Royal Society
Royal Society
Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)
englische gelehrte Gesellschaft erster Mittelpunkt hochgeistiger Gemeinschaftsarbeit, ursprünglich ausgehend von dem zuerst von Bacon ausgesprochenen Gedanken, der gesamten wissenschaftlichen Forschung eine Gesetzmäßigkeit zu geben. Sein Vorschlag diente aber auch dem Plan zur Gründung einer Gemeinschaft von Gelehrten, die ausschließlich der Förderung der Naturwissenschaft gewidmet sein sollte. 1616 wurde von Edmund Bolton der Plan einer Königlichen Akademie entworfen. Er wurde aber erst 1645 wieder aufgenommen. Ein Deutscher namens Theodor Haak war 1625 nach England gekommen und lebte als freier Gelehrter erst in Oxford, dann in London. Dieser regte 1645 dazu an, daß die namhaften Naturforscher wöchentliche Zusammenkünfte abhielten, sich über den Stand der naturwissenschaftlichen Forschung unterhielten und über neue Experimenten berichteten. Es war zunächst eine private geheime Gesellschaft, ein "unsichtbares Kollegium" (Invisible College), zu dem auch Hartlib gehörte. Der große englische Naturforscher Robert Boyle spricht davon in verschiedenen Briefen 1646 und 1647 als einem Philosophischen Kollegium, das sich in einer Sitzung vom 28. November 1660 in ein "College for the Promotion of Physico-Mathematical Experiment al Learning" umwandelte.
Die Seele des Ganzen war, teils persönlich, teils durch seine Werke, Robert Boyle (1627—1691), der Erfinder des bekannten Boyleschen Gasgesetzes dessen Werk "Sceptical Chemißt" (Der skeptische Chemiker) deutlich zeigt, welcher Wesensart dieser Gelehrte war.
In demselben Jahre (1662), da Boyle seine grundlegenden Arbeiten verfolgte, gründete Karl II. die Royal Society, die Königliche Gesellschaft, mit dem eingestandenen Zweck, durch direkte Experimente die Wissenschaft zu vermehren, wobei wohl zu beachten ist, daß die Satzungen, welche jetzt zum ersten Male dieser berühmten Anstalt verliehen wurden, erklärten, ihr Zweck sei die Ausdehnung des natürlichen Wissens, im Gegensatz zu dem übernatürlichen (Buckle, "Geschichte der Zivilisation in England). Die Royal Society wurde im Laufe der Zeit der Brennpunkt des geistigen Lebens Englands. Angewidert von den Religionskämpfen und Streitigkeiten, insbesondere aber von den religiösen Ausschreitungen des Puritanertums, sammelte sich in der Royal Society die geistige Oberschichte aufgeklärter Menschen.
Welche Bedeutung man dieser Einrichtung beimaß beweist wohl zur Genüge, daß man einem illustren Gaste wie dem Herzog Franz von Lothringen nichts Besseres neben Jagden, Hofbällen usw. zu bieten wußte, als daß man ihn an einer Sitzung dieser Gesellschaft teilnehmen ließ und ihm verschiedene Experimente vorführte. Allerdings nahmen die rationalistischen Strömungen in der Royal Society, wie bei einer auf experimentelle Erkenntnis begründeten wissenschaftlichen Gesellschaft nicht anders möglich, mitunter bedenklich zu. So beklagt sich Dr. Stukeley besonders darüber, daß, wenn in der Royal Society von Moses, der Sintflut, der Religion, der Heiligen Schrift die Rede war, dies mit lautem Gelächter begrüßt wurde". Stukeley kommt daher zu dem Urteil: "die eine Hälfte unserer halbweisen Philosophen das Volk in der Royal Society, sind Ungläubige, die andere Hälfte sind Narren" (A. Q. C., VI. 131).
Dieser Zornausbruch des frommen Dr. Stukeley richtet sich gegen das deutliche Bestreben in der Royal Society, sich bei wissenschaftlichen Untersuchungen nicht durch vorgefaßte religiöse und biblische Standpunkte die Forschung erschweren zu lassen. Es ist dies jener Streit der Meinungen, der vor Eroberung des z. B. von Darwin so glücklich vertretenen agnostischen Standpunktes in der scharfen Antithese des Lamennais zum Ausdruck kommt: "Warum gravitieren die Körper gegeneinander? Weil Gott es gewollt hat, sagen die Alten. Weil die Körper sich anziehen, sagt die Wissenschaft." Wobei diesem und anderen der Fehler unterlief, daß hier Gott einfach durch ein anderes Wort, nicht aber durch einen Begriff ersetzt wurde.
Die Zusammensetzung dieser wissenschaftlichen Gesellschaft entsprach nicht ganz jener Vorstellung, die wir uns heute von einer Akademie der Wissenschaften machen. De Candolle ("Zur Geschichte der Wissenschaften", herausgegeben von Wilhelm Ostwald, Leipzig 1911) klassifizierte die Mitglieder in:
- berühmte Schriftsteller, wie Voltaire und Montesquieu,
- Gelehrte, darunter unter den ausländischen Euler, Haller, Buffon, Morgagni, von Deutschen Lieberkühn, Heister u. a.,
- zahllose, jetzt unbekannte Leute, die keine andere Auszeichnung aufwiesen, als daß sie Freunde der Wissenschaften und der gelehrten Gesellschaften waren.
Unter den nicht wenigen Gelehrten der Royal Society, die für die freimaurerische Geschichte von besonderer Bedeutung waren, sei Desaguliers genannt, dessen geschichtlicher Ruf als Physiker sich erhalten hat. Viel wesentlicher für die Freimaurergeschichte war die dritte von de Candolle erwähnte Kategorie, zu der unter anderem auch der Herzog von Montagu, der erste adelige Großmeister, gehörte. Sicher ist viel von den geistigen Elementen der in der Royal Society vertretenen Geistigkeit in die junge englische Großloge übernommen worden. Ebenso sicher wird aber von vielen Autoren der Einfluß der Royal Society auf die Entwicklung der Freimaurerei überschätzt. Nachweisbar ist die Personalunion in vielen Mitgliedern. Zuletzt hat Adolf Abraham ("Das Wesen der Freimaurerei", Beilage zum "Hamburger Logenblatt", 1931) die Möglichkeit dargestellt, daß schon Wilkins, Sir Christopher Wren der Erbauer der Londoner St.-Pauls-Kathedrale und der Mathematiker John Wallis, der Kaplan Karls II., und bedeutende Vorläufer von Newton und Leibnitz "allen voran den freimaurerischen Menschheitsbund geplant und während der Erbauung der St.-Pauls-Kathedrale in Wrens Bauloge in Cheap Side in die geistige Bahn seiner Bestimmung gelenkt haben".
Abraham führt sehr richtig aus, daß es Geistesgrößen, die den Pulsschlag der lebendigen Menschheitsentwicklung zu fühlen verstanden, Männer, die mutig genug waren, ihre Kräfte im Sinne dieser Entwicklung einzusetzen, um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert fast ausschließlich nur unter den Mitgliedern der Royal Society gab. Die Weisheit und das tiefgründige Wissen, die aus allen ihren Schriften hervorleuchten, die humane Größe der dort vertretenen Grundsätze und die wahrhaft religiöse Hingabe an die größte Aufgabe, die die Menschheit je erlebt hat, weisen ebenfalls auf diese Quelle hin.
Der Aufstieg der Naturforscher zu dieser Höhe der Humanität war innere Notwendigkeit ihrer Entwicklung. Die Erforschung der Sinnenwelt war nun die Brücke, über welche sie als Platoniker zur reinen Gedankenwelt vordringen und die Erkenntnis des Guten anbahnen mußten. Auch ihr oft betontes religiöses Gefühl mußte sie in die gleiche Richtung leiten.
Als Indizien für seine Kombination führt Abraham an:
- Einen Brief von Sir Christopher Wren (veröffentlicht 1923, im 200. Todesjahr des Großbaumeisters) an Dr. Gregory, dessen Postskriptum von "meinem Br. Wallis" spricht eine Anrede, die sonst im Schriftwechsel von Gelehrten der damaligen Zeit nirgends zu finden ist.
- Die allgemein bekannte und oft kombinierte Tatsache, daß eine außerordentlich große Zahl der Männer, die der Royal Society angehörten, gleichzeitig auch Freimaurer waren. Sprat, der erste Historiker der Royal Society, macht die wichtige Feststellung, das man in diese Menschen verschiedenen Glaubens und Berufes, aus verschiedenen Ländern aufnahm, weil man nicht die Fundamente einer englischen, schottischen, irischen, papistischen Philosophie, sondern einer Philosophie der Menschheit legen wollte.
Abraham gesellt sich mit diesen Ableitungen jenen, vorzugsweise deutschen Autoren zu, die im Gegensatze zur englischen freimaurerischen Geschichtsforschung der Großlogengründung eine eigenartige weltanschauliche Bedeutung beimessen wollen, die gewissermaßen in einer Akademie der Wissenschaften, eben der Royal Society, vorbereitet wurde. Dem muß widersprochen werden. Sicherlich ist in dem Konstitutionenbuch von Anderson ein Versuch unternommen, die Toleranzidee — allerdings mit einer Einschränkung — zu verankern. Sicher ist auch, daß den Herren von der Royal Society, wie etwa dem Herzog von Montagu, dem Reverend Desaguliers, dem Dr. Martin Folkes, die Religion, in der alle Menschen übereinstimmen, sympathischer war, als die durch das Pfaffengezank und das Puritarertum unleidlich gewordene Staatskirche. Aber von einem Menschheitsbunde ist weder in der Großloge von England noch in der Royal Society die Rede. Die Akademie der Wissenschaften war pansophisch im Sinne des Comenius. Das ist aber auch alles.
Die Idee des Menschheitsbundes ist für die Freimaurerei erst viel später geboren worden. Die Fäden, die sich von der Royal Society zur Freimaurerei spannen, sind in erster Linie persönliche, vielleicht in religiösen Fragen auch geistige. Sonstige Zusammenhänge lassen sich konstruieren — aber nur sehr schwer beweisen.
Siehe auch
- Masonic Society, 350 Jahre "Royal Society"