Freimaurermuseum Rosenau
Inhaltsverzeichnis
Es war eine sensationelle Entdeckung:
ein historischer Logentempel
aus dem 18. Jahrhundert
Eine Dokumentation von Rudi Rabe
Er war längst vergessen: der Freimaurertempel aus dem 18. Jahrhhundert im Barockschloss Rosenau bei Zwettl in Niederösterreich (150 Kilometer nordwestlich von Wien). Eingerichtet hatte ihn Leopold Christoph Graf von Schallenberg. Dieser war ein hochrangiger Beamter am Hofe Maria Theresias und kam dort in Kontakt mit der Aufklärung und ihrem geistigen Kind: der Freimaurerei.
Nach dem Tod Schallenbergs verkaufte die Familie das Schloss. Ein paar Jahre vorher hatte der Habsburgerkaiser Franz I. die Freimaurerei für seine Erblande verboten. Als Folge davon hatte der Graf vielleicht noch selbst alles Masonische beseitigt; sicher aber der neue Besitzer.
Das blieb fast zwei Jahrhunderte so: bis 1972, als das Schloss und die Gutshofsiedlung in einer Gemeinschaftsaktion der umliegenden Gemeinden und der Niederösterreichischen Landesregierung vor dem Verfall gerettet und saniert wurden. Bei den Renovierungsarbeiten entdeckte man zur Überraschung aller freimaurerischen Symbole: Die Fachleute der Großloge von Österreich wurden konsultiert, und so kam nach fast zweihundert Jahren der Logentempel des Grafen Schallenberg wieder auf die Welt. Die Großloge beteiligte sich und richtete in den Räumen daneben ein Freimaurermuseum ein.
Der Tempel wird immer wieder für freimaurerische Zusammenkünfte („Arbeiten“) benützt. Diese ideelle Bindung an die masonische Vergangenheit ist einmalig. Nirgendwo sonst in Kontinentaleuropa kann in einem historischen Logentempel, der aus der Gründungszeit der Freimaurerei stammt, rituell gearbeitet werden. Das hat dazu geführt, dass die Räumlichkeiten nicht nur von den österreichischen Logen genutzt werden, vielmehr dient Rosenau auch als Plattform einer internationalen Zusammenarbeit mit unterschiedlichen masonischen Richtungen, wobei die Grenzen der „Regularität“ im Sinne der „United Grand Lodge of England“ überschritten werden können. Es wird allgemein anerkannt und von den Engländern durchaus toleriert, dass es gemeinsame historische Wurzeln gibt, die eine Kooperation auf musealem Gebiet und in der Geschichtsforschung sinnvoll erscheinen lassen.
Auch das Freimaurermuseum floriert. Wechselnde Sonderausstellungen halten das Interesse wach. Obwohl die Anlage weitab touristischer Trampelpfade liegt, wurde sie inzwischen von vielen Menschen besucht.
Die Sonderausstellungen seit 1975
- 1975-1976: Österreichische Freimaurerlogen, Humanität und Toleranz im 18. Jahrhundert
- 1978-1979: Verbotene Freimaurerei 1848-1918
- 1980-1981: Freimaurerei um Josef II. Die Loge zur wahren Eintracht
- 1982-1983: Freimaurerei in England. Die erste Großloge der Welt
- 1984-1985: Das freimaurerische Brudermahl
- 1986-1987: Ideen und Ideale Deutscher Freimaurer
- 1988-1989: Der Kurze Traum. Die Zwischenkriegszeit
- 1990-1991: Bruder Wolfgang A. Mozart
- 1992-1993: 250 Jahre Freimaurerei in Österreich
- 1994: Von Barock bis Heute
- 1997-1998: Freimaurer-Bijoux
- 2000-2001: Geschichte und Geschichten der Freimaurerei auf Briefmarken
- 2001-2002: Zum Wohl, Ihr Brüder! Gläser der Freimaurergläser von 1740 bis heute
- 2006-2008: Der Freimaurerschurz – ein Symbol der Arbeit
- 2009-2010: 225 Jahre Großlogen in Österreich
- 2011-2012: Laboratorium Aufklärung - Die Wiener Loge 'Zur wahren Eintracht'
- 2013-2014: Das Märchen von der Weltherrschaft (in den Wintermonaten für Gruppen auf Anfrage und dann von April bis Ende Oktober 2014 täglich von 9 bis 17 Uhr)
- In Vorbereitung für 2015/16: Freimaurer und Musik
Kontakt
Außer den freimaurerischen Räumen beherbergt das Schloss auch ein Hotel mit Restaurant. Die Pächterin hat das Ensemble mit viel Liebe im Sinne der dem Schloss innewohnenden Romantik neu ausgestattet.
Schloßrestaurant, Schloßhotel und Zimmer-Reservierungen:
- Margit Zulehner (Pächterin), 3924 Schloß Rosenau 1/Österreich
- +43/2822/58221-0, Fax DW 8, schloss.rosenau@wvnet.at
Museumsbetrieb und Anmeldung zu Führungen:
- Inge Doppler, 3924 Schloß Rosenau 1/Österreich
- Tel+Fax: +43/2822/20552, freimaurermuseum@wvnet.at
Informationen zur Gestaltung des Freimaurermuseums:
- Kurator Prof. Peter Back-Vega, pbv.rosenau@tele2.at
Verloren und Wiedergefunden
Über die masonische Vergangenheit des Schlosses
und deren Entdeckung in den 1970iger Jahren.
Am Anfang standen die Grafen von Schallenberg. Sie kauften 1720 das Renaissanceschloss Rosenau. Später baute der 1712 geborene Leopold Christoph von Schallenberg das Schloss im Barockstil um und vergrößerte es. Dabei ließ er auch einen Freimaurertempel anlegen.
18. Jahrhundert: Der Schlossherr war wohl ein Freimaurer
Wir können nur vermuten, was den Grafen irgendwann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dazu bewogen hat, diesen Tempel einzurichten. Er war ein hochrangiger Beamter am 150 Kilometer entfernten kaiserlichen Hof in Wien: Unter anderem war er 'Oberst Hofstäbelmeister' Maria Theresias (so etwas wie ein Zeremonienmeister). Dort kam er wohl auch mit den neuen Ideen der Aufklärung in Berührung, die von Freimaurern verbreitet wurden. Vor allem deren soziale Anliegen hatten es ihm angetan. Und so wurde der Graf wohl selbst Freimaurer. Wie seine Loge hieß, wissen wir nicht; ob sie nach Wien oder doch nach Prag ausgerichtet war, auch nicht. Es gibt darüber keine schriftlichen Zeugnisse. Möglicherweise organisierte er im Tempel auch einfach freimaurerische Arbeiten für Brüder in der Nachbarschaft und für Durchreisende; vielleicht auch für Mozart auf dem Weg von Wien nach Prag.
Als Schallenberg 1800 starb, war die Freimaurerei im Habsburgerreich schon wieder ein halbes Jahrzehnt lang verboten. Möglicherweise ließ er noch selbst im Schloss alles übermalen und beseitigen, was darauf hinwies.
19. Jahrhundert: Das große Vergessen
An die masonische Vergangenheit in Rosenau erinnerte sich bald niemand mehr. Kein Wunder: Die Freimaurerei blieb durch das ganze 19. Jahrhundert gesetzlich und später faktisch verboten.
Das Schloss wechselte nach Schallenbergs Tod mehrmals den Besitzer bis es 1883 der bekannte alldeutsche (= deutschnationale) Politiker Georg Heinrich Ritter von Schönerer erbte. Es blieb auch nach dessen Tod 1921 in seiner Familie.
Dann kam der Zweite Weltkrieg, die Niederlage Hitler-Deutschlands, zu dem Österreich von 1938 bis 1945 gehörte, und schließlich die sowjetische Besatzung. Diese requirierte das Schloss und übergab es dem sowjetisch-österreichischen Betriebskonglomerat USIA, die jedoch nichts damit anzufangen wusste und es verfallen ließ.
Nach dem Zweiten Weltkrieg: Fast eine Ruine
Als die Besatzungsmächte 1955 aus Österreich abzogen und die USIA aufgelöst wurde war das Schloss in einem beklagenswerten Zustand: eingestürzte Decken, kaputte Böden, mit Brettern vernagelte Fenster ohne Glas ... es war unbewohnbar geworden.
Ein neuer Besitzer schlug sich noch ein Jahrzehnt damit herum und verkaufte das völlig unwirtschaftliche Ensemble schließlich an das Bundesland Niederösterreich. Es folgten ein paar Jahre der Ratlosigkeit, doch schließlich entschied die Politik, die Anlage komplett zu erneuern.
1970iger Jahre: Renovierung und masonische Wiederentdeckung
1972 war es dann so weit: Bei den Renovierungsarbeiten wurden im ersten Stock hinter Schichten von Wandfarbe historische Malereien entdeckt. Was konnte das sein? Es soll eine alte Dame gewesen sein, nämlich Edith Wagesreiter, die als erste vermutete, das könnten freimaurerische Symbole sein. Sie war als junge Frau die letzte Sekretärin von Georg Heinrich Ritter von Schönerer gewesen. Dadurch hatte sie eine besondere Beziehung zum Schloss, aber darüber hinaus offenbar auch ein Gefühl für masonische Zeichen.
Aus der Ruine wurde ein Hotel und das Freimaurermuseum
Nun konsultierten die Verantwortlichen die 'Großloge von Österreich' in Wien, und die Dinge nahmen ihren Lauf. Es brauchte noch ein paar Jahre Hin und Her bis eine sinnvolle rechtliche Konstruktion gefunden wurde: Das Schloss blieb im öffentlichen Eigentum; es wurde zu einem Hotel umgebaut und ab 1974 verpachtet; und im ersten Stock wurde 1975 ein Freimaurermuseum eingerichtet, das von einem Verein geführt wird, der zuerst mit der Großloge kooperierte und später in deren Verantwortung überging.
Seitdem besuchten schon viele Menschen das Museum: je nach Ausstellung mindestens zehntausend im Jahr, seit der Eröffnung an die 600.000 (2014). Für den Tourismus dieser Gegend ist das eine durchaus attraktive Größenordnung.
Rückblende 1972: Welche masonischen Symbole führten zur Wiederentdeckung?
Eine spannende Frage: Warum ist damals der Groschen gefallen? Glücklicherweise! Es hätte ja auch anders kommen können. Welche freimaurerischen Zeichen wiesen den Weg? Diese 2014 aufgenommenen Fotos zeigen Beispiele.
- Für die Interpretierung der anderen Symbole in der Vorhalle bedurfte eines tieferen Wissens über die Symbol- und Legendenwelt der Freimaurer:
- Wir verlassen nun die Vorhalle und gehen hinein in eine ‚Zimmerflucht’. Diese verbindet die Vorhalle mit dem Tempel. Details hier: Rundgang auf der Website des Museums. Die Räume werden vom Museum für die Ausstellungen genutzt.
Der nachempfundene Freimaurertempel
Nach dem Marmorkabinett folgt ein Eckzimmer: der Tempel, in den siebziger Jahren wieder eingerichtet für das 20. und das 21. Jahrhundert.
Kurios: Von Edith Wagesreiter wissen wir, dass Georg Heinrich Ritter von Schönerer das Eckzimmer als Schlafzimmer und das Marmorkabinett als Arbeitszimmer nutzte.
- Rosenau Tempel3.jpg
Ein besonders intimer Tempel: wenige Sitzplätze, viele ‚Stehplätze’. Die Flügeltür links ist eine Scheintür, hinter der Türe rechts ist die ‚Zimmerflucht’. So oder so ähnlich wird der originale Tempel im 18. Jahrhundert ausgesehen haben.
Ein klassischer Tapis (Arbeitstafel) mit den üblichen Motiven: die Kopie eines Wiener Tapis von 1780, der ein Jahrhundert später beim Stadtumbau in einer alten Kiste gefunden wurde. Foto mit Dank von n→ dgmtlcd
Das Schloss und und die Jahreszeiten
Schneereiches Waldviertel: Museumsbesuch im Winter (November bis März) nur nach Anmeldung. Aquarell mit freundlicher Genehmigung von Atelier Haushofer in Zwettl.
Im Land der rauen Steine
Dies ist eines der bekanntesten und wirkmächtigsten Symbole der Freimaurerei: der raue Stein (= der eigene Charakter), der zu einem vollkommeneren Stein behauen werden soll. So gesehen ist das Waldviertel ein inspirierendes Umfeld für freimaurerisches 'Arbeiten', wird es doch an vielen Stellen von großen Granitblöcken markiert, die aussehen, als wären sie vor Urzeiten von spielenden Riesen verstreut worden. Auch das Schloss steht auf einem großen rauen Stein: einem Granitfelsen.
Ein Wackelstein bei Traunstein südlich von Rosenau. Er wiegt 120 Tonnen und kann von Menschenhand bewegt werden.
Für das Foto danken wir ZWalk
Siehe auch
- Österreich
- Kanonen und Gläser#"Kanonen" im Freimaurermuseum Schloss Rosenau
- Rezension: Peter Back-Vega - Das Märchen von der Weltherrschaft = Ausstellung 2013/14
Links
- Freimaurermuseum Rosenau
- Freimaurermuseum auf der Website "Schlosshotel Rosenau"
- Website des Schlosshotels Rosenau
- AMMLA (Association of Masonic Museums, Libraries and Archives in Europe)