Joseph de Maistre: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Freimaurer-Wiki
Zeile 2: Zeile 2:
 
[[Datei:DeMaitre.jpg|thumb|350px|Literaturhinweis<br> Freimaurer im Zeichen der Gegenmoderne<br>
 
[[Datei:DeMaitre.jpg|thumb|350px|Literaturhinweis<br> Freimaurer im Zeichen der Gegenmoderne<br>
 
Joseph de Maistres Feldzug gegen die Ideale der Französischen Revolution
 
Joseph de Maistres Feldzug gegen die Ideale der Französischen Revolution
Wissenschaftliche Beiträge aus dem '''Tectum-Verlag''', Band 67 1. Aufl.]]
+
Wissenschaftliche Beiträge aus dem '''Tectum-Verlag''', Band 67 1. Aufl.<br><br>
 +
 
 +
== Titelbeschreibung ==
 +
 
 +
Der Hass auf die Autorität ist die Plage unserer Zeit: Joseph de Maistres politische Schriften sind ein radikaler Gegenentwurf zur Französischen Revolution und der Aufklärungsphilosophie, die seine Zeitgenossen inspirierten. Geprägt durch seine Zugehörigkeit zum savoyischen Freimaurertum hinterlässt Joseph de Maistre mit Lobeshymnen auf den Scharfrichter und die reinigende Allgegenwart des Krieges einen verstörenden Eindruck beim Leser des 21. Jahrhunderts. Die unerbittliche Kritik an den Gewaltexzessen der französischen Revolutionsregierungen wirft aber zugleich die Frage auf, ob Maistre nicht auch als Vordenker moderner Ideologiekritik oder gar als Wegbereiter der Totalitarismusforschung angesehen werden kann. Angereichert mit zahlreichen französischen Originalzitaten Maistres liefert Oliver Schüttauf einen differenzierten Überblick über das Werk und die ideologischen Fixpunkte dieses Vordenkers der Gegenaufklärung.]]
  
  

Version vom 15. August 2016, 19:21 Uhr

Literaturhinweis
Freimaurer im Zeichen der Gegenmoderne
Joseph de Maistres Feldzug gegen die Ideale der Französischen Revolution Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag, Band 67 1. Aufl.

Titelbeschreibung

Der Hass auf die Autorität ist die Plage unserer Zeit: Joseph de Maistres politische Schriften sind ein radikaler Gegenentwurf zur Französischen Revolution und der Aufklärungsphilosophie, die seine Zeitgenossen inspirierten. Geprägt durch seine Zugehörigkeit zum savoyischen Freimaurertum hinterlässt Joseph de Maistre mit Lobeshymnen auf den Scharfrichter und die reinigende Allgegenwart des Krieges einen verstörenden Eindruck beim Leser des 21. Jahrhunderts. Die unerbittliche Kritik an den Gewaltexzessen der französischen Revolutionsregierungen wirft aber zugleich die Frage auf, ob Maistre nicht auch als Vordenker moderner Ideologiekritik oder gar als Wegbereiter der Totalitarismusforschung angesehen werden kann. Angereichert mit zahlreichen französischen Originalzitaten Maistres liefert Oliver Schüttauf einen differenzierten Überblick über das Werk und die ideologischen Fixpunkte dieses Vordenkers der Gegenaufklärung.


Joseph de Maistre

Quelle: Wikipedia


Joseph Marie, Comte de Maistre (* 1. April 1753[1] in Chambéry; † 26. Februar 1821 in Turin) war ein Staatsmann, savoyischer Schriftsteller und politischer Philosoph, der die Grundlagen des Ancien Régimes gegenüber den Ideen der Aufklärung und deren Folgen während der Französischen Revolution verteidigte. Damit war er ein bedeutender Vertreter der Gegenaufklärung.

Leben

Geboren wurde de Maistre als das älteste von zehn Kindern einer savoyischen (damals nicht zu Frankreich gehörenden) Adelsfamilie. Sein Vater war Senatspräsident im Herzogtum Savoyen, das zum Königreich Sardinien gehörte. Er besuchte eine Jesuitenschule. 1788 wurde er zum Senator von Savoyen ernannt und war Mitglied des Senats am Gerichtshof.

1774 trat Joseph de Maistre der Freimaurerloge Trois mortiers in Chambéry bei und wechselte dann in die rektifizierte Schottische Maurerei von Willermoz in Lyon. 1779 war er Gründungsmitglied von Le collège particulier de Chambéry, dem er unter dem Pseudonym Josephus a Floribus angehörte. Als die Franzosen Savoyen besetzten, emigrierte er 1793 in die Schweiz nach Lausanne.

Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts wurde er als offizieller Repräsentant des Königreichs Sardinien für Russland nach St. Petersburg entsandt. Auch war er Mitglied einer Freimaurerloge, die 1749 nach dem Vorbild der Großloge von England als eine der ersten kontinentaleuropäischen Freimaurerlogen in Paris entstand. Xavier de Maistre (1763–1852), einer seiner Brüder, war ebenfalls Schriftsteller.


Reaktion auf Aufklärung und Französische Revolution

1793 verteidigte er die Freimaurerei in einem Mémoire an Vignet d’Etoles gegen Vorwürfe, die wegen der Französischen Revolution gegen sie erhoben wurden. In seinen Mémoires pour servir à l’histoire du Jacobinisme an Abbé Barruel verteidigte er die Freimaurerei gegen den Vorwurf, sie sei für alle Taten der Französischen Revolution verantwortlich. Darin unterschied er zwischen unpolitischen Freimaurern, französischen Martinisten und den Illuminaten.

Joseph de Maistre, dessen politische und weltanschauliche Positionen geprägt durch die Schriften Edmund Burkes sind, ist zusammen mit Louis-Gabriel-Ambroise de Bonald der Hauptvertreter der traditionalistischen Reaktion auf die Französische Revolution. Er stellt dem Rationalismus des 18. Jahrhunderts den Glauben und ungeschriebene Gesetze gegenüber und fasst die Gesellschaft als organische Realität auf.

De Maistre erweist sich als dezidierter Kritiker der Gesellschaftstheorie Jean-Jacques Rousseaus: Während der Aufklärer alle Formen sozialer Ungleichheit bemängelt und ein Verfechter der Idee der Volkssouveränität ist, präsentiert sich de Maistre als Propagandist einer hierarchischen Sozialgliederung und Apologet einer göttlich legitimierten monarchischen Alleinherrschaft. Nicht nur Rousseaus Thesen, sondern auch diejenigen der anderen „philosophes“ der Aufklärung bilden in seinen Augen die theoretische Grundlage für den Terror der Französischen Revolution.

Für ihn ist der Terror (Terreur) die logische Konsequenz der Revolution. Wer die Freiheit und das Tugendideal der Gleichheit über alles stellt, muss demnach mit Notwendigkeit alles bekämpfen, was der Verwirklichung dieser Utopie widerspricht. Wer die Freiheit zum obersten Gesetz der politischen Ordnung erklärt, muss alle Traditionen und sozialen Gefüge, die den Einzelnen tragen und prägen, unweigerlich in Frage stellen. Damit werden aber auch alle Fundamente zerstört, die sinnstiftend wirken und Stabilität garantieren. De Maistres Haupteinwand gegen die Verherrlichung der Freiheit besteht darin, dass er nicht glaubt, dass Freiheit glücklich macht. Er zitiert dafür einen namentlich nicht genannten Schweizer Philosophen, der über sein Land gesagt haben soll: „In den demokratischen Staaten der Schweiz gibt es, wenn man die Intriganten, Stellungssucher, die nichtswürdigen, eingebildeten und schlechten Menschen, die Betrunkenen und Nichtstuer ausnimmt, in der ganzen Republik keinen einzigen glücklichen und zufriedenen Menschen.“

Im Übrigen, so mutmaßt de Maistre, ist in einer Demokratie niemals das Volk der Souverän, sondern das Geld. Und was den ideologischen Kitt anbelangt, hat man es dabei vor allem mit den Schwankungen der öffentlichen Meinung zu tun, die eine weit größere Rolle spielen als die von den „philosophes“ gepriesene Vernunft. Zudem entscheidet sowieso nie der Einzelne, in welcher Staatsform er leben möchte. Selbst gewählt an den Staatsformen, in denen Menschen leben, ist in aller Regel so gut wie nichts. „Es existiert kein auf rein freiwilliger Gemeinschaft begründeter Staat“, heißt es in dem anti-rousseauistischen Traktat Von der Souveränität. Demokratie wäre aus de Maistres Sicht allenfalls in einer überschaubaren Menge von Menschen denkbar.

Was jedoch üblicherweise im Namen des Volkes geschieht, hat mit den vielen Einzelnen, die ihm angehören, meist reichlich wenig zu tun. Demokratie funktioniert auch deshalb nicht nach wirklich demokratischen Prinzipien, weil „man in einer Republik nur in dem Maße zählt, wie Geburt, Verbindungen und große Talente uns Einfluss verleihen“. Was heißt: „Der einfache Bürger gilt in der Tat nichts.“ Und deshalb sollte man Herrschaft auch als etwas Notwendiges bejahen, anstatt Gleichheits-Illusionen anzuhängen.

Monarchien bilden nicht nur die ehrlicheren Herrschaftsformen, sie sind jeder Art von fadenscheiniger Demokratie auch zeitlos überlegen. Entsprechend besitzen auch die klare, straffe Organisation der katholischen Kirche und selbst despotische orientalische Machtverhältnisse gegenüber allen Versuchen, dem Volk vorzugaukeln, es könne mitreden, nur Vorteile. Woraus de Maistre den Schluss zieht, dass es mit der neuerlichen „Orakelherrschaft der Vernunft“ möglichst schnell wieder ein Ende haben muss. „Der Hass gegen die Autorität ist die Plage unserer Tage, das Heilmittel gegen dieses Übel liegt nur in den heiligen Maximen, die man Euch vergessen gemacht hat. Archimedes wusste wohl, dass er einen Punkt außerhalb der Welt brauchte, um die Welt empor zu heben“, verkündete er und weist Gott und den König als unumgängliche Pfeiler einer jeden tragfähigen Ordnung aus.

Der Staatstheoretiker trauerte nicht nur dem Absolutismus, sondern auch der Inquisition nach und er bedauert, dass man die Schriften der Aufklärer nicht verboten hat. Hätte die Zensur noch wie früher funktioniert, wäre es in seinen Augen so weit erst gar nicht gekommen. „Die französische Regierung“, erklärt er, „hat sich großen Schaden zugefügt, indem sie zu sehr die Augen vor solchen Ausschweifungen verschloss. Es hat sie den Thron und den unglücklichen Ludwig XVI. das Leben gekostet. ‚Die Bücher haben alles bewirkt‘, sagt Voltaire. Ohne Zweifel, weil man die Bücher alles hat machen lassen.“

Den modernen aufgeklärten Glauben an die Segnungen der Wissenschaften und der Künste hielt de Maistre ebenso für eine „Narretei“, da es seines Erachtens nicht darauf ankommt, dass ein Volk immer klüger und belesener wird und bei allem mitreden kann, sondern dass das Zusammenleben möglichst reibungslos funktioniert. Voltaire besaß für ihn etwas Lächerliches, da „er glaubte, dass eine Nation, die kein Theater und kein Observatorium besitzt, nicht würdig sei, zu atmen“. Die Geschichte habe jedoch bewiesen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, bedeutende Kunst und große Architektur keineswegs unter demokratischen Bedingungen zustande gekommen sind.

„Die Künste brauchen im allgemeinen einen König. Sie erstrahlen nur unter dem Einfluss des Zepters“, heißt es in seiner Schrift Von der Souveränität. In einer Demokratie, so de Maistres Argument, hätte es keinen Michelangelo gegeben, und wir besäßen dann auch nicht den Louvre und die Gärten von Versailles und auch nicht die vielen Opern, die ohne Rücksicht auf den Geschmack des Volkes für die Hoftheater entstanden sind.

In seinem Werk Betrachtungen über Frankreich von 1796 (Considérations sur la France) schreibt er: „Ich bin kein Franzose, ich war nie einer und ich möchte auch keiner sein.“ Mit einem Land, das mit allen althergebrachten Ordnungen zu brechen versuchte und in dem während der Revolution ein Tugendterror gepredigt wurde, der zu Massenhinrichtungen führte, wollte er nichts mehr zu tun haben.


Nachwirkung

Joseph de Maistre gilt als einer der Väter der Soziologie. Er war ein Vordenker des Ultramontanismus und der Unfehlbarkeit des Papstes. Unter anderen haben sich Lew Nikolajewitsch Tolstoi, Isaiah Berlin und Aimé Césaire mit seinem Werk auseinandergesetzt.

In seiner 1957 erschienenen Abhandlung über de Maistre, die den Titel Über das reaktionäre Denken trägt, bemerkt Emil Cioran: „An den Verheißungen der Utopie scheint alles bewundernswert und ist alles falsch; an den Feststellungen der Reaktionäre ist alles verabscheuenswert und scheint alles wahr“. De Maistre sei, so behauptet Cioran, „aufrichtig in das Paradox verliebt“ gewesen, und es habe für ihn „die einzige Chance der Originalität nach einem ganzen Jahrhundert des Redens über Freiheit und Gleichheit darin bestanden, sich anderer Fiktionen zu bemächtigen“, nämlich „jener der Autorität“, um sich damit „auf eine andere Weise zu verirren“.

Links