Rezension: Hans-Hermann Höhmann: Das Ritual in der Humanistischen Freimaurerei

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Von der Einseitigkeit des freimaurerischen Ritualdiskurses

Und von deren Überwindung: Hans-Hermann Höhmanns Apell an die Freimaurer, ihr Ritual umfassend zu verstehen und die moderne Ritualforschung zur Kenntnis zu nehmen? Von Rudi Rabe.

Schluss mit der bloßen Symbolkunde! Stattdessen: Was bedeutet das Ritual für das freimaurerische Anliegen? – Dies ist eine der wichtigsten Botschaften dieses Buchs. Sie ist über viele Seiten zu spüren, manchmal auch manifest: Es „interessieren mich die vielen, immer wieder in Ritualunterweisungen dargestellten Details der freimaurerischen Symbolik weniger als die Bedeutung, die das Ritual als gemeinsames symbolisches Handeln für die Festigung der Logengruppe und die Herausbildung eines individuellen ‚freimaurerischen Habitus’ besitzt.“ Mit dieser Klarstellung steigt HHH schon im Vorwort beherzt in das Thema ein, wohl wissend, dass er dadurch quer liegt zu manchem, was in vielen Logen üblich ist.

Symbole sind nur Werkzeuge

Auch wenn ein Ritual ohne Symbole nicht möglich ist: Sie sind nur Werkzeuge für etwas anderes, etwas viel wichtigeres: „Das Ritual ist der spirituelle Übungs- und Erfahrungsraum der Loge.“ Gemeinsam mit Freundschaft und Ethik ist das Ritual eine der „drei konstitutiven Praxisformen der Freimaurerei“, wobei zwischen den dreien ein Gleichgewicht notwendig ist. „Wo das Gewicht zu sehr auf bloße soziale Kommunikation, auf ‚Gesellschaftsleben’ gelegt wird, droht Abgleiten in Vereinsmeierei und ‚Event-Geselligkeit’. Wo die Diskussion um Prinzipien oder gar die Suche nach Programmen im Vordergrund steht, wird aus der Loge ein menschlich steriler und bald zerstrittener Debattierklub. Wo der Akzent überwiegend auf das Ritual gesetzt wird, besteht die Gefahr, sich in eine esoterische Sekte zu verwandeln.“ Das sind Mahnungen, die der erfahrene Freimaurer wohl auch nicht aussprechen würde, wenn sie nicht da und dort notwendig wären.

In den ersten drei Vierteln des 100-Seiten-Buches geht es um die Sinnhaftigkeit des freimaurerischen Rituals und um seine Wirkung. Ebenso um die Abgrenzung zu anderen Ritualen (kein Offenbarungscharakter, keine Heilslehre, keine magische Qualität). Angereichert wird das mit einem Rückblick auf historische Ritualdiskussionen (Herder, Schröder & Co) sowie mit der Einbettung des Themas in zeitgenössisches philosophisches Denken (vor allem Odo Marquard, der 2015 verstorbene Gießener Philosoph).

Selbst wenn das Buch dann enden würde, wäre es sehr lesenswert, weil es wie alle Höhmann-Bücher jugendlich-frisch und an der Zukunft orientiert daher kommt. Ein schönes Beispiel dafür, dass dies nichts mit dem Alter zu tun hat: Hans-Hermann Höhmann war beim Erscheinen des Buches 82.

Die moderne Ritualforschung stellte andere Fragen

Aber es folgen dann noch 30 weitere gewinnbringende Seiten, die über die Ritualanalyse hinausgehen: Höhmann verknüpft sein Denken im letzten Buchteil mit der außermasonischen Ritualforschung. Diese erlebt seit einigen Jahren einen Aufschwung, der mit der Rückkehr des Rituals in allen Lebensbereichen zu tun hat, eine Folge der Beschleunigung und der Unübersichtlichkeit unserer Zeit: Rituale bieten dafür eine Kompensation.

Aber, so fragt sich HHH: Warum wird diese Forschung in der Freimaurerei kaum zur Kenntnis genommen? Der Ritualdiskurs innerhalb der Freimaurerei sei einseitig, stellt er fest. Womit wir wieder bei der Symbolkunde sind: „Im Vordergrund der gewiss nicht kleinen Zahl ritualbezogener Betrachtungen stehen ja regelmäßig die Ritualtexte sowie – und vor allem – die freimaurerischen Symbole als Zeichensysteme ... Das Ritual als kollektives Handeln, als inszenierter dramatischer Prozess mit allen seinen Auswirkungen auf das Denken, Fühlen und Handeln von Individuen und Gruppen wird dagegen kaum thematisiert.“ Genau das steht aber bei der modernen Ritualforschung im Mittelpunkt.

Als Gründe für diese Zurückgebliebenheit nennt Hans-Hermann Höhmann Desinteresse, Wissensdefizite, methodisches Unvermögen bis hin zu narzisstischen Eitelkeiten und den Vorteilen, welche dieses strukturkonservative Verhalten bei der Konkurrenz um Ämter bieten kann („symbolisches Kapital“).

Und so kommt er am Schluss zu folgendem von ihm selbst so bezeichneten Fazit: „Die Ritualforschung bietet dem freimaurerischen Ritualdiskurs spannendes Material und viele interessante Fragestellungen. Wir sollten dieses Material nutzen und unsere Ritualdiskurse ernsthaft und ohne Tabus führen. Dies schulden wir uns selbst. Dies schulden wir aber auch der uns umgebenden Öffentlichkeit mit all ihren Verständnisschwierigkeiten und Informationsdefiziten.“


Text Bucheinband: Das Ritual in der Humanistischen Freimaurerei

Funktion, Struktur, Praxis

Mit der Erörterung der Rolle des Rituals setzt Hans-Hermann Höhmann seine Studien und Vorschläge zu einer Humanistischen Freimaurerei fort. Im Rahmen dieser Konzeption ist das Ritual für ihn keineswegs die ganze Freimaurerei. Doch es ist das, was Freimaurerei von anderen Bünden unterscheidbar macht. Das Ritual besitzt keinen Offenbarungscharakter, vermittelt keine Heilslehren und hat keine magische Qualität. Es begründet keine Religion und sollte auch keine ersatzreligiösen Funktionen übernehmen. Das Ritual ist ein spezifisches Medium der Kommunikation. Es vermittelt Denkanstöße, öffnet das Bewusstsein des Maurers für ein Wahrnehmen bisher verborgen gebliebener Schichten der Persönlichkeit, lehrt durch Symbole und rituelle Handlungen und vermittelt der sozialen und diskursethischen Praxis der Loge eine die Gesamtperson des Bruders erfassende spirituelle Grundlage. Resultat ist eine Freimaurerei, die Gemeinschaft, Ethik und Ritual als Einheit umfasst. Insbesondere Gedankenwelt und Ritual stehen sich in der Humanistischen Freimaurerei nicht mehr unvermittelt gegenüber.

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