Character indelebilis
Character indelebilis
Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)
Die Aufnahme in den Freimaurerbund ist als ein Lebensbund gedacht, der nur mit dem Tode enden soll. Trotzdem steht jedem Freimaurer der Austritt aus dem Bunde wieder frei (s. Deckung). Die unzerstörbaren Eigenschaften des einmal zum Freimaurer Geweihten bleiben jedoch auch nach der Deckung gesichert, weil der Bund eine Weihe durchgeführt hat, die als solche schon des Initiationserlebnisses wegen nicht mehr zurückgezogen werden kann, aber auch weil bei der Aufnahme Einblick in die Kultgeheimnisse (s. Geheimnis) des Bundes gewährt wurde.
Der Engländer faßt dies kurz in die Worte zusammen: "Once mason, ever mason". Die Rechte des Freimaurers an die Loge erlöschen durch seinen Austritt. Dagegen erlischt nicht die Verpflichtung des Austretenden, über das ihm einmal Anvertraute auch weiterhin Schweigen zu bewahren, zumal diese Verpflichtung durch ein Gelöbnis auf Manneswort übernommen wurde.
In letzter Zeit hat es sich mehrfach ereignet, daß gedeckte Freimaurer in öffentlichen Versammlungen die Geheimnisse zumeist aus politischen, agitatorischen Gründen nicht nur preisgegeben haben, sondern auch geschmacklos genug waren, die Aufnahmezeremonien in absichtlich verzerrter Weise einem sensationslüsternen Zuhörerkreis vorzuführen. Ein derartiges Vorgehen richtet sich von selbst. Die Gründe zur Deckung können weltanschaulicher, politischer, persönlicher Natur sein. Daß ein Freimaurer, der aus solchen Motiven den Bund verläßt, späterhin als dessen sachlicher Gegner auftritt, ist moralisch unanfechtbar. Ein Beispiel hierfür war der ursprünglich freiheitliche, später klerikale Redakteur Koller in Wien. Dagegen ist es ein Zeichen moralischer Minderwertigkeit, wenn ein ausgetretener Freimaurer das Gebrauchtum des Bundes, in dessen Eigenart er im Vertrauen auf seine Redlichkeit eingeweiht wurde, durch Entstellung als Waffe gegen den Bund verwendet.