Traktat: Aspekte der Esoterik

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Aspekte der Esoterik

Quelle: Euromason / Altea la Vella / Spanien

Esoterik und Brüderlichkeit setzen sich neben der Brüderlichkeit vor allem mit dem Wesen der Esoterik auseinander. Im Vordergrund stehen dabei die Merkmale der Esoterik seit Pythagoras, wo der Begriff begründet wurde. Esoterik ist aber auch ein Weg, welcher zur Aufhebung der, aus dem Verstand resultierenden Polarisierung hin zur Einheit führt. Der Einstieg ist möglich:

durch Meditation, d.h. in sich versenken zum Zwecke der Selbsterkenntnis,
durch Studium der Astrologie, welche der geschichtlichen Entwicklung der kosmischen Umwelt entspreche und helfe sich darin zurechtzufinden,
durch Studium der Alchemie, die uns lehrt, dass Materie und Energie eins sind und die Vereinigung des Menschen mit der ursprünglichen göttlichen Kraft bewirke,
durch Studium der Magie, welche das Überschreiten der von der Natur dem Menschen gesetzten Grenzen zum Ziele hat und den Vorstoss in neue Erfahrungsbereiche ermöglicht.
durch das Studium der Kabbala, der esoterischen Geheimlehre des Judentums,
durch das Tarot, das das Unterbewusste des Menschen ansprechende Kartenspiel,
durch das New Age, als Ausgangspunkt in der Gegenwart.

Der Zusammenhang mit der Brüderlichkeit besteht darin, dass ein Freimaurer kein einsam Suchender, sondern auf Brüder angewiesen ist, die ebenfalls den Weg nach innen gegangen sind.

Esoterik

Beim Nachschlagen in den Lexika ist zu vernehmen, was unter Esoterik zu verstehen sei. Im einen bestand, die Erklärung aus den beiden Sätzen "Bezeichnung für religiöse Riten und Gebräuche eines in sich geschlossenen Kultverbandes" und "die Esoterik pflegt die Pflicht zur Geheimhaltung". Im andern "Antike, im Anschluss an Mysterienschule und pythagoräische Tradition erweiterte, auf bewusste Geheimhaltung bestimmte Lehre. In diesem Sinne unhistorisch, auf Platons mündliche Philosophie angewendet." Esoterische Literatur verbindet meistens unterschiedliche Elemente aus Astrologie, Okkultismus und Religion. Das Wort Esoterik aus dem griechischen, bedeutet NACH INNEN im Gegensatz zu Exoterik, NACH AUSSEN. Zusammengefasst heisst: Esoterisch innerlich erlebt, mit der verborgenen Kraft des Herzens verstanden.

Die alten Philosophen hätten ihr Wissen eingeteilt in solches, das einem äussern, nicht genügend vorbereiteten exoterischen Kreis bekannt gegeben werden durfte und solches, das nur einem inneren, esoterischen Kreis der Vollendeten vorbehalten war.

Esoterik umfasst also die gemeinsame Lehre der Religionssysteme in Bezug auf Ursprung, Entwicklung und Ziel des Menschengeschlechtes und ist zudem, weitgehend als Geheim- und Weisheitslehre zu verstehen.

Esoterik gehört wahrscheinlich zu den ältesten Ausdrucksformen des menschlichen Geistes. Magier nahmen sich ihrer an, hielten sie aber für sich, um ihre Stellung zu festigen. Erfolge ihres Tuns schrieben sie ihren übernatürlichen Kräften zu. Unmittelbar erzeugte die Magie den Priesterstand, denn je vielfältiger und zahlreicher die religiösen Riten wurden, umso dringender benötigten die Menschen solche mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen. Die ausschliessliche Aufgabe der Priester war die Beherrschung der mannigfachen Zeremonien. Sie beanspruchten für sich die Kraft zu besitzen, sich dem Willen und Geiste der Götter in ihrer Trance, im Gebet oder in der Ekstase zu nähern, um sie in ihren Entscheidungen zu beeinflussen. Dass diese Wissenschaft und Fähigkeit den Naturmenschen die kostbarste dünkte, wo übernatürliche Kräfte das Schicksal des Menschen jeden Augenblick zu bestimmen schienen, wuchs die Macht der Priesterschaft. Und jederzeit haben Priester und Kriegsherren in der Herrschaft über die Menschen um die Wette gestritten.

So haben es die Priester schon in alten Zeiten verstanden, aus ihrer Stellung Kapital zu schlagen und bekundet, dass sie wie in Ägypten zur Zeit Ramses III. über 100'000 Sklaven besaßen, was etwa einen Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachte, dass ungefähr ein Siebentel des bebaubaren Landes und 500'000 Stück Vieh in ihrem Besitze war, dass sie über die Einkünfte von 170 Städten in Ägypten und Syrien verfügten, sowie 300 to Gold und 1'000 to Silber ihre Schatzkammern füllten.

Der Priester schuf die Religion nicht, er gebrauchte sie lediglich, wie der Staatsmann die Antriebe und Bräuche der Menschen zu seinen Zwecken benützt. Religion ist keine Priestererfindung, sie wird und wächst aus Wunder, Angst, Unsicherheit, Hoffnung und Einsamkeit. Der Priester aber war auch der Bewahrer des wachsenden Kulturlebens und unterstützte den unsicheren Bau der menschlichen Moral. Dazu dienten ihm hauptsächlich der Mythos und das Tabu.

Der Mythos schuf den übernatürlichen Glauben an eine himmlische Vergeltung. Und dieser Glaube ist es, der den Menschen veranlasst, um sein Einverständnis zu den von seinen Herren oder seiner Gruppe gewollten Einschränkungen zu geben; jener innere Zwang, aus dem sich das Gewissen entwickelte. Dieser innere Zwang führte sachte aber sicher zu diesen nicht angeborenen Tugenden - zur Moral.

Unter Tabu anderseits sind die von den Religionen sanktionierten Verbote zu verstehen. In den höher entwickelten, primitiven Gesellschaften nahmen Tabus die Stelle von Gesetzen ein.

Die Religionen erreichten ihren Höhepunkt mit der Einheit von Glaube und Moral und enden im selbstmörderischen Kampf um Hegemonie.

Hans Küng, der in seinem Buch "Projekt Weltethos" dieser Frage nachgeht schreibt:
"Die grossen Religionen der Welt durchdringen die Kulturen und Kulturkreise und gehen nicht einfach in diesen auf. Sie sind so etwas wie grosse Fluss-Systeme, die sich durch sehr verschiedene kulturelle Landschaften hindurchschlängeln können. Innerhalb eines solchen religiösen Flusssystems ist jede Religion als eine ganz und gar eigenständige Grösse in ihrem speziellen Profil, trotz aller Verwandtschaften untereinander, ernst zu nehmen. Dabei ist zu beachten, dass keiner der grossen Religionsströme, wiewohl "Wasser des Ewigen" führend, ewig gleich geblieben ist. Jeder hat derart fundamentale Veränderungen durchgemacht, dass man angesichts des in der Ebene träge dahin fliessenden Stromes meinen könnte, er hätte gar nichts mehr mit den klaren Quellwassern des bescheidenen Ursprungs zu tun. Wir treffen auf gewaltige Stürze, Epochenschwellen, die eine völlige Veränderung der Richtung und der Landschaft zur Folge hatten, eine völlige Veränderung der Gesamtlage, bei der es zwar noch immer um ein und dieselbe Religion geht, nun aber zu sehen in einer andern Konstellation von Überzeugungen, Verfahrensweisen etc. Anders gesagt: jede der grossen Religionen soll nicht als statische Grösse, sondern als lebendig sich entwickelnde Wirklichkeit verstanden werden."

Mysterien

Nach dieser Darstellung der Entstehung und Entwicklung der Religionen wenden wir uns den Mysterien als einer andern Ausdruckform der Esoterik zu. Carl Schneider definiert in seinem Buch "Mysterien, Wesen und Wirkung der Einweihung", die Mysterien als eine Verbindung von Religion mit Metaphysik und magischer Technik. Die alten Völker verstanden darunter Geheimkulte mit stufenweiser Einweihung in die höchsten und heiligsten Wissenschaften und Lehren. Die umfassensten, nach den Anschauungen der damaligen Zeit, waren die Kenntnisse aller sichtbaren und unsichtbaren Kräfte des Universums und deren geheimen und offenbaren Wirkungen. Sie erstreckten sich sowohl auf das geistige als auf das sinnliche Gebiet. Ihre Lehren gliederten sie in die Lehre von der Natur und alles dessen was die Welt ist, von ihren Ursachen und Wirkungen, über die Bewegung und den Lauf der Gestirne, den Einfluss der obern (Anm.: Oberen) und der untern Welt, sowie über die Gottheit und Seele, heilige Kulte, Glauben, Wunder, Kraft gewisser Worte, Zahlen und Figuren, sowie alle geheimen Wirkungen überhaupt. Wer dieser im Besitze der Priester befindlichen Lehren teilhaftig werden wollte, musste eingeweiht werden, sich schweren Prüfungen unterziehen, die ihn im Falle des Bestehens stufenweise vorwärts brachte und schliesslich zur Vereinigung mit der Gottheit führten.

Dabei spielte der Gedanke von Tod und Wiedergeburt eine zentrale Rolle, was Plutarch wie folgt ausdrückte:
"Im Sterben widerfährt der Seele dasselbe wie jenen, welche in die grossen Weihen eingeführt werden, weshalb auch das Wort von der Tatsache des Sterbens dem Wort des Eingeweiht-Werdens entspricht."
Aus dem alten Ägypten wird überliefert, dass die Ausbildung in Tempelschulen erfolgte, wo ausgewählte Schüler auf ihrem Weg zu einem erweiterten Bewusstsein geführt wurden. Dort erfuhren sie von einem Gott und der Unsterblichkeit der Seele, erhielten Einsicht in die Gesetze des Kosmos, in welche sich der Mensch aus freiem Willen einfügen kann. Er wurde gelehrt, dass die Gesetze, welche Form und Lauf des Universums bestimmen, sozusagen als verkleinertes Abbild auch für den Menschen gelten. Eine andere Lehre bestand im Satz "wie oben - so unten", was heisst, dass alles was auf der obern, geistigen Ebene geschieht, seine Entsprechung auf der untern, irdischen Ebene hat.

Die Einweihung wurde in den Pyramiden oder unter irdischen Krypten gefeiert. Ein Mysterienritual, der Ägypter wies vier Grade auf. Der Eingeweihte schon des 1. Grades besass, dank seiner Ausbildung in der Mysterienschule, Fähigkeiten besonderer Art. Jener des 2. Grades war bereits fähig Zeit und Raum zu überblicken, und die Einweihung in den 3. Grad führte symbolisch durch das Tor des Todes. Während des Hindurchschreitens stand vor seiner Seele gleichsam sein ganzes Leben mit allen guten und bösen Handlungen und Unterlassungen. Die anklagenden und richtenden Geister standen vor ihm und suchten ihn zurückzuhalten. Wenn es ihm nicht gelang sie zu überwinden, musste er für den Rest seines Lebens in der Halle des Todes bleiben. Mit dem 4. Grad wurde der Eingeweihte ein Vollendeter, der jede Art von Wunder durch die Macht seines befreiten Geistes hervorrufen konnte.

Osiris-Mysterium

Mysterien, d.h. Geheimkulte mit stufenweiser Einweihung sind viele bekannt. Zu den ältesten und bedeutsamsten gehört das Osiris-Mysterium. Es ist die Wiedergabe einer osirischen Geheimfeier, bei der man den Einzuweihenden die Gewissheit der Unsterblichkeit, den Tod als Wiege des Lebens, erleben lässt. Osiris war eine ägyptische Gottheit, die Personifikation der Sonne und Gatte der Isis. Ein ebenso bedeutendes Mysterium ist jenes der Isis, das sich zur bedeutsamer Zeit des römischen Imperiums als bedeutsamer Nachlass Ägyptens ausbreitete. In dessen Mittelpunkt stand die treue Gattin und die mütterliche Isis. Auch dieses Mysterium handelt von Tod und Wiedergeburt.

Wieder ein anderes Mysterium ist jenes der Orphiker, das auf den thrakischen Sänger Orpheus zurückzuführen ist. Im Mittelpunkt dieses Mysterium steht die Befreiung der Seele aus den Banden des Leibes, in welchem sie wie in einem Kerker eingeschlossen ist.

Ein weiteres, ebenso bekanntes Mysterium, ist der Mitras-Kult. Es spinnt sich um Demeter, die das Leben des Kosmos symbolisiert. Sie schenkte Triptolemus ein Weizenkorn, lehrte ihn den Ackerbau und weihte ihn ein in die Bedeutung des Emporkeimens der Saat zum Lichte. Sie wird zur Stifterin des Geheimkultes zu Eleusis.

Mysterienbünde

Im Laufe der Zeit bildeten sich Mysterienbünde und in ihrer Mitte esoterische Gemeinden, in denen nicht die Volksgottheit der Exoteriker, sondern ihrer Überzeugung gemäss, der einzig wahre, allmächtige und allgegenwärtige Gott, den nur die Esoteriker kannten, angebetet wurde. Charakteristisch für diese kultischen Geheimbünde ist das Geheimnisvolle in den rituellen Gebräuchen. Bedeutsam für die Geheimkulte war der Gebrauch des Symbols, welches auf sinnlich anschauliche Weise das Göttliche gegenwärtig macht und in der Fortentwicklung der Kultur vergeistigt wird. Symbole dienten gewissermassen als bildliche Sammlung des geistigen Urwissens und wurden benutzt für die magische Bewusstseins-Erweiterung und als Mittel um Informationen zu speichern. Man ging davon aus, dass Symbole die Eigenschaft haben, ihrem Sinn entsprechend, Energien im Menschen freizusetzen. Alle Symbole sind geheimnisvoll und alle Symbolbünde haben sich im Besitze von Geheimnissen gefühlt, die sie nach aussen durch Verhüllung zu schützen suchten.

Symbolgebrauch und Gemeinschaftsbildung sind die Grundlagen der religiösen Genossenschaften, von denen die Mysterienbünde eine besondiere Art darstellen. In diesem Zusammenhang ist: auf zwei besondere Geheimbünde hinzuweisen, denen zwar bereits weniger kultische als religions-philosophische Bedeutung zukommt. Die Kabbala und der Sufismus.

Kabbala

Die Kabbala ist eine Geheimlehre des Judentums. Sie entstand in der talmudischen Zeit als mystische Reaktion gegen den übertriebenen Formalismus, mit der Absicht, das religiöse Leben mit neuem Inhalt zu füllen. Sie wurde im jüdischen Mittelalter zu einer Religions-Philosophie, die ihre Aufgabe in der Lösung der Fragen über Gott und die Welt suchte. Nach Leo Schaya erfordert die jüdische Esoterik vom Kabbalisten das Aufhören des Daseins, insofern er es ausserhalb der göttlichen Alleinwirklichkeit erlebt, denn das geistige Leben des Judentums sei in seiner Innenlehre enthalten.

Der andere Mysterienbund, der Sufismus ist die islamische Esoterik. Sie ist der innere oder geistige Bereich der mohammedanischen Religion. Es ist eine mystische Bruderschaft, deren Ziel darin besteht, die Überlieferung und das Erbe islamischer Geistigkeit zu tragen und zu bewahren. Vor allem hat es Gewähr dafür zu bieten, dass die Weitergabe des Einweihungsritus erhalten bleibt. Ohne Einweihung, der eine lange und ausdauernde Jüngerschaft unter einem geistigen Meister vorausgeht, gibt es keinen Sufismus.

Christliche Esoterik

Nun ein Wort zur christlichen Esoterik. Der Philosoph Fichte verehrte Christus als den grossen Lehrer der Einheit des Menschengeistes mit dem Gottesgeist oder dem universellen Prinzip. Gerhard Wehr schreibt zu diesem Thema:
"Von christlicher Esoterik kann überall dort gesprochen werden, wo die Fülle der christlichen Botschaft dem Verständnis Vieler entzogen, als eine inspirierende, die Erkenntnis vertiefende, das Leben verwandelnde Kraft erfahren wird."

Wie christliche Esoterik zu erfahren ist, sagt Angelus Silesius mit den Worten: "Wir finden Gott nur im immerwährenden Fortschreiten unserer Erkenntnis, im immerwährenden Prüfen dessen, was war, was ist und was sein wird. Wir finden ihn nur in den allertiefsten Tiefen unserer Seele, in ihrem Wachsen und Reifen in einem immer währenden geistigen, bewussten Schaffen."

Von ihm ist auch der Ausspruch "So Du etwas bist, so bleib doch ja nicht steh'n, man muss von einem Licht zum andern geh'n."

Hierzu weiter auszuholen, hiesse Wasser in den Rhein schütten, denn darüber gibt es eine unerschöpfliche Literatur, die über Augustinus, über Meister Eckhart bis in die jüngste Zeit führt. Wesentlich scheint die Feststellung, dass die Christliche Lehre durch kirchliche Institutionen nach aussen orientiert worden ist, wodurch die esoterische Seite des Christentums weitgehend verloren, ging unter gleichzeitiger systematischer Ausrottung, was esoterisch war, z.Bsp. der Templer oder der Gemeinschaft der Katharer.

Zum Zusammenhang der Mysterien und Mysterienbünde mit der Freimaurerei besteht ein wesentlicher Unterschied. Die Mysterienbünde waren weniger Denkerklubs als Heilsgemeinden. Ihre Lehren gaben sich verschieden nach Zeit und Ort. Sie wechselten und passten sich den jeweiligen Zeitformen an. Ihre Mitglieder suchten immer weniger Belehrung und Unterricht als Leben, Schönheit, Frieden, Göttlichkeit. Aber bei jedem höher stehenden Volk tritt ein Augenblick ein, wo der Glaube an die mythologische Welterklärung ins Wanken gerät. Die Gebildeten lösen sich, teils durch wissenschaftliche Betrachtung der teils durch Vergleich mit andern Völkern angeregt, von der Volksüberlieferung los. Diese Entwicklung hat zur Entstehung der Meinung beigetragen, dass die symbolische Erfassung der Wahrheit immer mehr der begrifflichen Erfassung weichen müsse. Dadurch, dass sie an Phantasiereichtum einbüsste, gewinnt sie aber an sittlicher Vertiefung. Diese Vertiefung ist es nach Horneffer, einem anerkannten Kenner der Freimaurerei:
"welche die Gegenwartsmaurerei ihrer Abkunft gemäss und getragen von der besseren Weisheits-Erkenntnis, erstrebt. Zu diesem Zweck bedarf sie gleichermassen des Festhaltens an der Tradition der Symbolik wie auch des Ausbaus ihrer praktischen Lehren und Arbeiten, die sie den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Gegenwart anpasst. Symboltradition und humanitäre Gegenwartsarbeit müssen sich in der Freimaurerei zu einer einheitlichen, geschlossenen Weltbetrachtung und Lebensgestaltung vereinen."

Die Mysterienbünde vertraten gerne die Meinung, dass sie von jeher bestanden und ihre Geheimnisse durch Tradition aus den urältesten Zeiten, schliesslich von Gott selber empfangen hätten. Historisch wissen wir soviel, dass eine ideelle Linie der Geheimbünde von den Kultverbänden der Babylonier, Inder, Perser, Griechen, Römer zu den Gemeinden der frühchristlichen Zeit geht, weiter zu den christlichen Bünden des Mittelalters, d.h. zu den Rittern und Mönchsorden, Werkbruderschaften und endlich zu den Symbolgenossenschaften der neueren Zeit, den Rosenkreuzern und zu den Freimaurern. Von einer stammbaumartigen Verflechtung jedoch z.Bsp. der Freimaurerei mit den Kultverbänden kann im Ernste keinesfalls die Rede sein.

Wir wissen auch, dass es Handwerkervereinigungen schon bei den Römern gab. Ihre Ziele aber waren rein praktischer Art. Die bedeutensten jener Bauleute, was durchaus einleuchtet, waren denn diejenigen der Architektur, schon damals sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Es war nicht leich,t in die Geheimnisse ihres Berufswissens einzudringen. Da es keine Studien oder Arbeitsbescheinigungen gab, verwendeten Sie ein Passwort, das sie über ihren Stand und ihre Zugehörigkeit zur Gilde auswies. Der Neuaufzunehmende musste feierlich geloben es geheim zu behalten und schwören, über die Berufsgeheimnisse strengstes Stillschweigen Uneingeweihten gegenüber zu üben. Von einer eigentlichen Einweihung konnte dabei aber keine Rede sein. Der Inhalt des Eides war rein handwerklicher Art. Und so war es auch bei den Gilden der Steinmetzen und Maurer, von denen die Freimaurer ihre Herkunft ableiten.

Dieser Sachverhalt jedoch erschien vielen zu einfach und es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Aufnahmen in die Handwerkerbünde in einem Meer von Theorien und Spekulationen aller Art über den esoterischen und mystischen Charakter dieses Eides versank. Dem aufgeschlossenen Freimaurer ist aber die esoterische Schwärmerei, d.h. die Mystik zur Grundlage aller Seinserklärung zu machen, suspekt.

Es ist auch nützlich zu wissen, dass eigentliche Rituale in der Freimaurerei erst im 18. Jahrhundert entstanden sind als Zusammenstellungen von feierlichen Handlungen zum Zwecke sakraler Zeremonien. Diese lehnten sich mehr oder weniger an die Einweihungsriten der Mysterienbünde an und haben mit der Zeit einen massgeblichen Stellenwert erhalten. Sie gelten nicht zu unrecht als esoterisch, werden sie doch innerlich erlebt und mit der verborgenen Kraft des Herzens verstanden.

Dass übrigens im 18. Jahrhundert so viele nicht-operative Maurer in die Gilden der Bauleute aufgenommen wurden, wird damit erklärt, dass Adelige und Intellektuelle von den Geheimwissenschaften angezogen wurden, denn die Logen standen im Ruf, Heimstätten der Alchemie und der Esoterik zu sein.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Esoterik wohl zu den ältesten Ausdruckformen des menschlichen Geistes seit dem Erwachen des Bewusstseins des archaischen Menschen gelten muss. Die Entstehung und die Entwicklung der Religion, von Symbolbünden und Mysterien, zeigen Zusammenhänge mit der Freimaurerei, bei der sich, ebenfalls esoterische und exoterische Ausdrucksformen finden.

Exoterische, wenn z.Bsp. über Aspekte der Esoterik oder ähnliche, vielleicht philosophische Themen gesprochen oder geschrieben werden und vielleicht sogar Kult des Kultes Willen um die Esoterik gemacht wird.

Initiation und ihre meditative Verarbeitung

Esoterische, wenn ein Bruder für sich allein oder gemeinsam mit seinen Brüdern im Tempel Vergeistigung und Selbsterkenntnis sucht und findet. Dann erlebt er Esoterik, die wie folgt zusammengefasst werden kann:
"Dem Grundmuster der Initiation folgend, soll der Freimaurer alle Ereignisse und Schicksale seines Lebens meditativ verarbeiten. Er wird dabei stets tief ergreifend und in immer neuer Gestalt das Geheimnis notwendiger Abfolge von Tod, Wandlung und Neugeburt an und in sich selber erfahren. Nur dadurch gelangt er zu seelischer Läuterung und geistiger Erkenntnis.
Aber der echte Freimaurer wird sich nicht eigensüchtig nur um seine innere Höherentwicklung und um Selbstveredelung bemühen, sondern er wird ebenso unablässig danach trachten, seine Einsicht im täglichen Leben und in der weitern Umwelt durch aufbauende, helfende und heilende Taten schöpferisch zu verwirklichen und fruchtbar zu machen."


Ergänzung: Thorwald Dethlefsen

Das Wissen der Esoterik ist in verschlüsselter Form jedem zugänglich, doch es kann von dem Unwissenden nicht erkannt werden. Die Menge erkennt den Wert der Symbole nicht und hält sie deshalb für nutzlosen Unsinn. Man muss deshalb erst sehen lernen, um sehen zu können. (“Das Licht kam in die Finsternis, doch die Finsternis erkannte es nicht” Joh. 1)

Wenn ich keine Noten lesen kann, so berechtigt mich dies nicht, von der Musik zu fordern, sie möge gefälligst zur Niederschrift der Musik Buchstaben oder Zahlen verwenden, die ich lesen kann. Vielmehr muss ich mich entscheiden, mir entweder Mühe zu machen, die Noten lesen zu lernen oder aber für immer auf das tiefere Verständnis der Musik zu verzichten. Ebenso verhält es sich mich der Eoterik. Es nicht die Aufgabe der Wissenden, sich dem Verständnis der Unwissenden anzupassen, sondern sie können lediglich bereit sein, denen beim Lernen zu helfen, die um eine solche Hilfe bitten – “Bittet, so wird Euch aufgetan werden”.

(Thorwald Dethlefsen – Schicksal als Chance)

Siehe auch