Dekabristen
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Dekabristen
Quelle: Lennhoff, Posner, Binder
russische Geheimbündler, die die erste revolutionäre Bewegung im Zarenreich anfachten, die am Tage der Erhebung mit dem verunglückten Petersburger Aufstand vom 14. December 1825 ihr Ende fand. Von diesem Datum (D. = Dezembristen) haben die Träger der Bewegung, von denen fünf hingerichtet, die andern in die schreckliche sibirische Nacht verschickt wurden, später ihren Namen erhalten. Sie selbst nannten ihre politischen Geheimbünde anders: "Bund der Rettung", "Wohlfahrtsgesellschaft", schließlich "Nördlicher Bund" und "Südliche Vereinigung", dazu kamen noch die "Vereinigten Slaven" und Mitglieder der polnischen "Patriotischen Gesellschaft". Ein großer Teil der Dekabristen stand in der Freimaurerei, die Führer fast ausnahmslos, vor allem auch ihr geistiges Haupt Pestel (s. d.).
Aus den Logen trugen sie das Bekenntnis zur Humanität und Toleranz, das Streben nach Entwicklung eines allgemein gültigen Elements in ihre politischen Bünde, ein Streben, das es vorher in Rußland nur in den Bauhütten gegeben hatte. Der Bund der Rettung übernahm vom System der Freimaurerei eine Reihe von Zeremonien des Rituals, ferner die Einteilung in drei Grade. Die Neulinge im Bunde hieß "Brüder", die zweite Stufe bildeten "Männer", die Führer waren im "Rat der Bojaren (III. Grad) vereinigt. Auch von der "Patriotischen Gesellschaft" führten Brücken zum Freimaurertum. Diese polnischen Geheimbünde waren von Mitgliedern der "Nationalen Freimaurerei" (s. d. und Lukasinski) ins Leben gerufen worden. Die Sittenlehre des "Katechismus" der "Vereinigten Slaven" zeigte stark freimaurerischen Einschlag.
Von den Führern der Dekabristen war Pestel in den Petersburger Logen "Zur Sphinx" und "Zu den drei Tugenden" tätig; Fürst Sergej Trubetzkoj, die beiden Brüder Murawiew-Apostol Nikita Murawiew und Fürst Wolkonsky gehörten der Petersburger Loge "Les Amis réunis" und später den "Drei Tugenden" an, Leutnant Kachowski den "Freunden des Nordens" Oberst Glinka und Bestuschew der Loge "Michael der Erwählte", Oberst Pustschin war ebenfalls Mitglied der "Amis réunis" Oberleutnant Batenkow (s. d.) gehörte zuletzt der ganz wenigen, denen es nach dreißigjähriger sibirischer Gefangenschaft beschieden war, wieder in die Heimat zurückzukehren. 1863, als Siebzigjähriger, schrieb er folgende Sätze über sein Freimaurertum nieder:
- "Während meiner Einzelhaft, während meiner ganzen Jugend ohne Bücher, ohne Gesellschaft eines lebenden Wesens, was zu unserer Zeit niemand, ohne sich zu entleiben oder wenigstens den Verstand zu verlieren, hätte ertragen können, hatte ich in meinen grausamen seelischen Qualen gar keine Hilfe, bis ich allem Äußeren entsagte und mich in mein Inneres versenkte. Ich wendete damals die Methode der Freimaurerei an, um die vor mir erstandene neue Welt zu übersehen und einzurichten. So festigte ich mich und überlebte die vielfachen Anwandlungen von Tod und Verzweiflung." (Vergl. Ernst Friedrichs "Geschichte der einstigen Maurerei in Rußland", Berlin 1904.)
Dekabristen
Quelle: Wikipedia
Dekabristenaufstand in St. Petersburg
Die Dekabristen (russisch dekabr ‚Dezember‘, deswegen im deutschsprachigen Raum auch als Dezembristen bekannt) waren „adlige Revolutionäre“ (nach Lenin), vor allem Offiziere der russischen Armee, die am 14. Dezemberjul./ 26. Dezember 1825greg. auf dem Platz vor Senat und Synode in Sankt Petersburg den Eid auf den neuen Zaren Nikolaus I. verweigerten. Damit bekundeten sie ihren Protest gegen das autokratische Zarenregime, gegen Leibeigenschaft, Polizeiwillkür und Zensur. Die rebellischen Offiziere dienten in Petersburger Garderegimentern und waren westlich gebildet. Ihre Anführer wurden gehängt, einige degradiert und rund 600 nach Sibirien verbannt und zu Zwangsarbeit verurteilt. In diesen damals relativ wenig kultivierten Teil der Welt brachten sie als Strafgefangene Kultur und Bildung und stehen deshalb noch heute dort in hohem Ansehen.
Die Dekabristen bildeten die erste bewusst gegen die zaristische Autokratie gerichtete revolutionäre Bewegung, deren Programm bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft und politisch teilweise bis zur Errichtung einer Republik, mehrheitlich aber eher einer konstitutionellen Monarchie reichte, bei dem den Zaren eine Rolle ähnlich der der britischen Könige zugedacht war.
Hintergrund
Quelle: Wikipedia
Die liberalen und sozialen Ideen hatten sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts in der russischen Oberschicht gebildet. Zunächst wurden diese Gedanken nur in Geheimbünden propagiert. Eine Rolle spielte dabei der Kontakt zum revolutionären Frankreich während der Napoleonischen Kriege, in deren Verlauf viele russische Offiziere nach Westeuropa gekommen waren. Einige persönliche Kontakte verbanden ausgewählte Dekabristen auch mit dem Dichter Alexander Puschkin, der in seinem Poem Eugen Onegin auf den Dekabristenaufstand ebenfalls direkten Bezug nimmt. Was Inhalte und Ziele der Dekabristenbewegung anbetrifft, so stand Puschkin diesen eher kritisch gegenüber.
Vorgeschichte und Aufstand
Quelle: Wikipedia
Nach dem Tod des kinderlos gebliebenen Alexander I. am 1. Dezember 1825 in Taganrog sollte die Krone an seinen Bruder Nikolaus Pawlowitsch gehen; Alexanders zweiter Bruder Großfürst Konstantin, der Statthalter in Polen war, hatte bereits 1823 auf die Krone verzichtet. Alexander hatte diese Verzichtserklärung angenommen und damit Nikolaus zu seinem legitimen Nachfolger designiert. Diesen Umstand hatte er allerdings nicht öffentlich bekannt gemacht. Als Alexander unerwartet starb, brach am Hof ein Chaos aus, das den Aufstand begünstigte. Zunächst wurde Konstantin zu seinem Nachfolger ausgerufen, dieser lehnte aber wie schon 1823 die Herrscherwürde ab und proklamierte Nikolaus zum Zaren des Russischen Reiches. Nikolaus wiederum war darüber nicht informiert und wollte zuerst der eigentlichen Thronfolge entsprechend seinem Bruder den Vortritt lassen. Die Revolutionäre gewannen einige Regimenter der Hauptstadt für die Revolte, die am 26. Dezember in St. Petersburg ausbrach. An der Spitze der Bewegung standen Offiziere der kaiserlichen Armee. Diese wollten Nikolaus zum Thronverzicht bewegen. Der Aufstand wurde nach einem kurzen Gefecht zwischen den Aufständischen und den regierungstreu gebliebenen Gruppen auf dem „Platz des Senats“ niedergeschlagen. Einige zaghafte Versuche zur Rebellion in der Provinz wurden bereits im Keim erstickt.
Folgen
Der neue Zar Nikolaus I. war von der Revolte alarmiert und leitete die überaus gründlichen Untersuchungen persönlich. Die Behörden versuchten, selbst die entferntesten Sympathisanten der Bewegung ausfindig zu machen. Die Repression, die sich als „exemplarisch“ und endgültig verstand, schreckte auch vor Grausamkeiten nicht zurück. Die fünf wichtigsten Initiatoren, Michail Bestuschew-Rjumin, Pawel Pestel (Führer des Südbundes), Sergei Murawjow-Apostol, Kondrati Rylejew und Pjotr Kachowski, wurden zum Tode verurteilt und gehängt; Hunderte von Menschen wanderten in Gefängnisse, wurden ausgewiesen oder zur Zwangsarbeit deportiert.
Die rund 120 nach Sibirien deportierten Dekabristen sowie die dreizehn Frauen, die ihren Ehemännern oder Geliebten freiwillig in die Verbannung gefolgt waren, hatten einen nachhaltigen Einfluss auf ihre neue Umwelt. Eine herausragende Gestalt war die Fürstin Maria Wolkonskaja, die die Eindrücke ihrer Reise und ihres Jahrzehnte währenden Aufenthalts in ihren Memoiren festgehalten hat. In Sibirien bildeten die Dekabristen eine geschlossene Gemeinschaft progressiver Intellektueller, die in engem Briefkontakt mit Freunden und Verwandten in den Zentren Russlands blieben und dadurch nicht, wie durch die Verbannung bezweckt, in Vergessenheit gerieten. Vielmehr blieben die Dekabristen ein Kristallisationspunkt für reformerische Ideen.
Die folgende dreißigjährige Herrschaft Nikolaus I. war stark von der Erfahrung des Dekabristenaufstands geprägt. Er sah sich fortan als ein Bewahrer und Garant der bestehenden Ordnung sowie Verteidiger der Autokratie und führte einen andauernden Kampf gegen die Revolution. 1826 schuf er eine neue Polizeiorganisation, die sogenannte „Dritte Abteilung Seiner Majestät höchsteigenen Kanzlei“. Im Revolutionsjahr 1848 griff er in Österreich ein und ließ von seinen Truppen den Aufstand der Ungarn gegen die herrschende Habsburgermonarchie niederschlagen. Mit der Olmützer Punktation übte Nikolaus starken Druck auf Preußen aus, um eine kleindeutsche Einigung unter preußischer Führung zu verhindern und den Deutschen Bund in der bestehenden Form beizubehalten. Erst sein Sohn und Nachfolger, Zar Alexander II., griff mit Beginn seiner Herrschaft ab 1855 einige der Forderungen der Dekabristen nach Reformen im russischen Reich auf.