Die Ursprünge des RSR: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Freimaurer-Wiki
K (Link Deutschland hinzugefügt)
 
(16 dazwischenliegende Versionen von einem anderen Benutzer werden nicht angezeigt)
Zeile 4: Zeile 4:
  
 
'''Quelle: [[Quatuor Coronati]]'''
 
'''Quelle: [[Quatuor Coronati]]'''
 
+
:
 +
:
 
*1.1 Die Entstehung der Hochgrade: die Schotten-Maurerei („Ecossisme“)
 
*1.1 Die Entstehung der Hochgrade: die Schotten-Maurerei („Ecossisme“)
 
*1.2 Die gnostisch-mystische Freimaurerei Lyons
 
*1.2 Die gnostisch-mystische Freimaurerei Lyons
*1.2.1 Martines de Pasqually und der Orden des Elus Coens
+
*1.2.1 [[Martinez de Pasqually]] und der Orden des [[Elus Coëns]]
*1.2.2 Louis-Claude de Saint-Martin und der Martinismus
+
*1.2.2 Louis-Claude de Saint-Martin und der [[Martinismus]]
*1.2.3 Jean Baptiste Willermoz und die Großloge von Lyon
+
*1.2.3 [[Jean-Baptiste Willermoz]] und die Großloge von Lyon
*1.3 Die Strikte Observanz
+
*1.3 Die [[Strikte Observanz]]
 
*1.3.1 Karl v. Hund und die Anfänge der Strikten Observanz
 
*1.3.1 Karl v. Hund und die Anfänge der Strikten Observanz
 
*1.3.2 Die Organisation der Strikten Observanz
 
*1.3.2 Die Organisation der Strikten Observanz
Zeile 35: Zeile 36:
  
  
Als Organisation ist der RSR im Jahre 1782 direkt aus der Strikten Observanz hervorgegangen.
+
Als Organisation ist der RSR im Jahre 1782 direkt aus der Strikten Observanz hervorgegangen. Dieses maurerische System hat zwischen 1764 und 1782 große Teile der mitteleuropäischen
 
 
Dieses maurerische System hat zwischen 1764 und 1782 große Teile der mitteleuropäischen
 
 
Freimaurerei beherrscht. Von ihm hat der RSR nicht nur das Organisationsgerüst
 
Freimaurerei beherrscht. Von ihm hat der RSR nicht nur das Organisationsgerüst
 
und Teile der Rituale, sondern in geringerem Umfang auch Teile seiner geistigen
 
und Teile der Rituale, sondern in geringerem Umfang auch Teile seiner geistigen
 
Inhalte übernommen.
 
Inhalte übernommen.
 
Immer eine Minorität, eine Randerscheinung in der Welt der freimaurerischen Systeme,
 
Immer eine Minorität, eine Randerscheinung in der Welt der freimaurerischen Systeme,
verdankt er gerade diesen heterogenen geistigen Elementen seine Flexibilität, seine Uberlebensfähigkeit
+
verdankt er gerade diesen heterogenen geistigen Elementen seine Flexibilität, seine Überlebensfähigkeit
 
in den verschiedensten Kulturkreisen, die immer wieder von ihm ausgegangene
 
in den verschiedensten Kulturkreisen, die immer wieder von ihm ausgegangene
 
Faszination, - aber auch seine Vieldeutigkeit und die sich daraus ergebenden inneren
 
Faszination, - aber auch seine Vieldeutigkeit und die sich daraus ergebenden inneren
Zeile 49: Zeile 48:
  
 
1.1 Die Entstehung der Hochgrade: die Schotten-Maurerei („Ecossisme“)
 
1.1 Die Entstehung der Hochgrade: die Schotten-Maurerei („Ecossisme“)
 +
 
Der RSR nennt sich „schottisch“ - zu Unrecht. Er hat mit Schottland ebensowenig zu tun
 
Der RSR nennt sich „schottisch“ - zu Unrecht. Er hat mit Schottland ebensowenig zu tun
 
wie die zahlreichen maurerischen Systeme, die sich ebenfalls „schottisch“ nennen (Lennings
 
wie die zahlreichen maurerischen Systeme, die sich ebenfalls „schottisch“ nennen (Lennings
Zeile 61: Zeile 61:
 
französische einen vierten, den „Maitre Ecossais“ hinzu und bald noch weitere, mit dem
 
französische einen vierten, den „Maitre Ecossais“ hinzu und bald noch weitere, mit dem
 
Anspruch über die symbolischen Grade zu herrschen.2’
 
Anspruch über die symbolischen Grade zu herrschen.2’
Woher aber stammt die Bezeichnung „Schottisch “? Es bleibt ein Rätsel. Schiffmann”
+
 
vermutete, sie könnte durch eine Verwechslung aus dem Akaziensymbol entstanden sein:
+
''Woher aber stammt die Bezeichnung „Schottisch “?'' Es bleibt ein Rätsel. Schiffmann”
 +
vermutete, sie könnte durch eine Verwechslung aus dem [[Akazie]]nsymbol entstanden sein:
 
„acacia“ könnte in französischer Aussprache leicht zu „ecossais“ geworden sein. Bewiesen
 
„acacia“ könnte in französischer Aussprache leicht zu „ecossais“ geworden sein. Bewiesen
 
ist nichts. Die Maitres Ecossais selbst führten ihren Namen zunächst auf die Tatsache
 
ist nichts. Die Maitres Ecossais selbst führten ihren Namen zunächst auf die Tatsache
Zeile 68: Zeile 69:
 
Engländer (der Überlieferung nach Lord Derwentwater” und ein sonst unbekannter Lord
 
Engländer (der Überlieferung nach Lord Derwentwater” und ein sonst unbekannter Lord
 
Hanouester) beteiligt waren, nach einer anderen Überlieferung der Schotte Hector McLean5’
 
Hanouester) beteiligt waren, nach einer anderen Überlieferung der Schotte Hector McLean5’
in Paris an der Rue des Boucheries die erste Loge errichtete, die sich später „Louis d ’ Argem“
+
in Paris an der Rue des Boucheries die erste Loge errichtete, die sich später „Louis d ’ Argent“
 
nannte; sie erhielt 1732 eine Konstitution von der Großloge von London. Bald folgten
 
nannte; sie erhielt 1732 eine Konstitution von der Großloge von London. Bald folgten
 
weitere Gründungen und wieder war es ein Adliger schottischer Herkunft, der Herzog
 
weitere Gründungen und wieder war es ein Adliger schottischer Herkunft, der Herzog
Zeile 76: Zeile 77:
 
Wharton7’, Alt-Großmeister der Großloge von London, als Großmeister der französischen
 
Wharton7’, Alt-Großmeister der Großloge von London, als Großmeister der französischen
 
Logen anerkannt worden sein). Diese Zusammenhänge mögen aber zur Bezeichung „Ecossais“
 
Logen anerkannt worden sein). Diese Zusammenhänge mögen aber zur Bezeichung „Ecossais“
Anlass gegeben haben. Bemheim8’ hat festgestellt, dass es schon 1733 „Scots
+
Anlass gegeben haben. Bernheim8’ hat festgestellt, dass es schon 1733 „Scots
 
Masters“ auch in London und 1743 „Maitres Ecossais“ in Berlin gab.
 
Masters“ auch in London und 1743 „Maitres Ecossais“ in Berlin gab.
 +
 
Eine völlig andere Erklärung geht von der unzutreffenden Annahme aus, dass es eine
 
Eine völlig andere Erklärung geht von der unzutreffenden Annahme aus, dass es eine
jakobitische Freimaurerei gegeben habe mit der politischen Absicht, die Dynastie der
+
''jakobitische Freimaurerei'' gegeben habe mit der politischen Absicht, die Dynastie der
 
Stuarts wieder auf den englischen Thron zu bringen.
 
Stuarts wieder auf den englischen Thron zu bringen.
 +
 
Im Jahre 1688 wurde der englische König Jakob II. aus dem Hause Stuart vom Thron
 
Im Jahre 1688 wurde der englische König Jakob II. aus dem Hause Stuart vom Thron
 
verjagt. Anders als sein Großvater Jakob I., sein Vater Karl I. und sein Bruder Karl II. war
 
verjagt. Anders als sein Großvater Jakob I., sein Vater Karl I. und sein Bruder Karl II. war
Zeile 103: Zeile 106:
 
entstanden seien.
 
entstanden seien.
  
Vor diesem Hintergrund muss man die Legenden betrachten, die sich um Zusammenhänge
+
Vor diesem Hintergrund muss man die Legenden betrachten, die sich um ''Zusammenhänge
zwischen Jakobiten und der Freimaurerei ranken. In England und Schottland war
+
zwischen Jakobiten und der Freimaurerei'' ranken. In England und Schottland war
 
die Loyalität der Bevölkerung lange gespalten und viele hielten weiterhin der rechtmäßigen
 
die Loyalität der Bevölkerung lange gespalten und viele hielten weiterhin der rechtmäßigen
Dynastie die Treue; unter diesen gab es auch Freimaurer, z.B. Lord Kilmamock”, Lord
+
Dynastie die Treue; unter diesen gab es auch Freimaurer, z.B. Lord Kilmarnock”, Lord
Derwentwater*’ oder der Duke ofWharton1'. Selbst der Bruder von Queen Annes Leibarzt
+
Derwentwater*’ oder der Duke of Wharton1'. Selbst der Bruder von Queen Annes Leibarzt
 
Dr. John Arbuthnot war Freimaurer und in das jakobitische Komplott von 1722 verwickelt.
 
Dr. John Arbuthnot war Freimaurer und in das jakobitische Komplott von 1722 verwickelt.
 
Vor diesem Hintergrund muss man auch den Artikel II der „Alten Pflichten von 1723“ lesen
 
Vor diesem Hintergrund muss man auch den Artikel II der „Alten Pflichten von 1723“ lesen
Zeile 122: Zeile 125:
 
hätten12' (und damit die ersten auf französischem Boden), ist unbelegt und das angebliche
 
hätten12' (und damit die ersten auf französischem Boden), ist unbelegt und das angebliche
 
Patent ein zurückdatiertes jüngeres Dokument, wenn nicht überhaupt eine Fälschung.
 
Patent ein zurückdatiertes jüngeres Dokument, wenn nicht überhaupt eine Fälschung.
Jakobiten haben vereinzelt in Frankreich Logen gegründet, z. B. Bamwall of Tremblestone1”
+
Jakobiten haben vereinzelt in Frankreich Logen gegründet, z. B. Barnwall of Tremblestone1”
die Loge „Ecossais fideles“ in Toulouse (aber erst 1747 !), und eine wirkliche Jakobitenloge
+
die Loge „Ecossais fidèles“ in Toulouse (aber erst 1747!), und eine wirkliche Jakobitenloge
 
hat es wahrscheinlich nur in Rom gegeben. Die immer wieder angeführte Loge
 
hat es wahrscheinlich nur in Rom gegeben. Die immer wieder angeführte Loge
im Chateau d’Aubigny der Herzogin von Portsmouth, gegründet 1735 von Desaguliers
+
im Château d’Aubigny der ''Herzogin von Portsmouth'', gegründet 1735 von Desaguliers
und dem Duke of Richmond, welcher auch der englische Gesandte Waidegrave angehörte,
+
und dem Duke of Richmond, welcher auch der englische Gesandte Waldegrave angehörte,
 
war keineswegs eine jakobitische Loge, sondern eine reguläre Bauhütte der Großloge von
 
war keineswegs eine jakobitische Loge, sondern eine reguläre Bauhütte der Großloge von
London (auch wenn die damals 84-jährige Herzogin einst als Louise de Kdroualle die
+
London (auch wenn die damals 84-jährige Herzogin einst als Louise de Kéroualle die
 
Mätresse König Karls II. gewesen war). Von allen diesen Legenden hat nichts Bestand.
 
Mätresse König Karls II. gewesen war). Von allen diesen Legenden hat nichts Bestand.
 +
 
Eine besonders abenteuerliche Version behauptet gar, dass sich die Freimaurerei nach der
 
Eine besonders abenteuerliche Version behauptet gar, dass sich die Freimaurerei nach der
 
Hinrichtung Karls I. 1649 gebildet habe mit dem Ziel, seinen Tod zu rächen und mit Hilfe
 
Hinrichtung Karls I. 1649 gebildet habe mit dem Ziel, seinen Tod zu rächen und mit Hilfe
 
der Jesuiten die Monarchie wieder aufzurichten. Der erschlagene Hiram wird dann zum
 
der Jesuiten die Monarchie wieder aufzurichten. Der erschlagene Hiram wird dann zum
 
Symbol für Karl, dessen Söhne zu den „Söhnen der Witwe“ 14’.
 
Symbol für Karl, dessen Söhne zu den „Söhnen der Witwe“ 14’.
 +
 
Es ist merkwürdig, wie lange diese Legenden sich immer wieder gehalten haben. Noch
 
Es ist merkwürdig, wie lange diese Legenden sich immer wieder gehalten haben. Noch
1925 hält Albert Lantoine'5’ und nach ihm 1982 Alec Mellor16’ die Existenz einer StuartFreimaurerei
+
1925 hält Albert Lantoine'5’ und nach ihm 1982 Alec Mellor16’ die Existenz einer Stuart-Freimaurerei
 
für wahrscheinlich, und 1989 glauben Baigent und Leigh17’ sogar, die jakobitische
 
für wahrscheinlich, und 1989 glauben Baigent und Leigh17’ sogar, die jakobitische
 
Maurerei sei der „mainstream“, die Hauptströmung, der sich aus der operativen
 
Maurerei sei der „mainstream“, die Hauptströmung, der sich aus der operativen
 
zur spekulativen entwickelnden Maurerei gewesen, die Londoner Großloge dagegen nur
 
zur spekulativen entwickelnden Maurerei gewesen, die Londoner Großloge dagegen nur
 
ein unbedeutender Nebenfluss, beherrscht von hannoveranischer Spitzelfurcht.
 
ein unbedeutender Nebenfluss, beherrscht von hannoveranischer Spitzelfurcht.
 +
 
Der Ecossisme wird heute als eine Verirrung der Freimaurerei aufgefasst. Er war gekennzeichnet
 
Der Ecossisme wird heute als eine Verirrung der Freimaurerei aufgefasst. Er war gekennzeichnet
 
durch eine verwirrende Vielfalt von Systemen und Graden, die sich in rascher
 
durch eine verwirrende Vielfalt von Systemen und Graden, die sich in rascher
 
Folge ablösten, deren pompöse Titel an die Eitelkeit appellierten, aber die innere Leere
 
Folge ablösten, deren pompöse Titel an die Eitelkeit appellierten, aber die innere Leere
 
kaum verdecken konnten.
 
kaum verdecken konnten.
 +
 
Die „schottische“ Hochgradfreimaurerei - ob jakobitisch oder nicht-jakobitisch - hat
 
Die „schottische“ Hochgradfreimaurerei - ob jakobitisch oder nicht-jakobitisch - hat
 
sich in den Vierzigerjahren des 18.Jahrhunderts mit einer weiteren Hochgradvariante verbunden,
 
sich in den Vierzigerjahren des 18.Jahrhunderts mit einer weiteren Hochgradvariante verbunden,
der Kreuzrittersymbolik, beruhend auf der Templerlegende. Zunächst handelte es
+
der ''Kreuzrittersymbolik,'' beruhend auf der Templerlegende. Zunächst handelte es
 
sich lediglich um den Versuch, die Freimaurerei mit den Ritterorden der Kreuzzüge in Verbindung
 
sich lediglich um den Versuch, die Freimaurerei mit den Ritterorden der Kreuzzüge in Verbindung
 
zu bringen. Soweit erkennbar, ist dieser Gedanke erstmals durch die berühmte
 
zu bringen. Soweit erkennbar, ist dieser Gedanke erstmals durch die berühmte
Zeile 153: Zeile 160:
 
als Freimaurerei wieder ans Licht getreten sei. Schließlich entwickelte sich daraus sogar
 
als Freimaurerei wieder ans Licht getreten sei. Schließlich entwickelte sich daraus sogar
 
ein Programm, den Templerorden1*’ real wieder entstehen zu lassen.
 
ein Programm, den Templerorden1*’ real wieder entstehen zu lassen.
 
  
 
Was hat Ramsay19’ tatsächlich gesagt ? Am angegebenen Datum, dem 21. März 1737,
 
Was hat Ramsay19’ tatsächlich gesagt ? Am angegebenen Datum, dem 21. März 1737,
 
anlässlich einer Initiation in der Pariser Großloge, wurde diese Rede gar nicht gehalten20’.
 
anlässlich einer Initiation in der Pariser Großloge, wurde diese Rede gar nicht gehalten20’.
 
Ramsay war Katholik und Jakobit. Tage zuvor hatte er die Rede dem führenden Minister,
 
Ramsay war Katholik und Jakobit. Tage zuvor hatte er die Rede dem führenden Minister,
Kardinal Andr6 Hercule de Fleury - der keine Sympathien für die Freimaurer hegte - zur
+
Kardinal André Hercule de Fleury - der keine Sympathien für die Freimaurer hegte - zur
 
Genehmigung vorgelegt; er befürchtete - mit Recht - sonst Maßnahmen der französischen
 
Genehmigung vorgelegt; er befürchtete - mit Recht - sonst Maßnahmen der französischen
 
Regierung, die Frieden mit England und keine Komplikationen mit dem Vatikan wollte.
 
Regierung, die Frieden mit England und keine Komplikationen mit dem Vatikan wollte.
Zeile 172: Zeile 178:
 
große Republik, von welcher jedes Volk eine Familie darstellt und jeder einzelne ein Kind
 
große Republik, von welcher jedes Volk eine Familie darstellt und jeder einzelne ein Kind
 
ist. Wir erstreben die Wiedervereinigung aller Menschen von erleuchtetem Geiste...“ (Man
 
ist. Wir erstreben die Wiedervereinigung aller Menschen von erleuchtetem Geiste...“ (Man
hört die Stimme seines Lehrers FSnelon). „Unsere Gesellschaft wurde errichtet, um diese,
+
hört die Stimme seines Lehrers Fénelon). „Unsere Gesellschaft wurde errichtet, um diese,
 
sich aus dem Wesen der Menschen herleitenden Grundsätze wieder aufleben zu lassen und
 
sich aus dem Wesen der Menschen herleitenden Grundsätze wieder aufleben zu lassen und
zu verbreiten...Wir wollen alle Menschen mit aufgeklärtem Sinn, höflichen Manieren und
+
zu verbreiten... Wir wollen alle Menschen mit aufgeklärtem Sinn, höflichen Manieren und
 
Klugheit vereinigen, nicht so sehr aus Liebe zu den schönen Künsten als vielmehr zu den
 
Klugheit vereinigen, nicht so sehr aus Liebe zu den schönen Künsten als vielmehr zu den
 
Grundsätzen der Tugend, der Wissenschaft und Religion, wo die Prinzipien der Bruderschaft
 
Grundsätzen der Tugend, der Wissenschaft und Religion, wo die Prinzipien der Bruderschaft
Zeile 180: Zeile 186:
 
Orden wurden geschaffen um gute Christen zu machen, die Ritterorden um nach echtem
 
Orden wurden geschaffen um gute Christen zu machen, die Ritterorden um nach echtem
 
Ruhm zu streben und der Freimaurerorden um liebenswerte Menschen, gute Staatsbürger,
 
Ruhm zu streben und der Freimaurerorden um liebenswerte Menschen, gute Staatsbürger,
gute Untertanen zu schaffen und gläubige Verehrer des Gottes der Liebe.“ Diese völkerverbindene
+
gute Untertanen zu schaffen und gläubige Verehrer des Gottes der Liebe.“ Diese völkerverbindende
 
Mission der Freimaurerei ist seine zentrale Aussage, eine Vision, die mehr als
 
Mission der Freimaurerei ist seine zentrale Aussage, eine Vision, die mehr als
 
ein Jahrhundert freimaurerischer Geschichte vorwegnimmt. Als Vorläufer der Freimaurerei
 
ein Jahrhundert freimaurerischer Geschichte vorwegnimmt. Als Vorläufer der Freimaurerei
Zeile 186: Zeile 192:
 
Anspruch, den Isiskult und die eleusischen Mysterien, und überhaupt „alle, die den lebendigen
 
Anspruch, den Isiskult und die eleusischen Mysterien, und überhaupt „alle, die den lebendigen
 
Tempel des Allerhöchsten errichten wollen“. Dazu zählt Ramsay auch „unsere Vorfahren
 
Tempel des Allerhöchsten errichten wollen“. Dazu zählt Ramsay auch „unsere Vorfahren
die Kreuzfahrer “: auch sie, eine internationale Gemeinschaft, wollten „alle Nationen
+
die Kreuzfahrer“: auch sie, eine internationale Gemeinschaft, wollten „alle Nationen
 
zu einer Bruderschaft vereinigen“ (!). Er erwähnt dann die Johanniter und hält sie für
 
zu einer Bruderschaft vereinigen“ (!). Er erwähnt dann die Johanniter und hält sie für
 
den Ursprung der Johannislogen (!), aber er erwähnt nicht die Tempelritter. Er hat eine
 
den Ursprung der Johannislogen (!), aber er erwähnt nicht die Tempelritter. Er hat eine
Zeile 193: Zeile 199:
 
zurückkehren, „dem Vaterland aller Völker“. Mit diesem Kompliment an sein Gastland
 
zurückkehren, „dem Vaterland aller Völker“. Mit diesem Kompliment an sein Gastland
 
endet höflich Ramsay’s Rede.
 
endet höflich Ramsay’s Rede.
 +
 
Was bedeutet diese Rede? Zunächst eine kritiklose Geschichtsklitterung, wie sie im
 
Was bedeutet diese Rede? Zunächst eine kritiklose Geschichtsklitterung, wie sie im
 
18. Jahrhundert vielfach ohne Bedenken verfasst wurden; sie gleicht der ähnlichen romanhaften
 
18. Jahrhundert vielfach ohne Bedenken verfasst wurden; sie gleicht der ähnlichen romanhaften
Zeile 207: Zeile 214:
 
- der Baron v. Hund. Es ist aber möglich, dass Ramsays Rede Anlass zur Schaffung
 
- der Baron v. Hund. Es ist aber möglich, dass Ramsays Rede Anlass zur Schaffung
 
des Grades des „Chevalier de l’Orient“ gegeben hat, der in Frankreich ab 1740 nachweisbar
 
des Grades des „Chevalier de l’Orient“ gegeben hat, der in Frankreich ab 1740 nachweisbar
ist.221
+
ist.22)
 +
 
  
 
== Regalia ==
 
== Regalia ==
 
<gallery widths="220" heights="350" perrow="3">
 
<gallery widths="220" heights="350" perrow="3">
 
Bild:Schottischer Andreasmeister 4° (wird auch von BBr. des 5° und 6° in der Andreasloge getragen).jpg|Schottischer Andreasmeister mit Schurz und Halsband. Vierter und letzter Grad in der sog. Spekulativen Freimaurerei, der 5° und 6° gehört zum „Inneren Orden“ (im FO „Kapitel“). Am Halsband angehängt das Bijou der Andreasloge. Da die Andreasloge noch zur Spekulativen Freimaurerei gehört, tragen die BBr. des 5° und 6° in der Andreasloge ebenfalls die Regalien des Schottischen Andreasmeisters.
 
Bild:Schottischer Andreasmeister 4° (wird auch von BBr. des 5° und 6° in der Andreasloge getragen).jpg|Schottischer Andreasmeister mit Schurz und Halsband. Vierter und letzter Grad in der sog. Spekulativen Freimaurerei, der 5° und 6° gehört zum „Inneren Orden“ (im FO „Kapitel“). Am Halsband angehängt das Bijou der Andreasloge. Da die Andreasloge noch zur Spekulativen Freimaurerei gehört, tragen die BBr. des 5° und 6° in der Andreasloge ebenfalls die Regalien des Schottischen Andreasmeisters.
Bild:Halsband Deputierter Meister 4°.jpg|Das Halsband des Deputierten Meisters, Vorsteher der Andreaslage. Der Deputierte Meister wird vom Inneren Orden (5° und 6°) „deputiert“ (auf Französisch Député Maître).
+
Bild:Halsband Deputierter Meister 4°.jpg|Das Halsband des Deputierten Meisters, Vorsteher der Andreasloge. Der Deputierte Meister wird vom Inneren Orden (5° und 6°) „deputiert“ (auf Französisch Député Maître).
 
Bild:Regalien Deputierter Meister RSR.jpg|Regalien Deputierter Meister RSR
 
Bild:Regalien Deputierter Meister RSR.jpg|Regalien Deputierter Meister RSR
 
Bild:Bijou Andreasloge, auch am Band im 5° und 6° getragen.jpg|Bijou Andreasloge, auch am Band im 5° und 6° getragen
 
Bild:Bijou Andreasloge, auch am Band im 5° und 6° getragen.jpg|Bijou Andreasloge, auch am Band im 5° und 6° getragen
Zeile 230: Zeile 238:
 
Bild:
 
Bild:
 
</gallery>
 
</gallery>
 
  
 
== Siehe auch ==
 
== Siehe auch ==
Zeile 243: Zeile 250:
  
 
== Links ==
 
== Links ==
*RSR https://rsrzh.wordpress.com/rsr/
+
*RSR Schweiz (UGPH) https://rsrzh.wordpress.com/rsr/
 +
*RSR Deutschland https://schottischer-ritus.de
  
 
{{SORTIERUNG:RSR}}
 
{{SORTIERUNG:RSR}}
 
[[Kategorie:Lexikon]]
 
[[Kategorie:Lexikon]]

Aktuelle Version vom 26. April 2019, 14:51 Uhr

Die Ursprünge des RSR

Quelle: Quatuor Coronati

  • 1.1 Die Entstehung der Hochgrade: die Schotten-Maurerei („Ecossisme“)
  • 1.2 Die gnostisch-mystische Freimaurerei Lyons
  • 1.2.1 Martinez de Pasqually und der Orden des Elus Coëns
  • 1.2.2 Louis-Claude de Saint-Martin und der Martinismus
  • 1.2.3 Jean-Baptiste Willermoz und die Großloge von Lyon
  • 1.3 Die Strikte Observanz
  • 1.3.1 Karl v. Hund und die Anfänge der Strikten Observanz
  • 1.3.2 Die Organisation der Strikten Observanz
  • 1.3.3 Die Ausbreitung des Ordens
  • 1.3.4 Die Krise

Das freimaurerische Denken ist integrativ. In jedem maurerischen System treffen sich verschiedenartige geistige Strömungen. Einesteils hat die Freimaurerei ihren Ursprung in der aufklärerischen Rationalität des englischen Systems von 1717, das man als egalitär, demokratisch, kosmopolitisch und deistisch charakterisieren kann. Daneben hat die Freimaurerei auch Wurzeln in der Spiritualität einer weit zurückreichenden menschlichen Vergangenheit, die esoterische, mystische und hermetische Elemente enthält und die letztlich den Bedürfnissen der menschlichen Seele nach Welterklärung entspringen. Da die Freimaurerei sich von jeder dogmatisch fixierten Religiosität fernhält, hat gerade mystische Religiosität in ihr eine unterschiedlich große, oft aber sehr bedeutende Rolle gespielt.


Der Rektifizierte Schottische Ritus (RSR) ist nur zu verstehen, wenn man die heterogenen Elemente seiner Entstehung kennt. Diese geistigen Strömungen sind:

  • 1. Die ursprüngliche englische („Andersonsche“) Freimaurerei
  • 2. Die aristokratische Schotten-Maurerei Frankreichs (der „Ecossisme“)
  • 3. Ihre deutsche Abart, die Strikte Observanz
  • 4. Die gnostisch-mystische, „martinistische“ Freimaurerei Lyons, aus welcher die Rituale im wesentlichen stammen.


Als Organisation ist der RSR im Jahre 1782 direkt aus der Strikten Observanz hervorgegangen. Dieses maurerische System hat zwischen 1764 und 1782 große Teile der mitteleuropäischen Freimaurerei beherrscht. Von ihm hat der RSR nicht nur das Organisationsgerüst und Teile der Rituale, sondern in geringerem Umfang auch Teile seiner geistigen Inhalte übernommen. Immer eine Minorität, eine Randerscheinung in der Welt der freimaurerischen Systeme, verdankt er gerade diesen heterogenen geistigen Elementen seine Flexibilität, seine Überlebensfähigkeit in den verschiedensten Kulturkreisen, die immer wieder von ihm ausgegangene Faszination, - aber auch seine Vieldeutigkeit und die sich daraus ergebenden inneren Spannungen.


1.1 Die Entstehung der Hochgrade: die Schotten-Maurerei („Ecossisme“)

Der RSR nennt sich „schottisch“ - zu Unrecht. Er hat mit Schottland ebensowenig zu tun wie die zahlreichen maurerischen Systeme, die sich ebenfalls „schottisch“ nennen (Lennings Handbuch" zählt deren 47 auf, Ligou sogar 75). „Schottische“ Freimaurerei bedeutet nichts anderes als die Entwicklung von Hochgradsystemen, die sich an den Meistergrad anschließen. Der Name taucht schon 1733 in England auf, aber ihre Blüte erlebten die Schottenlogen im Frankreich der Dreißigerjahre des 18. Jahrhunderts. Es entsprach dem Geist der damaligen französischen Gesellschaft, der demokratischen, egalitären und am Maurerhandwerk orientierten Freimaurerei der Londoner Großloge eine aristokratische Maurerei entgegenzusetzen. Die Brüder nannten sich Chevaliers, trugen den Degen und gestalteten die Rituale feierlicher aus (der Zermonienmeister stammt aus dieser Zeit); hatte die englische Maurerei erst nur zwei, dann drei symbolische Grade gekannt, so fügte die französische einen vierten, den „Maitre Ecossais“ hinzu und bald noch weitere, mit dem Anspruch über die symbolischen Grade zu herrschen.2’

Woher aber stammt die Bezeichnung „Schottisch “? Es bleibt ein Rätsel. Schiffmann” vermutete, sie könnte durch eine Verwechslung aus dem Akaziensymbol entstanden sein: „acacia“ könnte in französischer Aussprache leicht zu „ecossais“ geworden sein. Bewiesen ist nichts. Die Maitres Ecossais selbst führten ihren Namen zunächst auf die Tatsache zurück, dass an der Gründung der ersten Logen auf französischem Boden Schotten und Engländer (der Überlieferung nach Lord Derwentwater” und ein sonst unbekannter Lord Hanouester) beteiligt waren, nach einer anderen Überlieferung der Schotte Hector McLean5’ in Paris an der Rue des Boucheries die erste Loge errichtete, die sich später „Louis d ’ Argent“ nannte; sie erhielt 1732 eine Konstitution von der Großloge von London. Bald folgten weitere Gründungen und wieder war es ein Adliger schottischer Herkunft, der Herzog von Richmond6’, der zusammen mit Desaguliers eine weitere Loge gründete. Seit 1735 gab es eine „Grande Loge de l’Ordre des Franc-Maçons du Royaume de France“; ihr erster Großmeister war ein Schotte, ihr zweiter ebenfalls (zuvor soll 1729-1731 der Herzog von Wharton7’, Alt-Großmeister der Großloge von London, als Großmeister der französischen Logen anerkannt worden sein). Diese Zusammenhänge mögen aber zur Bezeichung „Ecossais“ Anlass gegeben haben. Bernheim8’ hat festgestellt, dass es schon 1733 „Scots Masters“ auch in London und 1743 „Maitres Ecossais“ in Berlin gab.

Eine völlig andere Erklärung geht von der unzutreffenden Annahme aus, dass es eine jakobitische Freimaurerei gegeben habe mit der politischen Absicht, die Dynastie der Stuarts wieder auf den englischen Thron zu bringen.

Im Jahre 1688 wurde der englische König Jakob II. aus dem Hause Stuart vom Thron verjagt. Anders als sein Großvater Jakob I., sein Vater Karl I. und sein Bruder Karl II. war er zum Katholizismus übergetreten. Seine frankreichfreundliche und die Katholiken bevorzugende Politik wurde im streng anglikanisch-protestantischen England zunehmend abgelehnt, und als ihm 1688 ein Thronfolger geboren wurde, wollte man keine katholische Dynastie; es kam zur „Glorious Revolution“. Jakob wurde verjagt und auf den Thron kam als Wilhelm III. der Gatte einer protestantischen Tocher Jakobs, Wilhelm von Oranien, und nach dessen Tod Jakobs zweite Tochter Anne, ebenfalls Protestantin. Als Queen Anne 1714 ohne Nachkommen starb, wurde eine neue Dynastie berufen: der Kurfürst von Hannover bestieg als Georg I. den Thron (seine Großmutter war eine Prinzessin aus dem Hause Stuart gewesen). Der vertriebene König Jakob wurde von Ludwig XIV. aufgenommen und residierte in Germain-en-Laye. 1689 versuchte Jakob II. in Irland einen erfolglosen Restaurationsversuch, und nach seinem Tod unternahmen 1715 sein Sohn (Jakob III., der „Old Pretender“) und 1745 sein Enkel Charles Edward (der „Young Pretender“, „Bonny Prince Charles“) erneut Einfälle in Schottland. Weitere jakobitische Aufstände ereigneten sich 1717, 1719 und 1742, und diese Versuche endeten erst mit Charles Edwards vernichtender Niederlage in der Schlacht von Culloden Moor am 16. April 1746. Es gab eine jakobitische Partei in Frankreich und es gab darunter Freimaurer, die Jakobiten waren, aber es gab keine jakobitische Freimaurerei. Nach einer anderen Version soll Jakob II. in SaintGermain den Distelorden gegründet und seinen Anhängern erteilt haben8’, woraus die Freimaurerlogen entstanden seien.

Vor diesem Hintergrund muss man die Legenden betrachten, die sich um Zusammenhänge zwischen Jakobiten und der Freimaurerei ranken. In England und Schottland war die Loyalität der Bevölkerung lange gespalten und viele hielten weiterhin der rechtmäßigen Dynastie die Treue; unter diesen gab es auch Freimaurer, z.B. Lord Kilmarnock”, Lord Derwentwater*’ oder der Duke of Wharton1'. Selbst der Bruder von Queen Annes Leibarzt Dr. John Arbuthnot war Freimaurer und in das jakobitische Komplott von 1722 verwickelt. Vor diesem Hintergrund muss man auch den Artikel II der „Alten Pflichten von 1723“ lesen („... der Maurer ist ein friedfertiger Untertan der bürgerlichen G ew alt,... muss sich nie in eine Meuterei oder Verschwörung einlassen ...“, „... sollte ein Bruder ein Empörer gegen den Staat sein, so muss er in seiner Empörung nicht bestärkt werden ...“ etc.), nämlich als eine Treueversicherung gegenüber der neuen Dynastie. Zahlreiche, besonders schottische Adlige waren dem gestürzten König Jakob ins Exil gefolgt und auch unter diesen gab es Freimaurer, z. B. Ramsay“”, Lord Winton1" u. a. Dass es aber eine stuartistische,, jakobitische“ Freimaurerei mit dem Ziel der Wiedereinsetzung der Dynastie gegeben haben soll, ist eine Legende. Charles Edward hat wiederholt erklärt, dass er nie Freimaurer gewesen sei. Die Erzählung, dass sich 1688 in der schottischen Garde Jakobs II., der „Royal Irish“, und im Regiment Dillon, die dem König ins Exil gefolgt waren, Freimaurerlogen gebildet hätten12' (und damit die ersten auf französischem Boden), ist unbelegt und das angebliche Patent ein zurückdatiertes jüngeres Dokument, wenn nicht überhaupt eine Fälschung. Jakobiten haben vereinzelt in Frankreich Logen gegründet, z. B. Barnwall of Tremblestone1” die Loge „Ecossais fidèles“ in Toulouse (aber erst 1747!), und eine wirkliche Jakobitenloge hat es wahrscheinlich nur in Rom gegeben. Die immer wieder angeführte Loge im Château d’Aubigny der Herzogin von Portsmouth, gegründet 1735 von Desaguliers und dem Duke of Richmond, welcher auch der englische Gesandte Waldegrave angehörte, war keineswegs eine jakobitische Loge, sondern eine reguläre Bauhütte der Großloge von London (auch wenn die damals 84-jährige Herzogin einst als Louise de Kéroualle die Mätresse König Karls II. gewesen war). Von allen diesen Legenden hat nichts Bestand.

Eine besonders abenteuerliche Version behauptet gar, dass sich die Freimaurerei nach der Hinrichtung Karls I. 1649 gebildet habe mit dem Ziel, seinen Tod zu rächen und mit Hilfe der Jesuiten die Monarchie wieder aufzurichten. Der erschlagene Hiram wird dann zum Symbol für Karl, dessen Söhne zu den „Söhnen der Witwe“ 14’.

Es ist merkwürdig, wie lange diese Legenden sich immer wieder gehalten haben. Noch 1925 hält Albert Lantoine'5’ und nach ihm 1982 Alec Mellor16’ die Existenz einer Stuart-Freimaurerei für wahrscheinlich, und 1989 glauben Baigent und Leigh17’ sogar, die jakobitische Maurerei sei der „mainstream“, die Hauptströmung, der sich aus der operativen zur spekulativen entwickelnden Maurerei gewesen, die Londoner Großloge dagegen nur ein unbedeutender Nebenfluss, beherrscht von hannoveranischer Spitzelfurcht.

Der Ecossisme wird heute als eine Verirrung der Freimaurerei aufgefasst. Er war gekennzeichnet durch eine verwirrende Vielfalt von Systemen und Graden, die sich in rascher Folge ablösten, deren pompöse Titel an die Eitelkeit appellierten, aber die innere Leere kaum verdecken konnten.

Die „schottische“ Hochgradfreimaurerei - ob jakobitisch oder nicht-jakobitisch - hat sich in den Vierzigerjahren des 18.Jahrhunderts mit einer weiteren Hochgradvariante verbunden, der Kreuzrittersymbolik, beruhend auf der Templerlegende. Zunächst handelte es sich lediglich um den Versuch, die Freimaurerei mit den Ritterorden der Kreuzzüge in Verbindung zu bringen. Soweit erkennbar, ist dieser Gedanke erstmals durch die berühmte Rede des Chevalier Ramsay "" in die Welt gesetzt worden. Später sollte sich daraus allerdings die Legende entwickeln, dass der Templerorden insgeheim fortbestanden habe und als Freimaurerei wieder ans Licht getreten sei. Schließlich entwickelte sich daraus sogar ein Programm, den Templerorden1*’ real wieder entstehen zu lassen.

Was hat Ramsay19’ tatsächlich gesagt ? Am angegebenen Datum, dem 21. März 1737, anlässlich einer Initiation in der Pariser Großloge, wurde diese Rede gar nicht gehalten20’. Ramsay war Katholik und Jakobit. Tage zuvor hatte er die Rede dem führenden Minister, Kardinal André Hercule de Fleury - der keine Sympathien für die Freimaurer hegte - zur Genehmigung vorgelegt; er befürchtete - mit Recht - sonst Maßnahmen der französischen Regierung, die Frieden mit England und keine Komplikationen mit dem Vatikan wollte. Tatsächlich erfolgte sogleich ein Verbot, und die geplante Versammlung musste abgesagt werden. Vier Monate später folgte ein - wirkungsloses - Verbot der Freimaurerei in Frankreich, und im folgenden Jahr kam die erste Anti-Freimaurerbulle des Papstes. Die Rede ist denn auch eine Abwehr, sorgfältig redigiert, und spart nicht mit Komplimenten an die Adresse Frankreichs und des Kardinals. Eine andere Fassung hat Ramsay aber schon am 27. Dezember 1736 vorgetragen. Später wurde sie handschriftlich und nach 1740 auch gedruckt in verschiedenen Varianten verbreitet. Doch wenn man die Rede liest, ist man überrascht: Ramsay spricht erst ganz allgemein von den Pflichten des Freimaurers und verkündet dann eine neue, damals revolutionäre These: „Die ganze Welt ist nichts als eine große Republik, von welcher jedes Volk eine Familie darstellt und jeder einzelne ein Kind ist. Wir erstreben die Wiedervereinigung aller Menschen von erleuchtetem Geiste...“ (Man hört die Stimme seines Lehrers Fénelon). „Unsere Gesellschaft wurde errichtet, um diese, sich aus dem Wesen der Menschen herleitenden Grundsätze wieder aufleben zu lassen und zu verbreiten... Wir wollen alle Menschen mit aufgeklärtem Sinn, höflichen Manieren und Klugheit vereinigen, nicht so sehr aus Liebe zu den schönen Künsten als vielmehr zu den Grundsätzen der Tugend, der Wissenschaft und Religion, wo die Prinzipien der Bruderschaft zu denjenigen des ganzen Menschengeschlechts werden sollen... Die religiösen Orden wurden geschaffen um gute Christen zu machen, die Ritterorden um nach echtem Ruhm zu streben und der Freimaurerorden um liebenswerte Menschen, gute Staatsbürger, gute Untertanen zu schaffen und gläubige Verehrer des Gottes der Liebe.“ Diese völkerverbindende Mission der Freimaurerei ist seine zentrale Aussage, eine Vision, die mehr als ein Jahrhundert freimaurerischer Geschichte vorwegnimmt. Als Vorläufer der Freimaurerei nimmt Ramsay dann kurzerhand Noah, Moses, Abraham, Salomo, Lykurg und Solon in Anspruch, den Isiskult und die eleusischen Mysterien, und überhaupt „alle, die den lebendigen Tempel des Allerhöchsten errichten wollen“. Dazu zählt Ramsay auch „unsere Vorfahren die Kreuzfahrer“: auch sie, eine internationale Gemeinschaft, wollten „alle Nationen zu einer Bruderschaft vereinigen“ (!). Er erwähnt dann die Johanniter und hält sie für den Ursprung der Johannislogen (!), aber er erwähnt nicht die Tempelritter. Er hat eine eigene Legende: nach dem Verlust des Heiligen Landes hätte Eduard I. die Kreuzritter nach England und Schottland zurückgeführt, wo sie überlebten und jetzt wieder nach Frankreich zurückkehren, „dem Vaterland aller Völker“. Mit diesem Kompliment an sein Gastland endet höflich Ramsay’s Rede.

Was bedeutet diese Rede? Zunächst eine kritiklose Geschichtsklitterung, wie sie im 18. Jahrhundert vielfach ohne Bedenken verfasst wurden; sie gleicht der ähnlichen romanhaften Herkunftslegende, die Anderson den „Alten Pflichten“ vorangestellt hat. Ramsay war ein hochgebildeter Mann und sicher kein Schwindler. Man muss seine Aufzählung in ihrem esoterischen Gehalt nehmen: sie wollte wohl nur ausdrücken, dass es freimaurerischen Geist zu allen Zeiten und in allen Völkern gegeben habe, so wie das später Lessing formuliert hat: „Die Freimaurerei ist nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas Notwendiges, was im Wesen des Menschen gegründet ist“ 21’. Aber halten wir fest: Ramsay ist nicht der Urheber der Rittersymbolik, seine Hauptaussage ist Kosmopolitismus. Die Kreuzritter erwähnt er nur am Rande, er hat keine Templerlegende begründet, keinen neuen Ritus geschaffen, er ist nie in diesem Sinne tätig geworden, er hat nur diesen Gedanken erstmals in die Diskussion geworfen. Schottische Maurerei gab es schon vor ihm und der eigentliche Erfinder der Templerlegende ist nicht Ramsay, sondern - wahrscheinlich - der Baron v. Hund. Es ist aber möglich, dass Ramsays Rede Anlass zur Schaffung des Grades des „Chevalier de l’Orient“ gegeben hat, der in Frankreich ab 1740 nachweisbar ist.22)


Regalia

Siehe auch

Links