Südtirol

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In dieser multiethnischen italienischen Provinz gibt es zwei italienischsprachige Logen und die einzige deutschsprachige Loge Italiens. Von Rudi Rabe


Typisches Süditrol: Das Schloss Maretsch, umgeben von Weingärten, am Rande der Hauptstadt Bozen. Foto: Dieter Müller.
Südtirol ist die nördlichste Provinz Italiens, zu dem es seit 1919 als Folge des Ersten Weltkriegs gehört; davor war es ein Teil der Grafschaft Tirol im Habsburgerreich. Nach der Abtrennung litt die Region jahrzehntelang unter dem italienischen Faschismus und Nationalismus: systematische Benachteiligung der angestammten deutschsprachigen Tiroler verbunden mit organisierter Massenzuwanderung aus dem Süden Italiens. Seit der mit österreichischer Hilfe in den 1960iger Jahren erkämpften politischen Autonomie hat sich die Lage normalisiert. Von den über 500.000 Einwohnern sind heute mehr als 60 Prozent deutschsprachige Südtiroler. Über 20 Prozent sind ethnische Italiener und vier Prozent Ladiner. Es gibt viele Zuwanderer von überall her.


Status 2015: Drei Logen des ‚Grande Oriente d’Italia’; eine weitere Loge gibt es in der angrenzenden Provinz Trient, die mit Südtirol in der autonomen Region Trentino-Südtirol verbunden ist. Von diesen vier Logen ist eine deutschsprachig. Drei sind italienischsprachig: die ‚Italia e Concordia’ Nr. 393 in Bozen; die ‚Castrum-Majense’ Nr. 216 in Meran; und die ‚Francesco Filos’ Nr. 554 in Trient.


Eine deutschsprachige Loge am Rande Italiens

Eine Besonderheit ist die ‚Franz von Gumer’ Nr. 971 in Bozen: Sie wurde 1978 mit italienischer und österreichischer Hilfe als Loge des ‚Grande Oriente d’Italia’ gegründet, und sie ist die einzige italienische Loge, die in deutscher Sprache arbeitet. Dennoch ist sie multikulturell: Zwar sind die Mehrheit der 38 Brüder (Anfang 2015) deutschsprachige Südtiroler, einige sind jedoch auch italienischer und ladinischer Muttersprache. Und mehrere Ausländer sind auch dabei: aus Österreich, aus Deutschland, und je einer sogar aus Wales und aus Island.

Zu ihrem dreißigsten Stiftungsfest brachte die ‚Franz von Gumer’ 2008 eine Broschüre über die Geschichte der Freimaurerei in Südtirol heraus. Mit Genehmigung der Loge geben wir den Inhalt hier wieder.



Franz von Gumer und die Bozner Loge

Die Gründung der Bozner Loge ist untrennbar mit dem Namen Franz von Gumer verbunden. Dieser wurde 1731 in Bozen als Sohn einer einflussreichen Kaufmannsfamilie geboren. Seine Familie betrieb nicht nur Handel zwischen dem italienischen und deutschen Kultur- und Wirtschaftsraum, sondern auch Bankgeschäfte, wobei sie sogar den Wiener Hof finanziell unterstützte. Franz von Gumer führte die Geschäfte seines Vaters weiter, widmete sich jedoch vermehrt kulturellen Belangen und half armen und benachteiligten Menschen. Auf Grund seiner zahlreichen geschäftlichen Verbindungen lernte er auch einige Freimaurer kennen. So wurde er Mitglied der Wiener Loge „Zur gekrönten Hoffnung“, wo er auch Bruder Mozart kennen lernte. In Innsbruck wurde er in die Loge „Zu den drei Bergen“ aufgenommen.

1780: Erste Logengründung in Bozen

Im Jahre 1780 gründete er selbst eine Loge in Bozen. Innerhalb kurzer Zeit gehörten ihr 23 Brüder an, die, aus dem Adel stammend, meist auch wichtige Stellen in der Verwaltung besetzten.

Neben Franz von Gumer, der das Amt des Stuhlmeisters inne hatte, scheinen auch andere angesehene Männer des öffentlichen Lebens als Mitglieder auf: so Franz von Goldegg, der als Landtagsabgeordneter in Innsbruck im Jahr 1790 die Freimaurer, trotz der vom Kaiser Joseph II vorgebrachten Kritik, öffentlich verteidigte, dann die Brüder Josef David Alexander von Sarnthein, Probst von Bozen, und Ferdinand von Sarnthein, Anton Leopold von Roschmann (der Ältere), Gubernalrat in Innsbruck, die Vettern von Menz, Ignaz von Aufschnaiter und Josef von Strobl, der nach dem Zusammenbruch des Aufstands von 1809 höchster Regierungsbeamter in Innsbruck wurde. Die Loge war rosenkreuzerisch geprägt, wie aus den wenigen erhaltenen Handschriften hervorgeht. Erhalten geblieben ist ein Teil, der sich auf die Rezeption bezieht:

„Wie bey dieser Rezeption die Zimmer bereit sein müssen. Das Vorzimmer ist verschlossen, und hat der Dienstbruder den Schlüssel hinzu, um solches bei Ankunft des Candidatus aufzutun, um eintreten zu können; allhier der Junior Hut und Degen ablegt. In dem Nebenzimmer soll der Tisch nur mit zwei Leuchtern, dazwischen das Constitutionsbuch, worauf der Directorialstab lieget, nebst einigen zur Naturwissenschaft erforderlichen Büchern, ohne Aparate versehen seyn. Die gewöhnlichen Bücher aber sind nach der neuen Verfassung gemeiniglich das Basili Valentini Chimische Schriften, der große Rosarius, die Aurea Catena Homeri und was von Arnoldus de Villa zu haben ist.“

Aufruhr der Bürger und Umzug in die Rittener Berge

Über die direkten Aktivitäten der Loge ist aber wenig bekannt. Franz von Gumer lehnte die Gedanken der Illuminaten ab und bekannte sich zur rosenkreuzerischen Richtung. Räumlich war die Loge zunächst in einem Haus in der Raingasse untergebracht, das einem der Brüder gehörte.

Drei Jahre nach der Logengründung drohten Bozner Bürger das Haus anzuzünden. Die Öffentlichkeit konnte nicht wissen, dass diese Loge nichts mit den Illuminaten oder gar mit revolutionär gesinnten Clubs zu tun hatte. Gerade die Logen rosenkreuzerischer Prägung standen diesen Zirkeln ablehnend gegenüber. Dazu kam 1785 auch das Freimaurerpatent von Joseph II. Mit ihm wurde die Freimaurerei in ihrem öffentlichen Wirken eingeschränkt und konnte nur noch im Geheimen arbeiten. Die Brüder zogen sich daraufhin nach Himmelfahrt am Ritten oberhalb Bozens zurück.

Dort ließen sie einen Tempel errichten, der heute noch besteht (als 'Freimaurerzimmer' im Großen Toggenburghaus: siehe unten). Dieser Raum, mit Wand- und Deckenmalereien versehen, deren Motive aus der freimaurerischen und rosenkreuzerischen Symbolik schöpfen, ist, mit Ausnahme einiger Handschriften, das Einzige, das uns aus dieser Zeit erhalten geblieben ist.

Einen Höhepunkt erlebte die Loge noch im Jahre 1788, als Graf Balsamo, besser bekannt als Graf Cagliostro in Rovereto, über Vermittlung von Josef Nagele, mit Franz von Gumer zusammentraf. Es gibt auch Hinweise, dass er mit den Bozner Brüdern eine gemeinsame Arbeit durchgeführt hat.

Aufstand gegen Napoleon und Niedergang

Mit den Franzosenkriegen und infolge der mit den Josefinischen Reformen verbundenen restriktiven Zollbestimmungen verlor Bozen die Rolle als bedeutender Umschlagplatz zwischen Nord und Süd. Zahlreiche Familien verarmten. Auch die Lage der Freimaurerei hatte sich durch die von Joseph II erlassenen Einschränkungen verschlechtert. Durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Handelstadt verarmten viele Bozner Kaufleute. Auch Franz von Gumer, der im Interesse der Kaufleute am offenen Tiroler Landtag von 1790 teilnahm, um die wirtschaftliche Lage seiner Stadt zu verbessern, wurde bald von der harten wirtschaftlichen Realität eingeholt. Er musste seinen Besitz versteigern und konnte seine Schulden nur zum Teil abdecken. Dann erkrankte er und starb 1794 in Wien an Sepsis.

Beim Tiroler Aufstand von 1809 gegen Napoleon waren einige der Bozner Brüder wie Ignaz von Aufschnaiter und Franz Andreas von Sternbach Kommandanten von Tiroler Schützenkompanien. Nach der letztlich erfolglosen Erhebung wurde der südliche Teil Tirols zwischen 1810 und 1813 dem Königreich Italien zugeschlagen.

In dieser Zeit wurde in Bozen eine Gesellschaft gebildet, welche die Aufführung von Theaterstücken organisierte. Auf der Mitgliederliste finden sich unter den zahlreichen Bürgern der Stadt auch die Namen einiger Brüder.

In diesen Jahren hat Francesco Filos das Amt des Stadthalters inne. Er war Freimaurer und kannte sowohl Franz von Gumer als auch andere Brüder der Bozner Loge. Es kann daher sein, dass zu dieser Zeit unter seiner Schirmherrschaft noch Logenarbeiten stattgefunden haben. Dann verlieren sich die Spuren endgültig. Über einen Zeitraum von 200 Jahren gab es in Bozen keine nachweisbare freimaurerische Aktivität mehr.

1978: Neustart nach zwei Jahrhunderten

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als im demokratischen Italien nach dem Faschismus die Freimaurerei wieder zum Leben erwachte, konnte unter der Schirmherrschaft des Grande Oriente und mit tatkräftiger Unterstützung österreichischer Brüder im Jahre 1978 in Bozen eine deutschsprachige Loge errichtet werden. Der damalige Großmeister des Grande Oriente, Salvini, sowie der Großmeister der Großloge von Österreich, Giese, hatten den Wiederaufbau einer in deutscher Sprache arbeitenden Loge in Bozen gefördert; die Loge wurde nach dem Namen ihres ersten Gründers benannt. Am Schnittpunkt zwischen dem deutschen und italienischen Kulturraum sollte sie Verbindungen zwischen den Logen diesseits und jenseits des Brenners pflegen und weiter entwickeln, eine Brücke sein.

Die Loge ist im Zuge ihres dreißigjährigen Bestehens gewachsen. An die 30 Brüder treffen sich nun regelmäßig. Die Loge ist aber auch der Ort geworden, wo besuchende Brüder aus den vielen Orten im Norden und im Süden der Alpen zur gemeinsamen Arbeit kommen, die Bruderkette bilden und gebaute Brücke sind.



Das 'Freimaurerzimmer' im Großen Toggenburghaus in Maria Himmelfahrt oberhalb Bozens

Das Haus gehörte im 18. Jahrhundert Franz von Gumer; es war sein Sommerfrischehaus. Hierher wichen in den 1780iger Jahren die Brüder der jungen Loge aus, nachdem sie von den Boznern bedroht worden waren. Auf einer Wandmalerei hat der in jener Zeit in ganz Italien vielbeschäftigte Tiroler Fresko- und Tafelmaler Martin Knoller (1725-1804) Franz von Gumer als Jäger verewigt. Was heute als ‚Freimaurerzimmer’ bezeichnet und gepflegt wird, war damals ein Raum für Tempelarbeiten der Gumer’schen Loge. Die Wand- und Deckenmalereien mit ihren Motiven aus der freimaurerischen und rosenkreuzerischen Symbolik sind neben einigen Handschriften die einzigen Hinterlassenschaften der kurzlebigen Südtiroler Freimaurerei des 18. Jahrhunderts.



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