Hans-Hermann Höhmann: Freimaurerei - Zur neueren Geschichte

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Zur neueren Geschichte der Freimaurerei in Deutschland

Europas verlorener Friede, die nationalvölkische Orientierung innerhalb der deutschen Freimaurerei und die »freimaurerische Erinnerungspolitik« nach dem Zweiten Weltkrieg

Hans-Hermann Höhmann
Freimaurerei
Analysen, Überlegungen, Perspektiven

mit freundlicher Genehmigung des Verlags Edition Temmen

1. Weltbürger und Patrioten

Dass der Friede in Europa und der Welt insgesamt zwischen 1870 und 1945 in drei sich an Brutalität und Zerstörungswirkung steigernden Kriegen so gründlich verloren gegangen war, hat die Freimaurer in Handeln, Argumentieren und Reflektieren immer wieder intensiv beschäftigt. Denn die Friedensproblematik war von Anfang an Bestandteil ihrer eigenen Entwicklung. Freimaurer – so lehrten es die Alten Pflichten – als Männer »von allen Nationen, Zungen, Geschlechtern und Sprachen« sollten sich zwar aus politischen Streitigkeiten, insbesondere aus internationalen Konflikten heraushalten. Aber sowohl ihre Utopien als auch die Arten und Formen ihrer Einbettung in konkrete gesellschaftliche Verhältnisse und Entwicklungsprozesse von Nationen ließen sie bald (erst auf indirekte, dann immer mehr auf direkte Weise) politisch aktiv werden.

Ihrer Utopie nach waren die Freimaurer kosmopolitisch eingestellt. Sie verstanden sich als Weltbund der Brüderlichkeit, als »moralische Internationale« (Reinhart Koselleck). Dies gilt mit unterschiedlicher Akzentuierung für alle frühen Ausprägungen der Freimaurerei. Die ersten deutschen Freimaurer waren anglophil und frankophon, und auch im »klassischen Freimaurerdiskurs«1 der deutschen Spätaufklärung stehen kosmopolitische Anschauungen im Vordergrund: »Der Freimaurer als solcher ist als Bürger ein Weltbürger« rief Christoph Martin Wieland in seinem Vortrag »Über das Fortleben im Andenken der Nachwelt« seinen Brüdern in Weimar zu.2 Lessing wünschte sich in seiner Schrift »Ernst und Falk. Gespräche für Freimäurer«, dass es in jedem Land Männer gäbe, »die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären und genau wüssten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhöret«.3 »Ehrwürdig in der größten aller Gesellschaften, der Welt« leitet den wahren Maurer »der Wunsch, der Welt tugendhafte Bürger zu erziehen «, hieß es in einer Logenrede des Berliner Freimaurers Christian Karl Süßmilch.4 Karl Christian Friedrich Krause veröffentlichte 1814 nach dem Sieg über Napoleon eine Reihe von Aufsätzen, die danach auch zusammengefasst unter dem programmatischen Titel »Entwurf eines europäischen Staatenbundes als Basis des allgemeinen Friedens« veröffentlicht wurden. Die diesbezüglichen Wirkungsmöglichkeiten der Freimaurerei hatte Krause schon einige Jahre zuvor umrissen: »Sofern die Freimaurerbrüderschaft ihrem in ihrer eigenen Geschichte deutlich ausgesprochenen wesentlichen Begriffe gemäß ist, erkenne ich sie in ihrer Grundlage und ihrem reinen Geiste nach für einen nach Zeiten und Orten beschränkten und bis jetzt bewußtlosen, dennoch aber für den bis jetzt einzig bestehenden geselligen Versuch an, die Ideen der Menschheit, des Menschheitslebens und des Menschheitsbundes zur Anschauung zu bringen, in rein menschlichem Geiste zu leben und den offenen Menschheitsbund in abgesonderten Hallen von Vernunftinstinkt geleitet vorzubereiten.«5

Die Rhetorik dieser kosmopolitischen Ausrichtung der deutschen Freimaurerei hielt – wenn auch nicht ohne Unterbrechungen und Einschränkungen – bis in die Jahre vor dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, ja teilweise noch darüber hinaus, an.

»Nicht enge Grenzen sind’s. O, nein! / Die ganze Erde soll es sein«,

so hieß es 1866 in einer freimaurerischen, den Nationalismus des Originals überwindenden Umdichtung des Vaterlandlieds von Ernst Moritz Arndt »Was ist des deutschen Vaterland?«.6 Unter »Entwicklung zur Humanität« verstand noch 1889 ein Autor des »Bundesblattes« der Großen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« »die Entwickelung des einzelnen Menschen, des Volkes und der Menschheit zur möglichsten Vollkommenheit«, und er folgerte daraus: »Auf diese Weise sind wir Brüder der Sauerteig, der die Menschenseelen aller Völker und aller Religionen durchdringt, nicht um diese zu zerstören, sondern zu veredeln; nicht um etwas ihnen Fremdes hineinzutragen und so sie äusserlich zu einförmiger Gestaltung zu zwingen, sondern um sie geistig und sittlich zu befreien, indem wir das Wesen derselben zu vertiefen suchen.«7

In der Realität freilich identifizierten sich die deutschen – wie generell die europäischen – Freimaurer mehr und mehr mit den Strukturen und Interessen des sich im 19. Jahrhundert entwickelnden und etablierenden bürgerlichen Nationalstaats. Auch dieser Nationalstaat hatte etwas mit der freimaurerischen Utopie zu tun. Denn er bot die organisatorische Klammer und das motivierende Pathos für die Umsetzung von Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit, woraus sich ja auch die Beteiligung vieler Freimaurer an der europäischen Demokratie- und Parlamentsgeschichte erklärt.8

Doch als sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Spannungen zwischen den europäischen Nationalstaaten verschärften, als es 1864, 1866 und 1870/71 gar zu Kriegen kam, an denen Freimaurer – ihrer sozialen Stellung nach – oft in Offiziersrängen beteiligt waren, nahm der Grad der Identifizierung mit dem Nationalstaat auch im Sinne einer sich von anderen Nationen abgrenzenden, ja diesen gegenüber aggressiven Einstellung beträchtlich zu.

Wiederum ins Poetische gewendet, hieß es jetzt:

»Als letztes Ziel der Weltenbund / der Brüder auf dem Erdenrund,
doch jetzt schon als des Maurers Band / die Liebe zu dem Vaterland.«
9

Die deutschen Freimaurer verstanden sich dabei als Bewahrer einer ihnen wohl vertrauten konzeptionellen Tradition. Hatte doch bereits Fichte für den deutschen Freimaurer am Beginn des 19. Jahrhunderts auf prägnante, über die folgenden Jahrzehnte hinweg in vielen Logenreden zitierte Weise festgestellt: »Vaterlandsliebe ist seine Tat, Weltbürgersinn sein Gedanke. « Dass bei diesen Zitierungen der ursprüngliche Sinn gelegentlich verkürzt wurde – so zum Beispiel, wenn es hieß »Weltbürgersinn ist zwar sein Gedanke, doch Vaterlandsliebe seine Tat« –, zeigt der volle Text Fichtes, in dem es vom Freimaurer heißt: »In seinem Gemüte sind Vaterlandsliebe und Weltbürgersinn innigst vereinigt; und zwar stehen beide in einem bestimmten Verhältnis. Vaterlandsliebe ist seine Tat, Weltbürgersinn ist sein Gedanke; die erstere die Erscheinung, die zweite der innere Geist dieser Erscheinung, das Unsichtbare in dem Sichtbaren (kursiv im Original).«10

Bekenntnisse zu Nation und Welt, patriotische und kosmopolische Einstellungen blieben – wie Stefan Ludwig Hoffmann in seinem schönen Buch über die Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft hervorgehoben hat – auch im weiteren Verlauf des 19. und im frühen 20. Jahrhundert bestehen. Die Gewichte auf dem Spannungsbogen zwischen »Vaterland« und »Weltenbund« verschoben sich jedoch immer mehr ins Nationale, wobei zunehmend die Auffassung vertreten wurde, gerade das als für das eigene Vaterland typisch Erachtete sei Inbegriff einer übernational anzustrebenden zukünftigen Humanität.

So sahen deutsche und französische Freimaurer auch nach 1871 ihre jeweils eigene Nation als »Vaterland der Menschheit«. Hoffmann hat hierzu eindrucksvolle Belege aufbereitet.11 So zitiert er eine französische Logenrede aus dem Jahr 1889, in der es hieß, dass es Frankreichs Aufgabe gewesen sei, für die Welt die Idee des Menschheitsfortschritts zu entwickeln und »dass Frankreich zu lieben, ihm zu dienen, und, falls nötig, dafür zu sterben bedeute, die Menschheit zu lieben, ihr zu dienen und für sie zu sterben«. Denselben Inbegriff des Menschheitsfortschritts beanspruchten deutsche Freimaurer ihrerseits für die deutsche Nation:

»Der Menschheit wird durch dich zu Theil / dereinst der wahren Freiheit Heil!«

Mit solchen Versen ließ sich im Jahre 1880 der Leipziger Freimaurer Oswald Marbach auf einer Festveranstaltung der Loge »Balduin zur Linde« vernehmen, womit er den Grundgedanken aufnahm, den Emmanuel Geibel zwei Jahrzehnte zuvor in seinem Gedicht »Deutschlands Beruf« in die fatalen Verse gefasst hatte:

»Und es mag am deutschen Wesen / einmal noch die Welt genesen.«12

Hoffmann gibt auch beredte Beispiele dafür, wie jede Seite der anderen einen überspannten Nationalismus vorwarf, wie er für Freimaurer, die doch Weltbürger sein wollten, zutiefst unwürdig sei. Diejenige Nation sei hingegen die gebildetste – so zitiert er einen deutschen Freimaurer –, »welche neben der entschiedensten Ausprägung ihres eigenen Charakters und der höchsten Entwickelung ihrer eigenen Kräfte am meisten Elemente fremder Nationen in sich aufgenommen und derart in sich verarbeitet habe, dass diese fremden Elemente selbsteigenes und eigenthümliches Element dieser Nation werden«.13 In dieser Lage sei aber allein die deutsche Nation. Ein anderer Freimaurer meinte analog: »Im Großen und Ganzen hat die deutsche Nation, wie es die vergleichende Geschichte nachweist, sich stets human vor allen anderen gezeigt. Frei von jener systematischen Grausamkeit, welcher sich z.B. die Spanier in Amerika gegen die Eingeborenen, zu Haus vorher gegen die Mauren und ›Ketzer‹, die Engländer in Irland, die Franzosen gegen die Hugenotten schuldig gemacht, ist im Charakter der Deutschen ein starker Zug von Gerechtigkeitsgefühl vorhanden, das sie drängt, den Standpunkt der Gleichberechtigung zu bewahren und gerecht, wie gegen sich, so gegen andere zu sein. In dieser Eigenschaft des Volkscharakters ist die civilisatorische Aufgabe der Deutschen vorzugsweise begründet, welche sie, ausser unter sich, auch als Individuen in fremden Ländern, so wie als Volk im Völkerleben erfüllen.«14 Ein »engherziger, fanatischer Nationalhaß« sei hingegen – so das »Bundesblatt« der GNM 3WK in einem anderen Beitrag – dem französischen Volk, insbesondere den dortigen Freimaurern eigen.15

Das Fatale an der in Europa vor dem Ersten Weltkrieg weit verbreiteten Sichtweise, die eigene Nation als Inbegriff einer weltweit zu verwirklichenden Humanität aufzufassen, liegt nun insbesondere darin, dass der Begriff einer übergeordneten Humanität als kritischer Maßstab für das eigene nationale Handeln außer Kraft gesetzt worden war. War das Nationale identisch mit dem Humanen, so war vom Humanen her das Nationale nicht mehr kritisierbar und korrigierbar. Im Gegenteil: Im faktischen Wahrnehmen und ideologischen Rechtfertigen nationaler Interessen erfüllte sich geradezu die weltbürgerliche Mission der Freimaurerei.

2. Den Frieden retten: Pazifistische Aktionen europäischer Freimaurer

Bei dieser Ausgangslage hinsichtlich der politischen Einstellungen und ideologischen Grundmuster der Freimaurer als Teil der bürgerlichen Eliten in Europa – und insbesondere in Deutschland und Frankreich – könnte nun gleich geschlossen werden, dass die Freimaurer Europas seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer und insgesamt kräftig daran mitwirkten, dass der europäische Friede verloren ging.

So einseitig darf freilich nicht gewertet werden, und es müssen auch die pazifistischen Tendenzen und Aktivitäten, die von der Freimaurerei bzw. von Freimaurergruppen und einzelnen Freimaurern ausgingen, in die Betrachtung einbezogen werden, gab es doch innerhalb der Geschichte der europäischen Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert Phasen mit stärkerer Friedensorientierung, die durchaus auch in Deutschland Resonanz fanden. Die Leipziger Freimaurer um Clemens Thieme etwa, anstoßgebend und umsetzend beteiligt an Bau und Ausführung des Völkerschlachtdenkmals, wollten – auch dies wird von Hoffmann überzeugend dargelegt16 – für das Jubiläumsjahr 1913 eher einen Ort der Erinnerung und ernster Anmahnung von Frieden schaffen als ein Fanal nationalen Überschwangs, weshalb sich der fast schon depressive Charakter des Denkmals ja auch deutlich von der in Stein gehauenen aggressiven Euphorie anderer deutscher Denkmale abhebt wie dem Hermannsdenkmal, dem Kyffhäuserdenkmal oder der über den Rhein hinüber nach Frankreich drohenden Germania im Niederwald.

Es gab – insbesondere bei den »humanitären« und reformistischen deutschen Großlogen (Letztere repräsentiert durch den »Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne« und, ab 1930, die »Symbolische Großloge von Deutschland«) – Friedensinitiativen, und es gab das friedens- und freiheitsorientierte Wirken einzelner Freimaurer, deren Zahl weit größer ist als die Zahl der von mir jetzt genannten Beispiele: Gustav Stresemann (der es freilich infolgedessen in seiner altpreußischen Großloge, der Großen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln«, nicht leicht hatte17), Wilhelm Leuschner und Carl von Ossietzky. Manchmal standen sich Repräsentanten nationalistischer und pazifistischer Positionen im selben Beruf und am gleichen Ort oppositionell gegenüber, wie der Bremer Historiker Marcus Meyer am Beispiel der beiden Bremer Pastoren Otto Hartwich (»Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland«) und Emil Felden (»Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne «) anschaulich beschreibt.18 Im Gegensatz zur pazifistischen Einstellung der »Großloge von Wien« war nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland allerdings ein Trend vorherrschend, der die Freimaurerei immer stärker mit den Hauptlinien nationalistischer Politik und teilweise auch mit Elementen völkischer Ideologie identifizierte, ja, der Freimaurerei eine tonangebende und führende Rolle dabei zuschrieb. Helmut Neuberger hat diese Entwicklung in seinem Buch »Freimaurerei und Nationalsozialismus« zutreffend beschrieben:

»Je mehr die Vertreter des extremen Nationalismus an politischem Einfluss gewannen, desto krampfhafter versuchten die deutschen Großlogen aller Lehrarten, ihre nationale Gesinnung unter Beweis zu stellen.«19

Eine pazifistische, auf Versöhnung und internationale Kooperation angelegte Haltung vertraten als Großlogen nur die als »irregulär« erachteten Reformgroßlogen »[[Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne]]« (FzaS) und »Symbolische Großloge von Deutschland«. Auch letztere – 1930 gegründet – ließ von Anfang an keinen Zweifel an ihrer prinzipiell pazifistischen Einstellung: So betonte ihr Großmeister, Dr. Leo Müffelmann, in der ersten Nummer der Großlogenzeitschrift, die programmatisch den Namen »Die alten Pflichten« trug, »Internationale Zusammenarbeit in der allgemeinen Weltenkette, Bruderliebe aller Freimaurer der ganzen Welt« als »Wesensinhalt moderner Freimaurerei«.20 Doch hob sich die Einstellung des FzaS nicht nur aufgrund der längeren Tradition der Großloge, sondern auch wegen der besonders konsequenten pazifistischen Orientierung, des hohen Niveaus freimaurerischer Veröffentlichungen sowie der Einbettung ihrer Einstellung zu internationalen Fragen in ein politisch-gesellschaftliches Gesamtkonzept, das an einem linken, sozialen Liberalismus orientiert war, in besonderem Maße klar und fortschrittlich hervor. Charakteristisch für die weltanschaulich-politische Orientierung innerhalb des FzaS dürfte Dr. Rudolph Penzig gewesen sein, der von 1919 bis 1926 Großmeister war und seit 1903 zum linken Flügel der Fortschrittspartei, ab 1917 zur SPD gehörte. Penzig war in Berlin-Charlottenburg Stadtrat und von Beruf Moralpädagoge. Er wirkte u.a. leitend im Bruno-Bund, in der Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur, im Deutschen Bund für weltliche Schule und Moralunterricht und im Vorstand des Bundes freireligiöser Gemeinden.21

Inhalt und Stimmung friedensorientierter Kundgebungen des FzaS lassen sich an einer öffentlichen Veranstaltung exemplifizieren, die im Rahmen des Großlogentages 1928 in Stuttgart stattfand. Beteiligt waren Vertreter beider mit dem FzaS befreundeten französischen Obedienzen, des Grand Orient de France und der Grande Loge de France. In der Stadt waren Anschläge folgenden Inhalts angebracht: Öffentliche Kundgebung für die Verständigung der deutschen und französischen Völker: Sind sie Erbfeinde oder Brüder? – Französische Redner: Major Gaston Moch, Charles Bernardin, Jean Dohm. Deutsche Redner: General Günther von Bresler, Major Franz Carl Endres, Fr. W. Wagner. Das Mitteilungsblatt der Grande Loge de France berichtete über die Veranstaltung. Ein Auszug daraus vermittelt einen lebendigen Eindruck von Tendenz und zeitgeschichtlichem Kolorit:

»Die Veranstaltung wurde durch ein Gedicht von Br. Endres, das von Herrn Elwenspoek vorgetragen wurde, eröffnet. Die Ansprachen waren durch verschiedene Gesänge, die von dem Chor wundervoll vorgetragen wurden, umrahmt. Die Ansprachen der Brr. Bernardin und Dohm wurden durch Br. Schoettke, Saarbrücken, übersetzt, während Br. Moch deutsch sprach. Der Empfang der französischen Redner durch das Publikum war absolut begeistert. Eine einzige Unterbrechung ereignete sich, sie war aber nicht an die französischen Redner gerichtet, sondern galt dem deutschen General von Bresler. Sie war hervorgerufen durch zwei junge Mitglieder der nationalistischen Hitler-Organisation, die sehr ruhig aufgefordert wurden, sich zurückzuziehen. Nach Schluß stimmten ca. 2 Dutzend Mitglieder dieser Organisation, die sich auf dem Platz vor dem Gebäude eingestellt hatten, chauvinistische Gesänge an, die Polizei hat sie sehr schnell zerstreut.«22

Insgesamt ist wohl festzustellen, dass Friedensbemühungen, insbesondere Bemühungen um Annäherungen im deutsch-französischen Verhältnis, trotz der Ausnahmestellung des FzaS und (später) der Symbolischen Großloge mehr von französischer als von deutscher Seite ausgingen. Sie fanden nur beim humanitären und Reformflügel der deutschen Freimaurerei Resonanz und stießen beim innerhalb des Bundes dominierenden Sektor der altpreußischen Großlogen23 weitgehend auf Ablehnung.

Als Beispiele für pazifistische Bemühungen sind insbesondere die »Freimaurerischen Manifestationen«24, die auf Initiative prominenter kontinentaleuropäischer Freimaurer zwischen 1907 und 1913 jährlich in einer anderen europäischen Stadt stattfanden, um für Weltfrieden und Weltbrüderlichkeit, insbesondere aber für die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich zu »manifestieren«. Für den Sommer 1914 war eine Manifestation in Frankfurt/Main vorgesehen, die wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht stattfinden konnte. Die erste Nachkriegsmanifestation auf alter Grundlage fand im August 1925 in Basel statt. In der Folgezeit wurden übernationale freimaurerische Kongresse mit pazifistischem Programm von der Allgemeinen (Universellen) Freimaurerliga veranstaltet, einer auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg (1909/1913) zurückgehenden, aus der Esperanto- Bewegung hervorgegangenen Vereinigung von pazifistisch eingestellten, an Völkerverbindung interessierten Einzelmitgliedern regulärer Großlogen vieler Länder – parallel zu den »Manifestationen«, die von einem neuen, vom Grand Orient und der Grande Loge de France gemeinsam mit dem FzaS gebildeten Komitee mit Veranstaltungen in Verdun (1928), Mannheim (1929), Besançon (1939) und Freiburg (1932) durchgeführt wurden.25

Hervorzuheben sind weiter die Aktivitäten der Association Maçonnique Internationale (A.M.I.)26, einer internationalen masonischen Vereinigung von Großlogen mit dem Sitz in Genf, die 1921 auf Initiative der Schweizerischen Großloge »Alpina« gegründet wurde und bis 1932 eine Reihe von Konventen durchführte, auf denen neben allgemeinen Fragen zu Struktur und Aufgaben der Freimaurerei auch Menschenrechts- und Friedensfragen erörtert wurden. Die A.M.I. war in ihrer Wirkung von Anfang an dadurch begrenzt, dass die englische und nordamerikanische Freimaurerei (mit Ausnahme der Großloge von New York) nicht daran teilnahmen. Insbesondere die Vereinigte Großloge von England (UGLoE) befürchtete, dass sich die Einigungsbemühungen der kontinentalen Großlogen gegen die Aufrechterhaltung der traditionellen Regularitätslandmarken (»belief in a supreme being, renouncement of the political, and exclusion of women«) auswirken könnten, und bemühte sich, vor allem auf Initiative des langjährigen Präsidenten des Board of General Purposes der UGLoE, Sir Alfred Robbins, um die Etablierung einer »Masonic League of Nations«, deren Ziel es war, die »English-speaking Masonry« gegenüber der kontinentaleuropäischen Freimaurerei (im damaligen englischen Sprachgebrauch »Latin Masonry«) abzugrenzen, die im Verdacht stand, Prinzipien der Regularität in Frage zu stellen.27 Doch auch gegenüber der »altpreußischen« Freimaurerei gab es seitens der »English-speaking Masonry « Mitte der 1920er Jahre prinzipielle Abgrenzungen. So heißt es etwa als Erläuterung zur ersten der Alten Pflichten (Concerning God and Religion) im Masonic Text Book der Grandlodge of Maine im Anschluss an eine Zurückweisung der rituellen Eliminierung des Großen Baumeisters aller Welten durch den Grand Orient de France:

»Attempts have also been made in the opposite direction. In Prussia, Isrealites have bee excluded. This is equally a violation of the landmark: while a belief in the Fatherhood of God and the Brotherhood of Man is absolutely essential, any additional reqirements are innovations.«28

Im Kontext des englischen Abgrenzungsverhaltens gegenüber der A.M.I. ist auch darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe der Basic Principles of Grandlodge Recognition seitens der UGLoE durch das Board of General Purposes unter der Leitung von Alfred Robbins am 4. September 1929 erfolgte.

Die erste offizielle Zusammenkunft zwischen »regulären« deutschen und französischen Freimaurern fand am 27. Februar 1927 in Frankfurt/Main statt.29 Angeregt wurde die »Frankfurter Begegnung« von zwei führenden französischen Freimaurern, Senator Brenier, dem Präsidenten des Ordensrats des Grand Orient de France, und Maurice Monier, dem Großmeister der Grande Loge de France, die sich im Januar 1927 mit gleichlautenden Schreiben an den Großmeister der Großen Mutterloge des Ekklektischen Freimaurerbundes, Ludwig Ries, wandten und diesem eine Zusammenkunft zwecks Erörterung der Möglichkeiten einer Aussöhnung zwischen den deutschen und französischen Freimaurern vorschlugen. Ries akzeptierte, informierte die übrigen deutschen Großmeister über das vorgesehene Treffen und stellte ihnen bzw. von ihnen benannten Vertretern eine Teilnahme anheim. Eine solche Mitwirkung kam jedoch nicht zustande. Der altpreußische Großmeisterverein lehnte eine Beteiligung ab, u.a. mit der Begründung, Verhandlungen mit französischen Freimaurern seien nicht möglich, »solange Deutschland nicht frei ist von der ihm zu Unrecht aufgebürdeten Last, die Schuld am Weltkrieg zu tragen, und solange noch Teile des deutschen Reiches unter dem Druck fremder Besatzung stehen«. So führten die Vertreter des Eklektischen Bundes das Gespräch allein und sprachen die zwischen Deutschland und Frankreich bestehenden Spannungen offen an. Die französischen Vertreter zeigten ein begrenztes Entgegenkommen. Wirkliche Ergebnisse konnten aufgrund des Schwergewichts der Probleme und der auf beiden Seiten unzureichenden Autorisierung der Gesprächspartner jedoch nicht erreicht werden. Immerhin bestätigte auch die Frankfurter Begegnung von 1927, dass das »Rapprochement franco-allemand« aus freimaurerischer Sicht mehr ein Anliegen der französischen als der deutschen Freimaurer gewesen ist.

3. Deutsch-nationale Radikalisierung mit »völkischen« Elementen

Die nachfolgenden Feststellungen bedürfen einer Vorbemerkung. Sie implizieren für einen großen Teil der deutschen Freimaurerei, insbesondere die »altpreußische«, erhebliche Abweichungen von dem, was durch die Geschichte der Freimaurerei hindurch das freimaurische Ideal der Weltoffenheit und Toleranz genannt worden ist. Diese Abweichungen müssen im Rahmen einer Geschichte – einer »ganzen« Geschichte – der deutschen Freimaurerei im 20. Jahrhundert sichtbar gemacht werden. Dabei sind Fakten quellenmäßig zu belegen, Aussagen haben sich um Objektivität zu bemühen, Differenzierungen sind vorzunehmen. Die Objektivität des Betrachters und sein Bemühen um ein »Verständnis aus der Zeit heraus « verlangt allerdings keineswegs den Verzicht auf moralisch begründete Urteile über das Gewesene.30 Gewiss gilt für den Betrachter immer ein »Ich weiß nicht, wie ich mich in der damaligen Situation verhalten hätte«. Doch derartige Überlegungen sollten verhaltenskritischen historischen Reflexionen nicht im Wege stehen. Einmal bedeutet, nicht zu wissen, wie man sich selbst verhalten hätte, keineswegs, dass man nicht wüsste, wie man sich hätte verhalten sollen. Zum anderen haben sich andere Teile der deutschen Gesellschaft und auch der deutschen Freimaurerei anders, nämlich ablehnend gegenüber aggressiven, judenfeindlichen und zuletzt völkischen sowie nazistischen Strömungen verhalten. Und schließlich zeigen auch die Beispiele einer Reihe anderer, ebenfalls von Kriegsfolgen und Weltwirtschaftkrise betroffenen europäischen Länder, dass Krisenüberwindung ohne Verzicht auf Demokratie, gesellschaftlichen Pluralismus und Friedensorientierung möglich war und wohl auch in Deutschland möglich gewesen wäre, wenn das deutsche Bürgertum über Kraft und Konzeptionen verfügt hätte, dies wirklich zu wollen.

Die Gründe für die verbreitete Abwehrhaltung gegenüber friedens- und versöhnungspolitischen Aktivitäten innerhalb der deutschen Freimaurerei sind leicht zu identifizieren. Sie hängen zunächst und vor allem mit dem Ausgang des Ersten Weltkriegs zusammen, der von der Mehrheit der deutschen Freimaurer – wie von der Mehrheit des deutschen Bürgertums insgesamt – als nationale Schande empfunden wurde, wobei für das Gefühl von Verletzung und Schmerz freimaurerseits zuweilen auch sehr übersteigerte Formulierungen gewählt wurden. So beschloss Ernst Horneffer seine nach Kriegsende publizierte Schrift »Erkenntnis. Die Tragödie des deutschen Volkes« mit folgendem Aufschrei:

»Wir haben das Recht und die Pflicht, diesen Ausgang des Weltkrieges als Unsinn, Wahnsinn, als gänzliche Umkehrung aller natürlichen, gerechten, heilbringenden Ordnung Europas aufzufassen, als Fälschung der Weltgeschichte. Auf ein derartiges ungeheures Geschehen aber, das uns um unsere Berufung und Bestimmung, um unser idealstes Recht, das Recht unseres Seins und Lebens betrogen hat, können wir nicht nur mit der Erkenntnis und mit dem Urteil antworten. Das muß auch ein Gefühl in uns auslösen. Letzte, schwerste furchtbarste Gefühle aber können keine Worte finden. Sie brechen schließlich nur in einem Schrei empor. Der Schrei des Schmerzes ist es, wenn Mensch es nicht mehr trägt. Und so rufe ich denn als Einziges, Letztes der gequälten Seele hinaus den Schrei – o möchte er alle Deutschen erreichen! – den einen Schrei: Mord, Mord an einem großen Volke! Und solange ich lebe, bis auf mein Totenbett, oder wo mich die Sichel des Todes ereilen wird, bis zum letzten Blick und Atemzug werde ich rufen: Mord, Mord!«31

Als unmittelbar nach Ende des Krieges in zunehmendem Maße Kriegsschuldbehauptungen den politischen Diskurs bestimmten, in denen die vermeintliche »jüdisch-freimaurerische Verschwörung« eine dominante Rolle spielte, sahen sich die meisten deutschen Freimaurer in noch stärkerem Maße veranlasst, patriotische Treue zu bekunden und nationale Standpunkte zu vertreten. Als es Mitte der 1920er Jahre zu einem heftigen Angriff des »Nationalverbandes deutscher Offiziere« auf die Freimaurerei kam, wurde aus dem Kreis der Freimaurer u.a. folgendermaßen poetisch repliziert:32

»Auch für den deutschen Freimaurer gilt, was der junge Dichter B. v. Selchow sagt:
Ich bin geboren, deutsch zu fühlen, / Bin ganz auf deutsches Denken eingestellt, / Erst kommt mein Volk, dann all die andern, vielen, / Erst meine Heimat, dann die Welt.«

Der Autor des Beitrags in der Zeitschrift »Am rauhen Stein« (von der Redaktion vorgestellt als Professor, Oberstleutnant a.D. und Direktor der deutschen Heeresbücherei) schloss seinen Beitrag mit folgenden Worten:

»Freimaurer und Offiziere, werdet zu rechten Führern unseres Volks … und wenn der Tag kommt, der das letzte von Euch fordert, dann soll er Männer finden, begeistert und einig, kraftvoll und opferwillig und würdig der großen Ahnen, der herrlichen deutschen Männer der Freiheitskriege.«33

Die Redaktion setzte hinzu:

»Der vorliegende Aufsatz eignet sich vortrefflich zur Verbreitung in weiteren Kreisen. Insbesondere den früheren und jetzigen Angehörigen des Offizierskorps sollte er in die Hände gegeben werden.«34

Sehr wesentlich hingen die Positionen der deutschen Freimaurer aber auch mit ihrem Platz in der deutschen Gesellschaft und mit der politischen Kultur dieser Gesellschaft selbst zusammen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts fungierten die deutschen Logen – unabhängig davon, ob sie den altpreußischen oder den humanitären Großlogen angehörten – als stabile Assoziationsformen der bürgerlichen Mittel- und Oberschichten.35 Sie verstanden sich als Übungsstätten von Bürgertugenden wie Anstand, Respekt, Hilfsbereitschaft und Vaterlandsliebe, spielten – nicht zuletzt aufgrund obrigkeitlicher Protektion – eine anerkannte Rolle in der deutschen Gesellschaft und ordneten sich ihrerseits loyal in die bestehende politische Ordnung ein. Die Logen waren fest im gehobenen Bürgertum verankert, wobei die Anteile der Funktionselite (Beamte, Militärs), der kulturellen Elite (Professoren, Lehrer, Wissenschaftler, schaffende und ausführende Künstler) und der ökonomischen Elite (Unternehmer, Bankiers, leitende Angestellte) von Loge zu Loge unterschiedlich ausfielen. Ausschlaggebend hierfür waren sowohl die spezifischen Milieus der einzelnen Logen als auch der Charakter der Logenstandorte.

Wenn auch festgestellt werden kann, dass »Bürgerlichkeit« weltweit ein Grundzug der Freimaurer gewesen ist, so unterschieden sich doch die bürgerlichen Gesellschaften Europas und Nordamerikas, in denen die Freimaurerei als Assoziationsform der Geselligkeit weithin vertreten war, in ihrem gesellschaftlichen Selbstverständnis nicht unwesentlich voneinander. Maßgebend war dabei vor allem der Grad, in welchem in ihnen die »westlichen« Werte von Demokratie und gesellschaftlichem Pluralismus vertreten waren, und hieran gemessen war die deutsche Gesellschaft weniger »westlich« geprägt als die Gesellschaften Frankreichs, Englands oder der Vereinigten Staaten.36 Gewiss, die deutsche Tradition der Aufklärung und des Liberalismus vermittelte bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Impulse in andere Länder, und Deutschland war gewiss kein Land, das dem Westen kulturell nicht verbunden gewesen wäre und nicht an seiner Entwicklung teilgenommen hätte. Gleichwohl: Der politischen Wertegemeinschaft westlicher Länder gehörte Deutschland in politisch entscheidenden Phasen der jüngeren Geschichte nicht an – nach 1918 noch weniger als vor 1914, und schon gar nicht nach 1933.

Insbesondere seit dem Ersten Weltkrieg wurden den »Ideen von 1789« in Theorie und Praxis die »Ideen von 1914« entgegengesetzt. Eigene Beiträge zur Tradition von Aufklärung und Toleranz traten in den Hintergrund oder wurden gar verleugnet, lange bevor die Nazis Lessings Nathan von den deutschen Bühnen verbannten. »Machtgeschützte Innerlichkeit« (Thomas Mann37) trat an die Stelle demokratischer Offenheit, westliche Zivilisation wurde gegenüber deutscher Kultur abgewertet, Gemeinschaft wurde verklärt, Gesellschaft verdammt. Der Historiker Heinrich August Winkler hat das Verhältnis Deutschlands zum Westen in seiner Berliner Abschiedsvorlesung im Februar 2007 folgendermaßen zusammengefasst:

»In keinem Land des Okzidents stießen die demokratischen Ideen des Westens, und das heißt auch: der europäischen Aufklärung, auf so hartnäckigen Widerstand wie in Deutschland. Es bedurfte der Erfahrung der nationalsozialistischen Diktatur, des Zweiten Weltkriegs, des Holocaust und des ›Zusammenbruchs‹ von 1945, der zweiten Niederlage Deutschlands im 20. Jahrhundert, um den antiwestlichen Vorurteilen von Eliten und breiten Schichten der Bevölkerung allmählich den Boden zu entziehen.«38

Die später folgenden Beispiele (Erster Weltkrieg, Antisemitismus, Nationalsozialismus) sollen jeweils spezifische Facetten freimaurerischer Identifizierung mit den Hauptlinien der Orientierung nach Rechts innerhalb des deutschen Bürgertums verdeutlichen und aufzeigen, dass in einige Gruppen der Freimaurerei zunehmend auch völkisches Gedankengut Eingang fand, wenn diese Gruppierungen auch kein Bestandteil der völkischen Bewegung gewesen sind.39 Die Beispiele sind begrenzt, reichen aber aus, um verhängnisvolle Tendenzen zu veranschaulichen. Die Positionen, die dabei innerhalb der deutschen Freimaurerei vertreten wurden, waren nicht einheitlich. Jedoch wurde im Verlauf der 1920er Jahre deutlich, dass die nationalistischen Tendenzen bei den »altpreußischen« Großlogen besonders ausgeprägt waren, insbesondere seitdem diese mit dem 1922 erfolgten Austritt aus dem Deutschen Großlogenbund40 eindeutige Signale in Richtung nationale Orientierung, Ablehnung der Weimarer Republik, Absage an alle pazifistischen Tendenzen und Trennung vom internationalen Freimaurerkonsens der »Alten Pflichten« gesetzt hatten. Lennhoff/Posner kommentierten im Jahre 1932:

»Der Austritt war also sichtlich vom Bestreben geleitet, der völkischen Zeitströmung Rechnung zu tragen und die Scheidung in ein christliches und ein humanitäres Lager deutlich zu markieren«.41

In mancherlei Hinsicht beachtenswert war die Festansprache, die Obr. Rudolf Rosbach anlässlich der Festarbeit zum Johannisfest der GNML »3WK« am 24. Juni 1924 in Berlin gehalten hat und in der es u.a. hieß:

»Es geht eine gewaltige geistige Bewegung durch unser Volk, die auch die christliche deutsche Freimaurerei … nicht unberührt gelassen hat, eine Bewegung, die man kurz als die völkische zu bezeichnen pflegt.
Auch die völkische Bewegung geht davon aus, dass der Abfall vom deutschen Geist unser Unglück verschuldet habe und daher nur die Rückkehr zu ihm uns wieder aus unserem Unglück befreien könne. Die völkische Bewegung ist nicht, wie viele glauben, in unseren Tagen künstlich entfacht worden, sondern sie ist sie natürliche Reaktion des deutschen Geistes gegen die Überfremdung unseres staatlichen und geistigen Lebens.«

Über den Inhalt der Rede hinaus bemerkenswert ist einmal, dass der am Johannisfest teilnehmende Reichsaußenminister Gustav Stresemann, Mitglied einer 3WK-Loge, einen Tag später, am 25. Juni 1924, in einem Brief an den National-Großmeister Karl Habicht über Inhalt und Tenor der Festrede engagiert Beschwerde führte:

»Ich verwahre mich … dagegen, dass in der Weise, in der es geschehen ist, völkisches Denken nach außen und innen so gepredigt wird, dass der Eindruck entstand, als befände man sich in einer Wahlversammlung der Deutschvölkischen Freiheitspartei.«42

Bemerkenswert ist weiter, dass das nunmehr von der GNML »3WK« und der »Großen Loge von Preußen« gemeinsam herausgegebene »Ordensblatt« in der Novemberausgabe 1934 – also kurz vor der erzwungenen Einstellung – die Rede Rosbachs mit folgender Einleitung abdruckte:

»Die Festrede, die Obr. Rudolf Rosbach hielt, hat diese Feier … zum Erlebnis gemacht … Damals schien die von Adolf Hitler getragene Bewegung fast erledigt zu sein, denn der Führer und seine Mitkämpfer waren … in Haft, und niemand konnte im Juni 1924 voraussehen, dass eine Amnestie dem Führer und seinen Mitkämpfern im Dezember die Freiheit geben und den Aufschwung der Bewegung einleiten werde. Um so höher ist diese Rede zu werten als Zeugnis für den deutschen Geist, wie er in den altpreußischen Logen gepflegt wird. Sie widerlegt schlagend die Leute, die seit Jahren und heute mehr denn je nicht müde werden, die christlichen altpreußischen Logen als undeutsch und international zu verlästern. Wäre dieser Geist damals in allen deutschen Kreisen des Volkes lebendig und gleich stark gewesen – Deutschland hätte nicht neun weitere Jahre auf den Aufbruch warten müssen.«43

Bei der nun immer mehr zunehmenden nationalen und zugleich völkischen Orientierung der altpreußischen Freimaurerei spielten der »Bielefelder Ring« und der »Wetzlarer Ring«, die beide 1925 von Logen der Großen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« gegründet wurden, eine besondere Rolle. So beschloss der »Wetzlarer Ring« bereits auf seiner Gründungsversammlung am 4. Juli 1925, den 3WK-Logen für ihre Satzungen folgende Formulierung zur Regelung der Mitgliedschaft vorzuschlagen:

»Mitglied unserer Loge kann nur werden, wer deutscher Abstammung ist und sich zur christlichen Weltanschauung bekennt. Suchende, deren Eltern oder Großeltern jüdischer Abstammung sind oder deren Frauen jüdischer Abstammung sind, können nicht aufgenommen werden. Für Annahme ständig Besuchender gilt dasselbe.«44

Dass die nationalistische Haltung einschließlich mancher völkischer Elemente insbesondere der »altpreußischen« Freimaurerei keineswegs eine taktische Orientierung zur Überlebenssicherung im »Dritten Reich« gewesen ist – wie später gern behauptet wurde –, sondern eine langfristige konzeptionelle Grundhaltung, bringt auch der »Johannisfestgruß 1930« der »Großen Landesloge« zum Ausdruck, in dem es u.a. heißt:

»Wir jedenfalls weisen jeden Humanitätsdusel in jeglicher Form und unter jeglichem Namen, wie Internationalismus, Pazifismus oder wie sonst immer, weit von uns, nicht etwa, weil es unerreichbare Ideale, sondern weil es überhaupt keine erstrebenswerten Ideale sind. Ihre tatsächliche Erreichung würde nicht zum Aufstieg der Menschheit führen, sondern zu ihrem Verderben ausschlagen, weil diese ›Ideale‹ naturwidrig und gegen jede menschliche und göttliche Ordnung sind.«45

Diametral entgegengesetzte, sich gegenseitig bekämpfende Interessen stünden sich gegenüber. Dies gelte auch für die Freimaurerei:

»In ihr bekämpfen sich die Gegensätze der Volkscharaktere: ›germanisch‹ oder ›romanisch‹, der Zwecke: ›politikfrei oder politisch‹, der Grundsätze: ›vaterländisch oder vaterlandslos‹, der Mittel: ›Vertiefung des Innenlebens oder Betonung der Geselligkeit‹, und darum wäre eine internationale oder ›Weltfreimaurerei‹ ein Unding, ein Widerspruch in sich, eine den Gedanken und die Ziele der Freimaurerei aufhebende Missgeburt, nicht aber ein erstrebenswertes Ideal.«46

Auch hier wird deutlich, wie sehr der Denk- und Wahrnehmungsrahmen großer Teile des deutschen Bürgertums – und als Sektor davon der Freimaurerei – die Ausbreitung des Nationalsozialismus begünstigte und wie sehr er verhinderte, diese »Bewegung« rechtzeitig als das zu erkennen, was sie war: ein tödlicher Anschlag auf Frieden, Freiheit und Demokratie – soweit dies überhaupt erkannt werden sollte. Denn Demokratie war, was in diesem Kontext nur gestreift werden kann, für große Teile der deutschen Freimaurer kein politisches Leitbild. Die »nationale« Freimaurerei stand der Weimarer Republik weitgehend ablehnend gegenüber, verunglimpfte ihre Farben als »schwarz, rot, gelb«47, verspottete den »Parteienstreit« und sehnte sich nach Volksgesamtheit und Führerprinzip. Fenner und Schmidt-Sasse fassen die im freimaurerischen Schrifttum vertretenen Positionen zusammen und bilanzieren:48

»Die Einheit des Volkes im Deutschtum soll den Grundstein der Erneuerung bilden:49 Gegen die Parteienvielfalt setzen die nationalen Freimaurer die Vorstellung vom Volk als einem homogenen Block, gefasst in das Bild vom Dom aus winkelgerechten Steinen. Die berufenen Führer sollen die Massen zu einem Vaterland neuer deutscher Größe führen.50 Als Errungenschaften eines solchen neuen Vaterlands werden als erstrebenswert genannt: wirtschaftliche Sanierung und Wiedergewinnung der früheren Wehrhaftigkeit und Stärke51 sowie Abkehr von der sozialen Gesellschaft und Schaffung eines Gemeinschaftsstaates. Voraussetzung dieser deutschen Wiedergeburt ist die ›Abwehr alles Undeutschen‹52. Der ›verniggerten Unkultur‹53 soll der Geist deutscher Sittlichkeit entgegen gehalten werden.«

3.1 Stichwort Erster Weltkrieg

Als patriotische Bürger identifizierten sich die meisten deutschen Freimaurer unmittelbar nach Kriegsausbruch sowohl mit der vorherrschenden Charakterisierung des Kriege (»Ein furchtbarer, auf die Vernichtung unseres teuren Vaterlandes gerichteter Kampf ist uns aufgedrängt worden«54), als auch mit der begeisterten Stimmung weiter Kreise der Bevölkerung (»In den Reihen der begeistert für die Ehre und Freiheit der heimischen Lande eintretenden deutschen Männer befinden sich zahlreiche Brüder unseres Bundes«55) und nahmen an den Maßnahmen zur materiellen Unterstützung des Krieges teil. Die »Große National-Mutterloge ›Zu den drei Weltkugeln‹« rief für den 15. August 1914 eine außerordentliche Versammlung der Großloge ein mit dem einzigen Tagesordnungspunkt »Bewilligung von Mitteln zur Unterstützung von Kriegsteilnehmern und deren Familien«.56 Am 22. August fand eine »gemeinsame patriotische Arbeit« der Berliner 3WK-Logen statt. Großmeister Wegner und Großredner Kleiber hielten die Ansprachen, die die Frontstellungen des Krieges klären sollten:57 Auf der einen Seite standen die Deutschen, deren »kaiserlicher Herr alles versucht hat, unserem Volk einen ehrenhaften Frieden zu erhalten«, auf der anderen Seite standen Russland (»Ansturm halbasiatischer Barbarenhorden«), Frankreich (»Zorn und Haß und Rachedurst wegen seiner Niederlage in einem Krieg, den einst gallischer Übermut in frevelhafter Leichtfertigkeit gegen uns vom Zaune brach«) sowie das Deutschland vordem doch so nahe stehende England als der eigentliche Drahtzieher des Krieges: »Daß wir so viele Feinde haben in der Welt, das ist zum weitaus größten Teil die Folge ihrer systematischen Verhetzung durch unsere lieben Vettern in England.« Derartige Positionen nationalen Aufbegehrens, die auch seitens »humanitärer« Großlogen vertreten wurden und die keinen Unterschied zu den gemeinhin im deutschen Bürgertum vertretenen Auffassungen erkennen ließen, zogen sich durch den Ersten Weltkrieg hindurch bis in die Nachkriegszeit, in der sie dann – verstärkt durch den in der Tat verhängnisvollen Frieden von Versailles (»Wir werden jahrhuntertelang den Schand- und Schmachvertrag von Versailles nicht vergessen«, hieß es z.B. in der Zeitschrift »Am rauhen Stein«58 ) – an Intensität und bald auch an antisemitischer Einfärbung gewannen. Als der Verein Deutscher Freimaurer 1920 seine erste Nachkriegshauptversammlung abhielt, bilanzierte sein Vorsitzender, Diedrich Bischoff, die Entwicklung seit der letzten Vorkriegstagung u.a. mit folgenden Worten: »Dann kam die Erhebung von 1914, und es rang sich dieses maurerische Wollen empor in unserem deutschen Volk.«59 Die gewählte Formulierung vom »maurerischen Wollen« zeigt, dass für Bischoff und viele andere maurerische Autoren die »Ideen von 1914« durch und durch freimaurerisches Gedankengut waren. Betrachtet man die in acht (reguläre) Großlogen aufgefächerte deutsche Freimaurerei als Gesamtheit, so zeigen sich argumentative und emotionale Grundlinien, die weitgehend übereinstimmen.

Es werden jedoch auch bezeichnende Unterschiede sichtbar, die oft, aber keineswegs immer, mit der Trennlinie »altpreußisch« – »humanitär« zu erfassen sind. Diesen Unterschieden detailliert nachzugehen, ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich. Es soll nur an einem Beispiel auf die Art und Weise eingegangen werden, wie Freimaurer des FzaS mit der Weltkriegsproblematik umgegangen sind. Zwar findet sich auch hier das Bekenntnis zum Zusammenschluss der Deutschen: »Denn wenn je, so ist der Grundsatz ›Right or wrong, – my country!‹ hier ein Prinzip von höchster Sittlichkeit, und das Gegenteil wäre verwerf lich, weil es dem Verrat am eigenen Volke und an der Sache der Kultur gleich käme.« Doch zuvor hatte es im gleichen Beitrag fernab jeder Euphorie geheißen: »Freimaurerei und Weltkrieg! Man kann sich wohl keine zwei Begriffe vorstellen, die zueinander in schärferem Gegensatz stünden! Die größte, den ganzen Erdball umspannende geistige Bewegung zur Verbreitung und Vertiefung des Humanitätsgedankens und der grausame, völkermordende und entmenschende Weltkrieg mit allen seinen Greueln!«60

3.2 Stichwort Antisemitismus

Als Mitte der 20er Jahre rassistische Ideen im deutschen Bürgertum an Boden gewannen, schrieb der Radeberger Freimaurer Paul Wagler: »Wer den ewigen inneren Kern der Seele des deutschen Volkes als die Freimaurernatur des Geistes erlebt und die deutsche Entstehung der Freimaurerei erkannt hat, der muss auch Freimaurerei als germanischen Rassegeist empfinden.«61 Es ist interessant, zum Stichwort Antisemitismus die Diskussionsbeiträge durchzugehen, die 1924 in der »Großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft«62 vorgetragen wurden. Auf Antrag einer Münchener Loge, der vor allem von August Horneffer, dem Großsekretär63 der Großloge, propagiert und unterstützt worden war und dann Zustimmung und Umsetzung in der Großloge fand, sollte für die Mitgliedschaft zum »christlichen Prinzip« zurückgekehrt, d.h. jüdischen Bürgern die Mitgliedschaft zukünftig verwehrt werden.64

Gewiss gab es Gegenstimmen und Warnungen, so etwa seitens des Berliner Freimaurers Julius Jaeckle:

»Rückt man in der deutschen Freimaurerei den Humanitätsgedanken zu Gunsten des nationalen an die zweite Stelle, so ist die deutsche Kultur um eine ihrer schönsten Blüten ärmer. Dann lasset uns den Menschheitsgedanken begraben gehen – und die Königliche Kunst mit.«65

Ein anderer Diskussionsteilnehmer war um die Klärung des in seiner Sicht eigentlich Gemeinten, nämlich einer rassischen Ausgrenzung, bemüht:

»Die Münchner Forderung einer national-christlichen Einstellung, die ganz unzweideutig auf die Juden hinzielt, gibt nichts anderes als eine Verwischung des Problems. Wenn man in einer Änderung des Grundgesetzes dieses zum Ausdruck bringen will, so kann einzig die Forderung des Rassenproblems zur Grundlage gemacht werden.«66

Der antisemitische Hintergrund der im Juni 1924 in Kraft gesetzten Satzungsänderung wird von August Horneffer neun Jahre später bestätigt: Der Beschluss habe darauf abgezielt, »daß unsere Großloge ein ganz enger, vertrauter Kreis von unbedingt heimattreuen und gottestreuen Männern sein soll, daher wir volks- und artfremde Elemente nicht brauchen können«.67

Doch auch hier gab es Gegenentwicklungen, für die das folgende Beispiel stehen mag: Als die Große Loge von Preußen zum christlichen Prinzip zurückkehrt war, mussten auch die jüdischen Brüder der Kasseler Royal-York-Loge »Zur Eintracht und Standhaftigkeit« den Freimaurerbund verlassen. Eine Reihe tolerant orientierter nicht-jüdischer Brüder verließ darauf hin unter Leitung des Bauunternehmers und Kasseler Stadtrats Rudolf Friebe mit den jüdischen Brüdern die Loge. Sie schlossen sich der Leipziger Loge »Apollo« an, die – unter der Obhut der (humanitären) Großen Loge von Sachsen – die Deputationsloge »Herder zu den alten Pflichten« in Kassel gründete, die dann bald als Mitgliedsloge der sächsischen Großloge selbstständig wurde.

Antisemitismus (auch rassisch gefärbter) war nun sicher eine Haltung, die sich in großen Teilen des national-konservativen deutschen Bürgertums Ende der 20er Jahre verstärkte. Dass er in der Freimaurerei an Raum gewann, vergrößerte die Distanz des Bundes zu seinem kosmopolitischen Ursprung. Es verwundert dann auch nicht, dass seitens der Leitungen altpreußischer Großlogen schon bald nach der nationalsozialistischen Machtübernahme Zustimmung zur Rassenlehre der NSDAP bekundet wurde. So schrieb der als Autor und Redner im altpreußischen Sektor der deutschen Freimaurerei weithin bekannte Stephan Kekulé von Stradonitz (er war 1932 Kandidat für die Nachfolge von Karl Habicht als Großmeister der GNML 3WK gewesen) im Mai 1933 im »Ordensblatt«:

»Der ›nationale Christliche Orden Friedrich der Große‹, in den unsere bisherige ›Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln‹ sich in der Osterwoche 1933 umwandelte, wird die Mitgliedschaft in Zukunft an die Bedingung der Deutschstämmigkeit der ›Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei‹ (Rundschreiben des Großordensrates vom 12. April 1933) knüpfen, womit das Erfordernis des alten, bisherigen Aufnahme-Paragraphen, nämlich dasjenige des Bekenntnis-Christentums, eine wesentliche und grundlegende Veränderung im Sinne einer Verschärfung erfahren hat.«68

Kekulé von Stradonitz schloss seinen Beitrag »Deutschstämmigkeit« mit der die Konsequenz der Großlogenführung würdigenden Bemerkung:

»Ich kann es deshalb, als genealogischer Fachmann, nur als durchaus sachgemäß erachten, daß das neueste Rundschreiben unseres Ordens-Großmeister (vom 19. April) unter Ziffer 6 ›für die Prüfung der Deutschstämmigkeit‹ empfiehlt, ›nach den Ausführungsbestimmungen über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zu verfahren.‹«69

Die Akzeptanz der neuen Rasseverordnungen fand schließlich auch Eingang in das Ritual und die Statuten. Die 1933 eingeführte neue Form des Brauchtums der Großen Landesloge (jetzt »Deutsch-Christlicher Orden«) sah – ein Kommentar im »Ordensblatt« sprach von einer »durch die Geschehnisse des Jahres 1933 ohne weiteres verständlichen Sprache« – u.a. folgende »neu eingefügte« Frage an den Kandidaten vor: »Sind Sie arischer Abkunft?«70 § 4 der neuen Ordensregel erhielt die Fassung: »Aus der deutschen und christlichen Wesensart des Ordens folgt, daß nur Deutsche arischer Abstammung, die christlich getauft sind, Mitglieder werden können.«71

Auch diese Regelung entsprang nicht der Absicht einer unter aktuellem politischen Druck zustande gekommenen opportunistischen Anpassung. Bereits 1926 hatte es im »Johannisfestgruß « der Großen Landesloge geheißen:

»Die Gemeinsamkeit des Schöpfers beseitigt … nicht die Unterschiede zwischen Rassen, Völkern und Individuen, Unterschiede, die in der Geschichte eine viel zu große und entscheidende Rolle gespielt haben, als dass sie unbeachtet bleiben könnten. Die Verkennung und Unterschätzung dieser Unterschiede, die verhängnisvolle, zwar aus reinsten Beweggründen, aber aus physiologischer und psychologischer Unwissenheit geborene Humanitätsschwärmerei hat zu einer Vermischung und Entartung aller Kulturen, Kunstrichtungen, Rassen und Völker, zu einer Sintflut geführt, die alles in früherer Reinkultur Veredelte und Hochwertige ersticken zu wollen droht. Diesen trüben, schlammigen Fluten sucht der Orden, der von jeher bemüht war, höchste Veredelung durch sorgsamste Auslese und Reinerhaltung seines Bestandes zu erreichen, einen Damm entgegenzusetzen.«72

»Entartung«, »Auslese«, »Reinerhaltung« – hier scheint ein Vokabular auf, das später im »Wörterbuch des Unmenschen« (Dolf Sternberger) eine verhängnisvolle Rolle spielen sollte.

Im Übrigen war es dann auch nur folgerichtig, wenn in einer Schrift der Großen Landesloge von 1935 festgestellt wurde: »Als drittes Ziel im Kampfes für deutsches Christentum trat die Aufforderung zur Reinhaltung der Rasse.«73

Es sei jedoch noch einmal betont, dass sich in der deutschen Freimaurerei auch Stimmen vernehmen ließen, die sich deutlich vom Mainstream der Meinungen abhoben. So hieß es in einem Artikel der unabhängigen Freimaurerzeitung »Auf der Warte« im Jahre 1931: »Der deutsche Tempel, wie ich ihn auffasse, schließt den deutschen Juden nicht aus.«74

Trauer und Bestürzung zeigten sich vor allem in einer Reihe humanitärer Logen, die noch 1933 zahlreiche jüdische Mitglieder hatten. So vermerkte etwa der Fürther Stuhlmeister Daniel Lotter (Loge »Zur Wahrheit und Freundschaft« der Großloge »Zur Sonne«, Bayreuth) im Mai 1933, als jüdischen Brüdern der Besuch des Logenhauses untersagt werden sollte, in seinem maurerischen Tagebuch, das nach 1945 auf dem Boden des Logenhauses wiedergefunden wurde, »die Erbitterung der jüdischen Brüder sei zu verstehen und berechtigt. Gerade in der jetzigen für sie so schweren Zeit der Demütigungen hätten sie ein Anrecht darauf gehabt, im Logenhaus ein Asyl und eine Zufluchtstätte zu finden«.75 Gleichzeitig verdeutlichen die Aufzeichnungen Lotters die Spannungen und Spaltungen, von denen auch die humanitäre Freimaurerei vor und nach 1933 betroffen und geprägt war.

3.3 Stichwort Nationalsozialismus

Schon 1931 hatte das Höchste Ordenskapitel der Großen Landesloge (freilich ohne Erfolg) »um eine Unterredung mit Hitler zwecks Verständigung nachgesucht«76. 1932 – mithin gleichfalls vor allem durch politischen Druck manifest gewordenen Anpassungszwängen – hatte ein so prominenter deutscher Freimaurer wie August Horneffer unter Berufung auf das »wundervoll anschauliche Lebensbuch Hitlers«77 vier Aspekte der NS-Bewegung aus freimaurerischer Sicht ausdrücklich begrüßt – den Willen zur Erneuerung und Wiedergeburt, den Willen zum Bauen, den Willen zur Überwindung des Parteiwesens und den Willen zur Gefolgschaft – und von der NSDAP unter Bezug auf Guido von Lists Armanenlehre gefordert, sich durch Aufbau eines leitenden inneren Ordens eine bessere Organisation zu verschaffen. Auch zu den Grundlagen der Freimaurerei würden »Ein- und Unterordnung« gehören, und nur eine »verwirrte Freimaurerei wie z.B. die italienische hat den Liberalismus zum Prinzip erhoben und sich aus diesem Prinzip heraus Mussolini widersetzt«78. Gewiss, so merkt Horneffer zu Hitler an, seien »alle seine Gedanken schon früher gedacht und ausgesprochen worden, und viele seiner Anhänger und Gegner gebildeter, vielleicht auch klüger als er«, um dann festzustellen: »Aber er ist der gewaltige Motor, der Vulkan, der aus der Tiefe seines urdeutschen und urkräftigen Wesens die Gedanken oder richtiger die Forderungen herausschleudert, die er nicht aus Büchern, sondern aus dem Leben geschöpft hat.«79 Für sich und viele andere altpreußische Freimaurer identifiziert sich Horneffer ein Jahr später mit den von Hitler begeisterten deutschen Jugendlichen (er nennt als Beispiel Horst Wessel und weist stolz darauf hin, »dass der Vater dieses jungen Helden ein altpreußischer Freimaurer war«) und bekennt:

»Unser Herz ist ihnen viel näher als sie ahnen, unser Herz hat die letzten Monate mit vollen Schlägen miterlebt und hat dem genialen Wecker und Erwecker unseres Volkes zugejubelt, – trotz des Schmerzes und der Enttäuschung über die Versuche, uns gleichsam abzuschütteln, die Mitglieder der Deutsch-christlichen Orden gleichsam auszuschließen aus dem Erlebnis unseres Volkes. Ach man kann uns nicht abschütteln, weil wir mit ihnen eins sind, weil unser Blut durch ihre Adern rinnt, weil unser Same in ihnen aufgegangen ist.«80

Nationalsozialismus als »Same« altpreußischer Freimaurerei – wozu hätten sich große Teile der deutschen Freimaurerei wohl noch hinreißen lassen, wenn das beklagte »Abschütteln« und »Ausschließen« seitens der NSDAP und der von ihr kontrollierten staatlichen Behörden im Jahre 1935 nicht stattgefunden hätten?

Die zuvor dokumentierte Sichtweise Horneffers und anderer führender Freimaurer der späten 20er und frühen 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war nicht das Resultat jäh erzwungener Anpassung und »Tarnung«. Sie hat als konzeptionelle Grundlage auch die fortschreitende Orientierung an der zunehmend beschworenen »stolzen, hohen Zeit arischer Kultur«, an völkische Autoren wie John Gorsleben, Herman Wirth und – wie bereits zitert – Guido von List, zeitweiligen Ideengebern von Hitler und anderen Nationalsozialisten, die bereits vor 1933 zunehmend in der Zeitschrift der »Großen Loge von Preußen« mit großer Zustimmung referiert werden.81 Neben Horneffer meldete sich dabei auch der Vorsitzende des »Wetzlarer Kreises« innerhalb der Großen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln«, Kurt Schmidt, mit einem Beitrag über Hermann Wirth zu Wort, den er mit folgenden Worten beschloss:

»Wer in unsren Tempeln – ›vom Licht geboren, zu Licht erkoren‹ um mit Herman Wirth zu reden – die ganze Tiefe des arischen Lichtmysteriums in seiner deutschen Seele erlebt hat, der weiß sich mit ihm eins auch in den Worten: ›Wir tragen im Herzen in treuer Hut den letzten Funken heilger Glut, den fernen lichten Glauben unserer Ahnen. Nun wollen wir den Weg uns bahnen zur Heimatscholle, zur Gotteserde, dass sie dem Volk Erlösung werde.‹«82

Zur »Johannesfeier im Ordensstammhaus«, das von der Großen Landesloge – zusammentreffend mit dem »Fest der Sommersonnenwende« – nach einem neuen Ritual am 24. Juni 1933 gefeiert wurde, wies der Weiseste Ordensmeister auf Notwendigkeit und Folgerichtigkeit auch ritueller Umgestaltungen hin,83 deren Inhalt der Ordenskanzler mit folgenden Worten erläuterte:

»Die nordische Weltanschauung, die das Licht als Symbol des lebenschaffenden Wirkens der Gottheit empfindet, ist im Brauchtum des Ordens in ungebrochener Kraft und Reinheit erhalten worden«.84

Völkisch-arisierende Tendenzen zeigten sich auch beim gemeinsamen »Sonnwendfest« der beiden christlichen Orden »Friedrich der Große« und »Zur Freundschaft«, das, so hieß es, »an Stelle des früheren Johannisfestes« begangen wurde. Ordensgroßmeister Bordes erklärte, im neuen gemeinsamen Ordensbrauchtum der beiden ehemaligen Großlogen, das etwa auch die Hiramlegende durch die Baldursage ersetzte, seien alte germanische Kultformen »in die Gegenwart herüber gerettet«, und Ordensgroßmeister Feistkorn leitete die gemeinsame Tafel mit folgenden bemerkenswerten Versen ein:

»Sonnenwende – Schicksalswende! Ständig nesteln Nornenhände …«85

Schließlich fand die im völkischen Milieu populär gewordene Deutung der Externsteine im Teutoburger Wald als altgermanische Kultstätte auch bei altpreußischen Freimaurern Anerkennung. Der Bad Pyrmonter Freimaurer Oskar Zetzsche glaubte Spuren eines alten arischen Lichtkultes erkennen zu können,86 der seiner Auffassung nach »in vieler Beziehung den symbolischen Handlungen des Freimaurertums ähnlich gewesen sein muss«. Zahlreiche altpreußische Freimaurer besuchten die Externsteine im April87 und dann wieder im Juni 1933, diesmal im Rahmen der Jahrestagung der »Freunde germanischer Vorgeschichte « in Bad Pyrmont, und freuten sich über »die richtige Erkenntnis, dass das hohe Licht der Menschheitsgesittung aus dem Norden gekommen ist«.88

Zunehmende politische Sympathie für den Nationalsozialismus verband sich so mit ideologischen Konvergenzen auf der Basis einer ariosophen Esoterik, und kein sorgfältiger Leser wird widersprechen, wenn Horneffer rückschauend auf die 20er Jahre feststellen konnte:

»Den Lesern unserer Monatsschrift brauche ich nicht in Erinnerung zu rufen, wie hier für das Verständnis der großen nationalsozialistischen Volksbewegung Schritt für Schritt der Boden geebnet worden ist.«89

In der Tat, August Horneffer, der Schriftleiter vom »Am rauhen Stein« und de facto Großsekretär der »Großen Loge von Preußen, gen. Zur Freundschaft«, war immer mehr in die Rolle eines »Chefideologen« nationalistischer, dabei durchaus auch völkischer und später nationalsozialistischer Anpassung hineingewachsen – eine Rolle, von der er in seinen späteren Veröffentlichungen nach dem Zweiten Weltkrieg freilich nichts mehr wissen wollte.

In ähnlichem Sinne wie Horneffer befand Ferdinand Runkel (Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland) zum Abschluss seines dreibändigen Werkes »Geschichte der Freimaurerei in Deutschland«:

»Die Bewegung, die unter dem Zeichen des Hakenkreuzes steht, ist von einer Kraft und Schichtentiefe, wie Deutschland sie ähnlich nur in der Erhebung von 1813 erlebt hat … Diese Kräfte zu einer geschlossenen vaterländischen Front zusammenzuschließen, wäre eine erhabene Aufgabe der Freimaurerei Deutschlands.«90

Nach der »Machtergreifung« Hitlers im Januar 1933 steigerte sich die Zustimmung zum Nationalsozialismus, wobei immer wieder betont wurde, mit »Tarnung« habe dieser »neue Beginn« nichts zu tun, im Gegenteil, es handele sich vielmehr um eine Aufgabe bisheriger, historisch notwendig gewesener Tarnung: »Denn in der Tat war es nur durch eine Tarnung möglich, das alte Germanenerbe vor dem Unverstand und der Unduldsamkeit römischen Kirchentums zu schützen.«

August Horneffer befand nun:

»Sollte der Orden für die völlige Hingabe unserer Persönlichkeit nur das kleinste Hindernis bilden, sollte die Zugehörigkeit zu ihm uns nur im geringsten abziehen, ablenken, uns untüchtiger oder unwilliger machen, unser Sein für die von unserem Volkskanzler aufgerichteten Ziele einzusetzen, dann muß er verschwinden.«91

Im Oktober 1933 sandten GNML 3WK und Royal York (jetzt Nationaler Christlicher Orden »Friedrich der Große« und Deutsch-christlicher Orden »Zur Freundschaft«) aus Anlass des Austritts Deutschlands aus dem Völkerbund folgendes (von ihnen selbst so genannte) »Treuegelöbnis« an »Reichskanzler Hitler, Obersalzberg«:

»Wir begrüßen mit Stolz und Freude den Entschluß der Reichsregierung, der allein der Ehre und Würde des deutschen Volkes entspricht, und stellen uns in treuer Gefolgschaft hinter unseren Reichskanzler.«92

Auch in der Großen Landesloge wurde die Absicht der Tarnung als Unterstellung zurückgewiesen und die Kontinuität nationaler Orientierung seit 1918 über die 20er Jahre hinweg betont:

»Es ist das, was sich in unserem Orden ereignet hat, ein Vorgang, der sich aus einer inneren Notwendigkeit schon seit 15 Jahren entwickelt hat und sich nun spontan, gleichgesinnt mit den Geschehnissen der nationalsozialistischen Revolution, vollzogen hat … In derselben Form, wie die nationalsozialistischen Führer, hatten schon längst die Führer unseres Ordens auch das Übel erkannt, das in der süßlichen Form des pazifistischen Gedankens auf unserer Seele lastete, unter der diese Seele bis zur vollständigen Entkräftung und Entmannung litt.«93

Und kurz vor Schließung der Logen hieß es im Ordensblatt der Großen Landesloge:

»Es muss daher als ein Irrtum bezeichnet werden, wenn behauptet wird, unser Orden könne sich in die neue Weltanschauung nicht eingliedern. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben die neue Weltanschauung immer gehabt und werden sie haben, solange unser Orden besteht.«94

Anders die Haltung des »Freimaurerbundes zur Aufgehenden Sonne«. In der Artikelserie »Kulturpolitisches Tagebuch von Ernst Falk« heißt es im Herbst 1928 klarsichtig zum Nationalsozialismus:

»Der deutsche Fascismus wird heute durch zwei große, von einander unabhängige Organisationen repräsentiert: Von den Nationalsozialisten und vom Stahlhelmbund. Die Nationalsozialistische Partei ist keine Partei im gewöhnlichen Sinne, sondern, eine fascistische Organisation, deren letzter Zweck die Bildung von Sturmabteilungen für den Bürgerkrieg ist. In dieser Partei herrscht heute schon die Diktatur: es gibt keine Mitgliederversammlungen, die Beschlüsse fassen, es gibt nur die willenlose Annahme der von dem Führer Hitler vorgeschriebenen Kundgebungen. So bietet die Organisation der N. S. D. A. P., die alles andere als eine Partei ist, schon das Urbild des fascistischen Staates, in dem lediglich der Wille von Hitler-Mussolini regieren würde. Die Richtlinien der Partei sind dunkel und zweideutig. Neben gestohlenen Sätzen aus dem sozialistischen Programm finden sich plumpe nationalistischmilitaristische Phrasen. Die eigentliche Grundlage der Partei ist der unverhüllte, rohe Rassenhaß, der sich im Inneren gegen die Juden, nach außen gegen Frankreich richtet… Der Nationalsozialismus ist nationalrevolutionär und fascistisch: das heißt: er rechnet nicht darauf, die Volksmehrheit für seine Ziele zu gewinnen, er will vielmehr in einem günstigen Moment die Staatsgewalt durch Terror und Gewalt an sich reißen und die Diktatur seines Führers Hitler aufrichten … Der deutsche Fascismus ist für uns kein Popanz und kein Trugbild, er ist eine vorhandene reale Gefahr.«95

Am Ende seiner Publikationstätigkeit veröffentlichte die Zeitschrift des FzaS »Das neue Freimaurertum« Thomas Manns »Bekenntnis zur sozialen Republik«, und der Bremer Pfarrer und ehemalige sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Emil Felden forderte am Schluss seines letzten Artikels – Hitler war bereits Reichskanzler – »Humanität, d.h. Achtung des Nebenmenschen als Menschen, welcher Rasse oder Klasse er auch angehören mag«96. Schon vorher, zur Jahreswende 1932/33, hatte sich Max Seber, der letzte Großmeister des FzaS, mit einem Rundschreiben an seine Brüder gewandt, das er mit folgenden Worten beschloss:

»Meine Brr. schwer ist unser Leben heute. Aber mit Bänglichkeit bezwingen wir es nicht. In unseren Händen liegt jetzt die Verantwortung für die kommenden Zeiten. Lassen wir es zu, dass der Barbarismus des Mittelalters von neuem triumphiert, so senkt sich die Nacht des Aberglaubens auf unser Volk hernieder. Es gilt die Güter, die wir von unseren Vätern ererbt, zu erwerben, um sie zu besitzen. Da werden wir erst ihres Wertes gewahr und merken erst, was wir besaßen, im Augenblick, da wir es zu verlieren drohen. Freiheit und Humanität, meine Brr. sind heute in höchster Gefahr! Ich als Euer derzeitiger Großmeister, gebe vor Euch allen das große Notzeichen! Helft und arbeitet, steht Euren Mann! Geht hinein in die Verbände zum Schutz der Verfassung, zum Schutze der Freiheit. Die eiserne Front aller Entschlossenen wartet auf Euch, meine Brr. Noch ist es Zeit, noch ist Raum für entschlossene Kämpferscharen! Tut Eure Pflicht, gedenkt Eures Eides, gebt mir das Meisterzeichen!«97

All dieses belegt, dass es vor 1933 durchaus Alternativen zur nationalistischen Anpassung und völkischen Ideologisierung gab. Es ist ein Dilemma der deutschen Freimaurerei, dass sie diese Alternativen größtenteils bei Freimaurern findet, deren Logen und Großlogen in den 1920er und frühen 1930er Jahren als irregulär angesehen und behandelt wurden. Dass man sich heute auch in den ehemals »altpreußischen« Großlogen der widerständigen Brüder des FzaS, insbesondere Tucholskys und Ossietzkys, gern erinnert und sie gleichsam posthum regularisiert, ist eine der Ungereimtheiten freimaurerischer Nachkriegserinnerungskulur, über die im folgenden Abschnitt ausführlicher zu sprechen ist.

4. Erinnerungskultur: Umgang mit der »national-völkischen« Orientierung nach dem Zweiten Weltkrieg

Von rühmlichen Ausnahmen wirklichen Widerstands abgesehen, hatte sich die deutsche Gesellschaft in ihrer Gesamtheit vor und nach 1933 auf einer ansteigenden Zustimmungsskala mehr oder weniger ausgeprägt mit dem NS-System identifiziert. Dies gilt auch für beträchtliche Teile der deutschen Freimaurer, und so mussten ihre führenden Repräsentanten nach 1945 für den Umgang mit der Vergangenheit Sprach- und Verhaltensregeln finden. Vor allem ging es um das, was im Kontext der Politik heute gern »Erinnerungspolitik« genannt wird, d.h. es ging um die Art und Weise, wie mit der Vergangenheit der Freimaurerei vor und zu Beginn der NS-Zeit umzugehen sei und welche großlogenoffiziellen »Sprachregelungen« sich hierfür anböten.

Die analytischen Befunde hierzu sind problematisch: Zwar forderten einzelne Freimaurer bald nach dem Zusammenbruch des NS-Systems am Ende des Zweiten Weltkriegs eine offene Auseinandersetzung mit der völkischen Vergangenheit. Insbesondere von Dr. Bernhard Beyer, Großmeister der Großloge »Zur Sonne« in Bayreuth, wurde gefordert, »es solle jeder Kontakt mit den früheren altpreußischen Großlogen abgelehnt werden, bis sie von sich aus das von ihnen an der Freimaurerei begangene Unrecht eingesehen hätten«.98 Zu einer solchen Einsicht ist es weithin nicht gekommen, weder auf Seiten altpreußischer Freimaurer noch bei Brüdern humanitärer Großlogen, die sich dem NS-Regime gegenüber gleichermaßen anpasserisch verhalten hatten. Zwar wurden Irrtümer und Fehlentwicklungen der deutschen Freimaurerei in der Weimarer Republik und den Jahren von 1933 bis 1935 nicht generell geleugnet. Zu wirklichem Mut und ganzer Wahrheit im Umgang mit der völkischen Vergangenheit konnten sich die deutschen Freimaurer freilich nicht entschließen. 99 Forderungen wie die folgende waren nicht selten: »Man sollte endlich einmal die Akten über jene in jeder Hinsicht traurige und verfolgungsreiche Zeit schließen …«100, und so standen statt Aufarbeitung der Fakten vielfältige Apologien im Vordergrund.

Die dabei angewandten Strategien, die unterschiedlich akzentuiert waren und sich mischen konnten, waren vor allem die folgenden vier:

  1. Verfolgung wurde in Widerstand umgedeutet und als Beleg dafür auf exemplarische Ausnahmeerscheinungen wie Wilhelm Leuschner, Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky verwiesen.
  2. Anpassung und geistige Selbstgleichschaltung wurde als Tarnung gekennzeichnet und die generelle Unvereinbarkeit von Freimaurerei und Gewaltherrschaft betont.
  3. Bedeutende freimaurerische Persönlichkeiten der Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts wurden gleichsam als Garanten dafür herausgestellt, dass der Bund über jeden Zweifel an seiner politisch-kulturellen Integrität erhaben sei.
  4. Schließlich diente das Herausheben toleranter und pazifistischer Tendenzen in der Geschichte der deutschen Freimaurerei zur Zurückweisung oder zumindest Abschwächung des Antisemitismus-Vorwurfs.

So lud etwa der spätere VGL-Großmeister, Dr. Theodor Vogel, noch in seiner Zeit als Großmeister der Großloge »Zur Sonne« den Bayerischen Staatskommissar für die politisch und religiös Verfolgten zur Zweihundertjahrfeier der Gründung der Großloge im September 1947 nach Bayreuth ein, teilte mit, dass diese Feier auch als »Hundertjahrfeier des Tages (31.8.1847)« begangen werden sollte, »an dem unsere Großloge als eine der ersten deutschen Großlogen den jüdischen Brüdern ihr volles Recht bestätigt hat« und bat den Staatskommissar darum, die Einladung auch an Vertreter der Militärregierung weiterzuleiten, »damit wir ihnen zeigen, dass die Kräfte des Guten in Deutschland, die Kräfte, die sich schon vor dem Terror des Dritten Reiches zur Humanität, zur schönen reinen Menschenliebe, zur Brüderlichkeit aller, bekannt haben, dennoch leben und mit Nachdruck und Überzeugung dafür kämpfen wollen«.101

Insbesondere den geschickten und beharrlichen Bemühungen Theodor Vogels war es zu verdanken, dass das Misstrauen sowohl der Besatzungsbehörden als auch der amerikanischen, britischen und französischen Großlogen, die über die deutsche Freimaurerei der 1920er und 1930er Jahre zumindest in Grundzügen informiert waren, allmählich abzubauen.

Wie sehr dieses Misstrauen die unmittelbare Nachkriegszeit geprägt hatte, lässt sich an zahlreichen Beispielen aufzeigen. So wurde in einer Anordnung der amerikanischen Militärregierung für Groß-Hessen die Zustimmung zur Gründung von Freimaurerlogen davon abhängig gemacht, dass »ein Komitee von drei, als ›Anti-Nazi‹ bekannten Persönlichkeiten die Verantwortung für die Durchkämmung der Mitglieder und für unpolitische Versammlungsziele übernimmt«.102 Gleiches Misstrauen und gleiche Vorkehrungen gehen auch aus dem Schreiben hervor, mit dem die Landesgroßloge Württemberg-Baden durch die amerikanische Militärregierung des Landes am 23. September 1947 offiziell genehmigt wurde:

»Die Freimaurer-Großloge Württemberg-Baden wird unter folgenden Voraussetzungen genehmigt: In jeder Wahlperiode muss ein Ausschuss von drei Mitgliedern, die als Anti-Nazi bekannt sind, die Verantwortung übernehmen für (1) eine Überprüfung der Mitglieder, (2) unpolitische Ziele der Zusammenkünfte und (3) die Führung einer Mitgliederliste, die der Militärregierung auf Wunsch zur Verfügung steht.«103

Zu einer solchen Überprüfung der Mitglieder ist es allerdings nicht immer gekommen und der Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten bzw. NS-Sympathisanten war kaum konsequent. Die Brüder, die nach 1945 die Freimaurerei neu begründeten, waren ja weitgehend identisch mit den Brüdern aus der Zeit vor 1935, und so schien es nahezuliegen, dass ein Teil der Anwälte einer rechtsautoritären Anpassung der deutschen Freimaurerei in der Schlussphase der Weimarer Republik und im beginnenden NS-Regime nach 1945 eine führende Rolle beim Wiederaufbau der Freimaurerei in Deutschland spielte. Es ist kein Ruhmesblatt der deutschen Nachkriegsfreimaurerei, dies nicht verhindert zu haben. Einer der Unterzeichner nationalsozialistischer Aufrufe zur Bücherverbrennung im Jahre 1933 hätte wohl kaum für das Amt des Großredners der Großloge A.F.u.A.M. kandidieren dürfen (Redner der Distriktsloge Niedersachsen war er bereits gewesen), und auch ehemaligen Mitgliedern der NSDAP sowie der SS und ihrer Untergliederungen hätte bei die Übernahme freimaurerischer Ämter bis in die Großlogenleitungen hinein eher Zurückhaltung angestanden.

Dabei hatten viele Brüder das Problem durchaus erkannt. Beispielsweise war es Gegenstand längerer Erörterungen auf der 8. Sitzung der Frankfurter Arbeitsgemeinschaft vom 29. März 1947 gewesen. Dem Protokoll der Sitzung nach erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Br. Pauls, »er halte die damaligen Vorgänge für so bedenklich, dass er für die deutsche Freimaurerei schwere Nachteile befürchte, wenn sie zur Kenntnis der Militärbehörden kämen« und Mitglieder der Sitzung stimmten darin überein, »dass von allen Brüdern, die sich früher in heute als falsch erkannter Richtung exponiert hätten, äußerste Zurückhaltung geübt werden müsse«. Brüder mit ehemals nationalistisch-völkischer Orientierung, insbesondere solche, »die heute noch ihre frühere Tätigkeit als Leiter der berüchtigten Ringe Altpreußischer Logen ihren Namen offenbar als Ehrentitel zufügen, seien als Brüder tragbar, aber nicht an führender Stelle«.104

Auf örtlicher Ebene der Logen wurden gleichfalls gelegentlich Auseinandersetzungen geführt, bei denen es um die Frage der Legitimität einer Wiederzulassung von Logen angesichts völkischer Belastungen ging, und es gab Schreiben aus Logenkreisen an die örtlichen Polizeibehörden, andere, ehemals altpreußische Logen wegen massiver Vergangenheitshypotheken nicht wieder zuzulassen.105

Auch aus heutiger Sicht muss leider nach wie vor gelten, dass die Beschäftigung mit dem Thema »Freimaurerei und Nationalsozialismus« äußerst zögerlich erfolgt und dass die freimaurerische Selbstdarstellung für diese Zeit immer noch von Mythen und Legenden durchzogen ist.

Wie für die deutsche Politik, so war auch für die Freimaurerei in Deutschland der alliierte Nachkriegsrahmen entscheidend. Die Logen konnten sich nur wiedergründen, wenn sie von den Militäradministrationen zugelassen und von ausländischen Großlogen unterstützt wurden. Voraussetzung dafür war, dass sich wie die deutsche Politik im Allgemeinen so auch die deutsche Freimaurerei im Speziellen in ihrer Haltung zu Demokratie und internationaler Verständigung neu definierte – d.h. als für im demokratischen Sinne politisch integer erklärte – und dass zugleich ein Modus Vivendi mit der Vergangenheit zwischen 1918 und 1945, d.h. mit der Zeit rechtskonservativer, nationalpatriotischer und nationalsozialistischer Orientierung gefunden wurde.

Die Wege, welche die deutsche Freimaurerei in ihrer »Vergangenheitspolitik« dabei ging, entsprachen dem Mainstream der politischen Selbstverständigung in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Knapp gehaltenen Hinweisen auf »die Verirrungen eines nicht geringen Teiles der deutschen Freimaurerei vor 1933«106 folgten nur allzu oft apologetische Formeln, die mit der Zeit den Charakter dominierender Sprachregelungen annahmen.

Die Leitformeln dafür können in ihrem Kern wie folgt umschrieben werden:

  • Wir deutschen Freimaurer waren und sind geborene Demokraten.
  • Wir deutschen Freimaurer waren im Hinblick auf das NS-Regime Gegner, Opfer und Verfolgte.
  • Wir deutschen Freimaurer haben mit unserer Anpassung an den Nationalsozialismus lediglich

versucht, den Bund und sein historisches Erbe durch »Tarnung« zu retten.

Zwar beschloss der Großmeistertag im zeitlichen Vorfeld der feierlichen Einsetzung der Vereinigten Großloge der Freimaurer von Deutschland am 22. Januar 1949 eine Erklärung, in der es hieß:

»Der Nationalsozialismus, der im Jahre 1933 die deutschen Freimaurerlogen hinwegfegte, hat der Kultur der Menschheit furchtbare Wunden geschlagen. Auch wenn sich in unseren Reihen keiner befindet, der an diesem Verbrechen teilhatte, keiner, der sich der tödlichen Gewalt des Dritten Reiches innerlich oder äußerlich verbunden fühlte, auch wenn viele von uns Gegner und Opfer dieses Reiches gewesen sind, so bleiben wir als Deutsche uns doch der Verpflichtung bewusst, an der Heilung der Wunden nach besten Kräften mitzuhelfen.«107

Zu einer wirklichen Klarstellung und konsequenten Aufarbeitung im Hinblick auf die völkische Vergangenheit konnten sich die deutschen Freimaurer freilich nicht entschließen. Dies gilt nicht zuletzt für die »altpreußischen« Großlogen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu formierten, und hier insbesondere für die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland. In einer »Generellen Erklärung«, die Ordensmeister Fritz Pauk im Januar 1955 abgab, hieß es lediglich: »Wir bitten um Verständnis dafür, dass manches gegen den auch für uns verbindlichen Primat der Freimaurerei geschah, um durch Tarnung dem der deutschen Freimaurerei zugedachten Schicksal zu entgehen.«108

Und noch Anfang der 70er Jahre – längst hätte eine kritisch-selbstkritische Aufarbeitung der Quellen beginnen können – hieß es entschuldigend:

»Die verantwortlichen BBr. versuchten, trotz aller Gefahren, trotz Diffamierung und persönlicher Abwertung, das gefährdete Schiff durch die Klippen der Zeit zu bringen. Wenn aller unbeirrbarer Glaube letzten Ende doch Schiffbruch erlitt – wer möchte den ersten Stein werfen. Es sind nach 1945 viele Steine geworfen worden. Nach genauer Prüfung aller Berichte ist aber zu sagen: Alle verantwortlichen BBr. haben die härteste Bewährungsprobe über sich ergehen lassen müssen, der je BBr. an verantwortlichen Stellen ausgesetzt waren, und sie haben diese Probe bestanden, vor sich selbst, vor der Bruderschaft und vor der Welt!«109

Um das proklamierte »Bestehen der Probe« zu überprüfen, müsste an dieser Stelle eine analytische Aufarbeitung der zahlreichen vorliegenden Dokumente – insbesondere der Beiträge in den vielen neu oder wieder erschienenen freimaurerischen Zeitschriften sowie der Archivalien – vorgenommen werden. Weitere Untersuchungen sind erforderlich und werden – bei wachsendem Zeitabstand und zugänglicher werden Archivmaterialien auch sicher zukünftig vorgenommen. Beim derzeitigen Stand von Forschung und Erschließung der Quellen kann das aus meiner Sicht Bezeichnende nur beispielhaft illustriert werden.





So führten etwa bayerische Logen als Schritt auf dem Wege zur Wiedergründung der Großloge »Zur Sonne« am 4. Oktober 1947 eine »Erste öffentliche Kundgebung der bayerischen Freimaurer« in Bayreuth durch, in deren Mittelpunkt ein Vortrag mit dem Thema »Die wieder erstehenden Freimaurerlogen als Bausteine für Humanität und Demokratie« stand.110 Der Referent bezeichnete »die Verfolgung der Freimaurerei durch die Nazi als das Unerhörteste, was ihr in ihrer 200-jährigen Geschichte begegnet ist«, hob hervor, dass seit dem 18. Jahrhundert »in den Bauhütten des Abendlands und später der ganzen Welt ein sozialer Humanismus als Sinnbild vollkommener Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit gelebt habe«, und folgerte für die Gegenwart, dass »die Wiedererstarkung der Freimaurerei … für die demokratische Fortentwicklung des deutschen Volkes, innen- und außenpolitisch gesehen, von größter Wichtigkeit« werden könne. Im Mitteilungsblatt der 1949 gegründeten Vereinigten Großloge der Freimaurer von Deutschland hieß es im Leitartikel zum Januar-Heft 1950: »Ein jeder wahre Freimaurer muss sich fühlen und bekennen als ein Glied einer Weltorganisation, deren heiligste Aufgabe es ist, in der ganzen Welt die elementaren Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hochzuhalten, für Menschenrechte und Menschenwürde einzustehen, für den Weltfrieden zu kämpfen und alles zu tun, um die menschliche Kultur zu retten, zu erhalten und zu fördern.«111 Zum Umgang mit der Vergangenheit sind die Ausführungen beispielhaft, die von Theodor Vogel, dem späteren VGL- und VGLvD-Großmeister, bei der Wiedereinsetzung der Großloge »Zur Sonne« Anfang Mai 1948 vorgetragen wurden: »Wir bekennen uns zu dem Schicksal unseres Volkes, von dem wir uns im Leid so wenig wie im Glück zu trennen begehren. Wir wollen ihm helfen, die Schuld seiner Machthaber, die unsere Feinde waren, zu überwinden durch Dienst an der Gerechtigkeit«.112 Theodor Vogel fuhr fort: »Es war nicht Aufgabe der Freimaurerei, den Staat Adolf Hitlers auf politischem Feld zu bekämpfen, so wenig dies Aufgabe der Kirchen oder der Künstler an sich gewesen ist. Dass trotzdem ihre Logen geschlossen, ihre Häuser beschlagnahmt, ihr Vermögen geraubt wurde, dass ihre Angehörigen diffamiert, amtsunwürdig erklärt, von den Lehrstühlen entfernt, entlassen, vertrieben oder in den KZ’s zu Märtyrern gemacht wurden, hat dennoch ein Gutes bewirkt: Die reinliche Scheidung. Wer in den 13 Jahren der Menschheitsferne der Idee der Loge treu blieb und ausharrte, hatte 1945 dennoch gesiegt.«113 Der Versuch einer solchen »reinlichen Scheidung« spielte für »Erinnerungskultur« und »Gedächtnispolitik « der deutschen Nachkriegsgesellschaft und auch der deutschen Freimaurerei 110 Rundbrief der hammerführenden Meister der bayer. Freimaurerlogen, Oktober 1947, S. 5. 111 Die heutigen Aufgaben der Freimaurerei, in: Mitteilungsblatt der Vereinigten Großloge der Freimaurer von Deutschland, Januar 1950, S. 79. 112 Bundesblatt der Großloge »Zur Sonne« Bayreuth, Mai 1948, S. 129. 113 Ebenda, S. 130. 81 als Teil dieser Gesellschaft eine große Rolle: Nazis, das waren deutlich abgrenzbar jene, d.h. die anderen – Nicht-Nazis, Verfolgte und Opfer, das waren ebenso deutlich abgrenzbar wir. De facto hat es eine solche »reinliche Scheidung« allerdings nicht gegeben: Von der Ausnahme wirklichen Widerstands abgesehen, hatte sich die deutsche Gesellschaft in ihrer Gesamtheit mehr oder weniger mit dem NS-System identifiziert und damit dessen Funktionieren ebenso ermöglicht wie sein Überleben bis zum bitteren Ende der militärischen Niederlage. Da dies nun auch für beträchtliche Teile der deutschen Freimaurer zu gelten hat, mussten ihre führenden Repräsentanten nach 1945 für den Umgang mit der Vergangenheit in einem doppelten Sinne Sprach- und Verhaltensregeln finden: Einmal ging es um die Frage, wie mit der Vergangenheit der Freimaurerei vor und zu Beginn der NS-Zeit umzugehen sei, zum anderen mussten Wege des Umgangs mit ehemaligen Nationalsozialisten bzw. NSSympathisanten gefunden werden. Paradigmatisch für die Haltung vieler Freimaurer, aber auch für weite Teile des deutschen Nachkriegsbürgertums insgesamt kann wiederum auf August Horneffer hingewiesen werden, der 1946 zum Großmeister der »Großen Loge Royal York zur Freundschaft«114 gewählt wurde. Er schob in seinem 1955 veröffentlichten Erinnerungsbuch »Aus meinem Freimaurerleben« die Hauptverantwortung für die Wende seiner Großloge zum Nationalsozialismus dem damaligen, mittlerweile verstorbenen Großmeister Oscar Feistkorn zu, der »voll rührenden Eifers (war), mit den neuen Herren zu paktieren …«115, während er selbst die freimaurerische Arbeit hätte einstellen wollen. Zur Kennzeichnung des Hintergrunds und zur Erklärung der Einstellung vieler Freimaurer zum Nationalismus wird von Horneffer – in erstaunlicher Übereinstimmung mit vor 1935 von ihm und anderen »völkischen« Freimaurern vertretenen Auffassungen – angemerkt, »dass im Parteiprogramm und in vielen schönen Reden, die wir hörten oder lasen, Grundsätze und Wendungen vorkamen, die uns Freimaurer angenehm berührten. Besonders die Einheit des Volkes, die Lobpreisung der Arbeit –, das war doch gleichsam eine Verallgemeinerung unserer maurerischen Botschaft! Es war kein Wunder, dass sich nicht wenige Brüder für den ›nationalen Sozialismus‹ zu begeistern anfingen und den dringenden Wunsch hatten, mitzuarbeiten. Übrigens fanden sich solche ›Kollaborateure‹ keineswegs bloß unter den altpreußischen Freimaurern; ebenso heftig strebten viele nicht preußische Brüder nach dem Mitgliedsbuch der Partei …«116. Zum völkischen und nazistischen Antisemitismus – auch in der Freimaurerei – bemerkt Horneffer: »Daß aber die Juden die Kerntruppe aller Zersetzungsarbeit, alles verneinenden, auflösenden verhöhnenden Satanismus seien, stand nicht bloß in Hitlers und Rosenbergs Büchern; es war in einem geradezu unheimlichen Grade zum Volksglauben geworden und wirkte in alle sozialen Verhältnisse und Verbindungen hinein. Ich hätte blind sein müssen, wenn ich auf meinen Logenreisen diesen Zug der Zeit nicht hätte 114 Die Großloge hatte nach 1945 das alte »Royal York« wieder in ihren Namen aufgenommen. 115 Horneffer, August: Aus meinem Freimaurerleben. Erfahrungen und Winke, Hamburg 1957, S. 190. 116 Ebenda, S. 188. 82 bemerken sollen … Ich ahnte damals noch nicht, daß unser Volk noch im 20. Jahrhundert fähig sein würde, gesetzliche Ausnahmebestimmungen, Bedrückungen, Austreibungen und schließlich Ausrottungsmaßregeln gegen die Juden gutheißen oder wenigstens geschehen zu lassen. Wenn ich aber auch solche Ausartungen eines übertriebenen Minderwertigkeitsgefühls vorausgesehen hätte, würde ich mich doch niemals haben entschließen können, mich dem übermächtigen Willen meines Volkes entgegenzuwerfen oder in die Emigration zu gehen.«117 Und als »bedauernswertes Armutszeugnis« wird es von Horneffer an anderer Stelle bezeichnet, »daß unser Volk mit den Juden nur durch brutale Gewalt fertig werden zu können glaubte«.118 Das in vielerlei Hinsicht lesenwerte, historisch interessante und persönlich anrührende Buch Horneffers, dessen Rang als freimaurerischer Autor nicht in Zweifel gezogen werden soll, macht deutlich, in welch begrenztem Maße deutsche Freimaurer – wie viele andere deutsche Bürger auch – aus der deutschen Katastrophe als »Bürger des Westens« hervorgegangen waren, wie wenig sie in der Lage waren, ihre eigene Rolle selbstkritisch zu reflektieren und wie sehr es den von den siegreichen westlichen Alliierten nach 1945 gesetzten politischen Rahmenbedingungen zu verdanken ist, dass Deutschland im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer funktionsfähigen »westlichen Demokratie« geworden ist.119 Tatsache ist jedenfalls, dass die von Theodor Vogel angemahnte »reinliche Scheidung« in vielen Fällen unterblieb und dass nur allzu oft Opportunismus, Nachsicht und Milde herrschten, die bis zur Gefährdung freimaurerischer Prinzipien reichten.120 Bei dieser Feststellung geht es nicht um Schuldzuweisungen, wohl aber bleibt nachdrücklich anzumerken, dass mehr kritische Selbstwahrnehmung, Erinnerungsscham und Mut zu historischer Wahrheit zu wünschen gewesen wären. Wie flott und eindringlich waren die Texte vor und nach 1933 geschrieben worden und wie wenig mochte man sich nach 1945 an sie erinnern, was nicht nur für die Autoren, sondern auch für die Großlogen gilt, zu deren ideologischer Profilierung sie verfasst worden waren. Insgesamt kann jedenfalls konstatiert werden, dass sich die freimaurerische Erinnerungskultur und das Verhalten ehemaligen NS-Sympathisanten gegenüber in der Nachkriegszeit und den Gründerjahren der Bundesrepublik aufs Ganze nicht von den entsprechenden Einstellungen der deutschen Gesellschaft insgesamt unterschieden haben.121 Für eine fundierte Aufarbeitung besteht weiterer Forschungsbedarf. Doch bei der in der deutschen Freimaurerei der Gegenwart noch immer verbreiteten Scheu, sich unbequemen historischen Fakten zu stellen, bleibt vielleicht auch hier nur die Möglichkeit, dass sich »externe « Freimaurerforscher der Thematik annehmen. 117 Ebenda, S. 127, 129. 118 Ebenda, S. 124. 119 Ich folge hier wieder der Begrifflichkeit Winklers. 120 Zu Beispielen aus Bremen s. Meyer, Marcus/Hofschen, Heinz-Gerd: Licht ins Dunkel. Die Freimaurer und Bremen, Bremen 2006, S. 115f. 121 Vgl. Frei, Norbert: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1996; ders.: 1945 und Wir. Das Dritte Reich im Bewußtsein der Deutschen, München 2005; Cornelißen, Christoph/Klinkhammer, Lutz/Schwentker, Wolfgang (Hrsg.): Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945, Frankfurt/Main 2003. 83 Gewiss: In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich mehr Freimaurer als in der Nachkriegszeit davor um ein kritisches Aufarbeiten der massiven Annäherung beträchtlicher Teile der deutschen Freimaurerei an Nationalsozialismus und NS-Regime bemüht. So ist etwa hinzuweisen auf die »offenen«, d.h. unter Beteiligung externer Experten durchgeführten Arbeitstagungen der Forschungsloge »Quatuor Coronati« zu den Themen »Von der Reichsgründung bis zum Ende der Weimarer Republik: Interne und internationale Aspekte der deutschen Freimaurerei« (Frankfurt 2005) sowie »Freimaurerei und Friedensfrage in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts« (Salzburg/Anif 2006), die im Quatuor Coronati Jahrbuch dokumentiert wurden, auf einige schon zuvor im QC-Jahrbuch erschienene Artikel (Werner Freudenschuß und Jürgen Luckas), auf einige nachdenkliche Ref lexionen in Bruno Peters Buch über die »Freimaurerei im Deutschen Reich«, auf einige Beiträge in der Zeitschrift »Humanität« (darunter von Rolf Appel122, Gerhard Grossmann123 und vom Autor dieses Beitrags124) sowie auf einige kritisch-differenzierend erinnernde Berichte aus der Perspektive einzelner Brüder (z.B. – wie zitiert – Br. Daniel Lotter) und Logen (z.B. die vorzüglich aufbereitete Erinnerungsschrift »250 Jahre Freimaurerei in Oldenburg, 1752–2002«). Vor allem aber ist das dreibändige Werk über die Große National- Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« zwischen 1933 und 2000 hervorzuheben, das unter der Redaktion von Hans-Werner Schwarz als »Versuch einer Standortbestimmung« in Herausgeberschaft der GNML 3WK im Jahre 2002 erschien.125 Dieses Buch ist deshalb so wichtig, weil es sich hier um den ersten umfassenden, von einer deutschen Großloge unternommenen Versuch handelt, abwägend und zeitkritisch sowie unter Rückgriff auf viele Quellen aufzuarbeiten, was sich innerhalb eines breiten Segments der deutschen Freimaurerei in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts an Entfernungen vom Ursprungsideal vollzog. Das Werk begründet ein neues Anspruchsniveau, von dem bei weiteren derartigen Bemühungen ausgegangen werden sollte. Insgesamt ist jedoch einzuräumen, dass die analytisch überzeugendsten, materialreichsten und wissenschaftlich unbefangensten Arbeiten zur hier erörterten Thematik von Wissenschaftlern außerhalb der Freimaurerei vorgelegt wurden, wobei vor allem auf drei Arbeiten hinzuweisen ist, deren Lektüre in diesem Zusammenhang unverzichtbar ist: Helmut Neubergers »Freimaurerei und Nationalsozialismus«, Hamburg 1980 (2001 unter dem Titel »Winkelmass und Hakenkreuz. Die Freimaurer und das Dritte Reich« neu ediert), Wolfgang Fenners und Joachim Schmidt-Sasses Studie »Die Freimaurerei als ›nationale Kraft‹ vor 1933« (im Sammelband »Weimars Ende«, herausgegeben von Thomas Koebner, Frankfurt/Main 1982) und Ralf Melzers »Konflikt und Anpassung. Freimaurerei in der Weimarer Republik und im ›Dritten Reich‹«, Wien 1999. Zusätzlich zu verweisen ist auch in diesem Zusammenhang auf Stefan-Ludwig Hoffmanns Buch »Politik der Geselligkeit. Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft 1840–1918«, Göttingen 2000. Viele Kapitel 122 Appel, Rolf: Zwischen Ungeist und Widerstand: Freimaurerei und Nationalsozialismus, in: Humanität. Das deutsche Freimaurermagazin, Nr. 5, Juli/Aug. 1985, S. 19–22. 123 Grossmann, Gerhard: 1935–1945–1985, ebenda S. 17–18. 124 Höhmann, Hans-Hermann: Erinnern – weil wir Zukunft wollen, ebenda S. 23–24. 125 Große National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« im Verband der Vereinigten Großlogen von Deutschland, Bruderschaft der Freimaurer: 1933–2000. Versuch einer Standortbestimmung, 3 Bände, Berlin 2002. 84 dieses – von der Forschungsloge für ihre Mitglieder unmittelbar nach seinem Erscheinen als »Jahresgabe« erworbenen Werkes – behandeln die Vorgeschichte und die Grundlagen späterer Entwicklungen, wobei auf das Kapitel »Fremde Brüder: Juden und Freimaurer« besonders zu verweisen ist.126 Trotz der zuvor erwähnten Veröffentlichungen von Freimaurern und freimaurerischen Institutionen muss aufs Ganze allerdings nach wie vor gelten, dass die Beschäftigung mit dem Thema »Freimaurerei und Nationalsozialismus« unverändert zögerlich erfolgt und dass die freimaurerische Selbstdarstellung für diese Zeit immer noch von Mythen und Legenden durchzogen ist, vor allem und besonders bedauerlicherweise gegenüber der Öffentlichkeit, der ein besseres Wissen offenbar häufig nicht zugetraut wird. Dies hat nun wiederum mit dem Legitimitätsproblem, vor allem mit der Angst vor Legitimationsdefiziten zu tun. Zwischen dem heutigen Selbstverständnis des Bundes als einem weltoffenen, humanitären Freundschaftsbund und der freimaurerischen Realität und Selbstdarstellung der 20er und frühen 30er Jahre besteht nun einmal eine tiefe Kluft. Humanitäre Grundhaltung und Annäherung an den Nationalsozialismus bis zur Verleugnung der alten Ideale und ihres rituellen Ausdrucks passen nun einmal nicht zusammen. Also lag die Versuchung nahe, im Nachhinein, das heißt im Zuge der Wiedergründung der Freimaurerei nach dem Zweiten Weltkrieg, die zuvor skizzierten Strategien zur Überwindung dieser Kluft anzuwenden, die einem Bemühen um historische Wahrheit in ihrer Gesamtheit kaum entsprachen. Doch es ist nun einmal historische Tatsache, dass sich große Teile der deutschen Freimaurer als Bestandteil eines politisch weitgehend rechtskonservativ orientierten Bürgertums an den Nationalsozialismus anpassten, ja in vielen Fällen mit teils innerer, teils offen artikulierter Zustimmung auf die Nazis zugingen. Was diese Freimaurer störte – dies belegen die Quellen aus den frühen 30er Jahren nur allzu deutlich –, war weit weniger der Nationalsozialismus selbst als der von den Nazis verfügte Umstand, dass sie als Freimaurer – oder gewesene Freimaurer – am Aufbau des neuen Deutschlands nicht teilhaben sollten. Und so mag man schließlich gar die Frage stellen, ob nicht das endgültige »Nein« des NSRegimes nicht nur zur »humanitären«, sondern auch zur völkisch orientierten Freimaurerei im Jahre 1935 nicht vor allem auch das Ende einer weiteren Selbstaufgabe der Freimaurerei bedeutete. Die Frage, wie eine Freimaurerei ausgesehen hätte, die auf Dauer geglaubt hätte, mit dem NS-System koexistieren zu können und die von den Machthabern auch die ersehnte Zustimmung dazu erhalten hätte, ist offenbar so bedrückend, dass sie kaum gestellt wurde. Selbstverständlich verbieten sich Verallgemeinerungen: Es gab in allen Großlogen engagierte Demokraten – oder zumindest doch »Vernunftrepublikaner « –, von denen viele allerdings die Freimaurerei mit fortschreitender Identifizierung mit dem sich breitmachenden NS-Zeitgeist verließen. Auch gab es Kritik am Nationalsozialismus im Großlogenschrifttum, bei den humanitären Großlogen mehr als bei den altpreußischen, und am deutlichsten in den Zeitschriften des »Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne« und der »Symbolischen Großloge von Deutschland«. Als Großlogen standen 126 Hoffmann, Stefan-Ludwig: Die Politik der Geselligkeit. Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft 1840–1918, Göttingen 2000, S. 176–202. 85 die beiden Letztgenannten ohnehin zuletzt weitgehend allein für jene freimaurerischen Tugenden, zu denen sich – dank 1945 – deutsche Freimaurer heute wieder in ihrer Gesamtheit bekennen können: allgemeine Menschenliebe, umfassende Toleranz, Weltbruderkette und Friedensliebe. Ebenso muss zwischen Anpassung von Logen und Großlogen auf der einen und der unveränderten freimaurerischen sowie menschlichen Integrität vieler ihrer Mitglieder auf der anderen Seite unterschieden werden, und es gab bei aller Anpassung auch eine ganz »normale« Freimaurerei, in der sich Freunde trafen, Rituale erlebten und gesellig waren. Gleichfalls gab es persönlichen Widerstand von Freimaurern, und auch Treue zur Menschlichkeit bis in den Tod hat es in der Tat gegeben. Es ist dabei nicht wichtig, ob diese Männer starben, weil sie Freimaurer, Demokraten, Sozialisten oder Pazifisten waren: Namen wie Wilhelm Leuschner, Leo Müffelmann und Carl von Ossietzky stehen für ein anderes Deutschland – und eine andere, nicht angepasste Freimaurerei. Gelegentlich hat die Annäherung an den Nationalsozialismus in der Nachkriegspolemik zwischen Mitgliedern der Partnergroßlogen innerhalb der VGLvD eine Rolle gespielt, in dem allzu rasch allein den altpreußischen Großlogen der Schwarze Peter völkischer Orientierung und die Pflicht der selbstkritischen Aufarbeitung zugeschoben wurde. Dies ist so nicht angängig. Erstens gehören zahlreiche 3WK- und Royal-York-Logen seit 1949 der Großloge AFuAM bzw. ihrer Vorgängergroßloge an, und diese Logen (nicht zuletzt die Logen des Bielefelder und des Wetzlarer Ringes) waren in den frühen 30er Jahren vielfach stärker völkisch orientiert und an das NS-System angepasst als die Großlogen in Berlin. Zweitens gab es seit Mitte der 20er Jahre – heutzutage nicht gern erinnerte – Absetzbewegungen namhafter humanitärer Logen von ihren bisherigen Großlogen zu altpreußischen (oder zumindest zu stärker völkisch orientierten) Großlogen.127 Und in der Anpassung zwischen 1933 und 1935 gab es dann drittens kaum noch wirkliche Unterschiede zwischen den noch verbliebenen Logen und Großlogen. Wenn von heute aus an das Ende der Freimaurerei im Jahre 1935 zurückgedacht wird, so sollte daher auch bewusst werden, dass das endgültige Verbot der Freimaurerei durch die Nazis in jenem Jahr wenigstens den weiteren, vermutlich endgültigen Wesens- und Substanzverlust des Bundes verhindert hat. Noch einmal: Es geht nicht um Schuldzuweisungen, es geht darum, zu wissen, wie es war, es geht um Abschied von Legenden, es geht um eine sorgfältig differenzierte Aufarbeitung der Fakten. Es geht für den Freimaurer-Bürger von heute aber auch um die historisch begründete Einsicht, wie nötig es für die Lebensfähigkeit einer Demokratie ist, die breite Mitte der Gesellschaft vor dem Vordringen extremer Vorstellungen zu bewahren. Schließlich geht es auch um die Erinnerung an die Hauptopfer der NS-Gewaltherrschaft unter den deutschen Freimaurern, die Opfer etwa unter den knapp 3000 jüdischen Brüdern, die – nach »sorgfältigen Ermittlungen« des Vereins deutscher Freimaurer128 – in 127 Vgl. Schulz-Robinson, Kim: Richtungsstreit und Logenübertritte: Die Große Loge von Hamburg am Rande der Spaltung (1924–1926), in: Quatuor Coronati Jahrbuch für Freimaurerforschung, Nr. 42/2005, S. 99–105. 128 Die Vernichtung der Unwahrheiten über die Freimaurerei durch 116 Antworten auf 116 Fragen, herausgegeben vom Verein deutscher Freimaurer, Leipzig 1928, S. 33. Dieselbe Quelle gibt die Zahl der Mitglieder der »humanitären« deutschen Großlogen mit 24.000 an. Daraus ergibt sich ein Anteil jüdischer 86 den 20er Jahren in den Bruderketten der »humanitären« deutschen Großlogen (die »altpreußischen « Großlogen hatten die Mitgliedschaft von Juden ausgeschlossen) gestanden haben: Wer kennt sie, wer weiß, was aus ihnen geworden ist, wer hat ihre Namen aufbewahrt, wer hat nach dem Krieg an sie gedacht oder sich um sie gekümmert? Werden sie nicht abermals aufgegeben, wenn sie namenlos bleiben? Gewiss: Sich an geschichtliche Wahrheiten zu erinnern, kann unbequem sein. Es erfordert Mut und die Bereitschaft, auf bequeme »Neuerfindungen der Vergangenheit« zu verzichten. Es ist dem Politikwissenschaftler Stefan Wolle darin zuzustimmen, dass alles, was gemeinhin unter dem Signum von »Aufarbeitung« und »Vergangenheitsbewältigung« rubriziert wird, der natürlichen Gravitationskraft des Alltagsdenkens widerstrebt und dass die »Schlussstrichzieher aller Zeiten« stets den gesunden Menschverstand auf ihrer Seite zu haben scheinen. Wir Heutigen haben als Bürger und Freimaurer nicht die Vergangenheit der 1920er und -30er Jahre zu verantworten. Wohl aber sind wir verantwortlich für das, was wir aus dieser Vergangenheit in der Gesellschaft von heute weiterwirken bzw. wieder aufleben lassen, und wir haben die Art und Weise zu verantworten, wie wir mit Vergangenheit handelnd und erinnernd umgehen. Eine entlastende und beschönigende »Erinnerungspolitik « wie die der unmittelbaren Nachkriegszeit mag vielleicht dem Wiederaufbau der Freimaurerei nach dem Zusammenbruch des Nazi-Systems förderlich gewesen sein, ja sie war bis einem gewissen Grade wohl unvermeidlich. Doch inzwischen besteht die Gefahr, dass aus Notkonstruktionen Mythen werden, die sich im Bewusstsein heutiger Freimaurer zu Realitäten verdichten, die es so nicht gab. Ein Unterstreichen dieser Gefahr ist durchaus angebracht. Denn jetzt – beinahe zwei Generationen nach der zuvor erörterten »klassischen« Periode der freimaurerischen Erinnerungspolitik in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren – muss in Bezug auf den Problemkomplex Freimaurerei und Nationalsozialismus ein neuer Verdrängungsprozess konstatiert werden, der sich über den alten schiebt: ein Prozess der Verdrängung der Verdrängung. Denn während inzwischen zahlreiche Studien vorliegen, die sich mit der Erinnerungspolitik der frühen Bundesrepublik beschäftigen, sind Fragestellungen dieser Art im Diskurs der deutschen Freimaurer kaum präsent. Zum Schluss: Schadet eine offene Reflexion auch belastender Vergangenheiten dem Ansehen der Freimaurerei und ihrer zukünftigen Entwicklung? Wohl kaum. Im Gegenteil: Wenn Freimaurerei heute »reflexive Aufklärung« (Helmut Reinalter) sein will, so muss sie um ihrer Glaubwürdigkeit willen sich selbst und ihre Vergangenheit in diesen Aufklärungsprozess einbeziehen. Freimaurerei hat viel zu viel Substanz, als dass sie historische Wahrheiten nicht vertragen könnte. Und wenn Freimaurerei vor allem als Ausdruck von Lebens- Brüder von 12,5 %. In den einzelnen Großlogen, Städten und Logen war dieser Anteil allerdings sehr unterschiedlich. Der Verein deutscher Freimaurer hatte in Anbetracht der zunehmenden antisemitischen Strömungen in der deutschen Gesellschaft und seiner Absicht, den Angriffen Ludendorffs auf die deutsche Freimaurerei entgegenzutreten, sicher keinen Anlass, seine »Ermittlungen« übertrieben hoch ausfallen zu lassen. 87 kultur verstanden wird, so muss Erinnerungskultur einen festen Platz in ihr haben. Das schulden sich die Freimaurer selbst. Aber auch der von ihnen angestrebte Respekt seitens der Öffentlichkeit hängt von der Fähigkeit ab, im Umgang mit der eigenen Vergangenheit redlich und wahrhaftig zu sein.

Fußnoten

1 Vgl. Höhmann, Hans-Hermann: Entwicklung, Reflexion, Wissenschaft. Anmerkungen zum Wechselspiel zwischen freimaurerischer Geschichte und Geschichte der Freimaurerforschung, in: Quatuor Coronati Jahrbuch für Freimaurerforschung, Nr. 41/2004, S. 229–239, hier S. 233f.
2 Zitiert nach Lennhoff, Eugen/Posner, Oskar: Internationales Freimaurerlexikon, Wien 1932, Spalte 865.
3 Lessing: Ernst und Falk. Gespräche für Freimäurer, sammlung insel, Frankfurt am Main 1968, S. 27.
4 Christian Karl Süßmilch: Der wahre Freimaurer, in: Gerlach, Karlheinz (Hrsg.), Berliner Freimaurerreden 1743–1804, Frankfurt am Main 1996, S. 226–235.
5 Zitiert nach Lennhoff, Eugen/Posner, Oskar: a.a.O., Spalte 873f.
6 Zitiert nach Hoffmann, Stefan-Ludwig: Politik der Geselligkeit. Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft 1840–1918, Göttingen 2000, S. 289.
7 Steimmig, Paul: Gedanken über die Darstellung des Humanitätsprinzips der Freimaurerei im äusseren Leben, in: Bundesblatt, Dritter Jahrgang 1889, H. 14, S. 357–363, hier S. 357, 361.
8 Hoede, Roland: Die Paulskirche als Symbol. Freimaurer in ihrem Wirken um Einheit und Freiheit 1833–1999, Bayreuth 1999.
9 Zitiert nach Hoffmann: a.a.O., S. 320.
10 Fichte, Johann Gottlieb: Philosophie der Maurerei. Briefe an Konstant (1802/03), Düsseldorf und Bonn 1997, S. 82.
11 Hoffmann: a.a.O., S. 303.
12 Im Ersten Weltkrieg nimmt August Horneffer diese Sendungsidee im Hinblick auf die zukünftige internationale Rolle der deutschen Freimaurerei in der Nachkriegszeit wieder auf: »Wie die deutschen Kaufleute und Gelehrten, müssen auch sie (die deutschen Freimaurer, H.-H. H.) nach dem Kriege wieder hinaus, müssen zerrissene Fäden neu knüpfen, müssen Aufräumungsarbeiten leisten und alles, was in ihren Kräften steht, tun, um den Fluch der Verirrung, der die feindlichen Völker gebannt hält, wieder aufzuheben … Dann werden sie kommen und schauen und an ihren eigenen Tempeln mit verdoppeltem Eifer arbeiten, um nicht zurückzubleiben. Das ist der rechte Weg zur ›Verständigung‹«. Horneffer, August: Deutsche und ausländische Freimaurerei, München 1915, S. 57, 58; S. 45, 46.
13 Hoffmann: a.a.O., S. 303 mit Angabe der Originalquelle.
14 Ebenda mit Angabe der Originalquelle.
15 Unsere nächsten Ziele, in: Bundesblatt, Jg. 1, 1887, S. 12–29, hier S. 14, zitiert nach Hoffmann: a.a.O., S. 303.
16 Vgl. Hoffmann: a.a.O., S. 317–322.
17 Vgl. Markner, Reinhard: Der Freimaurer Stresemann im Visier der Nationalsozialisten, in: Quatuor Coronati Jahrbuch für Freimaurerforschung, Nr. 42/2005, S. 67–75, hier insbesondere S. 68.
18 Meier, Marcus: Zwischen Volksgemeinschaft und Weltbruderkette: Die Bremer Pastoren Otto Hartwich und Emil Felden im politischen Kampf um die Grundlagen der Freimaurerei in den 20er Jahren, in: Quatuor Coronati Jahrbuch für Freimaurerforschung, Nr. 44/2007, S. 91–108.
19 Neuberger, Helmut: Freimaurerei und Nationalsozialismus. Das Ende der deutschen Freimaurerei, Hamburg 1980, S. 258.
20 Zitiert nach Steffens, Manfred: Freimaurer in Deutschland. Bilanz eines Vierteljahrtausends, Frankfurt 1966, S. 419.
21 Vgl. zu Penzigs freimaurerischen Anschauungen: Penzig, Rudolph: Logengespräche über Politik und Religion, Leipzig o.J. (1923), ders.: Freimaurer-Lehrbuch, Oldenburg o.J.
22 Der Convent der aufgehenden Sonne, in: Das neue Freimaurertum. Zeitschrift des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne, 22. Jg., H. 10, 1928, S. 290.
23 Das Internationale Freimaurerlexikon von Lennhoff/Posner (Ausgabe 1932, Spalte 340) gibt die Gesamtzahl der Mitglieder »regulärer« deutscher Großlogen für 1930 mit ca. 76.000 an. Davon entfielen ca. 54.000 (ca. 70 %) auf die drei »altpreußischen« Großlogen: Große National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« (22.000), Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland (20.000) und Große Loge von Preußen, genannt »Zur Freundschaft« (12.000). Zur Gruppe der Reformfreimaurer (FzaS und Symbolische Großloge, zu Letzterer traten 1930 etwa 600 ehemalige FzaS-Mitglieder über) dürften zur gleichen Zeit etwa 2500 Freimaurer gehört haben.
24 Lennhoff, Eugen/Posner, Oskar/Binder, Dieter A.: Internationales Freimaurerlexikon, München 2000, S. 542.
25 Vgl. Berger, Joachim/Grün, Klaus-Jürgen: Weimarer Republik und Nationalsozialismus, in: Geheime Gesellschaft. Weimar und die deutsche Freimaurerei, München/Wien 2002, S. 310 (HDM).
26 Lennhoff/Posner/Binder: a.a.O., S. 70–72.
27 Vgl. Harland-Jacobs, Jessica L.: Builders of Empire. Freemasons and British Imperialism, 1717–1927, Chapel Hill 2007, S. 289f.
28 The Maine Masonic Text Book for the Use of Lodges, 1923, S. 164.
29 Lennhoff/Posner/Binder: a.a.O., S. 292.
30 Vgl. hierzu und zum Folgenden Busche, Jürgen: Rezension zu Frei, Norbert: 1945 und Wir – Das Dritte Reich im Bewusstsein der Deutschen, München 2005, in: Deutschland Radio, 4.3.2005.
31 Horneffer, Ernst: Erkenntnis. Die Trägödie des deutschen Volkes, Kassel o.J. (1919?), S. 207.
32 Klefeker, Siegfried: Freimaurerei und Offizierskorps. Eine Entgegnung auf die Angriffe des Nationalverbandes deutscher Offiziere, in: Am rauhen Stein, Maurerische Zeitschrift der Großen Loge von Preußen genannt »Zur Freundschaft«, Jg. 21, 1924, H. 4, S. 49–57, hier S. 52.
33 Ebenda, S. 57.
34 Ebenda, S. 49.
35 Vgl. Hoffmann, Stefan-Ludwig: Die Politik der Geselligkeit, a.a.O., insbes. S. 128–202.
36 Vgl. Winkler, August Heinrich: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte 1806–1933, Bonn 2002; ders.: Der lange Weg nach Westen II. Deutsche Geschichte 1933–1990, Bonn 2005.
37 Mann, Thomas: Leiden und Größe Richard Wagners, Gesammelte Werke, Bd. IX, Frankfurt/Main 1990, S. 419.
38 Winkler, Heinrich August: Der Westen braucht den Streit. Was heißt westliche Wertegemeinschaft?, Abschiedsvorlesung an der Berliner Humboldt-Universität, zitiert nach Kölner Stadtanzeiger, ksta.de/html/artikel/1171445238540.shtml, Download 26.2.2007.
39 Vgl. Puschner, Uwe: Völkisch. Plädoyer für einen »engen« Begriff, in: Ciupke, Paul/Heuer, Klaus/Jelich, Franz-Josef/Ulbricht, Justus H. (Hrsg.): »Erziehung zum deutschen Menschen«. Völkische und nationalkonservative Erwachsenenbildung in der Weimarer Republik. Geschichte und Erwachsenenbildung, Bd. 23, Essen 2007.
40 Lennhoff, Eugen/Posner, Oskar: Internationales Freimaurerlexikon, Wien 1932, Spalten 346, 347.
41 Ebenda.
42 Wiedergabe des Briefes in: Große National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« im Verband der Vereinigten Großlogen von Deutschland, Bruderschaft der Freimaurer: 1933–2000. Versuch einer Standortbestimmung, 3 Bände, Berlin 2002, hier Band III, S. 895–898.
43 Editorial »Vom rechten deutschen Geist«, Wiedergabe ebenda, S. 900.
44 Gründungsprotokoll des Wetzlarer Ringes, GNML »3WK« vom 4. Juli 1925, Wiedergabe ebenda, S. 911–916.
45 Zirkelkorrespondenz, 1930, S. 267f., zitiert nach: Große Landesloge: Im Ordenshause der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Deutsch-Christlicher Orden, Berlin 1935, S. 7.
46 Ebenda.
47 Zur Aufklärung, Informationsblatt der Ordensgruppe (früher Loge) »Zu den drei Balken« in Münster, Archiv der Großloge AFuAM, Altenburg, A – 0006.
48 Fenner, Wolfgang/Schmidt-Sasse, Joachim: Die Freimaurer als »nationale Kraft« vor 1933, in: Koebner, Thomas (Hrsg.): Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deutschen Literatur und politischen Publizistik 1930–1933, Frankfurt 1982, S. 223–244, hier S. 228.
49 »Wahre deutsche Volksgemeinschaft« schreibt August Horneffer in: Was erwarten wir von Nationalsozialismus, in: Am rauhen Stein, Monatsschrift der großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft, Jg. 29, 1932, H. 8/9, S. 226–236, hier S. 230.
50 A. Horneffer: Wer soll uns führen? In: Am rauhen Stein, Jg. 28, 1931, S. 315ff.
51 »Verbreitet den Geist der Wehrhaftigkeit in unserem Volke«, in: Kundgebung der Großloge an die gesamte Bruderschaft, in: Am rauhen Stein, Jg. 29, 1931, S. 3.
52 Vgl. Fußnote 38 bei Fenner und Schmidt-Sasse: a.a.O., S. 240.
53 Die Säulen deutscher Weisheit, Stärke und Schönheit, in: Am rauhen Stein, Jg. 26, 1929, S. 171.
54 Bundesblatt, herausgegeben von der Großen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln«, Sonderausgabe, 10. August 1914, S. 465.
55 Ebenda, S. 465–466. Dieselbe Sonderausgabe berichtet von der bevorstehenden »Einberufung zum Feldheer« des National-Großmeisters Br. Wegner.
56 Ebenda, S. 465.
57 Niederschrift der 1143. Sitzung der Großen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln«, in: Bundesblatt, 1914, H. 15, S. 486, 489, 490.
58 Jänisch, Oskar: Marxismus und Freimaurerei, in: Am rauhen Stein, Maurerische Zeitschrift der Großen Loge von Preußen genannt Zur Freundschaft, Jg. 22, 1925, H. 2, S. 36–41, hier S. 36.
59 Bischoff, Diedrich, 1920: Eröffnungsrede zur Jahresversammlung in Nürnberg, in. Jahrbuch. Mitteilungen aus dem Verein Deutscher Freimaurer 1929/21, S. 5–22, hier S. 5.
60 Wegner, Julius: Der Weltkrieg und die Freimaurerei, in: Sonnenstrahlen, Bundes–Organ des »F. Z. A. S.«, 8. Jg., Oktober 1914, Nr. 3/4, S. 87–94, hier S. 88, 87.
61 Wagler, Paul: Freimaurerei als germanischer Rassegeist, in: Jahrbücher des Vereins deutscher Freimaurer, 1929–30, S. 57.
62 Die Großloge hatte ihren alten Namensbestandteil »Royal York« zu Beginn des Ersten Weltkriegs abgelegt.
63 Diese Funktion nahm Horneffer de facto wahr. Seine offizielle Amtsbezeichnung war »Großschriftführer und Archivar«.
64 Vgl. aus der Perspektive einer einzelnen Loge: Niemeier, Dirk in Zusammenarbeit mit Papenheim, Martin: Die Freimaurerloge »Friedrich zum weißen Pferde« in Hannover in Weimarer Republik und Nationalsozialismus, in: Quatuor Coronati Jahrbuch für Freimaurerforschung, Nr. 42/2005, S. 77–98.
65 Jaeckle, Julius: Die Freimaurerei am Scheidewege, in: Am rauhen Stein, Maurerische Zeitschrift der Großen Loge von Preußen genannt Zur Freundschaft, Jg. 21, 1924, H. 1, S. 5–6, hier S. 5.
66 Trommsdorf, H.: Die Forderung der Zeit, ebenda, S. 8.
67 Horneffer, August: Frühling, ebenda, in: Der rauhe Stein, Monatszeitschrift des Deutsch-Christlichen Ordens Zur Freundschaft, Jg. 30, 1933, H. 4, S. 99–102, hier S. 99.
68 Kekulé von Stradonitz, Stephan: »Deutschstämmigkeit«, in: Ordensblatt, hrsg. vom »Nationalen Christlichen Orden Friedrich der Große« in Berlin, Nr. 5, Mai 1933, S. 136–141, hier S. 136.
69 Ebenda, S. 141. Im »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 hatte es in § 3 geheißen: »(1) Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand (§§ 8ff.) zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen. (2) Abs. 1 gilt nicht für Beamte, die bereits seit dem 1. August 1914 Beamte gewesen sind oder die im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft haben oder deren Vater oder Söhne im Weltkrieg gefallen sind. Weitere Ausnahmen können der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem zuständigen Fachminister oder die obersten Landesbehörden für Beamte im Ausland zulassen.«
70 Bluhm, Johannes: Die neue Form des Brauchtums der I. Stufe im Orden, in: Ordensblatt, 62. Jahrgang Nr. 10, 1933, Oktober-Heft, S. 294–299, hier S. 297.
71 Zitiert nach: 250 Jahre Freimaurer in Oldenburg. 1752–2002, Oldenburg 2002, S. 71.
72 Zirkelkorrespondenz, 1926, S. 245f., zitiert nach: Große Landesloge: Im Ordenshause der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Deutsch-Christlicher Orden, Berlin 1935; S. 8f.
73 Ebenda, S. 8.
74 Neumann, Otto Philipp: Deutsche Freimaurerei und Hochgrade, in: Freimaurerzeitung Auf der Warte, Nr. 2, 15. Jg. 1931, S. 9–10, hier S. 10.
75 Hanke, Roland Martin: Daniel Lotter – Ein Zeugnis über die Freimaurerei nach der nationalsozialistischen Machtübernahme, in: Quatour Coronati Jahrbuch für Freimaurerforschung Nr. 43/2006, S. 219–253, hier S. 238.
76 Zur Geschichte der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin. 1920–1970, Berlin 1970, S. 39.
77 Horneffer, August: Was erwarten wir von Nationalsozialismus, in: Am rauhen Stein, Monatsschrift der großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft, Jg. 29, 1932, H. 8/9, S. 226–236, hier S. 229.
78 Ebenda, S. 235.
79 Ebenda, S. 231.
80 Gemeinsame Feier des Sonnenwendfestes der beiden christlichen Orden »Friedrich der Große« und »Zur Freundschaft« am 24. Juni 1933, in: Ordensblatt. Monatsschrift des Nationalen Christlichen Orden Friedrich der Große, 1. Jg. Juli/August 1933, Nr. 3, S. 41.
81 S. Horneffer, August: Völkische Rechtfertigung des Freimaurertums, in: Am rauhen Stein, Monatsschrift der großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft, Jg. 28, 1931, H. 5, S. 98–105; derselbe: Guido von List, der völkische Philosoph und Prophet, in: Am rauhen Stein, Monatsschrift der großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft, Jg. 29, 1932, H. 2, S. 35–45.
82 Schmidt, Kurt: Herman Wirth und die nordische Kultsymbolik des Stirb und Werde, in: Am rauhen Stein, Monatsschrift der großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft, Jg. 29, 1932, H. 11, S. 303–311, hier S. 311.
83 Deutsch-Christlicher Orden. Ordensblatt, 62. Jahrgang, Nr. 7, 1. Juli 1933, S. 217f.
84 Ebenda, S. 220.
85 Ordensblatt, hrsg. vom Nationalen Christlichen Orden Friedrich der Große in Berlin, 1. Jg., Juli/August 1933, Nr. 3, S. 45.
86 Zetzsche, Oskar: Eine germanische Kultstätte. Die Externsteine – und die Freimaurerei, in: Am rauhen Stein, Monatsschrift der großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft, Jg. 29, 1932, H. 5, S. 155–159.
87 Tagung in Bad Pyrmont mit Pilgerung zu dem altgermanischen Kultheiligtum der Externsteine, in: Der rauhe Stein. Monatsschrift des Deutsch-christlichen Ordens zur Freundschaft, 30. Jg., Mai 1933, S. 141–150.
88 Braune, Heinrich: Die diesjährige Tagung der Freunde germanischer Vorgeschichte in Bad Pyrmont, in: Deutsch-Christlicher Orden. Ordensblatt, 62. Jg. 1933, Juli-Heft, S. 191–203, hier S. 195, 193.
89 Horneffer, August: Frühling, in: Der rauhe Stein, 30. Jg. 1933, S. 99–102, hier S. 102.
90 Runkel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Berlin 1932, S. 456.
91 Zum neuen Beginn. Festkonvent (Leitung »Ordensgruppe Urania zur Unsterblichkeit«), in: Der rauhe Stein, 30. Jg. 1933, S. 233–241, hier S. 234.
92 Ordensblatt, herausgegeben von dem »Nationalen Christlichen Orden Friedrich der Große« in Berlin, September/Oktober 1933, S. 65.
93 Meyer, H. E. August: Zur Aufklärung!, in: Zirkelkorrespondenz-Ordensblatt, 62. Jg., 1933, S. 374–382, hier S. 380f.
94 Klingelhöffer, Wilhelm: Individualismus und Volksgemeinschaft, in Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Deutsch-Christlicher Orden, Ordensblatt, 64. Jahrgang, Nr. 2, 1935, Februar-Heft, S. 46.
95 Kulturpolitisches Tagebuch von Ernst Falk: Der deutsche Fascismus, in: Das neue Freimaurertum. Zeitschrift des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne, 22. Jg., H. 10, 1928, S. 298–299.
96 Mann, Thomas: Bekenntnis zur sozialen Republik; Felden, Emil: Zur Judenfrage, in: Das neue Freimaurertum. Zeitschrift des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne, 27. Jg., H. 3, 1933, S. 74–77, hier S. 77.
97 Zitiert nach http://www.abacus-freimaurer.eu/pageID_10169295.html, Download 27.8.2010.
98 Zitiert nach Steffens, Manfred: Freimaurer in Deutschland, a.a.O., S. 530.
99 Insofern kann auch Reinalter kaum zugestimmt werden, wenn er zur freimaurerischen Toleranz und ihrer Rolle bei der Aufarbeitung der Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg schreibt: »Diese Toleranz der Respektierung der Weltanschauung und Religion des Anderen ist auch heute noch Grundlage der Freimaurerei, die allerdings im Verlaufe des 19. und 20. Jahrhunderts sich manchmal von der Idealvorstellung entfernt hat. Hier sei z.B. an den Streit um die Zulassung von Juden bis hin zur Anbiederung einiger Deutscher Großlogen an den Nationalsozialismus erinnert. Sicher war es auch Ausdruck der Toleranzidee, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen ist, diese problematischen Entwicklungen der Vergangenheit kritisch aufzuarbeiten.« Reinalter, Helmut: Die Freimaurer, München 2000, S. 45.
100 Bericht von der Hauptversammlung der GLL in Hamburg, in: Zirkelkorrespondenz, Nr. 4, 1950.
101 Archiv der Großloge AFuAM, Altenburg, A – 0005.
102 Ebenda.
103 Ebenda.
104 Archiv der Großloge AFuAM, Altenburg, A – 0009.
105 Archiv der Großloge AFuAM, Altenburg, A – 0002.
106 Bernhard, Henry: Die deutsche Freimaurerei und Europa, in: Die Vereinigte Großloge, Juli/August 1951, H. 1–2, S. 38–43, hier S. 39.
107 Rundschreiben der Vereinigten Großloge der Freimaurer von Deutschland, 1948/49, Archiv der Großloge AFuAM, Altenburg.
108 Text der Erklärung im Archiv der Großloge AFuAM, Altenburg, A – 0009.
109 Zur Geschichte der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin. 1920–1970, Berlin/Uetersen 1970, S. 39.


Inhalt

Vorwort (9)

Zur Einführung

Freimaurerei in Deutschland Ein Überblick im Kontext von Geschichte, internationalen Entwicklungen und freimaurerischen Konzeptionen (12)
Zur neueren Geschichte der Freimaurerei in Deutschland Europas verlorener Friede, die national-völkische Orientierung innerhalb der deutschen Freimaurerei und die »freimaurerische Erinnerungspolitik« nach dem Zweiten Weltkrieg (51)
Deutsche Freimaurerei nach 1945 – Wiederaufbau zwischen Neuorientierung und alten Strukturen (88)

Sozialwissenschaftliche Analysen zur Freimaurerei

Habitus, soziales Feld, Kapital – Freimaurerei im Lichte der Soziologie Pierre Bourdieus (115)
»The Means of Conciliating true Friendship« – Freimaurerei als Sozialkapital (132)

Diskurse und Betrachtungen zum Verhältnis zwischen Freimaurerei, Politik, Kultur und Gesellschaft

Der deutsche Freimaurerdiskurs der Gegenwart Was ist, was will, was soll die Freimaurerei? (152)
»Von Gott und der Religion« – Zum Religionsdiskurs in der deutschen Freimaurerei (179)
Vom Vorurteil zum Urteil Der freimaurerische Bildungsweg (198)
Bürgerliches Selbst- und Wertebewusstsein als Zukunftsfaktor Europas (209)

Analysen und Überlegungen zum Ritual der Freimaurer

Die Allgegenwart des Rituellen Rituale, Ritualforschung, Freimaurerei (224)
»Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben …« – Überlegungen zur Symbol- und Ritualwelt der Freimaurerei (232)
Plädoyer für die Säule der Schönheit – Zur ästhetischen Dimension der Freimaurerei (240)

Begleiter der Zeit Engagement und Reflexion 1971–2010 (248)

Vier Thesen zur Erneuerung der Freimaurerei (1971) (249)
Plädoyer für eine verantwortliche Freimaurerei Hat die Freimaurerei öffentliche Aufgaben und wie sollen sie wahrgenommen werden? (1971) (254)
Eine Großloge wird vorgestellt: Leitgedanken zu Standort und Identität der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (1986) (262)
1737–1987: Vergangene Hoffnungen einlösen!

250 Jahre Freimaurerei in Deutschland (1987) (266)

Lessing und die Freimaurerei der Gegenwart (1991) (270)
Herausforderung Deutschland. Überlegungen nach der deutsch-deutschen Vereinigung (1991) (276)
Enthusiasmus und Verantwortung – Zum 230. Stiftungsfest der Loge »Anna Amalia zu den drei Rosen« in Weimar (1994) (281)
Regularität und Humanität: Freimaurerei vor dem Jahr 2000 (1995) (285)
Kulturpreis Deutscher Freimaurer: Kultur des Erinnerns – Kultur der Kommunikation (1998) (290)
Quatuor Coronati: neue Leitung – alte Aufgaben (1999) (296)
Toleranz als politisches Prinzip und persönliche Tugend – die Sicht eines Freimaurers (2000) (300)
Lob eines Brückenbauers: Dr. Alois Kehl zum 80. Geburtstag (2003) (306)
»Ver Sacrum« – junge Loge in veränderter Zeit (2005) (311)
Bürgerlicher Bund in nachbürgerlicher Gesellschaft (2008) (317)
Dan Browns »Verlorenes Symbol«: Freimaurerei zwischen Fiktion (323)


Siehe auch