Traktat: Ansprache an die Schwestern

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Ansprache an die Schwestern

Quelle: Euromason / Altea la Vella / Spanien

Wenn ein neuer Bruder Lehrling nach dem erlebnisreichen Aufnahmeritual und nach seiner freimaurerischen Einkleidung glaubt, das Ende der Zeremonie erreicht zu haben, wird er überraschend noch einmal vor den Meister vom Stuhl gebeten, der ihm in diesem oder ähnlichem Wortlaut eröffnet: "Obschon die Frauen keinen Zutritt zu unserem Bunde haben, verehren wir sie als liebende Mütter und sorgende Gattinnen".

Dann überreicht er dem Neuaufgenommen ein Paar weisse Damenhandschuhe mit den Worten: "Bringt diese Handschuhe derjenigen, die Eurem Herzen am nächsten steht und sagt ihr, dass sie Liebe und Treue bedeuten".

So fragen wir uns oft, warum nur Männer Freimaurer werden können. Oft haben wir unserer Schwestern Frage gehört, warum die Freimaurer - ähnlich wie die Mysterienbünde und andere "geheimen" Lebensschulen - den Frauen die Teilnahme an ihren Ritualen und Versammlungen verwehren. Die Frage ist durchaus berechtigt, denn gerade heute, im Zeitalter der weiblichen Emanzipation, erhebt sich natürlich die Frage, warum wir den Frauen zwar unsere Herzen, nicht aber die Tempelpforte öffnen. Dies trotzdem bei uns Freimaurern von Frauenfeindlichkeit nichts zu spüren ist. Wir wissen zu gut, dass unsere weiblichen Partnerinnen nicht nur als Mittelpunkt der Familie ihre Aufgaben mit intuitiver Begabung zu erfüllen vermögen, sondern auch im Beruf und in den Künsten. So gibt es Beispiele genug, die aufzeigen, dass auch eine Frau im Alltagsleben durch ihr Verhalten als ehrenwerte Persönlichkeit bedingungslos anerkannt wird. Allerdings nicht aufgrund einer mundwerklichen Begabung, sondern durch ihr besonnenes, tief empfundenes Rollenverständnis.

Der Ausschluss hat nichts mit Diskriminierung oder Minderwertigkeit zu tun, sonst würden wir unserem freimaurerisch-humanitärem Ideal Lügen strafen. Es gilt aber auch die Tatsache, dass der Mann seinem Wesen nach dem Verstand, dem rationellen Denken verschrieben ist, die Frau hingegen der Empfindung, dem Gefühl. Daran vermochte auch der Zahn der Zeit nie etwas zu ändern, denn es scheint der Sinn der Schöpfung zu sein, zwei verschieden geartete Hälften, nämlich Frau und Mann, zu einer Einheit zu führen. Nun, stellt aber die Freimaurerei als Lebensschule, wie erwähnt ein System dar, welches den nackten Verstand über irrationale Symbolik zum Erleben und damit zur Veredelung führt. Um die Frau aus der ihr von Natur aus immanenten Empfindungswelt an neue Ufer zu führen, bedürfte es eines Systems, das von demjenigen der Freimaurer in beinahe allen Belangen grundverschieden ist. Der tiefere Sinn von "Verschiedenheit" ist das Gleichnis von Hermes und Aphrodite sehr eindrücklich offenbart. Hermes war körperstark, geistvoll und beständig, besass aber auf seinem Rücken - auf der linken Körperhälfte - nur einen einzigen Flügel, mit dem er sich der Schwere der Erde nicht entheben konnte. Aphrodite war intuitiv, gütig und von anmutiger Schönheit, besass aber auf ihrem Rücken - auf der rechten Körperhälfte - ebenfalls nur einen einzigen Flügel, mit dem auch sie der Schwere der Erde nicht entfliehen konnte. Wenn sich aber Hermes und Aphrodite aneinanderschmiegten, sich liebevoll umarmten und ihre Flügel im harmonischen Gleichklang bewegten, siehe da! So wurde die Schwere der Erde zugunsten höherer Sphären überwunden.

Es gibt einen weiteren triftigen Grund, weshalb die freimaurerische Tempelpforte für Frauen verschlossen bleibt. Zwei Halbgötter tragen daran die Schuld: Eros und Kupido, die Symbolgestalten für die sinnliche Attraktion und Begierde. Es ist kein Geheimnis, dass Frauen mit ihrer Körperlichkeit - ob sie es wollen oder nicht - auf ihre männliche Umgebung einen oft unterschätzten erotischen Einfluss ausüben. Erotik: eine von Fall zu Fall hehre oder auch verhängnisvolle Angelegenheit! Eros ist ein Meister der bewussten oder unterschwelligen Gedanken-Beeinflussung, und in einem Tempel, wo Besinnlichkeit herrschen soll, wäre Sinnlichkeit in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen schlechthin kontraproduktiv. Dem blossen Willen gelingt es jedenfalls nicht, Eros zu annullieren und ihm absoluten Einhalt zu gebieten. Er vermag es in seiner Halbgöttlichkeit, ins Unterbewusstsein von Frau und Mann einzudringen und dort ein weitgehend unübersichtliches Königreich zu errichten. Mögen ihn seine Untertanen vergöttern oder verfluchen; seine Macht blieb seit Menschengedenken unangefochten.

Diesem Phänomen unterlag vor einigen Jahren ein Schach-Grossmeister in reifen Jahren gegen eine nach ELO-Klassierung weit schwächer spielende Partnerin, der eine entscheidende Turnierpartie unrühmlich verlor. Das unverständige Kopfschütteln seiner Sekundanten quittierte er nachher mit dem aufrichtigen Geständnis, nie in der Lage gewesen zu sein, der Frau gegenüber die im Ernstkampf nötige Aggressivität zu entwickeln und seine Gedanken gehörig zu konzentrieren. So kann ein sommerliches Damen-Décoltée oder auch nur das Fluidum weiblicher Anwesenheit das Ordnen von inneren Gedankengängen eines Mannes total durcheinander bringen. Manchmal haben Frauen durch Eros mehr Macht, als sie selber wissen, und selbst in seiner sanftesten Form würde er sich bei den Männern im Freimaurer-Tempel ungünstig auswirken. Dies ist eine Tatsache.

Das Freimaurertum ist ohne Zweifel eine Lebensschule, die man mit Fug und Recht als "eigenartig" bezeichnen kann. Warum eigenartig? Nun, einerseits beziehen sich die freimaurerischen Lehren bekanntlich auf gewisse Verhaltensregeln, welche den Mitgliedern der mittelalterlichen Dom-Bauhütten bzw. der entsprechenden Handwerksgilden aus praktischen und berufsethischen Gründen auferlegt wurden. So war es denn einem Steinmetz-Gesellen verboten, etwa mit der Tochter seines Meisters - sprich Arbeitgeber - irgendwelche Beziehungen zu pflegen. Und selbstverständlich hatte er auch in bezug auf die erlernten Berufsgeheimnisse strenge Verschwiegenheit zu üben. Solche und ähnliche Verhaltensregeln erinnern noch heute an Belehrungen, die man als "moralisch" oder "biblisch" bezeichnen kann: "Du sollst ... und du sollst nicht."

Andererseits darf man sich rechtens fragen, wieso denn für derlei Bestrebungen ein eigenartiger Tempel - ein nach aussen abgeschlossener Raum oder Bezirk - vonnöten war und ist. Unser Tempel – wir nennen ihn Tempel der Humanität – bezieht sich mit Symbolen wie Sonne, Mond und Tierkreis nicht eben auf eine kleinliche Welt, sondern unübersehbar auf das ganze Universum. In solchen von der Alltagswelt isolierten Gefilden muss es um mehr gehen, als um äussere Verhaltensregeln, die sich eine Berufsgemeinschaft aus praktischen Erwägungen heraus selbst zurechtgelegt haben mochte. Kurz: Neben dem Aspekt überlieferter Moral erweisen sich die freimaurerischen Symbole und rituellen Handlungen im Verborgenen als eine Art von innerer Lebensschule, die im Stillen - durch ein gewisses Insichhinein-Horchen – eine individuelle Bewusstseins-Erweiterung zur Folge haben kann. Bewusstseins-Erweiterung, die sich von innen her durch das eigene Erleben anbahnt und die sich dann sekundär auf das Tun und Lassen, auf Wort und Tat der einzelnen Brüder auch in ihrer äusseren Umwelt auswirken mag.

Aus spiritueller Sicht wird der Tempel der Humanität also von innen nach aussen gebaut. Moral-Lehren hingegen versprechen sich, von aussen her allgemeingültig auf das Verhalten des Menschen einzuwirken. So beherbergen die freimaurerischen Lehren beides: Einerseits Moral, andererseits Symbolik in bezug auf das mögliche innere Wachstum des Menschen. Evolution also, wie sie dem "homo sapiens" unter ganz bestimmten mentalen Voraussetzungen möglich wird, egal, welcher Zivilisation, Hautfarbe oder Religion er angehört. Daher der freimaurerische Anspruch auf Universalität. Mensch ist Mensch. Die freimaurerische Idee, dass alle Menschen Brüder seien, hat nur aus esoterisch zu nennender Sicht - und nicht von der Moral her - einen tieferen und weltumspannenden Sinn.

Die freimaurerischen Tempelrituale sind in ihrem ganzen Aufbau typisch auf die männliche Psyche ausgerichtet; sowohl im äusserlichen Geschehen wie auch in der Sinnhaftigkeit. In einigen Logen z.Bsp. wird der aufzunehmende Neuling in zerrissener Hose und einem Hemd mit entblösster Brust in den Tempel geführt. Dies zum Zeichen, dass er (mental) "arm und geldlos" sei. Mit entblösster Brust... ? Im Falle der Aufnahme von Frauen wäre der Skandal vorprogrammiert. Und ob sich andererseits eine echt feminin empfindende Frau wohl fühlen würde bei unserer Aufforderung, mit Fäustling und Meissel (!) fortan den "rauen Stein" zu behauen, bzw. einen gezielten Kraftakt zu begehen, ist fraglich, jedoch symbolhaft möglich. Der "raue Stein" ist eines der Hauptmotive in unsern Lehrlingsritualen. (In einem typischen Frauen-Ritual wäre es z.Bsp. eher denkbar, die Kandidatin ein symbolisches Herz mit dem "Wasser des Lebens" begiessen zu lassen).

Dass Frau und Mann körperlich und erst recht seelisch sehr unterschiedlich beschaffen sind, ist geradezu ein gütiges Geschick. Selbst nüchterne Biologen belehren uns, dass die Natur mit der diametralen Sexualität und Wesenhaftigkeit im Programm ihrer Evolutionsbestrebungen (bei Mensch und Tier) einen Volltreffer gelandet hat.

Eine Lebensschule, wie es die Freimaurerei ist – die sich auf die Universalität des Menschen beruft, hatte eigentlich keinen Grund, nur Männer zu ihren Tempel-Ritualen zuzulassen und Frauen davon auszuschliessen. Wahr ist, dass auch Frauen zur individuellen Bewusstseins-Erweiterung befähigt sind. Die Frage ist nur, auf welchem Wege und mit welchen Mitteln, denn Frauen sind in ihrer innersten Wesenhaftigkeit anders geartet als wir Männer. Und "anders" ist hier kein Werturteil. Im Gegenteil! Frauen besitzen mit ihrer sensiblen Seele, mit ihrem angeborenen Mutter-Instinkt und mit der ihnen eigenen Intuition oft eine praktische Lebensbegabung, die uns Männern nicht von Geburt an zu Gebote steht. Rituale für Frauen hätten daher eine völlig andere Richtung und Methode zu befolgen als die typisch auf den Mann zentrierten Lehren des offiziellen Freimaurertums.

Man braucht also keine Sorgen oder böse Vermutungen aufkommen zu lassen, wenn Frauen zu gewissen freimaurerischen Anlässen keinen Eintritt erhalten.

Liebe Schwestern, umgeben Sie uns Männer auch aus der freimaurerischen bedingten Ferne jeweils mit Ihren liebevollen Gedanken bei unserer Tempel-Arbeit am harten, rauhen Stein. Bedenken Sie mit uns in Anlehnung an den Weisen Lao-Tse, dass sanftes Wasser durch ständige Bewegung mit der Zeit den beharrlichsten Stein besiegt. Das Harte unterliegt dem Sanften. Denken Sie bei diesem Gleichnis ruhig auch an die Sanftheit ihrer eigenen, fraulichen Seele. Vergessen Sie dabei nie, dass unsere Ehrerbietung und Anerkennung den Frauen - im freimaurerischem Sprachgebrauch "Schwestern" genannt – jederzeit gewiss ist.

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