Traktat: Markgraf Alexander

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Markgraf Alexander

Gerd Scherm

Markgraf Alexander, Gründer der Ansbacher Loge


Als Alexander von Brandenburg-Ansbach im August 1757 im Alter von 21 Jahren die Regierung als Markgraf übernahm, war sein größter Widersacher gerade gestorben – sein Vorgänger und eigener Vater, der „Wilde Markgraf“.

Der gefeierte Jüngling Alexander, auf seiner Kavaliersreise wegen seiner Ähnlichkeit mit Friedrich von Preußen in London bewundert, an den Königshöfen von Europa beliebt, fand vor den Augen des strengen Vaters in Franken wenig Gnade. Denn der hasste alles Preußische, einschließlich seiner eigenen Gemahlin Friederike Louise, die Schwester Friedrich des Großen. Alexander war ein „Muttersohn“, der mehr dem übermächtigen Bruder seiner Mutter in Berlin nacheiferte als seinem provinziellen, jähzornigen Erzeuger in Ansbach. Und nun ist der junge Alexander an der Macht und sieht sich in dem seit einem Jahr tobenden Krieg zwischen Österreich und Preußen auf der für ihn falschen Seite. Dorthin hatte ihn die Korruption des hoch verschuldeten Vaters gebracht, der für lächerliche 15.000 Gulden jährlich sein protestantisches Land an die Seite der katholischen Kaiserlichen gestellt hatte – gegen alle Abmachungen innerhalb des Hauses Brandenburg. Mit der ein Jahr später 1758 von ihm initiierten Logengründung wollte Alexander sicher ein Zeichen gegen den verhassten Vater setzen und hoffte, seine eigenen inneren und äußeren Gegensätze versöhnen zu können. All seine Gefühle und Ideale galten seinem Vorbild Friedrich, die Vorgaben und Verträge des Vaters zwangen ihn jedoch auf die andere Seite, die er während des Krieges nicht verlassen konnte.

Friedrich der Große hatte Verständnis für Alexanders ererbte Zwangslage und schrieb dem Neffen, dass er von ihm keine Schritte fordere, die für ihn und sein Land verderblich sein könnten. Obwohl vertraglich an die Kaiserlichen gebunden und offiziell sogar im Generalsrang mit eigenem Regiment, agierte der junge Markgraf im Geheimen für Preußen. Die kaiserlichen Agenten meldeten nach Wien, dass Alexander „die gewohnte Falschheit und Verstellung“ praktiziere und mit dem Preußenkönig sympathisiere. Der junge Markgraf ließ nämlich dem Onkel heimlich Rekruten zukommen und gleichzeitig verweigerte er kriegswichtige Zahlungen an Wien. Das Ansbacher Militär teilte unübersehbar die markgräfliche Abneigung gegen den Krieg und fiel durch Widerborstigkeit und häufige Desertionen auf. Das führte zum Unwillen der kaiserlichen Generalität, die sogar eine großflächige Meuterei der Franken befürchtete.

Vielleicht fand Alexander beim Besuch der Logenarbeiten und im Bruderkreis einen gewissen Trost. Immerhin nahm er in dieser Zeit verhältnismäßig häufig an den Zusammenkünften der Loge „Zu den drei Sternen“ teil.

Als 1763 der Siebenjährige Krieg zu Ende war, hatte der junge Markgraf endlich die Chance, sein Land zu regieren, statt nur zu verwalten. Inzwischen hatte sich in Europa ein neues Bild von einem Landesherrn in den Köpfen durchgesetzt. Nicht mehr der verschwenderische Sonnenkönig war nun das Ideal, sondern der Fürst, der sich die Forderungen der Aufklärung zu eigen macht. Und hierin war der König von Preußen vielen ein Vorbild, allen voran seinem Neffen in Ansbach.

Doch was war das kleine, hoch verschuldete fränkische Fürstentum im Vergleich zu Preußen? Wer war Alexander von Brandenburg-Ansbach im Vergleich zu Friedrich dem Großen? Der Preuße korrespondierte mit Voltaire, der Franke leistete sich eine französische Mätresse, die mit Voltaire auf der Bühne gestanden hatte. Als Alexander dann 1769 das Fürstentum Brandenburg-Bayreuth erbte, vergrößerte sich zwar sein Machtbereich schlagartig, aber auch seine Schuldenlast.

Die freimaurerische Ritualzeile „Wir haben uns bemüht“ könnte über Alexanders gesamtem Leben stehen. Er hat sich bemüht, wieder und wieder. Manches ist ihm gelungen wie die Abschaffung der Folter, umfangreiche landwirtschaftliche Neuerungen oder die Bildungsinitiative mit dem Ausbau der Universität Erlangen. Andere Projekte sind gescheitert wie zum Beispiel seine Bergbaupläne oder die Porzellanmanufaktur in Bruckberg. Immer wieder an seinem Onkel in Berlin orientiert, fehlte dem fränkischen Markgrafen an entscheidenden Stellen seiner Regierungstätigkeit entweder die finanzielle Stärke oder die notwendige Fortune. Manchmal stand auch die eigene Unentschlossenheit dem Erfolg im Weg. Einer der größten Kritikpunkte an Alexanders Politik ist die Vermietung Tausender seiner Landeskinder als Söldner an den englischen König im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Es muss Alexander sehr geschmerzt haben, als ihn das große Vorbild wegen dieser Sache in einem Brief vom 24. Oktober 1777 rügte: „Mein lieber Neffe! Ich gestehe Euerer Durchlaucht, dass Ich niemals an den augenblicklichen Krieg in Amerika denke, ohne über die Eilfertigkeit einiger Fürsten Deutschlands bestürzt zu sein, die ihre Truppen einem Streit opfern, der sie nichts angeht.“

Da half es auch nichts, dass des Markgrafen erster Minister und Logenbruder Carl von Gemmingen die Sache schön zu reden versuchte: Es sei die erste Pflicht eines Soldaten, die Feinde des Landes zu bekämpfen und der größte Feind von Ansbach sei nun einmal die Schuldenlast, die mit dem Blutgeld aus England getilgt werden solle.

Wie so oft in jener Zeit, spielten die Mätressen des Herrschers auch in Ansbach eine große Rolle. Die beiden wichtigsten waren für den Markgrafen die französische Schauspielerin Claire Clairon und die englische Lady Craven, die später seine zweite Ehefrau wurde. Diese umtriebige, weit gereiste und überaus selbstbewusste Lady war es dann auch, die Alexanders Abtretung seines Fürstentums 1791 an Preußen erheblich forcierte. Bei diesem „Verkauf“ seines Landes, den man ihm in Ansbach heute noch übel nimmt, spielten etliche Faktoren eine Rolle. Zum einen wollte Lady Craven endlich der fränkischen Provinz und dem von ihr verhassten „kulturlosen Pöbel“ den Rücken kehren, um so ihren Alexander ganz für sich allein zu haben. Zum anderen war dem kinderlos gebliebenen Markgraf, der nun Mitte Fünfzig war, die Lust am Regieren vergangen. Politische und private Probleme schienen ihn zu erdrücken. Nach seinem Tod würde wegen des Fehlens eines Thronerbens aufgrund der Brandenburger Hausverträge sein Land sowieso an Preußen fallen. Warum sich also bis zum Tod vergeblich plagen, wenn man jetzt für das Land viel Geld bekam, mit dem man sich einen schönen Lebensabend machen konnte? Zudem hatte man in Frankreich gerade die Bastille gestürmt und drohte dem Adel mit einem Blutgericht. Alexander fürchtete, die Revolution könne auch auf die deutschen Lande übergreifen. Und so ging er auf den Handel ein und dankte 1791 für eine jährliche Apanage von 300.000 Gulden ab. Der anglophile Markgraf siedelte mit Lady Craven, die er kurz darauf heiratete, nach England über.

Markgraf Alexanders Leben und Wirken war facettenreich, sowohl im Gelingen, als auch im Scheitern. Ein großes Problem für ihn war wohl, dass er das Ideal, das er anstrebte, in seinem Idol Friedrich verkörpert sah. Es vermischte sich bei Alexander das freimaurerische Ideal mit dem überlebensgroßen Idol und führte zu einem Dilemma. Wenn Ideal und Idol sich nicht mehr trennen lassen, bleibt die Umsetzbarkeit auf der Strecke.

Dabei war es Alexander durchaus gelungen, seinen Staat zu modernisieren. Er baute die Filzokratie des Adels ab und gab Bürgerlichen Bildungs- und Aufstiegschancen. Für mich war er ein Meister im menschlichen Bereich. Er schaffte es, sich aus dem Schatten des cholerischen Vaters zu lösen. Seine Mätressen waren Lebensgefährtinnen mit eigener Persönlichkeit. Sein „modernes“ Verhalten zeigte sich auch in seinem Umgang mit dem Hofnarren Peter Prosch aus Tirol, den er anders als andere Fürsten seiner Zeit als Menschen und nicht als „närrisches Ding“ behandelte. Er ließ ihn sogar in Öl malen und das Porträt im Ansbacher Schloss aufhängen. Die wahre Stärke Alexanders war also seine Herzensbildung und sein sensiblerer Umgang mit den Menschen. Diese „weiche Seite“ führte aber auch wieder zu neuen Konflikten. So kam es, dass in Triesdorf nahe Ansbach drei von seinen Mätressen gleichzeitig in drei verschiedenen Schlössern bzw. Villen lebten, weil er keiner von ihnen durch eine notwendige Trennung wehtun wollte. Seinem Vorbild in Berlin folgend, spielte die Toleranz in Alexanders Regierungszeit eine große Rolle. Er ließ zum Beispiel für seine katholischen Untertanen in Ansbach ein Bethaus errichten, damit auch sie ihren Glauben ausüben konnten.

Alexanders Umsetzungen der freimaurerischen Ideale waren nicht so spektakulär wie die anderer Herrscher der Aufklärung und vielleicht führte diese Selbsterkenntnis zur Resignation. Diese Enttäuschung, seine Regierungsmüdigkeit, die Angst vor einer Revolution und die massive Einflussnahme von Lady Craven führten schließlich zum Verzicht auf den Thron. Die letzten fünfzehn Jahre in seinem freiwilligen Exil in England brachten Alexander jedoch nicht das erhoffte Glück. Einsam und verbittert, mit seiner Ehefrau zerstritten und von seinem Gastland enttäuscht, widmete er sich auf seinem Landgut Benham Castle nur noch der Pferdezucht. Seine Ehefrau Elisabeth war eine erklärte Gegnerin der Freimaurerei, die sie als „Spielwerk für große Kinder“ und als „unschicklich“ bezeichnete, deren Bräuche „ernsthaften Männern zum Ekel werden und edle Mitglieder empören.“ Kein Wunder also, dass Alexander im „Freimaurerland England“ nie mehr einen Fuß in eine Loge gesetzt hat. Aus seinen letzten Lebensjahren stammt der resignierende Ausspruch: „I am the only Englishman in this country“ ; sinngemäß: „Ich bin der einzig wahre Engländer in diesem Land.“

Als 1806 in London die Totenglocke für Alexanders Gedenkgottesdienst geläutet wurde, marschierten im fernen Ansbach die Franzosen ein. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war endgültig untergegangen und das Zeitalter des Absolutismus beendet.

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