Bibel
Bibel
Quelle: Lennhoff, Posner, Binder
frz. Bible, im engl.-freimaurerischen Sprachgebrauch Volume of the Sacred Law (seltener Holy Bible), ist, wie die auf ihr vereinigten Symbole Zirkel und Winkelmaß eines der Großen Lichter der Freimaurerei (s. d.). Sie liegt auf dem Altar entweder geschlossen oder, wie in englischen und amerikanischen Logen, aufgeschlagen (im I. Grad Psalmen l33, Vers 1, im II. Grad Amos, Kap. 7 Vers 7 bis 8, im III. Grad Prediger Salomo, Kap. 12, Vers 1 bis 7; in vielen Logen Ev. Joh., Kap. 1).
Die Bibel ist ein uralter Bestandteil der Tempelausstattung. Sie wird im Inventar der Londoner Acceptance 1663 erwähnt. In den alten Logenmanuskripten des 16. Jahrhunderts wird die Verpflichtung des Neuaufgenommenen ausdrücklich in die Formel gekleidet: "so helpe me god and holydome and by this hook." Ebenso in der ersten gedruckten Konstitution von Roberts (1722): "So helfe mir Gott und der wahre und heilige Inhalt dieses Buches." Die von Gegnern des Bibelbrauches in den Logen immer wieder vertretene Meinung, die Bibel sei erst später (nach 1723) in Gebrauch genommen worden, ist daher irrig. War also die Bibel ursprünglich das heilige Dokument, auf das die Logeneide abgenommen wurden, so hat sich ihre Bedeutung späterhin verschoben.
Die Bibel hat in den heutigen Freimaurerlogen keinerlei dogmatisehe, sondern ausschließlich symbolische Bedeutung, wobei es dem einzelnen vollkommen freigestellt ist, in ihr das heilige, religiös verpflichtende Buch oder die auf jahrhundertelanger Entwicklung begründete, allgemein verpflichtende Sittenlehre, also ein ethisches Dokument, zu erblicken. Daß, in der Bibel, ihrer Entstehung nach, zahlreiche Erzählungen, Legenden und Fabeln enthalten sind, die der heutigen Sittenlehre nicht mehr voll entsprechen, kann den Wert dieses seit Jahrhunderten vielen Millionen heiligen Buches in keiner Weise herabsetzen. Die Weltfreimaurerei hat sich mit einer einzigen Ausnahme auf die Grundlage der Bibel, der ja auch viele Bestandteile der freimaurerischen Symbolik entnommen sind, geeinigt. In den heutigen Freimaurerlogen sitzen neben zahlreichen, religiös zutiefst Glaubigen manche Rationalisten und Freigläubige. Beiden hat das Buch in seiner symbolischen Deutung viel zu geben. Die Bestrebungen, die Bibel aus der Loge zu entfernen, weil sie angeblich zu eindeutig dogmatisch verpflichte, haben daher nie dauernden Bestand gehabt.
In Frankreich wurde 1877 vom Grand Orient de France gleichzeitig mit der Streichung des A. B. a. W. aus der Verfassung und den Ritualen auch die Bibel abgeschafft. Das hat zu einem Bruche mit der angelsächsischen Freimaurerei geführt, der auch heute noch besteht. In Logen der Großloge von Bayreuth wurde das sogenannte Freiburger Ritual eingeführt, das an Stelle der Bibel das Weiße Buch (s. d.) auflegte, ein Buch mit leeren Blättern, das auf seiner ersten Seite den Namen Gottes trug. Ebenso hatten einige Schweizer Logen die Bibel nicht aufliegen. In dem auf monistischer Basis gegründeten "Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne" hielt man am Buchsymbol wohl fest, legte jedoch ein Wissenschaftliches Werk auf den Altar.
In der Loge "Humanitäti" in Hannover lag ein Buch auf, dessen erste Seite die Widmung "dem Unerforschlichen" trug und in dem Weisheitsspruche aller Religionen eingeschlossen waren. In letzter Zeit ist man aber in den Großlogen "Zur Sonne" (Bayreuth) und "Alpina" (Schweiz) darangegangen, alle diese mehr weniger glücklichen Varianten zu beseitigen und zur Einheitlichkeit zurückzukehren. 1929 brach die Große Landesloge von Deutschland plötzlich den Verkehr mit der Bayreuther Großloge ab. Als Grund wurde hierbei auch das Fehlen der B. in einzelnen Logen dieser Großloge angegeben, ein Zustand, der in der Großen Landesloge seit vielen Jahren bekannt gewesen war. Dieser Konflikt, der im Wesen andere Motive hatte, wurde beigelegt. Die Schweizer Großloge "Alpina" beschloß anläßlich ihrer Jahresversammlung 1931, daß auf dem Altare der Großloge die geöffnete Bibel zu liegen habe. Den Bundeslogen wurde der gleiche Vorgang empfohlen. Dagegen legt wie der Großorient von Frankreich, der Großorient von Belgien die Heilige Schrift bei seinen Arbeiten nicht aus.
In den acht Grundsätzen, die seitens der Großloge von England 1928 als Grundlagen für die Anerkennung beschlossen wurden, findet sich auch die Forderung, daß die Bibel auf dem Altar aufliegen muß.
In den amerikanischen Logen erhält der Neuaufgenommene von der Loge ein Exemplar der Bibel eingehändigt. In einzelnen Logen wird mit der Bibel ein Kultus getrieben, der sich von den Grundlagen der Freimaurerei ebensoweit entfernt, wie die Beseitigung der Bibel oder deren Ersatz durch daß Weiße Buch usw. Die Bibel in der Freimaurerloge soll etwas undogmatisch Verbindendes sein. Das wird von den beiden extremen Flügeln der Freimaurerei, dem pietistischen und dem rationalistischen, leider noch immer nicht genügend verstanden.
In Logen, die sich ausschließlich aus Mohammedanern zusammensetzen, liegt als Buch auch der Koran (s. d.) auf, ebenso in Indien neben der Bibel die indischen heiligen Schriften.
Das Buchsymbol wird in manchen Systemen dahin ergänzt, daß nebst der Bibel auch das Grundgesetz der Freimaurerei, die "Alten Pflichten" und die Verfassung der Großloge aufgelegt wird.
Als Großes Licht wird die Bibel in der Großloge von England seit 1760 geführt. Den Antrag stellte William Preston (s. d.). In dessen "Illustrations" findet sich 1781 eine Ansprache und Belehrung für den Neuaufgenommenen, in der es heißt: "As a gentleman and a mason you are bound to be a strict observer of the moral law." ("Als Mann von Ehre und Maurer sind Sie gebunden, das Sittengesetz genau zu beobachten."!) Hierzu bringt Preston eine Anmerkung: "The Bible, or in countries where it is not known any other Book which is understood to contain the word of God." ("Die Bibel, oder in Ländern, wo sie nicht bekannt ist ein anderes, als Gotteswort anerkanntes Buch )
1855 erklärte die Großloge von Ohio (USA. daß die Freimaurerei unbedingten Bibelglauben von ihren Mitgliedern verlange. 1866 ging man in Minnesota sogar so weit, daß Suchenden, gleichgültig welchen Bekenntnisses, die Aufnahme verweigert wurde, wenn sie nicht an die Bibel glaubten. Von diesem extremen Anschauungen ist man aber wieder zur einzig möglichen Ausgangsbasis zurückgekehrt, die der Amerikaner Oliver Day Street folgendermäßen zusammenfäßt: Die Bibel ist ein Symbol. Die Freimaurerei verlangt keinen Bibelglauben.