Joanna Rajkowska
Inhaltsverzeichnis
THE LIGHT OF THE LODGE
Unter diesem Titel beschäftigte sich die polnische Künstlerin Joanna Rajkowska zweimal in einer durchaus ambivalenten Weise mit der Freimaurerei: 2012 hat sie dieses Thema zum ersten Mal spielerisch in das Kopenhagener ‚Art Festival’ eingebracht; 2014 folgte die Wiener Galerie ‚Charim’ mit denselben Sujets. Ambivalent? Ja: Einerseits bewundert Joanna Rajkowska die Symbole und Ideale der Freimaurer, andererseits fragt sie sich, ob deren Rituale und die Ideale noch zeitgemäß sind. Von Jens Rusch und Rudi Rabe.
WIEN 2014: Im Haus der alten ‚Wahren Eintracht’
Die Ausstellung in Wien (nur noch bis 7. Juli 2014: Galerie Charim, Dorotheergasse 12/1. Stock) schmückte sich mit einer versteckten historischen Pointe: Das Haus, in dessen erstem Stock die Galerie Charim untergebracht ist, war ab 1781 der Sitz der berühmten Wiener Loge Zur wahren Eintracht. Deren renommiertester Stuhlmeister Ignaz von Born starb hier 1791. Dies wissen in Wien nur noch Spezialisten, und Joanna Rajkowska wird es wohl auch nicht erfahren haben. Ihre Kunstwerke auf eine geheimnisvolle Weise vielleicht doch?
- Der Neon-Schurz von Joanna Rajkowska im Hauptraum der Charim-Galerie; daneben ein Neon-Altar.
- Hier spielt sich Joanna Rajkowska mit dem Musivischen Pflaster, das auf jedem Logen-Tapis zitiert wird.
- Mündet Joannas Pflaster in ein Schwarzes Loch? Jedenfalls steht man, wenn man sich umdreht, sofort vor dem Schriftzug ‚error’. Alles ein Irrtum? Aber was ist der Irrtum?
- Was ist überhaupt ein Irrtum?? Gott weiß es. Er hat recht. Hat er recht?
- Die Künstlerin lässt diese These rhythmisch im aufglühenden Sternenmeer versinken.
- Auch eine ‚masonische Bibel’ aus dem Besitz der Künstlerin hilft wohl nicht weiter: Masonic Bible
KOPENHAGEN 2012: Ein lebendes Kunstwerk
Was in der Wiener Galerie nur als Video gezeigt werden konnte, gab es in Kopenhagen live. Joanna Rajkowska ließ eine Frauengruppe in schwarzen Umhängen durch die Stadt ziehen: mit Feuer auf den Hüten.
Video mit der ‚Prozession’ der brennenden Hüte
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Video mit Joanna Rajkowska über 'ihre' Freimaurerei
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Übertragung dieses Videos vom Englischen ins Deutsche:
Ich bin eine Polin und halte mich gegenwärtig in London auf. Aber mein künstlerisches Fühlen und Arbeiten kommt aus Osteuropa.
Als zum Beispiel im 19. Jahrhundert Polen keine eigene Staatlichkeit hatte, unterstützten die Freimaurer die nationalen polnischen Unabhängigkeitsbewegungen; ebenso die Sprache, die Bildung und Erziehung, die als nationale Institutionen nicht existierten. Außerdem waren sie karitativ tätig.
Ich interessiere mich schon seit längerem für die Freimaurerei. Sie ist das am meisten europäische Kulturprodukt, das man sich vorstellen kann. Andererseits scheint sie heute ein wenig anachronistisch zu sein: mit all ihren Idealen wie Erziehung und Wohltätigkeit, mit ihren politische Ansichten. Das alles ist in einer gewissen Weise ein Produkt der französischen Revolution, und die Freimaurer folgen immer noch diesen Ideen. Gleichzeitig ändert sich aber Europa schnell. Auch unsere Kultur hat sich verändert.
Ich empfinde große Anerkennung, ja sogar Bewunderung für sie, auf der anderen Seite frage ich mich, ob diese Ideale noch zeitgemäß sind. Und das verbinde ich mit meiner Kunst. Ich will diese Ambivalenzen zeigen. Auf der einen Seite die wunderschönen Bilder und Symbole der Freimaurer, wie der Altar, der Schurz; auf der anderen Seite sind die Rituale doch ziemlich mittelalterlich. Sie wirken anachronistisch, das ist evident. Es ist ein irgendwie spaßiger Widerspruch, und mein künstlerisches Projekt basiert auf dieser Ambiguität.
Zu den Flammen auf den Hüten: Das sind einfach visuelle Zeichen. Entweder für brennende Gehirne oder das erleuchtet Sein oder einfach die Verschwendung von Energie. Man kann das in vielfach deuten.
Ich erkläre nicht, was das alles bedeutet, ich stelle Fragen, die uns alle betreffen: Wer sind wir heute in Europa mit dieser Ansammlung von Idealen, die den Kontinent über Jahrhunderte begleitet haben. Gelten Sie noch? Was geschieht mit Ihnen? Wie werden sie in die Idee von der Europäische Union übertragen? Das ist alles.
Die Anregung dazu hatte ich im vergangenen Sommer, in dieser Atmosphäre der langen Augustnächte, wenn man ausgeht, sich amüsiert, trinkt, und wenn man dann miteinander über etwas wirklich Wichtiges diskutiert. Aber nicht in einer Art, die uns zwingt, logisch zu argumentieren. Es ist einfach Spaß. Etwas, das die Leute genießen, wenn sie es tun und wenn sie so denken können.“
Links
Pressespiegel
- Zukunftweisend mittelalterlich von ANNE KATRIN FESSLER... in der österreichischen Online-Tageszeitung derStandard.at: Sie interessiere sich für die Mehrdeutigkeit der Freimaurerei, "das europäischste Kulturprodukt, das man sich vorstellen kann", so Rajkowska in einem Interview: Auf der einen Seite verfolgen die Freimaurer Ideen der Aufklärung wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, auf der anderen gibt es jedoch diese mittelalterlich anmutenden Rituale. [...] Weiterlesen: derStandard.at