Rezension: Alfred Messerli – Der Stempel des Geheimnisvollen: Unterschied zwischen den Versionen

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===Schweizerische Kontinuität===
 
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Als Österreicher und wohl auch als Deutscher kann man die Schweizer Logen nur um die Bruchlosigkeit ihrer jüngeren Geschichte beneiden: Keine Nazis, welche ihnen die Archive ausräumten und unwiederbringlich zerstörten.
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Als Österreicher und wohl auch als Deutscher kann man die Schweizer Logen nur um die Bruchlosigkeit ihrer jüngeren Geschichte beneiden: Keine Verbote, kein Terror, keine Nazis, welche ihnen die Archive ausräumten und unwiederbringlich zerstörten.
  
 
Und so befinden sich im Archiv der Züricher Loge ‚Modestia cum Libertate’ alte Bestände wie die Daguerreotypie rechts. Und so ist es auch möglich, dass Alfred Messerli in seinem Buch Originalskizzen des Architekten zeigt. Oder aus der Rede Wegmanns zitieren konnte.
 
Und so befinden sich im Archiv der Züricher Loge ‚Modestia cum Libertate’ alte Bestände wie die Daguerreotypie rechts. Und so ist es auch möglich, dass Alfred Messerli in seinem Buch Originalskizzen des Architekten zeigt. Oder aus der Rede Wegmanns zitieren konnte.

Version vom 14. Juli 2014, 08:09 Uhr

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Das Gesamtkunstwerk ‚Logenhaus Lindenhof’ in Zürich

Zurück aus Zürich vom Fest ‚50 Jahre Catena Humanitas’ nehme ich das Buch zur Hand. Mit einem zarten Zweifel: Das Buch ist schön, ja! Aber will ich das als Nichtschweizer alles so genau wissen? Und dann auch noch aus einem Buch, das doch ziemlich schwer in der Hand liegt? Doch je mehr ich hinein blättere, desto mehr schwinden die Zweifel. Bis die Erkenntnis sich Stufe um Stufe durchsetzt: Das ist ein wunderbares Buch.
Von Rudi Rabe aus Wien.


Meine erste Erkenntnisstufe (Lehrling): Nicht nur der Lindenhof, auch das Buch ist ein kleines Gesamtkunstwerk durch Aufbau, Text, Fotos, Gestaltung, Ausstattung ... nun gut, schweres Papier und Querformat, aber das braucht es, damit die Fotos wirken können. Schönes ist halt oft ein wenig unpraktisch.

Meine zweite Erkenntnisstufe (Geselle): Das Buch erzählt nicht nur vom Lindenhof sondern von der Freimaurerei schlechthin; von der Freimaurerei in Zürich, in der Schweiz und überall auf der Welt. Ich habe einiges mir Unbekanntes erfahren.

Meine dritte Erkenntnisstufe (Meister): Sogar die Details im Logenhaus mit den wunderbaren Fotos kommen nicht kunstgeschichtlich steril daher, nein, gemeinsam mit dem Text versinnlichen sie die Freimaurerei in ungeahnter Weise. Beispiele gefällig: Wie ist das mit Johannes dem Täufer in der Freimaurerei? Oder mit der Akazie? Warum brauchen die Freimaurer einen Tempel? Weshalb nennen sie die Kleinen Lichter klein obwohl sie doch größer aussehen als die Großen Lichter? Und so fort. Und alles kongenial begleitet von wunderschönen großformatigen Fotos.

Fazit: Ein Buch nicht nur zum Lesen sondern auch zum Blättern und natürlich zum Haben.


Das Logenhaus ‚Lindenhof’ in Zürich: rechts ein Teil des alten Gebäudes und links der ab 1852 völlig neu errichtete neugotische Trakt von Architekt Gustav Albert Wegmann mit dem Festsaal und dem Tempel.
Wenn man vor dem Haus steht: Die einzigen masonischen Symbole sind ganz oben die Wetterfahne aus Kupfer mit eingestanztem Winkelmaß und fünfzackigem Stern; und darunter ein Rundfenster mit dem Pentagramm (siehe auch erstes Bild).
’Lindenhof’ heißt nicht nur das Logengebäude sondern auch der Platz, auf dem es steht: ein Hügel 25 Meter über der Züricher Altstadt mit einem prächtigen Blick auf diese. Wenn man aus dem Logenhaus tritt, steht man zuerst vor diesem Brunnen mit einer Säule: darauf die ‚tapfere Zürcherin’, eine mit einer Rüstung bewaffnete Jungfrau, die zum Legendenschatz der Stadt gehört (siehe auch erstes Bild). Sie erinnert daran, dass die Zürcher Frauen sich 1292 bewaffneten, auf den Lindenhofhügel marschierten, und so dem Belagerer Herzog Albrecht von Österreich, der auf einem Hügel gegenüber lagerte, ein gefährlich großes Heer vortäuschten. Albrecht zog den Schwanz ein und ab.
Daguerrotypie: Das erste Direktorium des Schweizerischen Logenvereins, der 1844 gegründet und dann ‚Großloge Alpina’ genannt wurde.

Geschichte und Geschichten

Das erste Drittel des 120-Seiten-Buches betrifft gar nicht das Logengebäude sondern den Lindenhof als historischen Platz für Politik und Kultur: Römer, Alemannen, Schweizer ... einen geschichtsträchtigeren Platz gibt es in Zürich nicht. Und dann die Entwicklung der Freimaurerei in Europa, in der Schweiz und schließlich in Zürich.

Beispiel Geschichte: Deutsche und noch mehr Österreicher wissen von der Unterdrückung der Freimaurerei in ihren Ländern in verschiedenen Epochen. Aber auch die freien Schweizer hatten damit zu kämpfen: Schon die ersten masonischen Regungen in der frankophonen Westschweiz in den 1730igern wurden sofort untersagt. Während der französischen Revolution und danach folgten weitere Verbote. Letztlich alles ohne Wirkung. Auch die gefährlichste Attacke konnten die Schweizer Freimaurer im 20. Jahrhundert abwehren: Ihre nationalkonservativen und nazistischen Feinde verloren 1937 eine Volksabstimmung, mit der sie die Logen verbieten wollten. Somit sind die Schweizer Freimaurer die einzigen, die vom Volk approbiert wurden: mit mehr als zwei Drittel der Stimmen.

Beispiel Geschichten: Wie kam die ‚Großloge Alpina’ zu ihrem ungewöhnlichen Namen? 1842 hatten mehrere Brüder der Züricher Traditionsloge ‚Modestia cum Libertate’ im Auftrag zehn anderer Schweizer Logen einen Verfassungsentwurf für die zu gründende Großloge ausgearbeitet. Aber ein Name fehlte noch: „An einem heissen Tag spazierten die Brüder ‚hemdsärmelig’ durch die Alleen des Schulthess-Gutes in Erlenbach. Plötzlich blieb Baiter, überwältigt von der Pracht der Landschaft stehen, hob seine Arme zum Himmel und rief: ‚Alpina!’ Begeistert wiederholten die anderen: ‚Alpina’ – und der Name der Alpina war geboren.“

1852 bis 1854: Bau des Logenhauses

Bauherr: Die ‚Modestia cum Libertate’, erstmalig gegründet 1771, bald wieder entschlafen; Fortsetzung Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie war bis um 1900 die einzige Loge in Zürich; heute gibt es acht Züricher Logen, die Mitglieder der ‚Großloge Alpina’ sind.

Architekt: Gustav Albert Wegmann. Sein Credo: „Ein Logengebäude soll sowohl im Äußeren als auch im Inneren architektonisch richtig charakterisiert sein. Es ist ein halb kirchliches, halb weltliches Gebäude, dabei muss der Stempel des Geheimnisvollen ihm aufgedrückt werden.“ Diesen Satz hat Alfred Messerli zum Buchtitel gemacht. Wegmann dann weiter: Ein Logenhaus „darf nicht aussehen wie ein Casino, auch nicht wie eine Kirche. Das Geheimnisvolle wird wohl dadurch erreicht, wenn wenige Öffnungen, Fenster und Türen im Äußeren sichtbar sind.“ (Originalzitate aus einer Rede Wegmanns).

Obwohl Wegmann normalerweise nicht so baute, wählte er für den Lindenhof den neugotischen Stil, weil dieser auf die Zeiten hinweist, als die Bauhütten noch operativ waren, also Kirchen bauten. Dies „steht eine Loge in Zürich besonders an, weil Zürich eine der vier Haupthütten war, neben Straßburg, Wien und Köln.“

Der Bau dauerte zwei Jahre; ein Umbau Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts vierzehn Jahre.

Messerli: „Von Freimaurern aus der ganzen Welt, welche die Loge in Zürich besuchen, wird der Bau auch heute noch als einer der schönsten Europas gepriesen.“

Ein spezielles Einweihungsritual

Am 29. April 1854 wurde das renovierte und vergrößerte Haus eingeweiht. Dafür war ein spezielles Ritual entwickelt worden, das von Alfred Messerli in einem eigenen Kapitel beschrieben und zum Teil zitiert wird: „Wenn denn so der neue Logenraum in den Verhältnissen dieses unermesslichen Kubus steht, in dem sich Geist und Materie gleichmäßig durchdringen und individualisieren, so lasset uns dort die Werkstätte der Freimaurer aufschlagen. Sehr Ehrwürdiger Bruder Logenverwalter: Ich übergebe Ihnen hiermit die Schlüssel der neuen Halle!“

Ein Teil dieser Zeremonie „ist für heutige Freimaurer schwer nachvollziehbar“: Es wird gebetet und geräuchert, es werden Korn, Wein und Öl ausgesprengt. Irgendwie kirchlicher als man das heute tun würde.

Schweizerische Kontinuität

Als Österreicher und wohl auch als Deutscher kann man die Schweizer Logen nur um die Bruchlosigkeit ihrer jüngeren Geschichte beneiden: Keine Verbote, kein Terror, keine Nazis, welche ihnen die Archive ausräumten und unwiederbringlich zerstörten.

Und so befinden sich im Archiv der Züricher Loge ‚Modestia cum Libertate’ alte Bestände wie die Daguerreotypie rechts. Und so ist es auch möglich, dass Alfred Messerli in seinem Buch Originalskizzen des Architekten zeigt. Oder aus der Rede Wegmanns zitieren konnte.

Führung durch den Lindenhof

Ab der Hälfte des Buches führt uns Alfred Messerli durchs Haus. Wie im ganzen Buch auch hier viele Bilder.
Folgen wir ihm über einige Stationen.


Der Tempel: heute einer von zweien. Dies ist der ab 1852 von Architekt Gustav Albert Wegmann geplante und gebaute Tempel. Oben zwei runde Glasscheiben des Künstlers Platon Papadopulos: die einzigen Öffnungen ins Freie (Wegmann: wenige Öffnungen machen geheimnisvoll). Sie zeigen links den Mond und rechts die Sonne.


Im letzten Kapitel des Buches wird die Geschichte aller acht Züricher Alpina-Logen ausführlich dargestellt. Dabei fällt auf: So ziemlich alle sieben Neugründungen nach 1900 entstammen mehr oder weniger ‚irregulären’ Verhältnissen.


Alfred Messerli, der Autor: geboren 1930, Journalist und Kommunalpolitiker in Zürich, schweizerisch-masonisches Urgestein (‚Catena Humanitatis’).
Juraj Lipscher, der Fotograf: geboren 1948 in Prag und 1968 in die Schweiz emigriert, Fotoprofi und Fotokünstler.
Salier-Verlag, Leipzig: auch andere Freimaurer-Bücher.


Pressespiegel NZZ

„Blick in eine verborgene Welt“ titelt die altehrwürdige ‚Neue Zürcher Zeitung’ am 22. Mai 2014 ihre Rezension, in der auf den Lindenhof eingegangen wird, ebenso auf die Freimaurerei ganz allgemein, aber auch darauf, dass die Finanzkrise (2007 und folgende) den Züricher Freimaurern Zulauf beschert habe „von Managern, die sich auf eine Sinnsuche begeben wollten“ (Zitat Messerli).

Im Buch selbst erfährt man auch, dass die ‚NZZ’ 1821 von einem Freimaurer gegründet und sehr schnell ein wichtiges und international angesehenes Blatt wurde: anders als die Vorgängerin ‚Zürcher Zeitung’, die unter dem Krepierhalfter der Zensur mehrere Jahrzehnte dahinvegetierte. Sie konnte zum Beispiel 1898 „während des ganzen Jahres nicht mehr als fünf schweizerische Mitteilungen“ bringen.

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Siehe auch

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