Feldloge Carmen Sylva

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Feldloge Carmen Sylva

Quelle: ADZ Online (siehe Links)


Ausführlicher wissenschaftlicher Text zum Thema erschienen in:

Josef Balazs: Carmen Sylva zur Deutschen Treue - Feldloge in Bukarest, IN: TAU, II/2014, Jahrgang 40, Zeitschrift der Forschungsloge Quatuor Coronati, Bayreuth, S. 63-85.


Humanität mitten im tobenden Krieg

In der ersten Ausgabe der „Cronica numismatic˛“ im Jahre 1920 des Informationsblattes der rumänischen numismatischen Gesellschaft in Bukarest wird eine rätselhafte Medaille vorgestellt. Der bekannte Sammler C. A. Orășeanu bekennt, dass er nicht in Erfahrung bringen konnte, wo die Medaille geprägt worden war. Merkwürdig ist, dass es sich dabei um die Darstellung der verstorbenen Königin Elisabeth handelt. Die Medaille wurde von einer deutschen Freimaurerloge aus dem Jahre 1917 in Rumänien als Bijou verwendet.

2018 erinnerte sich die Welt an das Ende des Ersten Weltkrieges 1918. Mit dem Ende begann für Europa eine neue Lebensstufe, ein Abschied von alten Strukturen und gleichzeitig ein Neubeginn. Über die Grausamkeiten dieses Krieges wurde ausreichend berichtet. Waren aber nicht auch Lichtmomente, Orte des Friedens, der Humanität, mitten im tobenden Krieg? Eine bronzene Medaille, geprägt für die deutsche Feldloge „Carmen Sylva“ in Bukarest, erzählt eine seltsame Geschichte, die der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt war. Alles begann mit der Initiative eines rührigen Mannes. Kurze Zeit nach dem Eintritt Rumäniens auf Seite der Entente in den Krieg wurde Bukarest Anfang Dezember 1916 von deutschen Truppen besetzt. Mit den Besatzungstruppen war Ende Januar 1917 auch Leutnant Johannes Tiedje nach Bukarest gekommen. Seine Aufgabe war innerhalb der Festung Bukarest die Einrichtung und Leitung der Flüchtlingsfürsorge.

Wer war dieser Mann? Von 1910 bis 1915 war er Pfarrer in Königsberg in Preußen und aktiver Freimaurer. Tiedje veröffentlichte kurz vor dem Krieg zwei wichtige freimaurerische Publikationen. „Die öffentliche Mission der Freimaurerei“, so der Titel eines seiner Bücher, lag ihm sicherlich so am Herzen, dass er in Bukarest, mitten im Krieg, die positive Wirkung der Freimaurerei nicht missen wollte und gleich die Initiative ergriff. So suchte Johannes Tiedje umgehend Kontakt zu den Freimaurern in Bukarest.

In der Hauptstadt Rumäniens fand seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine vielgestaltige und vielfältige freimaurerische Tätigkeit statt. Unter den späteren Logengründungen waren auch zwei deutsche Logen: die Freimaurerlogen „Zur Brüderlichkeit“ und „Sapientia“. Die Mitglieder beider Logen gehörten verschiedenen Nationalitäten an: So gab es neben den Deutschen aus Rumänien auch solche aus Deutschland, Österreicher, rumänische Juden, Holländer und Schweizer. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde jedoch die Tätigkeit der Bukarester deutschen Logen eingestellt. Die Situation, in der sich Leutnant Tiedje befand, war nicht nur delikat, sie war höchst gefährlich für beide Seiten. Tiedje durfte als Soldat kaum private Beziehungen zu zivilen Personen im Feindesland unterhalten. Trotzdem tat er das, weil er sich auf das Wohlwollen seiner Vorgesetzten verlassen konnte. Eine erste private Begegnung fand am 10. Februar 1917 mit Brüdern beider deutschen Logen aus Bukarest statt. Tiedje traf auf freundliche, für eine Zusammenarbeit bereitwillige Freimaurer-Brüder. Es wurde die Modalität einer „offiziellen“ freimaurerischen Zusammenarbeit eruiert. So einfach war die freimaurerische Arbeit in Zeiten des Krieges jedoch nicht. Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte hat in seiner „Philosophie der Maurerei“ 1802 den Zusammenhang zwischen Vaterlandsliebe und Weltbürgersinn für den Freimaurer beschrieben. Nun aber, in der Zeit des Krieges, befand sich der Freimaurer in einem Dilemma.

Auf der einen Seite die Vaterlandsliebe, die ihn ermunterte und gleichzeitig verpflichtete, für sein Vaterland aktiv mit der Waffe in der Hand zu kämpfen. Gleichzeitig sollte der Freimaurer auch Weltbürger sein. Das steht wieder-um im Widerspruch zum bewaffneten Einsatz für sein Vaterland. In diesem Dilemma, das für den einzelnen kaum lösbar war, befanden sich die Freimaurer Europas am Anfang des Ersten Weltkrieges. Seit dem 18. Jahrhundert wurden in Kriegszeiten von kämpfenden Freimaurern immer wieder Feldlogen errichtet. In den Statuten der Großlogen in Deutschland war genau festgelegt, dass „in Kriegszeiten Feldlogen für die Dauer des jedesmaligen Krieges gestiftet werden können“. In diesem Sinne wurde auch in Bukarest gehandelt. Im „Bukarester Tagblatt“ vom 16. Februar 1917 erscheint eine kurze „aufklärende Notiz über die beabsichtigte Gründung einer deutschen Feldloge für Feldgraue“. Die in Bukarest „anwesenden feldgrauen Brüder Freimaurer“ wurden zum Beitritt eingeladen.Auf diese doch merkwürdige Annonce haben sich 22 Freimaurer-Soldaten gemeldet. In den Logenräumen in der Lipscani-Straße trafen sich von nun an jeden Mittwoch die Freimaurer-Soldaten mit den zivilen Freimaurer-Brüdern aus Bukarest und bereiteten zusammen die Gründung der neuen Loge vor – einer Feldloge.

Nach altem Brauch musste eine neue Freimaurer-Loge durch eine Großloge „in Arbeit gesetzt“ werden. Um die Regularität der neuen Loge zu erreichen, wandte sich Johannes Tiedje an die Große Landesloge aus Deutschland. Diese hatte die Schirmherrschaft übernommen und gleichzeitig auch einen überraschenden Namen für die Bukarester Loge vorgeschlagen: „Carmen Sylva“. Die damals vor Kurzem verstorbene Königin Elisabeth war in ganz Europa unter ihrem Dichternamen Carmen Sylva bekannt. Einer Umfrage des „Berliner Tageblattes“ aus dem Jahre 1905 zufolge, zählte Carmen Sylva zu den fünf bedeutendsten Frauen ihrer Zeit. Sie kam 1843 als Prinzessin Elisabeth in Neuwied auf die Welt und heiratete 1869 Fürst Karl von Rumänien, den späteren König Karl I. Sie schrieb Verse und Märchen und übersetzte die großen rumänischen Volksballaden ins Deutsche. Durch die Publikation ihrer Bücher trug sie dazu bei, dass die rumänische Volkspoesie in ganz Europa bekannt wurde. Die Auflagen ihrer Bücher waren groß. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass man den Namen der dichtenden Königin Carmen Sylva als Logenname vorschlug.

Am 25. April 1917 fand die feierliche Installation der neuen Loge statt. Der absolute maurerische Höhepunkt findet im Juni 1917 statt, als der „mohammedanische Theologe und Kais. Ottomanische Leutnant Saib Memun“ als Freimaurer aufgenommen wurde. Neben den rituellen Arbeiten, die nur für die Freimaurer-Brüder ausgerichtet waren, fanden in der Bukarester Loge viele kulturelle Veranstaltungen, die auch von Damen besucht wurden, statt. Es wurden zahlreiche Vorträge gehalten, darunter „Goethe und die Religion“, „Goethe und Lilly Schönemann“ oder „Lessing und die Freimaurerei“.

Die plötzlich sich überstürzenden Ereignisse in Rumänien im Spätherbst 1918 machten den Entschluss nötig, die Feldloge „zu decken“. Am 6. November 1918 findet die Schlussfeier statt. In den eineinhalb Jahren ihrer Tätigkeit hatte die Loge insgesamt 127 Mitglieder.

Und nun zur rätselhaften Medaille, die der berühmte rumänische Numismatiker 1920 nicht einordnen konnte. Es handelt sich dabei um das Bijou der Bukarester Feldloge. Es wurde in einer größeren Anzahl gefertigt und auch Sammlern angeboten. Im „Bayreuther Bundesblatt“ wurde eine entsprechende Anzeige geschaltet. Obwohl man annehmen kann, dass relativ viele Sammler dieses Feldlogenbijou erworben haben, wird dieses Sammlerobjekt bei Auktionen trotzdem als „sehr selten“ bezeichnet. Das Bijou ist rund und aus Bronze hergestellt. Als kreisrunde Umschrift wählte man Ort und Gründungsdatum der Loge: FELDLOGE-BUKAREST + GEGR. 25. APRIL 1917 +. Das Revers stellt das Porträt der Königin Carmen Sylva dar. Als Bildnis der Königin wurde ein bekanntes und weit verbreitetes Porträt-Foto, das auf zeitgenössischen Postkarten erhältlich war, gewählt, und Carmen Sylva im reifen Alter darstellt.

Mitten im Krieg, hinter der Front, schufen sich die Soldaten Orte des Friedens. Die Feldlogen kann man als „Orte des Friedens“ inmitten eines tobenden Krieges ansehen. Durch die Aura der Freimaurerei konnten in der kurzen Zeitspanne während der Existenz der Feldloge „Carmen Sylva“ in Bukarest alle gesellschaftlichen, nationalen, ethnischen Schranken außer Kraft gesetzt und inmitten eines grausamen Krieges freundschaftliche Beziehungen zwischen Menschen in Uniform und Menschen ohne Uniform, die gleiche und auch verschiedene Sprachen sprachen, intensiv gepflegt werden. Ein beredtes Beispiel von Humanität am „Tanzplatz des Todes“.

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