Rezension: Jacob Sadilek und Jitka Lněničková - Bohemian Masonic Glass

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Die Geschichte der Freimaurer im Spiegel ihrer Gläser

Dieses Buch ist ein tolles Werk, und das aus mindestens drei Gründen: Weil es nicht nur von schönen Gläsern handelt, sondern diese mit dem Wesen der Freimaurerei, mit ihrer Geschichte im allgemeinen und der Entwicklung ihrer Sitten und Gebräuche im besonderen verbindet. Zweitens weil es von großem Fachwissen der Autoren zeugt. Und schließlich weil sein Layout inklusive der vielen Bilder - vor allem natürlich Gläser, aber auch alte Stiche und Symbole - den Band mit großer Opulenz ausstattet. Das Buch ist außerdem zweisprachig: tschechisch und englisch. Von Rudi Rabe

Um das Werk und dessen Qualität zu verstehen, ist es wohl am besten, einen Blick auf seine Struktur zu werfen. Es teilt sich in drei große Hauptkapitel und einen umfangreichen Anhang:

➤ The Table Lodge and Masonic Dining Customs

Ein sehr frühes Beispiel aus England nach 1750: Likör-Glas mit Zirkel und Winkelmaß, den freimaurerischen Symbolen schlechthin.
Foto Marek Vaneš.

Seiten 12 bis 35 - Autor: Jacob Sadilek. Inhalt: Die Entwicklung der masonischen Tischsitten über die Jahrhunderte inklusive regionaler Unterschiede. Mit Erlaubnis des Autors folgen einige Zitate aus diesem Kapitel:

„A joint meal has always been a basic social activity. Since ancient times, people have been meeting together with family, friends, colleagues or new acquaintances. … At the very beginning of freemasonry in England, ritual work and dinner were held in one place. … As time went on, the texts of the rituals in England expanded, and dinners in the early 19th century were subsequently separated, taking place after the ritual work. Thus the table lodge or festive board was established, at which a set of table rules was put in place. … It is a good and customary habit to have toasts at the table.“

„A Special way to treat the glass after a toast was developed in masonic lodges. Since the first half of the 18th century, masonic fire or cannonade was accompanied masons’ toasts. It is a table rule derived from French officers’ traditions, having its origin in artillery terminology. The glass is called a cannon … Uniform commands are used to synchronize the toasts so that the banging on the table resembles a cannonade or musket shots as much as possible. … As festive boards were mostly held in rented rooms of inns, the innkeeper also provided the glasses for the toast. If there were several lodges at the same place, it was necessary to mark the glasses in some way - with the lodge number or the initials of the owner. The custom of banging the glasses on the table also obliged the innkeeper to procure strong-bottomed glasses.“

„After the First World War, banquets were still held, but they were usually more modest due to new circumstances. … After the Second World War, at a time auf austerity in economic and social life, lodges were marked by restraint and modesty. At the end of the 20th century, as a result of long-term peace and improvement of well-being, the old dining traditions began to return again. An example is the banquet that took place in the autumn of 2017 to commemorate the 300th anniversary of the establishment of Grand Lodge of England.“

➤ Models of Masonic Symbols on Glass

Seiten 36 bis 61 - Autor: Jacob Sadilek. Inhalt: Verschiedene freimaurerische Symbole und wie diese als Glasschmuck umgesetzt wurden, wieder inklusive regionaler Unterschiede.

Die ersten beiden Kapitel werden von knapp gehaltenen Einschüben begleitet, in denen Spezialthemen behandelt werden, die das Verständnis für das Gesamtthema fördern. Beispiele: Inns and Temples - The Beginning of Freemasonry in England - The Expansion of Freemasonry in the 18th century - Short vocabulary for the masonic table - Masonic Toasts, Cannonades at the Festive Board - Freemasonry in the 19th Century - Freemasonry and the Catholic Church - Freemasonry in Austro-Hungary - Masons an Totalitarian Systems - What is Freemasonry - The Oldest Bohemian Masonic Glass - The Magic Flute … und dann immer spezieller: böhmische Personen, Logen, Glashütten und Gläserdetails - bis hin zum berühmten Alfons Mucha und die von ihm entworfenen freimaurerischen Kelchgläser.

➤ Three Centuries of Masonic Glass

Seiten 62 bis 163 - Autorin: Jitka Lněničková. Inhalt: In chronologischer Abfolge beginnend mit den 1760er Jahren bis in die Gegenwart wird in diesem dritten Hauptkapitel die Entwicklung der böhmischen Freimaurergläser im Detail behandelt. Dabei wird auf die konkreten Erzeuger ebenso hingewiesen wie auf den Handel und die Ausfuhr des jeweiligen Freimaurerglases sowie auf die künstlerischen Einflüsse und die Beziehungen zu einzelnen Logen oder Personen; natürlich mit vielen Fotos und ausführlichen Beschreibungen, gefolgt von Beispielen für Fälschungen und Motiven, die freimaurerisch wirken, es aber nicht sind.

Weil man früher in Böhmen genügend Energie in Form von Holz zur Verfügung hatte, von dem man zum Glasschmelzen große Mengen brauchte, wurde die Region in der Neuzeit einer der europäischen Hotspots für die Erzeugung und ab dem 18. Jahrhundert auch für den Export edler Gläser. Das gilt auch für Freimaurergläser, dies sogar im 19. Jahrhundert als die Logen im Habsburgerimperium, zu dem Böhmen gehörte, verboten waren. Das hinderte die Glashütten nicht, solche Gläser zu produzieren und erfolgreich vor allem nach Deutschland aber auch darüber hinaus zu exportieren. Sowohl alte als auch zeitgenössische Freimaurergläser aus den böhmischen Glashütten und Glasraffinerien sind heute in der ganzen Welt zu finden. In diesem Buch werden sie erstmals identifiziert. Und so ist es durchaus logisch, dass dieses Buch den böhmischen Freimaurergläsern gewidmet ist, wobei die jeweiligen masonischen Moden immer wieder auch mit denen in anderen Weltgegenden verglichen werden.


Jedes Glas wird auf Tschechisch und Englisch genau beschrieben - und zwar wie auf diesen beiden Buchseiten zu erkennen ist, viel detaillierter als die folgenden sechs Beispiele hier in dieser Rezension.




Die masonischen Gläser in Mitteleuropa im neunzehnten und im zwanzigsten Jahrhundert zeichneten sich durch eine große Formenvielfalt aus - mit ganz verschiedenen Gravuren. Leider haben viele Vorlagen die Zeiten nicht überdauert. Eine Ausnahme ist die folgende von der Josephinenhütte des Grafen Schaffgotsch im niederschlesischen Szklarska Poręba (Schreiberhau/heute Polen) - im Buch auf Seite 127:

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➤ Ein umfangreicher Anhang

Die letzten 60 Seiten des Buchs reichen weit über das Thema Gläser hinaus:

Auf den Seiten 170 bis 197 werden hundert freimaurerische Motive und Symbole (teils mit Variationen) dargestellt; auf den Seiten 198 bis 215 folgt ein Index von historischen Personen und historischen Firmen, die etwas mit dem Thema zu tun haben, samt Beschreibungen. Außerdem ein Literaturverzeichnis mit historischen und zeitgenössischen Quellen sowie eine Übersetzung von Ortsnamen in verschiedene Sprachen.

Aus dieser Übersicht geht hervor, wie tief die beiden Autoren in das Thema Freimaurergläser eingedrungen sind. Schon 25 Jahre vor der Veröffentlichung des Buches beschlossen sie, es gemeinsam anzugehen. Es folgten jahrelange Recherchen unter Mitarbeit mehrerer Institutionen und Privatsammler aus verschiedenen Ländern sowie im Jahr 2017 eine Ausstellung in Klatovy/Klattau.

Die Verknüpfung der ausführlichen Gläserkunde mit der Freimaurerei an sich und mit der Entwicklung ihrer historischen Tischsitten verbreitert die Perspektive des Buches erheblich und machen es auch für Nichtspezialisten lesenswert - genauer: wert, es zu studieren, da das Buch ja kaum jemand in einem Zug von vorne bis hinten durchlesen wird.

➤ Über den Autor und die Autorin

Jacob (Jaap) Sadilek (*1949) ist ein tschechischer Niederländer. Er wurde in der englisch-niederländischen Loge in London als Freimaurer aufgenommen und ist heute Mitglied der „Comenius Loge“ in Naarden/NL sowie der Loge „Most“ in Prag. Außerdem ist er Gründer und Vorsitzender der „Praga Masonica Society“. Über das Thema Freimaurer hält er immer wieder Vorträge, und er schrieb darüber in Zeitschriften und Jahrbüchern in Tschechien, Österreich und Deutschland.

Jitka Lněničková ist Glashistorikerin, Kuratorin im Pavillon des Glases in Klatovy (Klattau) und im Glasmuseum zu Annín (CZ). Außerdem schrieb sie über das Thema böhmisches Glas mehrere Bücher.

České zednářské sklo - Bohemien Masonic Glass - Jacob Sadilek und Jitka Lněničková - 228 Seiten - Verlag Graphiurs - Prag 2021 - ISBN 978-80-905387-0-2

Das Buch kann bei Jacob Sadilek bestellt werden: jacob@sadilek.org
Preis: 30 Euro + Postgebühr

 

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