Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe nach einem Gemälde von H. C. Kolbe

Goethe, Johann Wolfgang von

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

*28. August 1749 in Frankfurt a. M., †22. März 1832 in Weimar. Biographie möge an anderen Orten nachgesehen werden.

Goethe als Freimaurer

Im Jänner 1780 von seiner Schweizer Reise zurtückgekehrt, richtete Goethe an den damaligen Stuhlmeister der Weimarer Loge "Amalia" folgendes Schreiben:

"Euer Exzellenz nehme ich mir die Freiheit mit einer Bitte zu behelligen. Schon lange hatte ich einige Voranlassung zu wünschen, daß ich mit zur Gesellschaft der Freimaurer gehören möchte; dieses Verlangen ist auf unserer Reise viel lebhafter geworden. Es hat mir nur an diesem Titel gefehlt, um mit Personen, die ich schätzen lernte, in nähere Verbindung zu treten und dieses gesellige Gefühl ist es allein, was mich um die Aufnahme nachsuchen läßt. Wem könnte ich dieses Anliegen besser empfehlen als Ew. Exzellenz. Ich erwarte, was Sie der Sachs für eine gefällige Leitung zu geben geruhen werden, erwarte darüber gütige Winke und unterzeichne mich ehrfurchtsvoll Ew. Exzellenz gehorsamster Diener Goethe."

Der Meister vom Stuhl, Staatsminister Freiherr J. F. v. Fritsch (s. d.), stand Goethe nicht freundlich gegenüber. Er hatte sich sogar wegen dessen Ernennung zum Geheimrat mit Rücktrittsabsichten getragen. Er erledigte das Ansuchen pflichtgemäß, hatte aber den Takt, bei der am Vorabend des Johannisfestes, am 23. Juni 1780, erfolgenden Aufnahme den Hammer an Bode (s. d.) abzugeben. Nach einer Mitteilung von Pabst soll Goethe das Verbinden der Augen verweigert, jedoch das Versprechen gegeben haben, die Augen selbst geschlossen zu halten. Die Damenhandschuhe, die er nach der Aufnahme für die ,"seinem Herzen am nächsten stehende Frau" erhielt, sandte er der Frau v. Stein. Am 23. Juni 1781 wurde Goethe zum Gesellen befördert, am 2. März 1782 zum Meister erhoben. Sein Gesuch um Beförderung ist eben falls erhalten geblieben und lautet:

"Darf ich Ew. Exzellenz bei der neuen Aussicht auf die Zusammenkunft einer Loge auch meine eigenen kleinen Angelegenheiten empfehlen? So sehr ich mich allen mir unbekannten Regeln des Ordens unterwerfe, so wünsche ich doch auch, wenn es den Gesetzen nicht zuwider wäre, weitere Schritte zu tun, um mich dem Wesentlichen mehr zu nähern. Ich wünsche es so wohl um meiner selbst willen, als um der Brüder die manchmal in Verlegenheit kommen, mich als einen Fremden traktieren zu müssen. Sollte es möglich sein, mich gelegentlich bis zum Meistergrade hinauf zu führen, so wurde ich's dankbarlichst erkennen.
Die Bemühungen, die ich mir bisher in nützlichen Ordenskenntnissen gegeben habe, haben mich vielleicht nicht ganz eines solchen Grades unwürdig gelassen. Der ich jedoch alles Ew. Exzellenz gefälligst Einsicht überlasse und mich mit unwandelbarer Hochachtung unterzeichne Ew. Exzellenz ganz gehorsamster Goethe."

Wenige Wochen nach dieser Erhebung mußte die Loge "Amalia" wegen Zerwürfnissen, die in den damaligen allgemeinen Freimaurerverhältnissen ihren Grund hatten (der Streit der Systeme hatte seinen Höhepunkt erreicht), die Arbeiten einstellen. Die Freimaurerei ruhte in Sachsen-Weimar bis gegen 1807. Ein Gesuch aus Jena um obrigkeitliche Bewilligung einer Loge wurde in diesem Jahre Goethe zur Bearbeitung vorgelegt. Goethe äußerte sich in seinem Gutachten vom 31. Dezember 1807 ablehnend, wobei er die in den letzten Jahrzehnten vollkommen zerrütteten freimaurerischen Verhältnisse im Auge hatte. Auch schienen ihm die Voraussetzungen in Jena nicht genügend gesichert.

Trotz dieser ablehnenden Stellung übernahm er im Auftrage des Herzogs Karl August (s. d.) im Verein mit Bertuch (s. d.) die Vorarbeiten für eine von ihm selbst als wichtig angeschene Wiederbelebung der Loge "Amalia';. In seiner Wohnung fanden eine Reihe von Vorbesprechungen statt, wobei Goethe sich nachdrücklich dafür einsetzte, der wieder zu erweckenden Loge als Grundlage das mittlerweile von dem Hamburger Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder geschaffene System zu geben, das die Maurerei wieder auf ihre ursprüngliche reine Form zurückführte.

Goethe trug auch dazu bei, daß die am 27. Juni 1808 unter Bertuch wiedereröffnete "Amalia" einen Logenraum im Wittumspalais zugewiesen erhielt. Er konnte dann zwar den Logenarbeiten nur in den ersten Jahren nach der Wiedereröffnung regelmaßig beiwohnen, doch nahm er auch in der Folge an jedem bedeutungsvollen Ereignis, an jedem großen Fest so lebhaften Anteil, "daß die wichtigeren Reden, Gesänge und Anordnungen meist seiner vorausgehenden Prüfung und Billigung sich erfreuen durften". In einem Sehreiben vom Oktober 1812 an Bertuchs Nachfolger, den Geh. Kammerrat Ridel, bat Goethe um die Vergunst ", auf irgendeine schickliche, der maurerisen Form nicht unangemessene Weise als Abwesender betrachtet und seiner Verpflichtung gegen die Gesellschaft suspendiert" zu werden. Er begründete dies mit dem Satze: "Ungern möchte ich diese ehrenvolle und interessante Verbindung ganz aufgeben, möchte aber doch, es mir unmöglich fällt, den Logen regelmäßig beizuwohnen, nicht durch mein Ausbleiben ein böses Exempel geben." Die Beurlaubung Goethes wurde gewährt.

1809 wirkte Goethe bei den Aufnahmen des Kanzlers von Müller und einen Monat später Wielands (s. d.) mit. Lebhaft erörterte im Freundeskreis dessen erste Logenrede über Zweck und Geist der Freimaurerei. Als der Dichter des "Oberon" starb, trat Goethe an den im Tempel errichteten Katafalk, um die berühmt gewordene Gedächtnisrede "zu brüderlichem Andenken Wielands" zu halten, in der er den Satz über die Freimaurerei prägte:

"Wenn dieser altgegründete und nach manchem Zeitwechsel oft wieder hergestellte Bund eines Zeugnisses bedürfte, so würde hier das vollkommenste bereit sein, indem ein talentreicher Mann, verständig, vorsichtig, umsichtig, erfahren, wohldenkend und mäßig, bei uns seines gleichen zu finden glaubte, sich bei uns in ener Gesellschaft fühlte, die er, der besten gewohnt, als Vollendung seiner menschlichen und geselligen Wünsche so gern anerkannte."

Stärksten Eindruck machte auf Goethe die Meisterhebung des in die "Amalia" eingetretenen russischen Obersten Geismar, der Weimar vor einem französischen Überfall bewahrt hatte. Denn nach dieser Feier entstand wohl das Tiefste, was jemals in poetischer Form über Freimaurerei gesagt wurde, das "Symbolum". Jenes Gedicht, in dem Goethe das ganze Wesen der maurerischen Symbolik, das Wandern des Maurers durch die verschiedenen Grade als Abbild des höheren geistigen Menschenlebens zu ergreifendster Darstellung gebracht hat und das mit den Worten beginnt:

Des Maurers Wandeln
Es gleicht dem Leben
Und sein Bestreben
Es gleicht dem Handeln
Der Menschen auf Erden

Goethe veranlaßte auch die Aufnahme seines Sohnes August (*1789, †1830), der 1815 in den Bund trat. Tagebuchaufzeichnungen in großer Zahl bekunden, daß dieser dem Vater über jede Logenzusammenkunft Bericht erstattete. Im Archiv der "Amalia" sind die Gedichte und Lieder verwahrt, die Goethe ihr bei allen besonderen Gelegenheiten zu senden pflegte. Als 1825 die 50. Wiederkehr des Regierungsantrittes Karl Augusts gefeiert wurde, trug er zur Logenfeier mehrere "Gesänge" bei.

Bis in die letzten Lebensjahre war Goethes Anhänglichkeit an die Loge eine lebhafte. Noch 1830 sandte er ihr seinen poetischen Dank für ihre Glückwünsche zu seinem fünfzigjährigen Maurerjubiläum. In den Inneren Orient der Loge war Goethe noch 1782 aufgenommen worden. Auch dem Illuminatenorden (s. d.) gehörte er, von Bode geworben, unter dem Namen "Abaris", an, woraus sich wohl erklärt, daß er gelegentlich seiner Aufenthalte in Karlsbad von Metternichs Agenten "vigiliert" wurde. Goethes maurerische Werke, ausschließlich maurerischen Inhaltes oder für maurerische Anlasse gedichtet:

A) Reden

Rede zum brüderlichen Andenken Wielands, von Goethe selbst bei der Trauerfeier am 18. Februar 1830 vorgetragen.
Einleitung zu den Trauerreden aus Anlaß des Ablebens des Meisters vom Stuhl Ridel, 1821.

B) Gedichte

in den meisten Gedichtsammlungen unter dem Titel "Loge" vereinigt:

  1. Bundeslied: "In allen guten Stunden", entstanden 1775.
  2. Symbolum: "Des Maurers Handeln", Entstehungszeit unbekannt (s. o.).
  3. Dank des Sangers: "Vom Sänger hat man viel erzählt", 1815.
  4. Versehwiegenheit: "Wenn die Liebste zum Erwidern", 1816.
  5. Trauerloge: "An dem öden Strand des Lebens."
  6. Gegentoast der Sehwestern: "Unseren Dank und wenn auch trutzig." Zum 24. Oktober 1820, dem Amalienfeste, vorgetragen von August v. Goethe.
  7. Zur Logenfeier am 3. September 1825 (50jähriges Regierungsjubiläum Karl Augusts:
    a) "Einmal nur in unserm Leben";
    b) "Laßt fahren hin das Allzuflüchtige";
    c) "Nun auf und laßt verlauten."
  8. Spruch: "Zum Beginnen, zum Vollenden", mit einer Bandzeichnung, datiert Weimar, März 1826.
  9. Dem würdigen Bruderfeste: "Fünfzig Jahre sind vorüber", datiert Johanni 1820; poetischer Dank für die Überreichung einer Ehrenkunde aus Anlaß seines fünfzigjährigen Maurerjubiläums.
  10. Apokryph. Im Jahre 1930 hat Johannes Urzidil, Prag, ein Gedicht von Goethe veröffentlicht, das "Carlsbad, November" (ohne Jahr) datiert ist und mit den Worten beginnt: "Wenn um Mitternacht in banger Stunde..." Die Echtheit dieses Gedichtes, das schon in der Datierung auffällig ist (Goethe war niemals im November in Carlsbad), wird bestritten.

Maurerische Anklänge bei Goethe finden sich besonders in Wilhelm Meisters Lehrbrief in den "Lehrjahren", dann in den "Wanderjahren". Freimaurerische Symbolik hat man auch im "Märchen" zu erkennen geglaubt. Schikaneders "Zauberflöte" begeisterte ihn zu einer Fortsetzung.

Den tiefsten Gehalt der leider Fragment gebliebenen "Geheimnisse", in denen Humanus als Hohepriester der Humanität erscheint und die Versöhnung von Antike und Christentum gefeiert wird, schöpft nur der aus, dem sich Sinn und Bedeutung der Freimaurerei ganz erschlossen haben. Im "Großkophtha" hat Goethe sich mit den Verirrungen der Freimaurerei seiner Zeit auseinandergesetzt. Unerschöpflich sind die zahllosen dichterischen Stellen und Aussprüche, in denen Goethe, ohne dabei direkte Beziehungen zur Freimaurerei bewußt zu suchen, sich mit deren Grundgedanken in Übereinstimmung weiß. Wie es gerade bei ihm nicht darauf ankommt, in Zitaten aus seinen Werken den Nachweis zu erbringen, daß er sich freimaurerisch mehr oder weniger betätigt hat, als vielmehr um den Beweis, wie sehr die Freimaurerei seiner Zeit seinem allumfassenden, weltumspannenden Gedanken gerecht zu werden bestrebt war. Wie er seiner Zeit die künstlerische Form gab, in den sie ihren Inhalt zu gießen hatte, so hat auch die Königliche Kunst, ganz abgesehen davon, daß auch auf sie ein Strahl der Dichtersonne fiel, von seinem Humanismus und seinem Gott und Welt in einem Blicke erfassenden Bild ewige Befruchtung erfahren.

Erst in jüngster Zeit [Anm.d.Red. Stand 1932] ist die Frage aufgeworfen worden, ob Goethe ein "guter Freimaurer" war. Die Präsenzlisten der Loge "Amalia" sprechen nicht dafür. Wir wollen die Frage, die kleinlich von Kleinlichen gestellt wird, beruhigt offen lassen. Goethe war sicherlich kein "guter Freimaurer" im gewöhnlichen Logensinne, das heißt kein Logenbruder. Er hatte dazu nicht die Zeit. Aber er war der größte Deutsche, der jemals in einer Loge den Schurz getragen hat. Goethe-Erinnerungen freimaurerischen Charakters finden sich im Weimarer Staatsarchiv sowie im Archiv der Loge "Amalia". Erst 1930 wurde dort seine maurerische Bekleidung gefunden.

Goethe und freimaurerähnliche Vereinigungen

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

Als 15järiger trat Goethe in Verbindung mit Ludwig Ysenburg von Buri und bewarb sich um Aufnahme in die "Arcadische Gesellschaft in Philandria" . Einer anderen logenartigen Gesellschaft gehörte er in Wetzlar an, und zwar der "Rittertafel" und dem "Orden des Überganges" (s. "Dichtung und Wahrheit"). Im 17. Buch von "Dichtung und Wahrheit" erzählt Goethe unter anderem, daß ihm die angesehene, wohlgegründete Offenbacher Freimaurerloge die Mitgliedschaft nahelegte, "ich aber, aus einem Unabhängigkeitsgefühl, das mir später als eine Verrücktheit erschien, lehnte jede Verknüpfung ab, nichtgewahrend, daß diese Männer, wenn schon in höherem Sinn verbunden, mir doch bei meinen den ihrigen so nahe verwandten Zwecken hätten förderlich sein müssen."


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