtsschreibung setzt das Buch der Schöpfung und die Bereschith-Strömung sogar mit dem biblischen Abraham in Verbindung.

Entstehungsgeschichte

Die Geschichte des Buches der Schöpfung beginnt mit der Entstehung der Kabbalah. Die Altertumsforschung besagt, dass die Kabbalah eine Erscheinung war, die vom 9. bis zum 13. Jahrhundert n. Chr. auftrat und wieder verschwand. Sie entstand in Spanien als noch der grüne Banner des Halbmonds über der Iberischen Halbinsel wehte. Dass der kurze Zeitraum von 400 Jahren nicht ganz stimmen kann, erkennt man schon daran, dass das Buch der Schöpfung viel früher niedergeschrieben worden sein soll. Die ersten Kommentare zum Buch der Schöpfung wurden im 10. Jahrhundert n.u.Z. geschrieben, aber der Text selbst wird als viel älter angesehen. Hinweise auf dieses Werk erscheinen bereits im 1. Jahrhundert (n. Chr.). Lazarus Goldschmidt datiert es sogar auf das 2. Jahrhundert (v. Chr.).

Der rabbinischen Überlieferung zufolge war Abraham der Autor des Buchs, der es durch Melchisedek und während seiner Zwigespräche mit Gott empfangen haben soll.

Das Sepher Jesirah war eine mündliche Überlieferung und bereits bekannt. Man nimmt an, dass durch die ersten Kommentare das Buch zu einem realen Manuskript wurde. Man kann daraus ableiten, dass zuvor das Sepher Jesirah bis in das 10. Jahrhundert eine mündliche Überlieferung blieb. Einer der ersten Kommentare wurde von Saadja Gaon (931) verfasst. Über achtzig Kommentare sind bis heute ausfindig gemacht worden. Einige, besonders die ersten, waren hauptsächlich philosophischer-mathematischer Art. Mit dem Auftreten der Kabbalah als selbstständige Strömung im 9. bis 13. Jahrhundert wurden auch eine Anzahl mystischer Kommentare verfasst. Abschließend nimmt man heute an, dass eine Entstehung jedenfalls vor dem 10. Jahrhundert sicher ist. Der erste Druck (in lateinischer Sprache) wurde 1552 in Paris gefertigt und 1562 erfolgte der erste Druck (in hebräischer Sprache) 1562 in Mantua.

Thematischer Inhalt

Das Sepher Jesirah spricht von 32 verborgenen Bahnen der Weisheit. Aus dem Text geht dann hervor, dass die 10 Sephiroth und die 22 Buchstaben des Hebräischen Alphabets damit gemeint sind.

Es bleibt aber ungewiss, ob mit den zehn Sephiroth nicht die ersten zehn natürlichen Zahlen (1-10) gemeint sind. Diese ergeben in ihrer Quersumme 55 und weisen auf ein kabbalistisches Zahlenrätsel hin. Genauso könnten die vier kabbalistischen Welten gemeint sein, die in ihrer Quersumme (1+2+3+4) wiederum zehn ergeben. Im Sepher Jesirah werden die Sephiroth namentlich nicht benannt.

Bei den 22 Buchstaben des Hebräischen Alphabets spricht das Buch von einer Aufteilung in 3 Mutter-, 7 Doppelt- und 12 Einfach-Buchstaben. Hierbei widerspricht das Buch der Schöpfung der allgemeinen Annahme der antiken Kabbalah-Meister, dass der Buchstabe Jod der eigentliche Ursprung aller Buchstaben bzw. aller Schöpfung ist. Dieser Widerspruch wird im Buch selbst nicht geklärt. Was wiederum für ein eher mathematisch-philosophisches als ein kabbalistisches Werk spricht. Der Buchstabe Jod gesellt sich in die Gruppe der Einfach-Buchstaben.

Für das Buch der Schöpfung spiegeln sich in den drei Mutterbuchstaben auch die drei Elemente wieder. Die Kabbalah kennt nur eine drei Elemente-Theorie, wobei die Erde bzw. die Materie etwas von den anderen drei apartes ist.

- A = Aleph = Luft
- M = Mem = Wasser
- S = Shin = Feuer

Die sieben Doppel-Buchstaben werden mit den 7 Planeten, 7 Wochentage und 7 Pforten des Körpers (Augen, Ohren, Nasenlöcher und Mund) assoziiert. Die zwölf Enfach-Buchstaben werden mit den 12 Sternbildern, 12 Monaten, 12 Organen des menschlichen Körpers assoziiert.

Freimaurerische Parallelen

Das Buch der Schöpfung spricht von drei Mutter-Buchstaben. Die Parallele zu der Konstellation von Priester, Prophet und König, wie wir sie in der Person Hermes Trismegistos vereinigt sehen, ist offensichtlich. Auch für die Freimaurerei finden wir diese Konstellation wieder im Logenmeister, 1. und 2. Aufseher. Über die drei Mutterbuchstaben heißt es im Buch der Schöpfung:

Es gibt zweiundzwanzig Grundbuchstaben, nämlich drei Mütter, sieben Doppelte und zwölf Einfache. Drei Mütter nämlich A-M-S und deren Fundament ist der Ausgleich. Die Waagschale der Seligkeit und die Waagschale der Schuld und die Zunge ist eine schwankende Satzung zwischen ihnen. S ist zischend wie das Feuer, M ist stumm wie das Wasser und das A ist atmend wie die Luft und gleicht beide aus. (Sepher Jesirah, Zweiter Abschnitt, 1. Absatz)

In einigen Lehrarten der Freimaurerei wird mit dem Propheten Adam (A), mit dem Priester Moses (M) und mit dem König Salomon (S) assoziiert. Ihre Anfangsbuchstaben stimmen nicht zufällig mit den drei Mutterbuchstaben überein.

- A = Adam (der Prophet)
- M = Moses (der Priester)
- S = Salomon (der König)

Adam, der erste Mensch, der anfänglich als Prophet auftrat indem er seiner Frau Eva Gottes Offenbarung kundtat. Moses, der erste Priester, der nicht nach der Ordnung des Hohepristers Melchizedek geweiht wurde. Er setzte - nach sich - seinen Bruder Aaron als Erbe des jüdischen Priestertums ein. Salomon der weiseste und berühmteste unter den alttestamentlichen Königen.

Der Logenmeister ist im übertragenen Sinne ein Priester (Moses). Der 1. Aufseher, König Salomon, soll der Verstand der Loge sein. Das Gewissen der Loge, der 2. Aufseher, ist der Prophet Adam. Der Logenmeister leitet die Tempelarbeit, vergleichbar wie ein Priester. Der 1. Aufseher, der Verstand der Loge, ist an sich der König. Unser Verstand soll uns so klug führen, dass wir weise handeln. Führung und Weisheit sind zwei Attribute Salomos. Adam ist das Gewissen der Loge, der 2. Aufseher. Denn er soll uns gemahnen, nicht gegen Gottes Gebote fehl zu gehen.

Es gibt natürlich auch andere Interpretationen und Zuordnungen. In diesem Beispiel ist das Gewissen (2. Aufseher, Adam, Prophet) jene schwankende Satzung zwischen der Waagschale der Seligkeit (1. Aufseher, Salomon, König) und der Waagschale der Schuld (Logenmeister, Moses, Priester).

Quellen

  • Das Buch der Schöpfung - Nach den sämtlichen Rezensionen möglichst kritisch redigiert und vokalisierter Text, nebst Übersetzung, Varianten, Anmerkungen, Erklärungen und einer ausführlichen Einleitung, Lazarus Goldschmidt, Reprografischer Nachdruck der 1. Auflage Frankfurt am Main 1894, Aurinia Hamburg, Neuauflage 10.12.2004 [ISBN 978-3-937392-14-1]
  • Das Buch Jezira in der Übersetzung von Johann Friedrich von Meyer herausgegeben von Eveline Goodman-Thau und Christoph Schulte, Akademie-Verlag 2002 [ISBN 3-0500-2313-9]
  • De arte Cabalistica libri tres + Sefer Jezira, Faksimile des Druckes von 1530, Johannes Reuchlin, Vorwort, herausgegeben und übersetzt von Anton F. Sommer, Anton F. Sommer Verlag 1997 [ISBN 978-3-901115-42-4]
  • Sefer Jezira - Das Buch der Schöpfung in Theorie und Praxis, Aryeh Kaplan, 2. Auflage 2007 [ISBN 978-3-929588-25-5]
  • Sefer Jezirah - Neudruck der Ausgabe Paris 1552, übersetzt und kommentiert von Guillaume Postel, herausgegeben, eingeleitet und erläutert von Wolf Peter Klein, Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1994 [ISBN 978-3-772816-23-9]
  • Sefer Jezira – Buch der Schöpfung, Kommentiert, herausgegeben und übersetzt von Klaus Herrmann. 1. Auflage 15.04.2008 [ISBN 978-3-458-70007-4]
  • Sepher Jesirah - Das Buch der Schöpfung, Giovanni Grippo, 4. Auflage, G. G. Verlag, Oberursel 2011 [ISBN 978-3-981062-23-6]

Siehe auch

Links