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Eine der sonderbarsten Erscheinungen der Freimaurergeschichte ist die magische Richtung gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Schon bei Untersuchung der Quellen, aus denen sich die spekulative Maurerei entwickelt hat, stoßen wir auf Gedankengänge, die eine gewisse Verwandtschaft mit alten [[Rosenkreuzer]]n aufweisen. Im Wesentlichen schlägt aber dieses mystische Bedürfnis im Sinne einer besonderen Esoterik hier auf das Individuum zurück. Ganz anders gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die Gold- und Rosenkreuzer neuer Faktur nahmen interessanterweise die äußere Form der Freimaurerei für ihr Brauchtum an. Und damit war eine Verknüpfung mit der Freimaurerei gegeben, die wohl nicht von ihr ausging, aber sie rückläufig beeinflußte. | Eine der sonderbarsten Erscheinungen der Freimaurergeschichte ist die magische Richtung gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Schon bei Untersuchung der Quellen, aus denen sich die spekulative Maurerei entwickelt hat, stoßen wir auf Gedankengänge, die eine gewisse Verwandtschaft mit alten [[Rosenkreuzer]]n aufweisen. Im Wesentlichen schlägt aber dieses mystische Bedürfnis im Sinne einer besonderen Esoterik hier auf das Individuum zurück. Ganz anders gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die Gold- und Rosenkreuzer neuer Faktur nahmen interessanterweise die äußere Form der Freimaurerei für ihr Brauchtum an. Und damit war eine Verknüpfung mit der Freimaurerei gegeben, die wohl nicht von ihr ausging, aber sie rückläufig beeinflußte. | ||
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Version vom 16. Mai 2017, 10:25 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Magische Maurerei
Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)
Eine der sonderbarsten Erscheinungen der Freimaurergeschichte ist die magische Richtung gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Schon bei Untersuchung der Quellen, aus denen sich die spekulative Maurerei entwickelt hat, stoßen wir auf Gedankengänge, die eine gewisse Verwandtschaft mit alten Rosenkreuzern aufweisen. Im Wesentlichen schlägt aber dieses mystische Bedürfnis im Sinne einer besonderen Esoterik hier auf das Individuum zurück. Ganz anders gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die Gold- und Rosenkreuzer neuer Faktur nahmen interessanterweise die äußere Form der Freimaurerei für ihr Brauchtum an. Und damit war eine Verknüpfung mit der Freimaurerei gegeben, die wohl nicht von ihr ausging, aber sie rückläufig beeinflußte.
Rosenkreuzer
Die Rosenkreuzer gaben sich als Freimaurer, und die Freimaurer glaubten Rosenkreuzer sein zu müssen. Dazu kommt aber noch ein bisher wenig beachtetes Motiv sehr materieller Natur. Die ganze Rosenkreuzerei und von ihr ausgehende freimaurische Magie hat nämlich sehr wenig mit geistigen, esoterischem, seelischem Bedarf zu tun. Die meisten interessierten Personen sind regierende Herren, Adelige u. a. m. Der Geldbedarf ist in einer Zeit, da die französischen Hofsitten auf Deutschland abfärben, ein ganz besonders Großer. Alle diese Landesväter, deren manche ja sogar nicht davor zurückscheuen, ihre Landeskinder ans Ausland zu verkaufen, brauchen unendlich viel Geld. Und daher sind sie für Alchimie, Magie, Schatzgräbereien usw. sehr eingenommen.
Irdische Interessen
Der Wunschtraum der Magier dieses Jahrhunderts geht nicht auf neue Erkenntnisse, es ist nicht Goethes Faust, der in seiner Studierstube den Erdgeist zwingen will. Es sind sehr irdische Interessen, die diesen Magiern den Höllenzwang und das Heptameron in die Hand drücken. Von dieser materialistischen Seite ist diese Frage noch nicht entsprechend beleuchtet worden. Daher sind diese geldgierigen Höfe und Adelsschlösser auch der Tummelplatz der Großen Betrüger des 18. Jahrhunderts. Wunschtraum und Leichtgläubigkeit sind Nachbarn. Daher die Großen Erfolge eines Grafen von St. Germain, eines Cagliostro u. v. a Erfolge, die sogar den harmlosesten dieser Industrieritter, den Venetianer Casanova, nicht ruhen lassen und zur allerdings blassen Kopie seiner Großen Vorbilder machen. Ein besonders sprechendes Beispiel für diese egozentrische Magie ist Prinz Ludwig von Hessen (s. d.).
Freimaurerische Magie
Diese Art freimaurerischer Magie geht somit von den verworrenen Gedankengängen der Gold-und Rosenkreuzer aus und findet in dem Leipziger Magier Johann Georg Schrepfer ihren Apostel. Schrepfer (s. d.) hat alte Zauberbücher, an denen zu seiner Zeit kein Mangel war, eifrigst studiert. Scheible (zitiert in ,,Freimaurermuseum, Bd. 3, S. 92) hat das Exemplar des ,,Dr. Johann Faustens Miracul, Kunst- und Wunderbuch" bearbeitet, in das Schrepfer zahlreiche Notizen eingetragen hat.
Eine der altesten Schriften dieser Art ist der im Jahre 1469 in Lyon erschienene "Höllenzwang des Dr. Faust oder der Schwarze Rabe". Goethe gab im Jahre 1829 den Inhalt von sechzehn verschiedenen Faust-Büchern bekannt. Die Großen Magier sind der Dr. von Cyprianus und der schwarze Rabe und Dr. Johannes Faust mit der weißen Schlange. Im Bayreuther Großlogenmuseum findet sich ein Manuskript freimaurerischer Magie, das nach solchen alten Vorbildern geschaffen wurde. Ein sehr weitläufiger Katechismus zeigt deutliche Spuren der Anlehnung an eines der im 18. Jahrhundert entstandenen Freimaurerfragebücher. Darüber gelagert wird der magische Teil. Der magische Katechismus beginnt mit der Frage: "Sind Sie ein Frey Maurer?" Aber im weiteren Verlaufe werden Anweisungen für die Totenbeschwörung gegeben.
Bayreuther Manuskript
Konnte man dieses Bayreuther Manuskript immerhin noch für einen Versuch halten, mit dem die Freimaurermagier auf leichtgläubige Logenbrüder Einfluß zu gewinnen trachteten, so hat der Fund eines vollständigen Archives in Brünn (Mähren) den Beweis erbracht, daß man sich auch in Logen, die ziemlich seitab von der Großen Heerstraße des magischen Schwindels lagen, ernsthaft mit Magie beschäftigte. Die dort aufgefundenen Tafeln (ihre Erklärung in "Drei Ringe", 1931, Mainummer) lassen keinen Zweifel darüber bestehen daß man in einem Kreise von Hochadeligen, Vertretern des gebildeten Bürgertums des 18. Jahrhunderts zur Zeit, da die Aufklärungsperiode Josephs II. ihre höchste Blüte erreicht hatte, also im Zeitalter Friedrich dem Großen und zu Lebzeiten Goethes ernsthaft daran dachte, mit Hilfe genauer Stern- und Planetenkreise, mit Heptameron und Tetragrammaton Geister zu beschwören, Schätze zu heben und dem Weltgeschehen seinen magischen Willen aufzuzwingen.
Vom rechten Weg abgeirrte Freimaurer jener Tage haben nachzuholen versucht, was ihnen der Volksglaube schon lange zuschrieb. Noch heutigentags läßt ja der Aberglaube die Freimaurer einen Teufelspakt unterzeichnen, schreibt ihm außergewöhnliche Fähigkeiten, wie die der Verwandlungsfähigkeit, unermeßlicher Reichtümer, die Fähigkeiten des Ferntötens u. a. zu. Man kann dieser merkwürdigen geistigen Verirrung, die der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts viel Schaden zugefügt hat, allerdings auch eine tiefe psychologische Wurzel zuschreiben.
Unser Jahrhundert hat es erlebt, daß nach einer Zeit, die ohne jede Hemmung das Individuum dem nacktesten Realismus und Rationalismus zuführte, Gegenströmungen an die Oberfläche kamen, die, auf Wunscherfüllungsträumen fußend, in das polare Gegenteil führten. Nur so ist in den erregten Nachkriegszeiten die ungeheure spiritistische Welle, die Neigung zu okkulten Pseudowissenschaften u. a zu erklären. Auch an Goldmachern und Leichtgläubigen hat es nicht gefehlt. Man geht nicht fehl, wenn man diese merkwürdigen freimaurerischen Magierbande des 18. Jahrhunderts als Reaktion auf das Aufklärungszeitalter auffaßt. Es ist jedenfalls eine eigenartige Erscheinung, daß, während in Frankreich die Menschenrechte proklamiert wurden, Menschen der gleichen Bildungs- und Gesellschaftsschicht zu Magie und Höllenzwang ihre Zuflucht nahmen.