Rezension: Franjo Terhart: Freimaurer

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Franjo Terhart: Freimaurer

Rezension: Roland Müller


Franjo Terhart: Freimaurer (2004)

Franjo Terhart: Freimaurer. Kreuzlingen, München: Hugendubel Verlag. Reihe Diederichs Kompakt 2004, 96 Seiten.


Es ist beschämend, dass im Verlag Diederichs, der von einem Freimaurer gegründet wurde, eine derart untaugliche Schrift über die Freimaurerei erschienen ist. Der Autor (Jahrgang 1954), war zuerst als Latein- und Philosophielehrer tätig, nun ist er seit 1985 Schriftsteller und Journalist. Er hat bereits mehrer Bücher publiziert, beispielsweise über Irland, Einweihungslehren, weise Frauen und Tempelritter.

Terhart hat weder von der Geschichte noch vom Inhalt der Freimaurerei etwas begriffen. Er stellt einzelne Textfragmente ohne Logik zusammen und ohne Zusammenhänge herzustellen. Manchmal reichert er sie mit überflüssigen Spekulationen und Behauptungen an.

Von den Mysterien zur Aufklärung

Terhart behauptet, wer die Freimaurerei verstehen möchte, müsse sich zunächst mit den antiken Mysterienkulten auseinandersetzen. Fast alle grossen Geister des alten Athen hätten sich in die Eleusinischen Mysterien einweihen lassen. Was passierte dabei? „Der Mensch durchlebte das schmerzvolle Schicksal seines Gottes oder seiner Göttin in einer Grenzsituation. Dies ermöglichte es ihm, eine Erfahrung zu machen, die sein eigenes, kleines Erdenleben in einen übergeordneten Zusammenhag von Himmel und Erde stellte“ (11). Auf Verrat der Mysterien sei die Todesstrafe gestanden, meint Terhart weiter. Daher habe niemand „das Geheimnis von Eleusis“ ausgeplaudert.

Und schon erfolgt der Sprung zum Jahr 1717, als sich in London vier Logen zur ersten Grossloge zusammenschlossen. „Schurzfell, Kelle, Winkelmass und Zirkel dienten schon der ersten Grossloge als Abzeichen“ (14). „Zu jener Zeit“ habe auch Lessing „den Geist der Aufklärung“ vertreten. Neben Goethe, Mozart und Voltaire seien auch Locke und Kant „den Freimaurern begeistert beigetreten“ (16). Später macht er auch Marie Antoinette (75) und Walter Scheel (73) zu Freimaurern. „Bei so viel Zulauf zu den Logen konnte der heftige Widerstand der Kirchen nicht lang ausbleiben.“

Von der operativen zur spekulativen Maurerei

Beim nächsten Sprung zurück, zu den mittelalterlichen Bauhütten, wird die alte Mär der „Gesellenbruderschaften“ aufgewärmt. „Im 17. Jahrhundert wurden dann auch die grossen Dombauten nach und nach eingestellt“ (19f). Viele Sätze sind nicht nur falsch, sondern auch schlechtes Deutsch: „Ein Freemason könnte … möglicherweise ein Steinmetz gewesen sein, der die Fähigkeit besass, Freestones zu bearbeiten … Da es in Schottland etwa keine Freestones gab, war dort die Bezeichnung Freemason auch nicht geläufig“ (22).
Über einen unmotivierten Umweg bis zur schottischen Loge „Mary’s Chapel“ in den Jahren 1726-1736 gelangen wir erneut zum Jahr 1717. Nun werden in aller Breite die ersten Grossmeister beschrieben. Mittendrin erfolgt die Behauptung, die Royal Society sei 1645 entstanden (28).

Der nächste Sprung erfolgt zum „Golden Dawn“ (1888) - dem „letzen bekannt gewordenen Spross der antiken Mysterienkulte“ (29) -, zu den Rosenkreuzern sowie den Geheimbünden im allgemeinen. Zur Erläuterung des „Wissens hinter den Symbolen und Ritualen“ wird eine alchemistische Erkenntnis zitiert: „Lege eine Kröte an den Busen einer Frau, damit sie sie stillt und im Feuer stirbt und die Kröte durch die Milch wächst“ (33f).

Ein Durcheinander bei den Ritualen

Wie wenig seriös sich Terhart über die Freimaurerei informiert hat, zeigt sich an dem gewaltigen Durcheinander, das er bei der Schilderung der Rituale anrichtet: Er vermischt die, wie er sie nennt, Lehrlingsloge mit der Gesellenloge. Der Meister vom Stuhl trete von Osten her an den Altar, mache zwei Gesellenschläge auf den Zirkel und nehme dann den Kandidaten als Freimaurerlehrling auf und an (45). Auch sonst berichtet Terhart viel Kurioses: „Sieben Meister und zwei Gesellen oder Lehrlinge können eine Loge gründen“ (36) und sie treffen sich „an einem bestimmten Abend im Monat in Gasthäusern“ (36). Bei der Abstimmung in der Loge werden weisse und schwarze Kugeln „geworfen“ (37).
Der Kandidat begegnet auf der „Lehrlingswanderung“ dem Wind, „der die Gefahren und Unwägbarkeiten des Lebens symbolisiert“ (38). Beim Gelöbnis hat er „den rechten Fuss dabei im Winkelmass“ (38). Offenbar hat er eine entblösst Brust (41), ja ist entkleidet, „wie er aus der Hand der Natur kommt“ (47) und stellt bei den drei freimaurerischen Schritten „die Spitze des linken Fusses gegen den Altar“ (47). Gegen Schluss erhält er seinen „Hut zurück, das Sinnbild der Freiheit und Gleichheit aller Brüder“ (49).

Das Grab im dritten Grad

Noch skurriler wird es beim dritten Grad, wo der Kandidat die Ermordung von Hiram Abif rituell durchleiden muss. Die Legende von Hiram Abiff steht angeblich „am Anfang der freimaurerischen Symbolwelt“ (51); sie ist jedoch „in dieser Form nirgendwo literarisch nachweisbar“. Der zu Initiierende muss Grausliches durchmachen: Am Boden liegend hört er, „wie die drei Mörder beschliessen, ihn bis Mitternacht unter einem Schutthaufen zu verbergen“ (51). Nachher wird er in eine Decke gewickelt und „zu dem am Abhang eines Hügels westlich des Berges Moria geschaufelten Grab gebracht“ (52).
Später zitiert Terhart Hans Biedermann (1988, 91; der seinerseits Alec Mellor, 1985, 360f, zitiert) ungenau: „Nach der rituellen Auffindung des toten Meisters, dessen Fleisch sich bereits von den Knochen gelöst hat, befiehlt der Meister vom Stuhl, eine lebende Kette durch Handreichungen zu bilden, um die höchsten Kräfte einzusetzen“ (52f).

Odd Fellows als Freimaurer?

Noch mehr Verwirrung stiftet Terhart, wenn er in einem Kapitel „Unterschiedliche freimaurerische Bünde“ unter anderem den „Rektifizierten Schottischen Ritus“, die „Knights Templar und Knights of Malta“, den Swedenborg-Ritus und die „Odd Fellows“ kurz beschreibt.
Das nächste Kapitel gilt der Hochgradfreimaurerei. Es sei nicht der Preussenkönig Friedrich II. gewesen, der den Alten und Angenommenen Schottischen Ritus auf 33 Grade erweitet habe, sondern „nach neuesten Forschungen“ wurde dieser Ritus erst „im Jahre 1801 ins Leben gerufen“ (61). Terhart beschreibt ihn nicht, dafür die „Royal Arch Maurerei“, deren Herkunft, „wie so vieles bei den Freimaurern“, im Dunkeln liegt (63).

„Gespräch an einem Logenabend“

Ein erneuter Sprung führt uns zu einem “Gespräch an einem Logenabend“. Terhart kommentiert es nicht, er zitiert aus unbekannter Quelle und behauptet, es gehe auf die „Schrödersche Lehrart“ zurück (71). Fast derselbe Wortlaut, aber andern Protagonisten in den Mund geschoben, findet sich bei Dieter A. Binder (1998, 309-313; zitiert nach Horneffers „Katechismus der Lehrlinge“). Bei Terhart fragt der Meister vom Stuhl zuerst einen “zweiten Schaffner“, hernach einen ersten Schaffner, hierauf einen zweiten und einen ersten Aufseher.

Konfuses Kurzfutter zu gesellschaftlichen Fragen

Noch nicht genug! Es folgen zwei Seiten zur „Freimaurerei in der Gesellschaft“. Hier werden die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo (72), Erich Ludendorff und die kriminellen Machenschaften der berüchtigten italienischen Loge „P2“ erwähnt. „Das Verhältnis zu Staat und Kirche“ wird auf einer knappen Seite abgehandelt, wobei behauptet wird, ein Freimaurer könne auch ein Atheist sein.

Für das Thema Frauen und Freimaurer zitiert Terhart von der Website der Hamburger Internetloge, die sich ihrerseits auf das „Internationale Freimaurer-Lexikon“ von Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 518-522) stützt. Die Sache ist nicht nur sehr kompliziert, sondern sie macht auch einen konfusen Eindruck.
Ob der „Grand Orient de France“ wirklich gemischte Logen anerkennt und versucht, seine Organisation auf andere Länder auszudehnen (80), darf bezweifelt werden. Der 1959 von zwei dissidenten Logen des (gemischten) Droit Humain in Frankfurt gegründete Universale Freimaurerorden Humanitas heisst heute offenbar „Humanitas - Freimaurergroßloge für Frauen und Männer in Deutschland“. Falsch ist die Behauptung, die Loge „Carpe Diem“ gehöre zur „Grossloge von Deutschland – Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne“.

Ein weiterer Sprung zum Schluss

Wiederum ein Sprung führt den Leser schliesslich zum Geheimnis von Rosslyn Chapel. Terhart zeichnet hiefür die Hypothesen von Christopher Knight und Robert Lomas („Unter den Tempeln Jerusalems“, 1996) nach und fragt bezüglich des Grads des Ritters Kadosch allen Ernstes, „warum die Templer ausgerechnet in der schottischen Freimaurerei einen solchen Stellenwert besitzen“ (85).

Auch die „Schlussbemerkung“ Terharts ist voller Fehler. Er behauptet, allein in den USA lebten 5 Millionen Freimaurer - gemäss den Websites von Paul Bessel und phoenixmasonry sind es noch ca. 1,5 Millionen (2005) - und ihr Wirken werde von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen (87).

Das kleine Literaturverzeichnis am Schluss dieser Broschüre enthält ganze vier Schriften zur Freimaurerei.
Das „Glossar zur Freimaurersymbolik“ ist ebenfalls ungenau und enthält unter anderem die „Arche“, den „Baumeister der Welten“, „Dunkelheit“, „Kelle“ („zeichnet den ‚behauenen Stein’ … aus“) „Pythagoras“, „Schlussstein“ und „Teppich“ („Farben sind eher verpönt“). Akazie, Schurz, Wasserwaage, Zollstab und viele andere Symbole – sogar die Bibel - fehlen.

Fazit

Fazit: Gut gemeint, schlecht gemacht!
„Das Bild der Freimaurerei ist in der Öffentlichkeit durch Unwissen, Vorurteile und Irrtümer oftmals grotesk verzerrt“ (87), meint Terhart. Schade, dass er zur Entzerrung des Bildes keinen Beitrag geleistet hat – im Gegenteil.


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