Rezension: Hans-Hermann Höhmann - Freimaurerei in Deutschland

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HANS-HERMANN HÖHMANN - FREIMAUREREI IN DEUTSCHLAND
Aspekte der Vergangenheit - Aufgaben für die Zukunft

Eine Rezension von Rudi Rabe

Feuer entsteht durch Reibung

„Gern wird in den Logen gesagt, Tradition hieße nicht Asche zu bewahren, sondern Feuer weiterzugeben. Feuer aber entsteht durch Reibung, und Reibung entsteht an den Schnittstellen, wo die inneren Entwicklungen der Freimaurerei auf die Herausforderungen durch die Gesellschaft stoßen. Diesen Herausforderungen müssen sich die Freimaurer unserer Großloge stellen.“

Der Absatz enthält wohl das wichtigste Anliegen Hans-Hermann Höhmanns. Während er sich in den ersten zwei Dritteln seines Buchs mit der Geschichte der deutschen Freimaurerei bis in die Gegenwart beschäftigt, konzentriert er sich im letzten Drittel darauf: Wie soll es mit ihr weitergehen in dieser sich schnell verändernden Welt? Wobei er ausdrücklich festhält, dass sich sein Denken nicht auf die „hermetisch-esoterische“ und auf die „christlich-gnostische“ Freimaurerei bezieht, sondern auf die „humanistisch-aufklärerische“ seiner Großloge. Die beiden anderen schätzt er nicht so. Und deren Dach, die 'Vereinigten Großlogen von Deutschland', hält er eher für eine Fehlkonstruktion.

Humanismus und Aufklärung heute

Ich hebe das letzte Buchdrittel nicht hervor, weil ich der Meinung wäre, dass der geschichtliche Teil unwichtig wäre. Nein, ganz und gar nicht: Höhmann erzählt ihn gewohnt kompetent, und Geschichte ist wichtig, wenn man sich mit Zukunftsfragen sinnvoll auseinandersetzen will. Aber wie gesagt, sein eigentliches Anliegen ist die freimaurerische Zukunft, an der er sich schon in seinen letzten Büchern (siehe unten) abgearbeitet hat.

Und in Sachen zukunftsfit Werden, da bewegt sich laut Höhmann zu wenig: „Meine Leitvorstellungen für eine gegenwartstaugliche Freimaurerei sind an den Traditionen von Humanismus und Aufklärung orientiert, wie es meine freimaurerische Heimat, die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland ja auch vermuten lässt. Dabei scheint mir freilich, dass das innerhalb der Großloge üblich gewordene formelhafte Bekenntnis zu diesen Traditionen in seiner bisherigen Form nicht befriedigen kann. Bloße Deklarationen reichen nicht aus. Was Humanismus und Aufklärung heute bedeuten, … das – so scheint mir – sollte viel klarer erarbeitet und kommuniziert werden.“

Eine Tendenz zur „Zweiten Freimaurerei“?

Ja, noch schlimmer: Hans-Hermann Höhmann sieht eine „Tendenz zu Formen der freimaurerischen Praxis, die ich ‘Zweite Freimaurerei’ nennen möchte. Ich verstehe darunter eine Freimaurerei, die im Widerspruch zu den ideellen Grundlagen des Bundes zum Selbstzweck geworden ist und sich auf sich selbst konzentriert, und zwar nicht im Sinne einer erzieherischen Arbeit am eigenen Ich und eines Bemühens um bessere Verhältnisse im Umfeld des Freimaurers, sondern als freimaurerische Fehlhaltung, als Ausleben nicht kritisch hinterfragter Aktionsbedürfnisse, als Ausweiten persönliche Macht- und Einflussbereiche sowie als selbstgefällig-narzisstisches Streben nach symbolischem Kapital (Orden, Anreden, höhere Grade etc.). Diese ‘Zweite Freimaurerei’ führt zu administrativem Leerlauf, ist mit Konflikten verbunden, die u.a. auch zu Logenspaltungen führen können, enttäuscht immer wieder wirklich engagierte Brüder, führte zu Austritten und ‘innerer’ Deckung und trägt zu manchen hartnäckigen Stagnationserscheinungen bei, sowohl auf nationaler als auch auf übernationaler Ebene. Eine analytische Aufarbeitung dieser ‘Zweiten Freimaurerei’ ist aus meiner Sicht dringend erforderlich und sollte Gegenstand der internen freimaurischen Forschung sein.“

Starker Tobak. Aber es könnte zumindest eine Teilwahrheit sein.

Viele freimaurerische Baustellen, aber auch Ressourcen

Höhmann sieht eine Reihe von Baustellen, an denen zu wenig oder gar nicht gewerkt wird. Um nur einige zu nennen: Eine "neue Erzählung" braucht die Freimaurerei, und zwar innerhalb und nach außen, wenn sie weiter ernst genommen werden will. - Mit „vernehmbarer und zugleich profilierter Stimme" sollte sie sich „an den aktuellen Diskursen der Gegenwart beteiligen – dem Freiheitsdiskurs, dem Gerechtigkeitsdiskurs, dem Integrationsdiskurs, um nur einige zu nennen.“ - Und ihre Rekrutierungsmuster stimmen auch nicht mehr. Sie stammen aus dem bürgerlichen Zeitalter und werden der heutigen heterogenen und mobilen Gesellschaft nicht mehr gerecht. Und, und, und … das sind wichtige, doch von mir ziemlich willkürlich herausgegriffene Beispiele, weil die Rezension sonst viel zu lang würde.

Aber Höhmann sieht auch Ressourcen: Das freimaurerische „Drei-in-eins“-Kapital Freundschaft-Ethik-Ritual - dieses „Gesamtkunstwerk“ kann dem Bund produktive Spannung liefern. Wenn es richtig genutzt wird, „ist Freimaurerei in der Tat das wunderbarste Gemisch der Welt. Geht diese Spannung verloren, so droht Absturz irgendwo zwischen Vereinsmeierei, Debattierclub und esoterischer Sekte.“

War Sisyphos ein Freimaurer?¿?

Dieses Buch als Weckruf? Das wäre mir zu abgedroschen. Es ist die Ungeduld eines hohen in die Jahre gekommenen Freimaurerfunktionärs - Höhmann ist immerhin Redner seiner Großloge; die Ungeduld eines realistischen Idealisten, der weiß, wie schwierig die Sache mit dem rauen Stein ist. Der ist verdammt hart. Wie hart sind da erst die vielen Steine!

Und so schließt Höhmann sein Buch indem er seinen Brüdern einerseits Mut macht - Mut zum Konkreten, Mut zu einer neuen freimaurerischen Erzählung und Mut zu überzeugender humanitärer Praxis. Aber andererseits weiß er: „Oft werden wir auch scheitern. Das war in der Vergangenheit so, und das wird in der Zukunft so bleiben. Der raue Stein, den wir immer wieder aufs Neue bewegen müssen, mag auf uns zurück rollen, wie der berühmte Stein des Sisyphos. Doch dann bleibt uns immerhin, Albert Camus’ Rat zu befolgen und uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorzustellen.“


Post Scriptum: Ein glücklicher Sisyphos ... das gefällt mir. Danke Albert, danke Hans-Hermann. Und so werde ich dieses meinen masonischen Hormonhaushalt anregende Buch jetzt zwei Wochen zur Seite legen und mir dann seine vielen Denkanregungen noch einmal zu Gemüte führen. Mit Gewinn!

Das Buch hat 170 Seiten. Es erschien im Salier-Verlag, Leipzig. Dieser verlegt eine eigene Freimaurer-Reihe.

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