Freimaurer-Gläser: Die Sammlung Heinz Schinner: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 18. November 2020, 22:55 Uhr

Wohnen mit Freimaurer-Gläsern und umgeben von alter Kunst.
Heinz Schinner vor einem seiner Gläser-Kästen: „Viele dieser Gläser sind mehr als hundert Jahre alt. Sie tragen Verzierungen, die sich mit den Symbolen und der Mystik der Freimaurer beschäftigen, und geben so Zeugnis vom kulturellen Niveau der brüderlichen Tafelfreuden jener fernen Zeiten.“
Zum Autor: Jens Oberheide
Nicht nur Gläser gehören zur Sammlung: auch diese Schnapspfeife und der eine oder andere masonische Bierkrug.

Freimaurer-Gläser:
Die Sammlung Heinz Schinner

350 Freimaurer-Gläser: Das wird wohl eine der umfangreichsten Sammlungen im deutschen Sprachraum sein, vielleicht die größte. Von Rudi Rabe

Professor Heinz Schinner lebt in Wien. Freimaurer ist er seit 1985 in der Wiener Loge ‚Eintracht‘ der Großloge von Österreich. Als ich im Herbst 2020 von ihm eingeladen wurde, seine Freimaurer-Gläser-Sammlung zu besichtigen, war ich beeindruckt: Seine Wohnung in einem schönen Gründerzeithaus im Ersten Wiener Bezirk gleicht einem Museum mit vielen Bildern des Malers Leopold Carl Müller (genannt: Orient-Müller; 1834 - 1892) und tausenden kleinen Kostbarkeiten vor allem aus dem 19. Jahrhundert. Die Sammlung seiner Freimaurer-Gläser ist ein Teil davon.

Am Anfang stand die Sammlung Bodo Nährer

Als er Freimaurer wurde, war Heinz Schinner schon mehrere Jahre lang Obmann des Wiener Vereins ‚Freunde von Porzellan, Glas und angewandter Kunst‘. Das war auch sein Einstieg zu den Freimaurer-Gläsern, und zwar über den österreichischen Freimaurer Friedrich (Fritz) Gottschalk von der Wiener Loge 'Zu den Sieben Himmeln'. Dieser hatte die Sammlung des 1981 verstorbenen Freimaurers Bodo Nährer, ein Bruder der Loge 'Wilhelm zur Deutschen Treue' in Hannover, übernommen. Und als Fritz Gottschalk 2005 verstarb, übernahm Heinz Schinner diese etwa 150 Gläser auf Grund einer Vereinbarung, die er mit Gottschalk noch zu dessen Lebzeiten getroffen hatte. Durch den Zukauf einer weiteren kleineren Sammlung und von Einzelstücken ist die Schinner-Sammlung inzwischen auf mehr als das Doppelte angewachsen.

Wobei die Sache mit den Einzelstücken, wenn man auf historische Originale Wert legt, nicht so einfach ist. Heinz Schinner: „Natürlich bin ich samstags oft schon um 6 Uhr als einer der Ersten beim großen Wiener Flohmarkt“, erzählt er, „aber die meisten ‚historischen’ Freimaurer-Gläser, die heutzutage angeboten werden, sind keine Originale, sondern Nachbildungen, die zum Beispiel in Rumänien hergestellt wurden.“ Also ist die Suche eher schwierig, jedenfalls wenn man Gläser mit einer historischen Aura sucht.

Heinz Schinner und das Buch „Logengläser“
von Jens Oberheide

Dieses Werk, nicht nur über Logengläser, sondern ganz allgemein über die Entwicklung der alten freimaurerischen Trink- und Tafelsitten, hatte der bekannte deutsche Freimaurer Jens Oberheide noch mit Bodo Nährer vorbereitet. Das Buch erschien dann 1983, zwei Jahre nach Nährers Tod. Und dass es auch noch in den 2020er Jahren erhältlich ist, verdanken alle, die daran interessiert sind, Heinz Schinner. Er hat das Buch, nachdem es endgültig vergriffen war, im Jahr 2010 als Reprint neu aufgelegt.

Das Werk füllte und füllt eine wichtige Forschungslücke. Freimaurerische Trink- und Tafelsitten waren vor allem im 19. Jahrhundert bedeutsam, viel mehr als heute. Dafür wurden damals ganz spezielle Gläser entwickelt, die fast immer mit symbolkundlich sehr aufschlussreichem Dekor und oft mit Jahreszahlen geschmückt waren. Jens Oberheide stellt diese Entwicklung in seinem Buch ebenso dar wie den großen Einfluss, den das alles auch auf das Brauchtum der akademischen Studentenverbindungen hatte.

In freimaurerischen Brüderkreisen sind solche Gläser heutzutage oft nur noch sinnstiftende Dekoration. In Deutschland und in der Schweiz gibt es gelegentlich noch sogenannte Tafellogen, bei denen sie eingesetzt werden können; in Österreich ist diese ritualisierte Form der freimaurerischen Geselligkeit praktisch ausgestorben. Und dennoch sind die Gläser als Sammlerstücke weiter beliebt.

Kleiner Exkurs:
Warum heißen viele Freimaurer-Gläser „Kanonen“?

Die etwas seltsame Bezeichnung „Kanonen“ für einen bestimmten Typ von Freimaurer-Gläsern kommt aus dem 18. Jahrhundert. Und historisch hat sie tatsächlich etwas mit Kanonen zu tun. Bei Festen an den alten Fürstenhöfen war es nämlich üblich, Trinksprüche - also Glückwünsche und ähnliches - mit Böllerschüssen aus Kanonen zu bekräftigen.

Diesen Brauch haben die Freimaurer vor zwei Jahrhunderten übernommen, ihn aber zugleich sublimiert. Ihre Toasts wurden nicht mehr mit Böllerschüssen untermalt, sondern nur noch in der Weise, dass alle zuhörenden Brüder das Glas nach dem kleinen Schluck am Ende des Trinkspruchs mit einem lauten gemeinsamen Tuscher gleichzeitig auf den Tisch knallten. Und damit die Gläser das aushalten, haben die Freimaurer-Kanonen einen außerordentlich starken Fuß, also einen ganz dicken Boden. In England nennt man diese Gläser auch "Firing Glasses".

Um all das zu versehen, muss man wissen, dass sich die Brüder im 18. Jahrhundert, als die moderne Freimaurerei entstand, kaum in eigenen Logenhäusern trafen, sondern in Gasthäusern: siehe die Gründung der ersten Großloge der Welt in London 1717 im berühmten Goose and Gridiron Ale House ('Zur Gans und zum Bratrost').

Bis heute bekannte Tafellieder berühmter Dichter und Komponisten zeugen von jener Zeit, als das Trinken noch ein Teil des freimaurerischen Rituals war. Etwa Friedrich Schillers „Freude schöner Götterfunken“, wo es in einer frühen Textfassung in der siebenten Strophe heißt: „Freude  sprudelt in Pokalen - in der Traube goldnem Blut - trinken Sanftmut Kannibalen - die Verzweiflung Heldenmut. - Brüder fliegt von euren Sitzen - wenn der volle Römer kreißt - Laßt den Schaum zum Himmel spritzen - dieses Glas dem guten Geist …“. Trinken war damals auch in gehobenen Kreisen viel weniger tabuisiert als heute.

Die Sammlung an drei Standorten

Zurück zur Sammlung Heinz Schinner. Die etwa 350 Gläser stehen nicht alle in seiner Wohnung, sondern darüber hinaus auch an zwei weiteren Orten: zum einen im Freimaurermuseum Rosenau, wo die Auswahl der Gläser immer wieder den wechselnden Ausstellungsthemen angepasst wird, und zum anderen im südlichen Burgenland im Schloss Rotenturm, das von Heinz Schinner in den Zehnerjahren aufwendig saniert wurde.

Und: Für den weiteren Bestand der kostbaren Sammlung auch in den nächsten Jahrzehnten ist gesorgt.

Aus dem Buch LOGENGLÄSER:

Oberheide-Kanonen.jpg

Galerie: Gläser aus der Schinner-Sammlung im Freimaurer-Museum Schloss Rosenau


Rosenau Vitrine mit Pfad.jpg Rosenau Vitrine 2 mit Pfad.jpg


ÖFlag.jpg

Siehe auch

Links