Traktat: Die (freimaurerischen) Jakobiner von Wien

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Über Mozart als Freimaurer ist viel geschrieben worden. Doch wenige nur wissen, dass etliche seiner Bundesbrüder in den Tagen der Französischen Revolution zu aktiven Demokraten wurden.

Von Helmut Reinalter


Ob Figaros Hochzeit, ob Zauberflöte - all diese wundervollen Werke der Weltmusikgeschichte sind ohne den politischen Hintergrund jener Zeit, in der sie komponiert wurden, nicht zu denken. Eine große Rolle spielt dabei die Freimaurerei.

Am 14. Dezember 1784 wurde Wolfgang Amadeus Mozart in die Wiener Loge ‚Zur Wohltätigkeit’ aufgenommen, dessen Meister vom Stuhl, Otto Freiherr von Gemmingen-Hornberg, ein Förderer der Familie Mozart war. Er selber dürfte den 28-jährigen Musiker für die Maurerei gewonnen haben. Die Loge war im Februar 1782 gegründet worden. Mozart wurde hier Geselle, wenig später Meister – wie Vater Leopold, der, wohl auf Betreiben des Sohnes, im April 1785 ebenfalls Aufnahme unter den Freimaurern fand.

Und Mozart war mit Leidenschaft bei der Sache. Die Ziele des Bundes haben ihn offensichtlich überzeugt und befeuert: Toleranz, freie Entwicklung der Persönlichkeit, Brüderlichkeit über alle Standesgrenzen hinweg, Menschenliebe und das stetige Plädoyer für eine Politik des Vertrauens, des friedlichen Ausgleichs. Es war der Glauben an eine Verbesserung des Menschengeschlechts durch die „Arbeit am rauhen Stein“.

Die Begeisterung für die Freimaurerei spiegelt sich in seinen Kompositionen für die masonischen Zeremonien wider. Bis zu seinem Tod im Dezember 1791 hat er musikalisch viel für den Bund geleistet und wurde zum Hauskomponisten seiner Loge. Auch „Die Zauberflöte“, in Mozarts letzten Lebenstagen noch uraufgeführt, ist ein ganz und gar "freimaurerisches Werk", wobei Ignaz von Born, der Meister vom Stuhl der Wiener Eliteloge ‚Zur wahren Eintracht’, möglicherweise als Vorbild für die Gestalt des Sarastro diente.

Kaiser Joseph II. misstraute den Freimaurern

Unter dem jungen Reformkaiser Joseph II., dem Sohn Maria Theresias, hatte sich die Freimaurerei in Österreich rasch verbreitet. Doch so aufgeklärt sich Joseph gab, er blieb doch absoluter Monarch, der keinen Parallelstaat im Staat duldete. 1785 erließ er ein "Freimaurerpatent", das die Gesellschaften sowohl sanktionierte als auch reglementierte und bald zu ihrem Niedergang führte, eine Entwicklung, die Mozart sehr enttäuschte. Zweifellos aber ahnte der Kaiser, dass sich aus der Freimaurerei heraus politische Opposition entwickeln könnte. Und so kam es denn auch.

Viele der nachmals so genannten Wiener Jakobiner waren aktive Freimaurer, manchem von ihnen wird Mozart begegnet sein. Mit dem Beginn der Französischen Revolution 1789, den Joseph II. gerade noch erlebte (er starb im Februar 1790), radikalisierte sich die Szene. Es war eine sehr bunte Szene. Einige dieser frühen Menschen- und Bürgerrechtler stammten direkt aus der Sphäre des Hofes, wie der Baron Andreas Riedel, der die Söhne von Josephs Bruder und Nachfolger Leopold II. erzogen hatte. 1791 entwarf dieser hoch gebildete Mann – wohl mit dem stillen Einverständnis Leopolds – einen Verfassungsentwurf, der auf die Umwandlung des Habsburgerreiches in einen modernen konstitutionellen Staat hinauslief.

Franz Hebenstreit, Aloys Blumauer und Brüder

Ein anderer wichtiger Kopf war der Militär Franz Hebenstreit von Streitenfeld aus Prag, ein eigensinniger Zeitgenosse, der sich mit urchristlichen, urkommunistischen Ideen trug. Daneben gab es noch weitere Gruppen, die des Dichters und Freimaurers Aloys Blumauer zum Beispiel oder die des Lotteriebesitzers Johann Hackel. Oder den Kreis um Gottlieb Wolstein, der viele Intellektuelle anzog wie den Dichter und Magistratsrat Martin Joseph Prandstetter, den Advokaten und ehemaligen Grazer Professor Neupauer und den aus Vorarlberg gebürtigen Advokaten Jakob Ignatz Jutz.

Die meisten Mitglieder dieser Kreise waren beamtete Staatsdiener auf verschiedenen Stufen der Hierarchie, ehemalige Anhänger der josefinischen Reformen allesamt. Daneben finden sich Ärzte, Geistliche, Handwerker und Studenten. Man stimmte darin überein, dass Reformen allein nicht mehr ausreichten, dass eine tiefgreifende Umwälzung Not täte. Treffpunkt für ihre Zusammenkünfte waren die Wohnungen Riedels, Wolsteins, Jutz’, Hackels und einige Geschäftsgewölbe in der Stadt. Hier wurden die französischen Ereignisse diskutiert und verbotene Schriften ausgetauscht.

Die Obrigkeit reagiert mit Verboten

Verboten aber war jetzt, seit dem Winter 1792/93, praktisch alles. Das Reich befand sich im Krieg mit dem revolutionären Frankreich. Zudem war im März 1792, nach nur zwei Regierungsjahren, Leopold überraschend gestorben; sein Sohn Franz folgte ihm nach, ein Mann von eher schlichtem geistigem Profil, der ein rigides Regiment zu führen versprach und gleich den Polizeiapparat verstärkte.

Blieb ihnen die Presse verwehrt, so verfassten Wiens Jakobiner nun eben handgeschriebene Lieder und Aufrufe. Fleißig kopiert, das hofften die Autoren, würden diese Schriften "zu Tausenden" ins Volk wandern und manchem "stumpfen Demokraten" die Augen öffnen. Vor allem wollte man den Aberglauben des Volkes bekämpfen und die "schreckbare Unwissenheit" der Landbevölkerung. Darüber hinaus ging es um die Forderungen der Revolution, um Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit. Und um den Frieden mit Frankreich, da der Krieg nur dem Herrscher Vorteile bringe, während das Volk durch das sinnlose Gemetzel auf den Schlachtfeldern, durch Hunger und Teuerung zu leiden hätte.

Aufrufe zum Aufstand

Theaterplakat aus dem Jahr 1979: Episches Historiendrama von Conny Hannes Meyer, Theater im Künstlerhaus in Wien
Aloys Blumauer (Kupferstich)
Franz Hebenstreit war einer der Köpfe einer Gruppe, die später als die "Wiener Jakobiner" bezeichnet wurde. Er wurde zum Tode verurteilt und 1795 vor dem Schottentor in Wien gehängt. Wie damals üblich, ließen sich das viele Wiener nicht entgehen: Zehntausende sollen es bei neun Hinrichtungen gewesen sein.
Das revolutionäre 'Eipeldauerlied', wahrscheinlich von Hebenstreit:
‚S ist ja das Volk kein Arschpapier,
Und darf auf sich wohl denken.
Wer halt nicht lernen will Manier,
Den Lümmel muss man henken.//
Schaut’s enker Kaiser Kind nur an,
Mit’n Adel tut er’s halten.
Der Ludwig hat’s halt a so tan,
Drum haben’s ihn nit g’halten.//
Was tun’s den all die Herr’n so groß,
Die Ihr so hoch hoch tut’s heben?
Da spitzen’s halt beim Weiberschoß
Und spiel’n mit enkern Leben.//
So manches gute Mutterkind
Hat elend sterben müssen,
Weil enker Franz, von Hoffart blind,
Will, daß d’Franzosen büßen.
Die 'Wiener Jakobiner' kommen in der kollektiven österreichischen Erinnerung praktisch nicht vor. Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, das zu ändern: so auch durch dieses Buch, das 2010 im 'Verlag der Provinz' erschienen ist. - Rezension siehe unten Link zur Tageszeitung DIE PRESSE

In ihrer Agitation riefen sie bald offen zur Aktion auf: Die Unterdrückung müsse, wenn notwendig, mit Gewalt abgeschüttelt werden. Franz Hebenstreit soll ein Bündnis von Studenten, Handwerksgesellen und Tagelöhnern zur Beseitigung der Privilegienordnung ins Auge gefasst haben. Der Offizier Leopold Billeck prophezeite in einem Gedicht allen gekrönten Häuptern Europas und dem Papst den Sturz durch die Jakobinerherrschaft. Und der Kanzlist Georg Ruzsitska appellierte an die Bauern, mit dem Militär zusammen gegen den Adel aufzustehen. Wie in Amerika, in Frankreich und Polen, so habe nun auch in Deutschland die Stunde der Freiheit geschlagen.

Hebenstreits in lateinischen Hexametern verfasstes Lehrgedicht Homo hominibus richtete sich indes an die Gebildeten. In ihm machte er die großen Eigentumsunterschiede für das menschliche Elend verantwortlich. Hebenstreit war ein früher Prediger der Gleichheit, überzeugt, "daß allerley Menschen auf gleicherley Art gebohren würden, gleiche Übel während ihres Lebens zu ertragen hätten und im Sterben ebenfalls wieder gleich wären".

Hellsichtig beschäftigte sich auch Riedel mit der sozialen Frage. Der Bürger, der "Mann von mittlerem Stande, der eine Revolution will, bloß um den Adel zu demüthigen, an ihm zu rauben und sich auf seinen Ruinen zu erheben", konnte sein Idealbild nicht sein. "Der Sansculotte aber, oder der Mann, der dahin zielt, der letzten Klasse Menschen, die unsere eigentlichen Wohltäter sind, in denen die Stärke der Staatsverfassung liegt, ihr Dasein erträglich oder angenehm zu machen, dieser ist mein Mann." Er rief alle Deutschen auf, sich in einem "antiaristokratischen Gleichheitsbund" zusammenzuschließen, und arbeitete bereits an Plänen für eine umfassende Bodenreform.

Revolutionäre Lieder verbreiten die Kunde

Tatsächlich kamen vor allem die Lieder der Wiener Jakobiner (meist nach bekannten Melodien) unters Volk. Das von Hebenstreit zusammen mit einem anderen Militär verfasste „Eipeldauerlied“ oder „Die Zeiten, Brüder, sind nicht mehr“ waren freche Gesänge, die bis in die Steiermark gelangten; ein anderes Beispiel ist das „Kohlbauernbubenlied“ eines revolutionären Pfarrers, das von einem ebenso gesinnten Lehrer verbreitet wurde. Und überall aus dem Reich schallten die Echos zurück, aus Böhmen und Ungarn, aus Kärnten und Tirol; auch in Klagenfurt und Innsbruck traf sich ein Jakobinerklub. Dazu gab es Pasquille, böse Verse und Schmähschriften, wie gegen Franz II. So heißt es in einem Spitzelbericht, "dass ein Pasquill zirkuliere, das eines sehr bedenklichen Inhaltes ist … (es) soll ungefähr so lauten: Franz der Zweyte ist zwar nicht der Erste, aber sicher der Letzte".

Riedel, Prandstetter und der gebürtige Salzburger Kajetan Gilowsky, ein Kenner der aufgeklärten Philosophie, übersetzten die französische Verfassung von 1791 und Zeitungsartikel, Gilowsky zudem eine Ansprache Robespierres. Beliebt waren politische Katechismen in Dialogform, wie zum Beispiel der Dialog zwischen Weichmann und Hartmann über die Guillotine in Frankreich. Wahrmund und Freimund diskutierten über Franz II., Stumpfnase und Spitznase über das immerwährende Ritter- und Edelleutemachen des Kaisers und die Bürger Wunderer und Eiferer über das Jakobiner-Bestrafen. Auch Ignaz Martinovics, der Organisator der ungarischen Jakobinerbewegung, verfasste zwei Katechismen.

Als im Sommer 1794 eine allgemeine Teuerung und Kriegsmüdigkeit einsetzte und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wuchs, begannen verschiedene Mitglieder des Kreises um Riedel zur Aktion zu drängen. Im Mai/Juni reiste Andreas Riedel aus privaten Gründen nach Stuttgart. Das nutzte er, um die Volksstimmung in Bayern und Württemberg zu erkunden; in Stuttgart schloss er, bei "schäumendem Champagner", Freundschaft mit dem Nürnberger Arzt Johann Benjamin Erhard, ebenfalls ein flammender Republikaner.

Ein Ausflug ins revolutionäre Paris

In der Zwischenzeit wollten seine Freunde bereits einen sehr konkreten Beitrag zur Revolution leisten. Platzoberleutnant Hebenstreit hatte ein neues Kriegsgerät entwickelt: eine Art von Streitwagen mit sichelförmiger Bestückung zum Einsatz gegen die Kavallerie. Das Modell dieses Wagens wurde nun, zusammen mit Hebenstreits Schrift Homo hominibus und einer revolutionären Grußadresse, von dem evangelischen Pfarrer Karl Traugott Held und dem Arzt Karl Denkmann nach Frankreich gebracht – als konkrete Waffenhilfe für den großen Verbündeten im Kampf um die Freiheit.

In Paris jedoch nahm man die geheime Wiener Delegation erst einmal unter dem Verdacht der Spionage fest. Dennoch gelang es den beiden Österreichern, die Erfindung Hebenstreits wenigstens schriftlich zu erläutern und die Skizzen an den Wohlfahrtsausschuss weiterzuleiten; Frankreichs Kriegsminister, der legendäre Lazare Carnot, ließ die beiden Männer wieder frei.

Spitzel und Denunzianten

Längst war das Unternehmen in Wien ruchbar geworden. Die Bestätigung kam für die Obrigkeit, als der Buchhändler Joseph Vinzenz Degen der Polizei die Meldung des ‚Journal de Paris’ zutrug, der Wohlfahrtsausschuss habe aus dem Ausland den Plan einer neuen Waffe erhalten. Dabei müsse es sich um Hebenstreits Gefährt handeln.

Buchhändler Degen spitzelte weiter. Er wollte die Freiheitsfreunde dazu bringen, sich fester zu organisieren, um sie dann – aller Namen habhaft – geschlossen denunzieren zu können. So traf er sich auch mit Hebenstreit. Glaubt man Degens Bericht, dann waren die Pläne des charismatischen Mannes tatsächlich schon sehr konkret und liefen auf den Sturz des Kaisers und die Einsetzung einer provisorischen Regierung hinaus. Im Übrigen zeigte sich Hebenstreit des unmittelbar bevorstehenden Ausbruchs der Revolution in Wien gewiss, denn "die Opinion seye bereits formirt, weil Jeder Handwerksgeselle und Taglöhner es bey sich fühle, daß in der ganzen Monarchie der Arbeitende nichts habe und der Nichtstuende viel".

Eitle Hoffnungen. Im Juli 1794, kurz nach Riedels Rückkehr, wurde die ganze Gruppe verhaftet. Die Anklagen lauteten auf Vorbereitung eines Aufstandes, Waffenhilfe für Frankreich, Verbreitung aufrührerischer Bücher, Flugschriften, Pasquillen und Lieder und viele andere Delikte dieser Art mehr.

Der Kaiser schlägt brutal zurück

Franz II. versuchte zunächst, die Jakobiner den ordentlichen Gerichten zu entziehen und von einem Sondergerichtshof aburteilen zu lassen. Die Juristen, unter ihnen besonders Karl Anton Freiherr von Martini, weigerten sich jedoch, diesem Verfahren zuzustimmen, wäre es doch einer Rechtsbeugung gleichgekommen. Martini betonte, dass nur begangene Taten und nicht Gesinnungen bestraft werden dürften und eine Rechtsbeugung selbst in einer Notsituation nicht zugelassen werden könne.

Der Prozess und die Untersuchungshaft dauerten bis zum Urteilsspruch im Juli 1795 insgesamt ein Jahr. Die Anklagen der Untersuchungshofkommission wurden vom Wiener Kriminalgericht aufrechterhalten, und auch das Militärgericht stimmte mit den von der Polizei erhobenen Anklagen überein, die nach der Kriminalgerichtsordnung von 1787 auf Majestätsbeleidigung und Hochverrat lauteten. Das Militärgericht verurteilte daher Hebenstreit zum Tode durch den Strang, auch Kajetan Gilowsky sollte aufgehängt werden.

Hinrichtungen in Wien und Budapest

Da Gilowsky bereits während der Voruntersuchung in seiner Zelle Selbstmord begangen hatte, wurde das Urteil an seinem Leichnam vollstreckt. Hebenstreit musste am 8. Januar 1795 den Weg zum Galgen antreten.

Neben den sieben ungarischen Jakobinern, die ebenfalls 1795 in Ofen (heute ein Teil von Budapest) ihren Kopf auf den Block legen mussten, darunter Ignaz Martinovics, wurde auch der Krainer Freiheitsmann Baron Siegfried Taufferer zum Tode verurteilt und 1796 in Wien hingerichtet. Die übrigen Jakobiner bekamen langjährige Kerkerstrafen, wurden zum Teil zunächst in die Festung Kufstein gebracht, später nach Graz auf den Schlossberg überstellt und schließlich in die ungarische Festung Munkacs. Die Haftbedingungen waren unmenschlich; Gotthardi und Prandstetter starben.

1802 wurden die Überlebenden amnestiert – mit einer Ausnahme: Andreas Riedel blieb bis 1806 im Kerker und wurde dann im Minoritenkloster von Brünn interniert. Erst 1809, nach der Besetzung der Stadt durch Napoleons Truppen und unter dem Schutz des französischen Marschalls Louis Nicolas Davout kam der ehemalige Erzieher Franz’ II. und Berater Leopolds II. frei. 1837 starb dieser außergewöhnliche Mann, 89-jährig, arm und vergessen in Paris.

Beethoven: "So lange der Oesterreicher Bier und Würstel hat, revoltirt er nicht"

Die angeklagten Männer hatten das Gerichtsverfahren als Gesinnungsprozess empfunden, wie ein Protest des böhmischen Jakobiners Heinrich Jeline zeigt: Er kenne kein Gesetz, das Menschen wegen ihrer persönlichen Auffassungen und Ideen zur Rechenschaft ziehen könne. Jutz protestierte ebenfalls in zwei Schreiben vor Gericht. Man habe ihm nach seiner Verhaftung belastendes Material in seine Wohnung gelegt; mit Nachdruck forderte er andere Untersuchungskommissäre. Die Oberste Justizstelle erklärte sich einverstanden, neue Kommissäre einzusetzen, und schloss auch das Polizeipersonal von der Untersuchung aus. Dass sich selbst Riedel über die Voreingenommenheit der Richter beklagte, die ihm jede Möglichkeit einer sinnvollen Verteidigung genommen hätten, beweist, dass das Untersuchungs- und Prozessverfahren von den Jakobinern nicht kritiklos hingenommen wurde.

Und das Volk? Weder die Bürger noch "der Pöbel" nahmen Partei für die Verurteilten. "So lange der Oesterreicher noch braun’s Bier und Würstel hat", spöttelte der Wahlwiener Ludwig van Beethoven, "revoltirt er nicht."

Dennoch wirkten die Ideen jener frühen Demokraten unterschwellig weiter bis in die Tage des Vormärz, bis weit in das kommende Jahrhundert hinein. Und bis heute hören wir aus der Musik des ‚Figaro’ oder der ‚Zauberflöte’ die Melodien und Motive heraus, nach denen auch die Wiener Jakobiner geträumt haben – von Freiheit und Toleranz, Versöhnung und sozialer Gerechtigkeit.


Dieser Artikel von Helmut Reinalter wurde zum ersten Mal am 8. Dezember 2005 in der Wochenzeitung ‚DIE ZEIT’ gedruckt. Der Österreicher Helmut Reinalter ist Historiker mit Schwerpunkt 18. Jahrhundert und einer der renommiertesten Freimaurerforscher im deutschen Sprachraum. Wir danken ihm für die Erlaubnis, den Text im Wiki zu publizieren.

Siehe auch


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