Rezension: Burkhardt Gorissen: Ich war Freimaurer: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 12. Dezember 2013, 14:30 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Ich war Freimaurer
Buch von Burkhardt Gorissen, Sankt Ulrich Verlag, Augsburg, 2009
Rezension von Joachim Woerner
Wenn sich ein dem Vatikan sehr nahe stehender Verlag mit Enthüllungsliteratur und "Entlarvungen" befaßt, und dies monatelang vorher entsprechend ankündigt, läßt das aufhorchen. Der Verfasser, Kind aus katholischer Familie, erzählt gefühlsbetont von sich selbst, von seiner Bekehrung durch 11 Jahre deutscher Freimaurerei.
Dabei paßt jede Episode, jedes Detail so aufschlußreich in die literarischen Interessen der Herausgeber, daß man es für ein lange geplantes Konstrukt halten könnte, wären es keine auto-biographischen Fakten.
Eigentlich müßte der Erzähler dankbar sein, daß die Freimaurerei so miserabel ist und ihn dadurch festen Glaubens in die Arme der katholischen Kirche zurückholte. Und die Freimaurer könnten zu Recht demonstrieren, wie jeder in ihren Reihen nach seiner Fasson sich entwickeln und nötigenfalls jederzeit auch wieder austreten kann, wenn er mit der sachlichen oder menschlichen Seite dieser Bruderschaft nicht klar kommt.
Das wäre Normalität. So können Menschen friedlich zwischen Konfessionen konvertieren oder Gemeinschaften wechseln. Aber dieses Buch geht einen anderen Weg: Es hakt nach, pauschaliert und versucht gezielt, aus kurzlebigen, individuellen Erkenntnissen, langfristigen Unfrieden zu stiften - z. B. durch die Verteufelung von Humanität.
Da lassen sich 300 Seiten auch nicht mehr durch 500 Worte rezensieren. Zumal der Verfasser so viel Relevantes "vergaß" - z. B. daß die Freimaurerei weltweit aus über 200 völlig unabhängigen Freimaurer-Großlogen (5 allein in Deutschland) mit insgesamt ca. 35.000 weitgehend selbstständigen Logen besteht. Was in der einen Loge oder Großloge temporär mal schief laufen sollte, funktioniert in anderen bis nahezu optimal!
Gibt es eine größere, soziale Gruppierung in der Welt, in der es nie menschelt - in der die von Gott nach seinem Abbild geschaffenen Menschen nicht auch mal Fehler machen?
Wie viele Menschen haben schon Veranstaltungen ähnlich einer Großlogen Hauptversammlung organisiert wie der Autor, der darüber Buchseiten füllt, als wenn es sich um etwas besonders Freimaurerisches handelt. Oder welche Absicht verfolgt die mehrseitige Schilderung seines Aufnahmerituals, zumal er selbst noch betont, daß man so was heute vielerorts nachlesen kann?
Die Zahl der teils bissigen, abfälligen oder arroganten Bemerkungen über die weltweite Freimaurerei aus der Perspektive eines lokalen Meisters vom Stuhl bzw. eines von insgesamt 8 unkoordinierten Großrednern im deutschsprachigen Raum macht dieses Buch kaum noch diskutierbar. Im Übrigen: Normalerweise braucht kein Suchender 11 Mitgliedsjahre, um heraus zu finden, daß die Freimaurerei nicht zur katholischen Trinität führt, sondern einen Gottesbegriff empfiehlt, den auch andere Religionen mit- oder ertragen können.
Rezension von Rudi Rabe: Ein Zerrspiegel
Der deutsche Autor und Journalist Burkhardt Gorissen beschreibt in diesem Buch seine ganz persönliche Freimaurerbiographie: vom Eintritt bis zum Austritt elf Jahre später. Dazwischen ist er einfaches Mitglied, mehrmals Stuhlmeister und am Ende Großredner. Schließlich geht er.
Hintergrund ist wohl eine Persönlichkeitsveränderung, die ihn immer mehr in Richtung eines verengten Katholizismus treibt, eines Katholizismus mit vorkonziliaren Zügen: vor allem was den katholischen Wahrheitsanspruch gegenüber allen anderen Religionen betrifft. Damit das auch für die Freimaurerei paßt, stilisiert er diese zu einer weiteren Weltreligion hoch, was sie weder ist noch sein will.
Darüber hinaus sieht Burkhardt Gorissen in der Freimaurerei kirchenfeindliche Strömungen am Werk, wie ich das jedenfalls in Österreich nicht erlebe. Und dass es überall menschelt, auch bei den Freimaurern, das wissen wir. Der Autor stellt das allerdings in einer Weise dar, die streckenweise karikaturenhaft, ja sogar bösartig wirkt. Und er bemerkt offenbar gar nicht, wie leicht man dasselbe Beschreibungsmuster auch auf die Katholische Kirche anwenden könnte.
Wer an Weltverschwörungsphantasien interessiert ist, der wird durch dieses Buch nicht auf seine Rechnung kommen. Ich sehe zwei andere Zielgruppen: Traditionalistische Katholiken, die ihre Vorurteile bestätigt wissen wollen, und – ja, auch das – Freimaurer, die nicht nur an Bestätigungsliteratur interessiert sind. Auch ein Zerrspiegel kann Stoff zum Nachdenken geben.
Siehe auch
- Weitere Rezensionen unter Kategorie: Rezensionen
- Fiktion
- Enttäuschte