Gustav Adolf Schiffmann

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Schiffmann, Gustav Adolf

Quelle: Lennhoff, Posner, Binder

Prediger und Archidiakon in Stettin, * 1814, † 1883 langjähriger Stuhlmeister der Loge "Drei goldene Anker zur Liebe und Treue" (Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland), Provinzial-Großmeister von Pommern, Ordens-Unter- und Oberarchitekt, sehr verdienstvoller freimaurerischer Forscher und Schriftsteller.

Der Ordensmeister Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen betraute ihn mit der wissenschaftlichen Mission, klarzustellen, wie es mit den in den Eckleffschen Akten behaupteten, aber von vielen Seiten, namentlich auch vom Kronprinzen selbst bezweifelten, weit zurückreichenden Ursprüngen der Schwedischen Lehrart der Großen Landesloge bestellt sei. Schiffmann gab sich den Nachforschungen mit großem Eifer hin.

Die Eckleffschen Akten

Die Ergebnisse seiner Studien, nach denen die Eckleffschen Akten sich durchaus nicht in jeder Hinsicht als hieb- und stichfest erwiesen, führten zu schweren Mißhelligkeiten. Der Fortsetzung der Studien wurde seitens der mit dem Vorgehen des Kronprinzen nicht einverstandenen Ordensführer Schwierigkeiten in den Weg gelegt, worauf dieser 1874 als Ordensmeister zurücktrat. Um zu verhindern, daß Schiffmann Ordensmeister werde, wurde das Wahlrecht geändert. Eine Fülle von Streitschriften und Veröffentlichungen auch außerhalb des Kreises der Großen Landesloge waren die Folge.

Daraufhin wurde Schiffmann 1876 unter dem durchaus unbegründeten Vorwand, in drei Broschüren über das Kapitel der Großen Landesloge (teils historischen, teils polemischen Inhalts) das Schweigegebot verletzt zu haben, durch Urteil des Ordensrates ausgeschlossen und seine Loge, die sich hinter ihn stellte, suspendiert. Sie trat daraufhin zur Großloge von Preußen, genannt "Royal York zur Freundschaft", über.

1882 wurde die Ausschließung vom Ordensmeister v. Ziegler rückgängig gemacht. In der Zwischenzeit hatten auch die Intransigenten die Richtigkeit der vorher bestrittenen Forschungsergebnisse erkennen müssen.

Die für die freimaurerische Wissenschaft bedeutendsten Schriften von Schiffmann sind zwischen 1878 und 1882 erschienen:

  • "Andreas Michael Ramsay"
  • "Die Freimaurerei in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts"
  • "Die Entstehung der Rittergrade in der Freimaurerei um die Mitte des 18. Jahrhunderts".

Das Verhältniss der Freimaurerei zum Christenthum und zur Kirche

Von Gustav Adolf Schiffmann / Auszug

Vorwort.

Was mich bewogen hat, nachstehenden Vortrag zu halten, ist in der Einleitung dargelegt. Ihn dem Druck zu übergeben, bin ich durch mehrfaches Ersuchen veranlaßt. Möge er auch in weiteren Kreisen dazu mitwirken, der richtigen Einsicht Bahn zu brechen. Das ganze gegenseitige Verhältniß der Freimaurerei zur Kirche allseitig auseinanderzusehen, war in einem Vortrage unmöglich. Ich habe deshalb auf dasjenige mich beschränken müssen, was mir augenblicklich den Angriffen gegenüber als das Notwendigste erschien. Die eine ganze Seite, nach der hin die Loge auch der Kirche dient, ist unberücksichtigt geblieben. Dies durfte um so unbesorgter geschehen, da gerade auf diese Seite schon mehrfach in Entgegnungen hingewiesen ist, und da sich diese Beziehung jedem Nachdenkenden leicht von selbst ergiebt, wenn man das über die Stellung der Loge zur sittlichen Lebensaufgabe Gesagte beachtet, und die Bedeutung welche die Sittlichkeit auch für die Frömmigkeit hat, in Erwägung zieht. Man darf nur die Stellung des Gesetzes zum Evangelium, Johannis des Täufers zu Christo bedenken, und wird dann die nöthigen Schlüsse hier leicht ziehen können, da ja bekannt genug ist, daß die erste Abtheilung des Freimaurerordens Johannes den Täufer zu seinem Schutzpatron sich erwählt hat. Vielleicht wird mir auch noch Veranlassung gegeben, gerade diese Beziehung des Ordens zur Kirche ebenfalls einmal öffentlich zu behandeln.

Einen Einwand gegen die Betheiligung der Geistlichen an der Freimaurerei möchte ich hier vorweg noch besprechen, der, — wie das die Taktik der Gegner mit sich bringt, — mit um so größerer Emphase vorgetragen wird, je weniger wahre Bedeutung er durch sich selbst hat. Er hängt mit dem Thema der Vorlesung unmittelbar nicht zusammen, konnte also auch im Vortrage selbst seine Berücksichtigung nicht finden. Dennoch ist er zu oft wiederholt, als daß ich bei Abdruck des Vortages ihn hätte ganz unerwähnt lassen mögen. Ich meine den Einwand, der von der Aufgabe und dem Wesen der Verbindung ganz absieht, und nur darauf basirt, daß der Orden eine geheime Verbindung sei. In eine Gemeinschaft einzutreten, von der man gar nicht wisse, was man dort finde, sei unsittlich; bei einem Geheimniß betheiligt zu bleiben, an dem nicht die ganze Gemeinde Theil nehmen könne, zieme sich in der Stellung des Geistlichen nicht; ja es sei pflichtwidrig, einer Verbindung anzugehören, an der einige Gemeindeglieder, wenn auch unberechtigt, Anstoß nähmen. Also schon der Eintritt sei Unrecht, denn der Geistliche könne nicht wissen, was er dort finde. Ich könnte darauf verweisen, wie große Garantie schon dadurch gegeben ist, daß man von aufrichtig frommen achtbaren Männern weiß, sie seien zugleich Freimaurer.

Der ganze Vorwurf hebt sich aber einfacher noch dadurch, daß es ja Jedem frei steht, vor seinem Eintritt nach dem, was ihm das Wichtigste ist, zu fragen. Ich bin als Geistlicher dem Orden beigetreten, aber erst nachdem ich den Vorsitzenden der Loge gefragt, ob es begründet sei, daß in ihrer Lehre das Christenthum nicht blos geduldet werde, sondern prinzipiell Geltung habe. Als mir das versichert war, konnte ich getrost alles Weitere erwarten, um so mehr, da jedem Mitgliede des Ordens frei steht, in jedem Augenblick aus der Verbindung wieder zu scheiden. Aber, sagt man dann weiter, der Geistliche darf kein Geheimniß haben, an dem nicht die ganze Gemeinde auch Theil nehmen kann. Man hat diesem Einwurf gegenüber sich auf das Leben in der Familie berufen, und auf das Amtsgeheimniß, zu dem jeder Geistliche amtlich verpflichtet sei.

Der Freimaurerorden darf sich noch auf ein ganz anderes Vorbild in der christlichen Kirche berufen; ich meine die disciplina arcani. In den ersten Jahrhunderten hat die christliche Kirche die Verwaltung der Sacramente nicht nur vor den Heiden, unter denen sie doch auch dastand recht eigentlich mit dem Beruf, sie für den Herrn und sein Reich zu gewinnen, sondern sogar vor einem großen Theil der Christen, den Katechumenen, die als wirkliche Christen und Glieder der Gemeinde galten, eben so als Mysterium bewahrt, wie die Freimaurerei ihr Geheimniß jetzt vor den Nichtmaurern. Vor dem Beginn der Abendmahlsfeier muhten sämmtliche Katechumenen (d. h. alle noch nicht Getaufte; und man schob die Taufe damals ja oft bis ins höchste Alter hinaus) die gottesdienstliche Versammlung verlassen. Während der Abendmahlsfeier selbst waren die Thüren der Gotteshäuser verschlossen, oder von den Diakonen oder Ostiariern bewacht, damit kein Ungetaufter sich einschleicht.

Endlich unmittelbar vor der Feier des Abendmahls wurden die Anwesenden aufgefordert, genau Acht zu haben, ob nicht Jemand unter ihnen sich finde, der zur Theilnahme an der Abendmahlsfeier unberechtigt sei. Auch bei den gottesdienst» lichcn Vorträgen wurde es sorgfältig vermieden, über die Art der Begehung der Sacramente irgend etwas mitzutheilen. Widerstritte nun die Theilnahme an einem Mysterium dem Christenthum oder der Stellung der Geistlichen in dem Maße, wie man behauptet, so ist in der That nicht abzusehen, wie die christliche Kirche selbst mehrere Jahrhunderte lang die höchste gottesdienstliche Feier als ein Mysterium behandeln konnte. Ja auch darin theilt der Freimaurerorden nur das Schicksal der Kirche in jener Zeit, daß von ihm der Volksglaube die thörichtsten Dinge erzählt. Welche Gerüchte waren von der Abendmahlsfeier der Christen damals in Umlauf! Haben sie die Kirche nicht bewogen, das Mysterium aufzugeben, bis es von selbst unnöthig ward, so können ähnliche Gerüchte auch jetzt den Geistlichen nicht veranlassen, die Gemeinschaft des Ordens aufzugeben.

Man macht freilich den Ausspruch des Apostel Paulus geltend. (1. Cor. 10, 23): es ist Alles erlaubt, aber es frommt nicht Alles; es ist Alles erlaubt, aber es erbaut nicht Alles. Sollte der angewendet werden ohne Weiteres auf jeden Anstoß, den irgend ein Gemeindeglied an dem Thun des Geistlichen nimmt? Wohin möchte das führen! Handelt es sich um ganz unbedeutende und gleichgültige Dinge, wie das Essen des Opferfleisches, wovon der Apostel in jenem Capitel spricht; da ist freilich Jeder verbunden, um der Liebe willen, in der er nicht das Seine suchen darf, sondern Rücksicht nehmen muß auf den Andern, so gleichgültige Dinge zu lassen. Gilt es aber Dinge, die für das eigne innere Leben, oder für das Leben Anderer von Wichtigkeit sind, Dinge mit denen wir dem Reiche Gottes dienen, dann würde es unverantwortlich sein, unbegründetem und unberechtigtem Anstoß nachzugeben.

Hier können wir uns berufen auf das Beispiel des Herren selbst. Wie oft hat das Volt, wie oft haben die damaligen Führer desselben vorgeblich aus Eifer für Gottes Gesetz daran Anstoß genommen, daß er am Sabbathtag heilte. Er hat dies so wenig berücksichtigt, daß er selbst dem Gichtbrüchigen am Teiche Bethesda befahl, nach der Genesung am Tabbath sein Bette vor allem Volk nach Hause zu tragen. Was hätte es geschadet, hätte das Bett nun auch noch einen Tag länger am Teiche gestanden? Aber er wollte zeigen, daß die Art, wie man damals das Sabbathsgesetz geltend machte, eine verkehrte, daß der Anstoß, den man nahm, ein unberechtigter sei; und berief sich diesem Anstoß gegenüber auf sein übriges Wirken. Stehen sonst nur die Geistlichen unbescholten, und des Vertrauens werth in ihrem Amte und Leben da, so ist es unrecht und unsittlich, um einer Sache willen ihnen das Vertrauen zu entziehen, von der man gar keine, wenigstens keine so sichere Kenntniß hat, daß man ein bestimmtes Urtheil darauf gründen könnte; und auch hier darf gefordert werden, daß man von dem Bekannten auf das Unbekannte schließe, nicht umgekehrt. Unberechtigtem ja unsittlichem Verdachte zu weichen, sollte man von Geistlichen am wenigsten fordern, die auch hier vielmehr die Pflicht haben, um einer guten Sache willen persönliche Schmach willig zu tragen.
Stettin, den 9. März l857.

G. A. Schiffmann.


Seit langer Zeit ist die Aufmerksamkeit des größeren Publikums nicht in dem Maße dem Freimaurerorden zugewandt gewesen, wie in den letztvergangenen Jahren. Wiederholt haben die Tagesblätter öffentlich Kunde gebracht von wichtigen Ereignissen der Gesellschaft, die sich sonst in stiller Verborgenheit und Zurückgezogenheit hielt; haben über die Gunst berichtet, welche hohe fürstliche Personen durch Protection oder durch Eintritt dem Orden zu erkennen gegeben, andrerseits aber auch von Anklagen und Angriffen politischer oder kirchlicher Gegner. So wird es nicht auffallen, wenn der Orden auch einmal zum Gegenstand eines öffentlichen Vortrages gemacht wird; ja wegen der heftigen Angriffe, die der Orden in den letzten Jahren grade in kirchlichen Blättern unsres Vaterlandes erfahren hat, wird es Vielen natürlich erfcheinen, daß ich über das Verhältnis; der Freimaurerei zum Christenthum und zur Kirche einmal öffentlich rede. Von den Freimaurern würde indeß, wenn nicht noch andere Gründe mich veranlaßten, mein Unternehmen vielleicht nicht ganz gebilligt. Sie werden meinen, und mit Recht, daß der Orden meiner Schutzrede nicht bedarf.

Die Angriffe der neusten Gegner müssen ihnen so offenbar theils als unverständige Anschuldigungen, theils als Verdrehungen erscheinen, daß sie meinen können, diesen sei mit den bereits erschienenen Entgegnungen schon fast zu viel Aufmerksamkeit erzeigt. In der That, handelte es sich darum, den Orden zu vertheidigen und die Gegner, von denen in öffentlichen Zeitund Druckschriften die Angriffe ausgehen, zu überführen, ich hätte schwerlich einen hinreichenden Grund, dafür das Wort zu ergreifen. Einmal bin ich nicht berufen, den Orden zu vertreten, um so weniger, als die gesetzlichen Vertreter längst eine würdige und bündige Erklärung den Verläumdungen öffentlich entgegengestellt haben.

Sodann weiß ich sehr wohl, wer einmal eine Sache verdächtigen will, läßt sich auch durch die bündigsten und klarsten Beweise von der Nichtigkeit seiner Anschuldigungen nicht überzeugen. Aber wir Geistlichen haben in dieser Streitsache eine eigenthümliche Stellung. Uns gelten die Angriffe am meisten, uns sollen sie zum Austritt nöthigen. Werden sie in die Gemeinden gebracht, so können sie Manchen zweifelhaft machen, das Vertrauen erschüttern. Wenn wir also erfahren, daß diese Anklagen in unsren Gemeinden weiter verbreitet werden, daß dazu Männer mitwirken, die wohl Grund hatten, das Vertrauen der Gemeinde zu ihrem Geistlichen zu erhalten und zu stärken, so sind wir unserm geistlichen Amt und unsrer Stellung in der Gemeinde es schuldig, öffentlich einmal die Sache zur unbefangenen Beurtheilung vorzulegen.

Das hat, außer besonderen Aufforderungen, mich bestimmt. Ich kann, Gott sei gedankt, über Mangel an Vertrauen nicht klagen; aber ich möchte auch nicht warten, bis es zu spät ist, möchte wenigstens für meine Person nichts verschulden. Darum mein heutiger Vortrag. Erwarten Sie aber nicht, daß ich den einzelnen Anschuldigungen nachgehe, um sie zu besprechen und ihren Ungrund darzuthnn Dies wird sich nicht ganz umgehen lassen, aber es wird doch nur einen Theil meines Vortrages ausmachen.

Im Uebrigen werde ich versuchen, so objectiv wie möglich zu verfahren; werde zuerst das Verhältnis; der Freimaurerei zum Christenthum und zur Kirche darlegen, und dann daraus nachweisen, wie es kommen kann, daß die Freimaurerei mit der Kirche oder den Vertretern kirchlicher Richtungen in Conflict gerathe, und als dem Chriftenthum gefährlich bekämpft werde. —

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