Protestantismus
Protestantismus
Quelle: Lennhoff, Posner, Binder von 1932
Trotzdem zwischen Freimaurerei und Protestantismus mancherlei Zusammenhänge bestehen, bringen protestantische Theologie und Kirchen der Königlichen Kunst teilweise kein sonderliches Interesse entgegen. In einer ganzen Reihe von Fällen hat sich sogar die protestantische Orthodoxie der katholischen Kirche im Kampfe gegen das Freimaurertum zugesellt. In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts waren es in Deutschland Professor Hengstenberg, der Gründer der "Evangelischen Kirchen-Zeitung", und der Magdeburger Generalsuperintendant Dr. Johann Friedrich Möller, die die Freimaurerei aufs heftigste befehdeten, und gewisse preußische konservative Blätter führten auch später stets einen mehr oder weniger lauten Kampf.
Nach dem Weltkrieg schlugen zahlreiche den völkischen Gruppen nahestehende deutsche Geistliche in die gleiche Kerbe. Diese Erscheinung ist, genau betrachtet, um so merkwürdiger, als das "Allgemeine Handbuch der Freimaurerei" (Leipzig 1900) im Recht ist, wenn es behauptet, "die nie endenden Angriffe der ultramontanen Partei der katholischen Kirche gegen die Freimaurerei richten sich im Grunde genommen nur gegen den Protestantismus, als dessen Frucht, namentlich der Reformation, man den Freimaurerbund ansieht. Diesen schlägt man und den Protestantismus meint man." Diesen Zusammenhang weist allerdings auch die Geschichte der Freimaurerei nach. In einem protestantischen Lande wurde sie geboren, und die meisten Logen finden sich in protestantischen Ländern. Protestantischer Geist zeigt sich in der Freimaurerei nicht nur bei protestantischen, sondern auch bei anderen Völkern. Er durchdringt das Kulturleben aller Staaten. Die Bibel ist die einzige Erkenntnisquelle der Protestanten in religiösen Dingen, sie liegt auch auf den freimaurerischen Tempeln.
Neuerdings [1932] hat sich der deutsche Pfarrer Dr. Gotthilf Schenkel der Aufgabe unterzogen ("Die Freimaurerei im Lichte der Religions- und Kirchengeschichte" Gotha 1926), "die wesenhafte und schicksalshafte Verbundenheit von Freimaurerei und Protestantismus" aufzuzeigen. Beide entspringen im letzten Grunde der gleichen geistigen Quelle, "nämlich dem freien Gewissen und der frommen Innerlichkeit, der selbständigen Persönlichkeit, beiden gemeinsam ist die Tendenz der Ethisierung und der Säkularisation weiter Lebensgebiete, und beide sind in jenem höchsten Sinn liberal, daß sie der Gewissensentscheidung, in welcher sich der Gehorsam gegen die unmittelbar erlebte höchste Wirklichkeit kundgibt, Lebensrecht einräumen". Schenkel weist auch darauf hin, daß z. B. in Deutschland gerade die Männer, die für das Bewußtsein der Gebildeten in der evangelischen Welt die klassische deutsche Entwicklungslinie auf staatlichem und kulturellem Gebiet darstellen, fast durchwegs Freimaurer waren.
Auf katholischer Seite erklärt der Jesuit Dr. jur. Heinz Brauweiler: "Man kann sagen, daß die Freimaurerei, wie sie auf protestantischem Boden entstanden ist, in der Gestaltung, die sie in Deutschland gefunden hat, ganz von protestantischem Geist beeinflußt ist"... "Der Protestantismus fordert keine unbedingte Glaubensbindung, er gesteht seinen Bekennern das Recht zu, den Glauben zu einer rein persönlichen Angelegenheit zu machen — eben das Recht, das die Freimaurerei ihren Anhängern zur Pflicht macht" ("Deutsche und romanische Freimaurerei", Köln 1916). Pater Hermann Gruber S. J. sieht in der Freimaurerei die "esoterische Form" der im übrigen exoterischen, allgemeinen, liberalen, modern-protestantischen Bewegung.