Neutempler

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Neutempler-Orden

Quelle: Wikipedia

Der Neutempler-Orden oder Ordo Novi Templi (ONT) war eine völkisch-religiöse Organisation. Er wurde 1900 von Jörg Lanz von Liebenfels in Wien gegründet. Lanz nutzte diesen Orden, um seine Ideen, die er zunächst als „Theozoologie“ oder „Ario-Christentum“ und ab 1915 als „Ariosophie“ bezeichnete, zu verbreiten. Der Orden verband christliche Frömmigkeit mit modernen Begriffen der Rassenkunde und der Eugenik.


Entstehung

Lanz war kurz zuvor aus dem Zisterzienser-Orden ausgetreten und knüpfte bei der Namensgebung seines eigenen Ordens an den mittelalterlichen Templerorden an. Sein Interesse an den Templern wurde durch das zeitgenössisch populäre Motiv der Gralsritter in der neuromantischen Musik und Literatur von Richard Wagner, Erwin Guido Kolbenheyer und Friedrich Lienhard geweckt. Zudem waren die Templer eng mit den Zisterziensern verbunden; Bernhard von Clairvaux, der Begründer des Zisterzienserordens, hatte auch die Ordensregeln der Templer verfasst und lobte diese später für ihren Einsatz bei den Kreuzzügen.

Um die Zeit seiner Ordensgründung herum entwickelte sich Lanz zu einem entschiedenen Rassisten, der in der „arischen“ Rasse die höchststehende Rasse sah, die sich seit Urzeiten in einem Abwehrkampf gegen niedere Rassen befinde. Auf diesem Hintergrund entwarf er die Vorstellung, dass die Templer das Ziel gehabt hätten, im gesamten Mittelmeerraum ein arisches Großreich zu errichten. ie brutale Verfolgung der Templer durch die römisch-katholische Kirche ab 1312 interpretierte er als einen Triumph rassisch Minderwertiger, deren Ziel es sei, die Herrschaft und Reinerhaltung der arischen Rasse zu untergraben. Zudem war er davon überzeugt, dass die Kirche seit dieser Zeit die wahre christliche Lehre, als deren Kern er eben seine Vorstellungen eines Rassenkampfes betrachtete, unterdrückte. Seinen eigenen Orden sah er daher als einen Neubeginn des über die Jahrhunderte hin unterbrochenen Kreuzzugs gegen niedere Rassen.

1907 erwarb Lanz die kleine Burgruine Werfenstein bei Grein in Oberösterreich als Priorat des Ordens. Im selben Jahr publizierte er ein Programm des Ordens, in welchem er ihn als Vereinigung von Ariern beschrieb, deren Ziele darin bestünden, das Rassenbewusstsein durch genealogische und heraldische Forschung, durch Schönheitswettbewerbe und durch die Gründung rassisch vorbildlicher Staaten in unterentwickelten Regionen der Welt zu fördern. Für den Orden entwickelte er eine eigene Liturgie und Zeremonien.

In den Ordensregeln wurde festgelegt, dass nur blonde und blauäugige Männer beitreten durften, die zudem weiteren Kriterien des Ariertums genügen mussten, welche Lanz in seiner Schriftenreihe Ostara dargelegt hatte. Innerhalb des Ordens wurde eine Hierarchie eingerichtet, die sich nach der (vermeintlichen) rassischen Reinheit richtete. Am Weihnachtstag 1907 hisste Lanz auf dem Turm seiner Ordensburg zwei Flaggen: eine mit dem Wappen derer von Liebenfels, einem vermutlich um 1790 ausgestorbenen Adelsgeschlecht, als dessen Nachkomme er sich ausgab, und eine mit einer Swastika (Hakenkreuz), einem damals in der völkischen Bewegung beliebten Symbol.

Ab 1908 wurden auf Werfenstein öffentlichkeitswirksame Feste veranstaltet. Etliche hundert Gäste reisten auf der Donau, an der die Burg liegt, mit dem Dampfschiff an und wurden mit Kanonenschüssen empfangen, um anschließend im Burghof ausgiebig zu feiern. Dies fand große Resonanz in der nationalen Presse und förderte das Interesse an Lanz’ Publikationen.

Lanz arbeitete weiter an den Zeremonien und verfasste andächtige Gesänge und Verse. Die Burg ließ er u.a. mit weihevollen Darstellungen Hugo von Payns’, des ersten Großmeisters der Templer, und mit Darstellungen der „Äfflinge“, die in seiner Theozoologe als die Herkunft der niederen Rassen galten, dekorieren. 1915 und 1916 erschien in zwei Teilen ein Neutempler-Brevier, das Lanz mit anderen Ordensbrüdern verfasst hatte. Es enthielt Psalmen und Lobgesänge, die an die christliche Tradition anknüpften, aber Christus anflehten, die arische Rasse zu erlösen und die niederen Rassen auszulöschen.


Aufstieg

Bis 1914 beschränkten sich die Aktivitäten auf Wien und Werfenstein, und er hatte nur etwa 50 Mitglieder. Nach dem Krieg begann er jedoch zu expandieren, und es wurden etliche Stützpunkte in Deutschland und in Ungarn, wo Lanz sich seit 1918 aufhielt, eingerichtet. Der maßgebliche Organisator dieser Renaissance des Ordens war zunächst Detlef Schmude.

Er hatte schon 1914 ein zweites Priorat in Hollenberg bei Kornelimünster (heute Ortsteil von Aachen) gegründet und übernahm bald nach seiner Rückkehr von der Front de facto die Rolle des emigrierten Lanz. Sein Priorat von Hollenberg blieb allerdings ein Provisorium, für das nie ein passendes Gebäude gefunden wurde und das er 1926 auflöste. Inzwischen gab es jedoch zwei neue Priorate: eines in Wickeloh nahe dem niedersächsischen Uelzen und das Priorat Marienkamp, das Lanz selbst gegründet hatte und das ab 1926 seinen offiziellen Sitz in einer Kirchenruine aus dem 13. Jahrhundert am Nordufer des ungarischen Balaton hatte.

In finanzieller Hinsicht verdankte der Orden sein Überleben in der Nachkriegszeit dem Wiener Industriellen Johann Walthari Wölfl. Dieser war ein begeisterter Leser der Ostara und bot Lanz beträchtliche Geldmittel unter der Bedingung an, dass man ihm das Priorat Werfenstein anvertrauen würde. Er erhielt dieses Amt und ermöglichte anschließend durch seine Zuwendungen ein Aufblühen der österreichischen Sektion des Ordens. Wölfl trug neben Lanz wesentlich zur weiteren Ausgestaltung der Liturgie des Ordens bei.


In den 1920er Jahren gab es eine Initiative, die von Angehörigen des Hollenberg-Priorats ausging und sich zum Ziel setzte, ein Priorat in Norddeutschland zu errichten.[9] 1926 erwarben einige Ordensbrüder alte Erdwälle in der Nähe des Ostseebades Prerow, die als Hertesburg bekannt waren. Man errichtete dort eine Holzkirche und weihte diese 1927 als Hertesburg-Presbyterium ein. Dieses fungierte als ein Zentrum der Ordensaktivitäten, bis das Gelände 1935 dem Darß-Nationalpark zugeschlagen wurde. Ebenfalls 1927 wurde die Ruine Dietfurt im Weiler Dietfurt, nahe dem hohenzollernschen Sigmaringen, als Priorat eingeweiht.

1932 gründete Wölfl in Wien den Lumenklub, der personell eng mit dem ONT verflochten war und dessen Ideologie einer breiteren Öffentlichkeit nahebringen sollte. Der Klub diente auch als Zentrum zur Anwerbung von Mitgliedern für die ab 1933 in Österreich verbotene NSDAP. Im Zusammenhang mit dem Lumenklub stand auch die Ostara-Rundschau, die Wölfl ab 1931 herausgab und die der internationalen Kooperation radikal-rechter Gruppen dienen sollte.

Seinen Höhepunkt erreichte der Orden um 1930 mit etwa 300 bis 400 Mitgliedern. Gegen Ende der 1930er Jahre wurde er wie alle anderen religiösen „Sekten“ in der NS-Diktatur aufgelöst.


Nachwirkung

1942 gründete Lanz in dem ehemaligen Ordenspriorat Petena bei Waging am See, Oberbayern, mit seinem früheren Ordensbruder Georg Hauerstein den Vitalis-Neutemplerorden. Dieser akzeptierte auch weibliche Mitglieder und war bis 1973 aktiv. Nicholas Goodrick-Clarke sieht die Bedeutung des ONT „mehr in dem, was er ausgedrückt, als in dem, was er erreicht hat. Er kann als Symptom diffuser Unzufriedenheit genommen werden, dessen eigene Mischung typischer Sorgen, Interessen und Lebensstile in klarem Zusammenhang mit den unterschwelligen Ängsten innerhalb der österreichischen und deutschen Gesellschaft stand. Seine elitären und endzeitlichen Antworten auf diese Ängste vervollständigten den genozidischen Impuls.“


Literatur

  • Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Marixverlag, Wiesbaden 2004. (Kapitel Der Orden der Neuen Templer, S. 96–109.)
  • Walther Paape: Drum haben wir ein Tempelhaus gegründet. Der Neutemplerorden (Ordo Novi Templi, ONT) des Lanz von Liebenfels und sein Erzpriorat Staufen in Dietfurt bei Sigmaringen. Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2007. ISBN 3-89977-205-9.
  • Walther Paape: Im Wahn des Auserwähltseins. Die Rassereligion des Lanz von Liebenfels, der Neutemplerorden und das Erzpriorat Staufen in Dietfurt – Eine österreichisch-deutsche Geschichte. Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2015. ISBN 978-3-8392-1720-7.

Siehe auch