Timisoara

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Tempel der (deutschen) ‚Ignatius von Born‘ (Ignaz von Born): in einem unscheinbaren Mehrzweckgebäude in Timisoara/Temeswar in Rumänien.

Timisoara

Gedanken zur deutschsprechenden Loge in Timişoara


Richtige Schreibweise: Timişoara (Diese originäre Schreibweise entspricht leider nicht der Wiki-Syntax und Links würden nicht funktionieren. Im Text ist das Wort richtig geschrieben.)


Klaus Horneffer

Alt-Grossmeister der Vereinigten Grosslogen von Deutschland

Quelle: Masonic Forum Magazine
"Masonic Forum No. 25/26-6006 A.L."


Am 18. Mai dieses Jahres [Anm.d.Red: 2006] wurde von der Nationalen Großloge von Rumänien in Timişoara die Loge “Ignatius von Born (Timisoara)“ eingesetzt. Diese Loge wird in deutscher Sprache arbeiten, daher haben eine Reihe deutscher Brüder an der Lichteinbringung mitgewirkt.

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Deutschsprachige Logen im außereuropäischen Ausland leiden in der Regel unter der Tatsache, dass immer weniger junge Menschen die deutsche Sprache erlernen. In Osteuropa ist die Lage erfreulicherweise anders. Der frühere Stand der Verbreitung der deutschen Sprache wird hier in absehbarer Zeit nicht wieder erreicht werden können. Das ist aber auch weder nötig noch beabsichtigt. Die Gründung einer deutschsprechenden Loge enthält keinerlei imperialistische Absicht. Aber die engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit Deutschland machen die Sprache wieder interessant.

Welche Rolle spielt die Sprache bei den freimaurerischen Zeremonien? Nun, zunächst ist zu sagen, dass die Sprache den eigentlichen Handlungen untergeordnet ist. Wie bei anderen Ritualen auch, kommt es beim freimaurerischen Ritual mehr auf die Handlungen, als auf die dabei gesprochenen Worte an.

Die wesentlichen Rituale der Freimaurer enthalten immer eine Initiation, eine Weihehandlung, also die Zuführung eines Neophyten, eines Neulings. Er wird in den Bund aufgenommen oder in eine weitere Gradstufe eingeführt. Dabei muss er stets eine neue Verpflichtung eingehen. Deren Wortlaut ist natürlich nicht unwesentlich. Das Gelöbnis muss daher vom Kandidaten inhaltlich verstanden werden. Die Verpflichtung kann aber grundsätzlich in jeder Sprache geschehen, deren der Kandidat einigermaßen mächtig ist.

Während der sonstigen Ritualhandlungen, die aus Umführungen, Verbergen und Enthüllen des Augenlichtes, Vorweisen von symbolischen Geräten, Speisungen, optischen und akustischen Ereignissen wie Entzünden und Löschen von Kerzen, Musik und Gesängen und vieles andere bestehen können, bedarf es oft keiner Erläuterung, weil sie für sich sprechen und ohne weiteres verstanden werden. Die dingliche Sprache versteht der aufgeschlossene Mensch von selbst. Dies ist der Grund, warum das freimaurerische Ritual, ähnlich wie die Musik selbst, weltweit verstanden werden kann, warum ein Freimaurer grundsätzlich jeder freimaurerischen Feier in jeder Sprache folgen kann. Hier gibt es keinen wesentlichen Unterschied zu kirchlichen Feiern. Die Unterschiede zu kirchlichen Handlungen bestehen in den Einzelheiten der Handlungen und in den Bedeutungen, die den Handlungen beigemessen werden. Die Tatsache, dass die symbolischen Handlungen unabhängig von der verwendeten Sprache verstanden werden können, ist für die Freimaurerei nicht eigentümlich. Wenn man diese weitgehende Unabhängigkeit des freimaurerischen Rituals von der benutzten Sprache einmal akzeptiert hat, muss man sich fragen, warum dann überhaupt die gewählte Sprache von Bedeutung ist.


Dazu ist zweierlei zu sagen. Neben den sich selbst erklärenden rituellen Handlungen gibt es auch solche, die keineswegs aus sich selbst heraus verständlich sind, sondern die einer Erläuterung bedürfen. Ritualerklärungen müssen wie die Verpflichtungsformeln verstanden werden können. Man könnte diese zum kognitiven Teil des rituellen Geschehens zählen. Es gibt aber auch viele Ritualbestandteile, die einen appellatorischen Charakter tragen: Anweisungen, Ermahnungen und andere. Hier spielt der kognitive Anteil eine bedeutende, aber nicht die entscheidende Rolle. Wichtiger ist der affektive Anteil, also die Einwirkung auf Empfindung und Willen des Kandidaten.

Der affektive Anteil, den die Appelle tragen, die an den Neuling gerichtet werden, hängt von einem gefühlsmäßigen Verstehen der verwendeten Sprache ab. Es ist ein Unterschied, ob ich in meiner Muttersprache zu einem gewissen Handeln bewogen werden soll, oder ob dies in einer nur unzureichend verstandenen Fremdsprache erfolgt. Sicher kann eine fremde Sprache so gut beherrscht werden, dass sie der Muttersprache gleichkommt. Aber ob die fremde Sprache je die Gefühlswerte der Muttersprache erreichen kann, ist fraglich, und jedenfalls nicht die Regel.

Damit die sprachlichen Anteile des Rituals die beabsichtigte Wirkung bei den Menschen, die sie erleben, erzielen, kommt es durchaus auf Feinheiten an. So ist die Sprache des Rituals in der Regel nicht die Umgangssprache. Das Ritual spricht auf einem gehobenen Niveau, auf einer Ebene, die das Alltägliche weit hinter sich lässt. Sie ist eigentlich eine Sprache der Dichtung, der Poesie, oft von leicht altertümlichem Duktus. Alles dies zu verstehen und zu würdigen, von ihm angeregt und bewegt zu werden, bedarf es eines tiefen Begreifens, das eigentlich nur die Muttersprache vermitteln kann. Daher ist es zwar nicht unabdingbar, das freimaurerische Ritual in der Muttersprache erleben zu können, aber es ist zweifellos ein hoher Gewinn.

In den Regionen, in denen Menschen deutscher Muttersprache leben, in deutscher Sprache arbeitende Logen zu haben, ist also sehr wünschenswert. Dabei ist natürlich wichtig, dass die Mitglieder der Loge und mehr noch die ausführenden Beamten, eine gute Kenntnis der deutschen Sprache besitzen, letztere mindestens in dem Maße, in dem auch fremdsprachliche Sänger es lernen, deutsche Opern in der Originalsprache weitgehend akzentfrei zu singen und zu sprechen. Denn wenn man der sprachlichen Seite des Rituals ein solches Gewicht zuspricht, wie ich es hier getan habe, dann ist klar, dass es auf den Wortlaut ebenso sehr ankommt wie auf die professionelle rhetorische Darstellung des Textes.

Es kommt noch etwas anderes hinzu. Das ist die spezifische Ritualtradition, die sich in verschiedenen Sprachgruppen unterschiedlich entwickelt hat. Das gilt auch für den jeweiligen Text, also die Sprache. Aber mehr noch betrifft es die Dramaturgie des rituellen Geschehens.

Gewiss sind Kernbestandteile der Rituale in allen Regionen, in denen es Freimaurerei gibt, ähnlich. Das liegt eben daran, dass sie alle ein und derselben Quelle entstammen und dass hinsichtlich ihrer rituellen Überlieferung die Freimaurerei sehr konservativ ist. Es werden so gut wie keine grundsätzlich neuen Rituale geschrieben.

Wenn daher in einem fremden sprachlichen Umfeld eine beispielsweise deutschsprachige Loge geschaffen wird, so wäre die Übersetzung der vorherrschenden Rituale der jeweiligen Großloge ins Deutsche allein nicht geeignet, die Erfahrung eines deutschen freimaurerischen Rituals zu vermitteln. Das kann nur durch Übernahme, zumindest eine weitgehende Übernahme eines lebenden Rituals einer Großloge des deutschen Sprachraums geschehen.

Um nun konkret auf die Gründung der deutschen Loge in Timişoara einzugehen – wobei die folgenden Bemerkungen einen gewissen exemplarischen Charakter haben mögen – so stellt sie einen historischen Bezug her zu den Zeiten, in denen die deutsche Sprache in dieser Region eine weit höhere Bedeutung hatte als heute. Der Beitrag, den Menschen mit einem – wie man heute sagt – deutschsprachigen “Migrationshintergrund“ im Laufe der Geschichte für die Entwicklung Rumäniens geleistet haben, findet hier eine Würdigung. Unter wechselnden staatlichen Ordnungen im Banat und in Siebenbürgen haben Österreicher und Deutsche in sehr unterschiedlicher Weise zum Aufbau des Landes beigetragen. Diese Tatsache begründet die engen Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland, die auch durch die unterschiedlichen Eingliederungen in wechselnde Machtsysteme nicht dauerhaft unterbrochen werden konnten. Die Gründung deutschsprachiger Einrichtungen in diesem Raum wird die historischen Bindungen erneuern und die Zugehörigkeit Rumäniens zum zentraleuropäischen Kulturverband verdeutlichen.

Würde man dies allerdings als primäre Aufgabe der neuen Loge “Ignatius von Born“ ansehen, so wäre sie sicherlich überfordert. Ihre vordringliche Aufgabe ist dieselbe wie die aller anderen jungen Logen in allen Ländern: nämlich sich selbst zu kräftigen, eine enge Bindung ihrer Mitglieder untereinander zu schaffen und jedem der Brüder eine wahre freimaurerische Heimat zu werden. Aber die Loge “Ignatius von Born“ steht ja in einem engen Verbund mit den Nachbarlogen der Nationalen Großloge von Rumänien. Mit deren Hilfe kann es gelingen, die junge Pflanze so zu kräftigen, dass sie auch stärkere Winde aushalten kann. Wenn die Loge einen spezifischen Geist und eine eigene Tradition entwickeln kann, so wird sie auch eine über sich selbst hinausgehende Wirkung entfalten können. Dabei kann der umfangreiche Schatz freimaurerischer Literatur, der in deutscher Sprache vorliegt und deutschsprechenden Freimaurern zugänglich ist, mithelfen.


Darüber hinaus ist zu wünschen, dass die Loge durch die Pflege der deutschen Sprache leichter in der Lage ist, intensive Beziehungen zu Logen in Österreich und Deutschland zu pflegen. Die Existenz der Loge wird für deutschsprachige Freimaurer ein starker Anreiz sein, Timişoara und Transsylvanien zu besuchen.

Wenn die Freimaurerei in Rumänien, die in der jüngsten Vergangenheit solch einen bedeutenden Aufschwung erlebt hat, diese Erfolge ausbaut, so halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass es eines Tages auch in der einen oder anderen Stadt Transsylvaniens deutschsprachige Logen geben könnte. Zumindest ist es leicht denkbar, dass hin und wieder Tempelarbeiten nach einem deutschen Ritual und in deutscher Sprache abgehalten werden können. Dadurch könnte ein Beitrag zur Erweiterung des freimaurerischen Bildungsstandes junger Brüder geleistet werden.

Die Erleichterung des Zugangs zum deutschsprachigen Kulturraum durch Übung in der deutschen Sprache, die auch durch den regelmäßigen Besuch und durch Mitarbeit in der Loge “Ignatius von Born“ gefördert wird, ist sicher auch für Entwicklung der rumänischen Gesellschaft nicht unwichtig. Man wird zwar von der noch kleinen Gruppe deutschsprechender Freimaurer in dieser Region keine Wunder erwarten dürfen. Aber ein Anfang ist gemacht worden, er erfüllt uns mit Freude und gibt Hoffnung.

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